Kopfschmerzvillanelle

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Und wieder bohrt sich Schmerz in meinen Kopf;
sitzt tief und fest hinter den Augenbrauen!
Was bin ich doch nur für ein armer Tropf!

Laut pocht es hinter Schläfen: klopf, klopf, klopf!
Ich kann noch nicht einmal gerade schauen!
Und wieder bohrt sich Schmerz in meinen Kopf...

Ich brauch den Kopfschmerz ähnlich wie den Kropf!
Find viel zu oft mich fest in seinen Klauen.
Was bin ich doch nur für ein armer Tropf!

Nichts hilft, was an Arznei ich in mich stopf,
auch Ärzten kann und will ich nicht mehr trauen!
Und wieder bohrt sich Schmerz in meinen Kopf.

Hab alles schon versucht, was mir im Topf
so mancher Quacksalber versprach zu brauen.
Was bin ich doch nur für ein armer Tropf!

Mir scheint, es sind verloren Malz und Hopf
(grad windet mein Gehirn sich voller Grauen).
Und wieder bohrt sich Schmerz in meinen Kopf -
was bin ich doch nur für ein armer Tropf!





.jan_2023
 

sufnus

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Hey Fee!
Sehr nice, wie Du hier - trotz gleichem Grundmetrum - einen im Vergleich zur Düsterhausvillanelle ganz andersgearteten Rhythmus angschlägst, ich glaube, die Arme-Tropf-Zeile mit ihren 7 hintereinandergereihten, wahrhaftig pochenden Einsilbern gibt hier die Richtung vor. :)
Und ja Malz & Hopf gefallen mir auch besonders gut! :)
LG!
S.
 

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ich glaube, die Arme-Tropf-Zeile mit ihren 7 hintereinandergereihten, wahrhaftig pochenden Einsilbern gibt hier die Richtung vor.
:) Danke recht herzlich, lieber sufnus!

Ja, die Challenge, möglichst Reime auf "Tropf" zu finden, war das, was mich von meinen Kopfschmerzen ganz gut ablenken konnte für eine Weile (leider ist dieser Text in Zügen autobiographischer Natur, wenn auch mit einem gehörigen Schuss Galgenhumor...anders geht's schon mal gaaaar nich!). :cool:
Beim Schreiben und Wiederholen der "-opf"-Endung hatte ich seit langem wieder einmal dieses Gefühl, das man manchmal bekommt, wenn man ein Wort wieder und wieder laut ausspricht - es wird ein total schräger "Klanghaufen" irgendwie und verliert seine Bedeutung auf einmal völlig (etwas, das ich als Kind oft und gern gemacht habe (bevorzugt während unendlich langweiliger Unterrichtsstunden. Dann in Gedanken natürlich ;) ). "Woche" war eins meiner Favoriten-Wörter für diese Übung ;) ).

Und "Malz und Hopf" sieht gar nicht nach der "Notlösung" aus, die es eigentlich war, oder? *grins

Dank dir recht artig für die vielen Sterne! Dass die Villanelle auch klanglich ganz leger daherkommen kann, macht mir die Form umso sympathischer. Das geht mir aber auch bei Sonnetten so, wenn sie sehr nah an natürlicher Sprache liegen und dennoch metrisch passgenau sitzen. Da bin ich immer sehr beeindruckt und freu mich, wenn eine alte Form es in die Jetztzeit schafft.

LG,
fee
 

James Blond

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Da hast du dir eine schöne Form gesucht, in die du deinen Kopfschmerz eingefüllt hast, liebe Fee. :)

Ein wenig erinnert mich dein schließender Vers " Was bin ich doch nur für ein armer Tropf! " an einen Selbstmitleidigen, der sich damit auf die ironische Schippe nimmt. Überhaupt hat die Villanelle (, von Thomas Dylan einmal abgesehen) für mich stets etwas Lustiges, das mag an dem abwechselnden Refrain und den dazwischen gestapelten Reimen liegen, in denen sich ein ständiges Hin und Her ausdrückt. Und auch du scheinst dich hier um eine lustige Wirkung zu bemühen, so als wolltest du damit dem üblen Kopfschmerz die Macht nehmen. Darauf deuten mir zumindest die Anfangsverse jeder Strophe hin.

Konträr zur komischen Wirkung steht jedoch jeder mittlere Vers der Terzette, der die Dinge sehr ernsthaft anspricht:
"sitzt tief und fest hinter den Augenbrauen/ Ich kann noch nicht einmal gerade schauen/ Find viel zu oft mich fest in seinen Klauen/ auch Ärzten kann und will ich nicht mehr trauen/ so mancher Quacksalber versprach zu brauen/ grad windet mein Gehirn sich voller Grauen "

Das macht die Wirkung sehr ambivalent. Es scheint mir so, als wolltest du dem Kopfschmerz humorvoll den Stachel nehmen, aber es gelingt dir verständlicherweise nicht, denn Kopfschmerzen sind nie witzig und man kann sich auch nicht darüber hinweg setzen. Leider.

Liebe Grüße und dem LyrIch gute Besserung ;)
JB
 

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Ein wenig erinnert mich dein schließender Vers " Was bin ich doch nur für ein armer Tropf! " an einen Selbstmitleidigen, der sich damit auf die ironische Schippe nimmt.
Genau so ist der Text auch gemeint, JB.

Konträr zur komischen Wirkung steht jedoch jeder mittlere Vers der Terzette, der die Dinge sehr ernsthaft anspricht:
Und auch das ist gewollt. Galgenhumor entwickelt sich nun mal vorzugsweise da, wo die Lage tatsächlich ernst ist. Ich sehe da absolut nichts Widersprüchliches oder weniger Gelungenes darin. Die Ambivalenz ist ja dabei genau das Thema. Warum sollte das Gedicht ausschließlich nur humorig sein? Um den Leser nicht unangenehm zu berühren?

Danke auf jeden Fall für die guten Besserungswünsche. Die nehm ich doch gern. ;)

fee
 

James Blond

Mitglied
Die Ambivalenz ist ja dabei genau das Thema
Schon klar. Allerdings passt die Ironie des Selbstmitleids nicht besonders gut zur Art des Leidens, wie ich meine.

Glücklicherweise verspüre ich so gut wie nie einen Kopfschmerz, aber wenn ich Menschen erlebe, die chronisch darunter zu leiden haben, fällt es mir schwer, ihr Leiden aus einem humorvollen Blickwinkel heraus zu betrachten. Insofern wagt sich dein Text in entlegenere Bereiche, aber es gelingt ihm nicht, mich zu überzeugen. Ich sehe ein Lyrisches Ich, dass daran scheitert, daran scheitern muss, sich mit seinem Leiden selbst auf die Schippe zu nehmen, dem es aber auch nicht gelingt, mich etwas von der Schwere dieser Erkrankung fühlen zu lassen.

Ich hoffe, dass ich mich verständlich machen konnte. :)

Liebe Grüße
JB
 

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Allerdings passt die Ironie des Selbstmitleids nicht besonders gut zur Art des Leidens, wie ich meine.

Glücklicherweise verspüre ich so gut wie nie einen Kopfschmerz, aber wenn ich Menschen erlebe, die chronisch darunter zu leiden haben, fällt es mir schwer, ihr Leiden aus einem humorvollen Blickwinkel heraus zu betrachten. Insofern wagt sich dein Text in entlegenere Bereiche, aber es gelingt ihm nicht, mich zu überzeugen. Ich sehe ein Lyrisches Ich, dass daran scheitert, daran scheitern muss, sich mit seinem Leiden selbst auf die Schippe zu nehmen, dem es aber auch nicht gelingt, mich etwas von der Schwere dieser Erkrankung fühlen zu lassen.

Das Scheitern ist Teil des Gedichtes, JB,

denn damit hast du logischerweise recht. Und ich freue mich aufrichtig für dich, dass du mit chronischem (Kopf)schmerz keine Erfahrungen hast.

Dass mein Text zum Teil (Übertreibungen wie Quacksalber und andere Details im Gedicht jetzt mal ausgenommen) autobiographischer Natur ist, habe ich weiter oben schon erwähnt, also brauchen wir nicht per LyrIch um den heißen Brei herumreden, denn das hast du sicher auch mitbekommen (und warum sonst sollte ich so einen Text schreiben?).
Ich finde es offen gesagt reichlich vermessen und auch übergriffig , mir als der Betroffenen (oder einem von Leiden Betroffenen generell) vorschreiben zu wollen bzw. nicht abnehmen zu wollen, wie man mit seinem Leiden umgeht und wo man ihm glaubhaft mit Ironie begegnen kann oder darf und wo nicht (du wirst verstehen, wenn ich das hier ausnahmsweise ein wenig persönlich nehme, aber ich frage mich, ob du über andere, die mit Leiden kämpfen und dies galgenhumorig präsentieren, auch so denkst).

Genau das Ziel, niemanden (auch einen selbst nicht) etwas von der Schwere der Erkrankung fühlen zu lassen, ist es doch, das sich hier im Text abbildet. Weil man eben einen Weg für sich finden muss, wie man die Schwere auf Distanz hält (auch, wenn es natürlich in Wirklichkeit nicht so vollendet gelingt, wie man sich das gerne vormachen möchte). Denn wenn diese erst einmal die Oberhand hat, fällt man in ein tiefes Loch und dann wären wir bei dem wirklich heftigen Leiden an der Schwere, das du so gerne nachfühlen können möchtest, wenn ich dich richtig verstehe. Damit werde und kann ich aber leider (aus reinem Selbstschutz) nicht dienen und ich denke, du verstehst auch, warum. Und "etwas" (im Sinne von ein bisschen) geht doch gar nicht. Da geht eben nur alles oder möglichst nichts. Und glaub mir - ein "Das-ganze-Leid"-Gedicht wollen weder du noch ich lesen (oder schreiben).

DASS ein humorvoller Blickwinkel überhaupt noch möglich ist, sollte dir als "außenstehendem Beobachter Leidender" doch eigentlich Beruhigung verschaffen, denn es zeigt, dass die meisten Leidenden für sich Strategien finden, mit denen ihr Leid erträglicher wird. Stattdessen beschwerst du dich, dass (im Gedicht) nicht ausreichend gelitten wird um dich zu überzeugen.

Ich rate dir deinen Standpunkt hier einmal gründlich zu überdenken. Wo Galgenhumor im Zusammenhang mit Leiden (welcher Art auch immer) erkennbar wird, zeigt doch dieser alleine schon an, dass da ein Kampf geführt wird. Da braucht es nicht einen Zuseher von außen, der ausführt, dass dieser Kampf ohnehin nie zu gewinnen sein kann. Das wissen die Betroffenen schon selbst. Sie wissen aber auch, welchen Halt die Selbstironie und der Galgenhumor ihnen geben.

Vielleicht helfen dir diese, meine, Ausführungen ja ein wenig weiter auf deinem Weg zu einem besseren Verständnis.

LG,
fee
 
Zuletzt bearbeitet:

James Blond

Mitglied
Liebe Fee,
ich denke nicht, dass ich "übergriffig" geworden bin, als ich dir mitzuteilen versuchte, wie dein Gedicht auf mich wirkte.

Es ging mir lediglich um ein Feedback zu einem Gedicht und nicht um die Bewertung eines persönlichen Schicksals und des angemessenen Umgangs damit. Ich wollte dir nur sagen, dass das, was du bezwecktest, bei mir etwas anders ankam. Das Gedicht überzeugt mich nun mal nicht. Es wirkt auf mich einerseits vorsätzlich komisch und lässt dabei zugleich eine große Verzweiflung durchscheinen. Diese beiden Seiten verbinden sich aber nicht zu einem Ganzen, es entsteht eine hybride Mischung, die beim Lesen stets hin und her kippt. Das ist aber nur meine Rückmeldung und kein überdenkenswerter Standpunkt. Ob und wie man diese Ambivalenz goutiert oder nicht, bleibt dem Leser überlassen.

Ich will jetzt auch gar nichts weiter dazu sagen. Eigentlich will ich jetzt gar nichts mehr sagen.

Viele Grüße
JB
 



 
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