KONTAKTE - Zweiunddreißig

Aufschreiber

Mitglied
Als Anh und Jenny am nächsten Morgen erwachten, fehlte ihnen jede Vorstellung davon, wie sie in ihr Zimmer - viel mehr noch - ihre Betten gelangt sein könnten. Sie fühlten sich seltsam erfrischt und ausgeruht, was irgendwie nicht zu den Ankündigungen für den "Tag danach" passte, die sie verschiedentlich gehört hatten.
"War ein schöner Abend, gestern - oder?" Das klang mehr nach einer Frage, als nach einer Reminiszenz.
"Ich denke schon." Anh blickte versonnen vor sich hin. Irgendwas war da gewesen. Und hatten sie nicht auch ... Tek'Enh ...? Ach, egal!

Der Butler, den es auch bei den Teloni gab, wo er allerdings "Ganh'te Ennan'Unh" genannt wurde, erinnerte die beiden Frauen: "In fünfundvierzig Zeiteinheiten beginnt die finale Abstimmung. Bitte bereiten sie sich darauf vor, sich in vierzig Zeiteinheiten im Saal einzufinden! Kontakterin Tei'Anh wird sie dorthin geleiten. Das Frühstück ist bereit, es wurde im kleinen Raum serviert."
Sie absolvierten die Morgenhygiene und nahmen an einem kleinen Tisch Platz, auf dem bereits der Kaffee duftete und eine Art Toast mit Fruchtgelee auf sie wartete. Sie kannten diese Speisen bereits und hatten sie schätzen gelernt. Die Telonische Diät war schmackhaft und erstaunlich sättigend, obwohl ihr alle tierischen Komponenten fehlten. Die Teloni waren nur in uralten, längst vergessenen Zeiten Allesfresser gewesen. Schon vor mehr als fünfundzwanzig Jahrtausenden hatte der Trend zur pflanzlichen Kost begonnen, zuerst die Mitglieder des Stammes der Unh zu begeistern.
Nun gut, eigentlich war es eher ein Sachzwang gewesen, weil die Tiere, die bis dahin einen Teil der Nahrung ausgemacht hatten, bei einer großen Umweltkatastrophe ausgestorben waren. Dennoch hatte sich dieser Umstand als segensreich erwiesen, denn der Anbau und die Verarbeitung der pflanzlichen Nahrung hatten der Entwicklung der Telonischen Intelligenz einen bedeutenden Schub gewährt.
Pflanzpläne, Düngemittel - Entwicklung, Entdeckung von Nutzungsmöglichkeiten - auch außerhalb der Ernährung, all das hatte den Unh bald eine exponierte Stellung eingebracht, als fortschrittlichste und bestorganisierte Familie im Telonischen Reich. Und es hatte die großen Telonischen Kriege entfacht, als die beiden anderen Stöcke, die Anh und die Enh, sich nicht damit abfinden wollten, von den technologisch und wissenschaftlich führenden Unh beherrscht zu werden.
Auch der Krieg hatte katalysierend gewirkt, denn im Rahmen der Rüstungsforschung war es den "zurückgebliebenen" Familien gelungen, eigene Erfindungen, Entdeckungen und Entwicklungen hervor zu bringen, die später Grundlage für die heutige Gesellschaft und Industrie in der "Unität der Planeten von Telon" bilden sollten.
Die beiden irdischen Frauen hatten bereits die Gedenkstätte mit den drei gigantischen Statuen besucht und atemlos vor diesen hoch detaillierten Kunstwerken gestanden.

Jetzt aber wurde es Zeit, sich auf den Weg zum Konferenzsaal zu machen. Just in dem Augenblick, in dem Jenny die Eingangstür öffnete, summte das Besuchersignal. Vor der Öffnung stand Tei'Anh und klickte ein Lachen, begleitet von der Geste für leichte Belustigung.
"Wow!", kicherte Jenny, "Das nenne ich Timing."
"Ich freue mich über eure Pünktlichkeit. Es ist auf Temoniq nicht üblich, sich zu verspäten - und ich gebe zu, dass ich, nach eurem gestrigen ... Umtrunk ..."
"Wir sind selbst ein bisschen überrascht, dass wir uns so wohl fühlen", gestand Jenny.
"Kann es sein, dass Tek'Enh gestern noch bei uns war - und dass er ..."
"Aha!", Tei'Anh machte die Geste umfassenden Verständnisses. "Nun ist mir alles klar. Wir verdanken es der Umsicht des Kapitäns, dass ihr heute schon wieder aufrecht steht. Sicher hat er euch die Präventiv - Präparate verabreicht."
Anh hatte einen Moment klarer Erinnerung. Natürlich! Der Kapitän hatte ihr irgendwas injiziert! - So war das also gewesen.
"Guter Mann, der Käpt'n", lobte sie.
"Durchaus", stimmte die Kontakterin zu.

Sie schlenderten durch die Gänge, die - obwohl unterirdisch - mit einer Art leuchtender Pflanze bewachsen waren. Kristalle unterschiedlicher Farbe und Schattierung reflektierten das Licht der Gewächse und schienen es dabei zu verstärken.
Die beiden Frauen bewunderten diese ökologische Weitsicht und die energetische Effizienz.

Es dauerte nicht lange, bis sie am Saal eintrafen. Tei'Anh wies sich aus, indem sie eine bestimmte Stelle ihres Hand - Beins vor einen Sensor hielt. Als sie es zurück zog, konnte man kurz ein schimmerndes Implantat erkennen, das wohl der Identifikation dienen musste.
Der große Saal war fast noch leer. Man fand beinahe ausschließlich Teloni darin, einige wenige Yemn'in rekelten sich in den Schalensitzen, die ihrer Anatomie angepasst worden waren. Von den Pr'aksi konnte man nur zwei oder drei entdecken, ein Umstand, der Tei'Anh zu belustigen schien.
"Es sieht so aus, als wäre es normal, wenn die Pr'aksi ..."
"Ja, das stimmt", unterbrach sie die Telona, "Es gibt zwei Gründe für dieses Verhalten. Die imperialen Pr'aksi halten sich für privilegiert, denn ihr Gemeinwesen ist in Form einer Diktatur mit strengen Regeln organisiert. Sie halten den ... Gemeinschafts - Ansatz der Teloni ebenso für unterlegen, wie die demokratische Struktur der Yemn'Inionischen Gesellschaft."
"Das ist uns bereits aufgefallen. Ich nehme an, dass die Pr'aksi durchaus ... kriegerische Tendenzen kennen?", fragte Jenny.
"Ja, das ist wahr." Die Telona zögerte einen Moment. "Ich muss zugeben, dass genau das der Grund ist, weshalb wir diese Rasse in das aktuelle Projekt integriert haben. Sie besitzen Schlachtschiffe und ein kleines, aber sehr effizientes Heer."
"Und der zweite Grund?", hakte Anh nach.
"Besteht darin, dass die Pr'aksi eine hierarchische, befehlsorientierte Gesellschaft haben, die allerdings für die Erfüllung von Aufgaben ... gewisse Toleranzen definiert. Ist also ein Termin für einen bestimmten Zeitpunkt anberaumt, so bedeutet das, dass die Teilnehmer zeitigstens in dem angegebenen Augenblick eintreffen, spätestens aber eine nicht fest definierte Anzahl Zeiteinheiten danach."
"Aber ist das nicht ein Widerspruch? Ich meine, einerseits gibt es diese starre Hierarchie, ein Militär, das ja sicher auf genaue Befehle angewiesen ist ..."
"Ja, es ist - für uns und vielleicht auch euch - ein wenig eigenartig. Aber an dieser Stelle setzt die Pr'aksische Arroganz ein. Sie haben es nicht nötig, sich den Gewohnheiten anderer Rassen anzupassen. Hinzu kommt, dass - soweit ich weiß - das Militär intern sehr wohl sekundengenau reagiert, was bedeutet, dass diese Nachlässigkeit nur in Politik und Zivilgesellschaft akzeptiert wird."

Sie betraten das zentral gelegene Podium und nahmen auf ihren angestammten Sitzen Platz und beobachteten in aller Ruhe das Eintreffen der restlichen Teilnehmer.

* * *

Vier Tage nach dem Besuch des Konzertes tauchte Marika wieder auf Arbeit auf. Sie grüßte alle Mitarbeiter, deren Arbeitsplätze sie passierte, freundlich, was eine allgemeine Verwunderung auslöste. So hatte sie noch niemand erlebt.
Nur Damian kannte die Hintergründe und grinste verschmitzt vor sich hin.

Marika verschwand in ihrem Labor und tauchte kurz darauf an seinem Arbeitsplatz auf. Sie lächelte - ein bisschen verschämt - und fragte:
"Wie sieht es denn bei Oove und seiner Truppe aus? Irgendwelche Erfolge?"
Damian schaute zu ihr auf und machte ein erstauntes Gesicht. "Sag mal, hast du einen Schminkkurs gemacht?"
Sie errötete heftig, strich sich eine Strähne ihres kräftigen schwarzen Haares aus dem Gesicht und erwiderte, so leise, dass nur er es hören konnte:
"Nein, hab mich nur ein bisschen ... belesen. Gefällt es dir?"
Er drehte seinen Sitz so, dass er sie komplett betrachten konnte.
"Ja", schmunzelte er dann, "Das kann sich sehen lassen."

"Es gibt ... Fortschritte", setzte er hinzu. "Soweit die 'Oovianer' zu erkennen glauben, muss das Ding entweder mit einem Pr'aksischen Frachter oder einem freien Händler zu uns gelangt sein. Mit einem Schiff, das sich weit hinter die Grenzen des für die Menschheit erreichbaren Raumes gewagt hat. Sie haben einen Zeitraum ausgemacht, in dem es in verschiedenen Systemmodulen ähnliche Störungen gegeben hat, wie wir sie beim Auftreten der ... "Zrrgll" - Entität, diesen Namen scheint das Ding für sich selbst zu verwenden, feststellen konnten."
"Ok", erwiderte Marika mit großen Augen, "Aber wieso nur diese Schiffe? Gab es keinen anderen Verkehr, in dieser Zeit?"
"Doch. Aber die Effekte traten nur im Fernfracht - Bereich auf. Das heißt, dass unser Besucher entweder sehr lange unauffindbar versteckt war - oder dass er mit einem der interstellaren Schiffe hier angekommen ist."
 



 
Oben Unten