2am
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Wenn ich das Laub sehe, denke ich, eigentlich ist das alles nicht so schlimm.
Es raschelt, wenn man einen Fuß vor den anderen setzt. Und man weiß nie, was sich darunter verbirgt. Es könnte grauer Asphalt sein oder ein hellblauer Schnuller, der einer jungen Mutter beim routinierten Griff in die Kekspackung aus dem Kinderwagen gefallen ist oder eine Socke. Man findet oft Socken. Eigentlich findet man immer nur eine Socke. Keine Ahnung, wie einem sowas passiert.
Ich setze zu einem Sprung an. Der rotbraune Blätterhaufen vor mir weckt das lange verlorengegangene Kind. Ich mache es doch nicht. Als ich vor kurzem mir meiner Familie unterwegs war, bin ich in die Blätter gesprungen, und zwar mit Überzeugung. Ich habe mich richtig angestrengt jegliche vom Hausmeister mühsam geschaffene Ordnung zu vernichten. Dann meinte mein Bruder lachend: „Was, wenn da jetzt ein Igel drinnen gewesen wäre?“ Nein, nein, nein, oh mein Gott, Fuck, habe ich dann in etwa gedacht und bin panisch zur Seite gesprungen. Deswegen bewundere ich jetzt lieber stumm und vermute unter jedem Blatt einen Igel. So viel Laub wie hier liegt- das müssen verdammt viele sein. Verdammt viele.
Es ist mittlerweile kalt geworden, aber der Himmel ist blau, fast unnatürlich blau, und die Sonne lässt mich die Augen zukneifen, sodass ich alles nur verschwommen wahrnehme. Ich laufe schon seit Stunden. Früher habe ich nie verstanden, warum Leute das tun. Wenn meine Eltern wissen wollten, ob ich mitkomme, meinte ich nur: „Das ist doch wie freiwillig Mathe machen.“ Und jetzt laufe ich hier rum wie eine Irre, im Kreis, weil es so kein eindeutiges Ende gibt. Ich habe mehrere Runden hinter mir, da gibt es keinen besonders guten Grund mehr abzubrechen.
Man könnte jetzt fragen: „Warum?“. Ich glaube, es gibt zwei Gründe. Erstens heißt laufen, dass man nicht stehenbleibt. Einmal stehen bleiben bedeutet möglicherweise ein zweites Mal stehen bleiben und dann, möglicherweise, ist das Laufen nichts als eine vage Fantasie, von der man lieber träumt als sie ernst zu nehmen. Und zweitens beobachte ich.
Eine Familie, die zum ersten Mal einen Drachen steigen lässt, zwei posierende Mädchen, sie versuchen ein Fotoshooting, ein Mann auf einem Fahrrad, der offenbar auf dem Weg nach Hause ist, ein kleiner Junge, der seinem Vater einen Fußball zurückrollt, eine Frau, die auf der Wiese liegt und gedankenverloren den Wolken dabei zusieht, wie sie hinter den Baumkronen verschwinden und dann wieder auftauchen. Die Liste ist endlos. Immer wenn ich laufe, sehe ich sie. Glückliche, nachdenkliche, verlorene Menschen. Es lässt mich nicht los, dass jeder von ihnen eine neue Geschichte lebt. Eine Geschichte, die zu meiner wird.
Langsam wird es dunkel. Du solltest zurückgehen, denke ich. Also gehe ich zurück, liege zitternd im Bett und träume vom Laufen und von Igeln, die mich beobachten.
Es raschelt, wenn man einen Fuß vor den anderen setzt. Und man weiß nie, was sich darunter verbirgt. Es könnte grauer Asphalt sein oder ein hellblauer Schnuller, der einer jungen Mutter beim routinierten Griff in die Kekspackung aus dem Kinderwagen gefallen ist oder eine Socke. Man findet oft Socken. Eigentlich findet man immer nur eine Socke. Keine Ahnung, wie einem sowas passiert.
Ich setze zu einem Sprung an. Der rotbraune Blätterhaufen vor mir weckt das lange verlorengegangene Kind. Ich mache es doch nicht. Als ich vor kurzem mir meiner Familie unterwegs war, bin ich in die Blätter gesprungen, und zwar mit Überzeugung. Ich habe mich richtig angestrengt jegliche vom Hausmeister mühsam geschaffene Ordnung zu vernichten. Dann meinte mein Bruder lachend: „Was, wenn da jetzt ein Igel drinnen gewesen wäre?“ Nein, nein, nein, oh mein Gott, Fuck, habe ich dann in etwa gedacht und bin panisch zur Seite gesprungen. Deswegen bewundere ich jetzt lieber stumm und vermute unter jedem Blatt einen Igel. So viel Laub wie hier liegt- das müssen verdammt viele sein. Verdammt viele.
Es ist mittlerweile kalt geworden, aber der Himmel ist blau, fast unnatürlich blau, und die Sonne lässt mich die Augen zukneifen, sodass ich alles nur verschwommen wahrnehme. Ich laufe schon seit Stunden. Früher habe ich nie verstanden, warum Leute das tun. Wenn meine Eltern wissen wollten, ob ich mitkomme, meinte ich nur: „Das ist doch wie freiwillig Mathe machen.“ Und jetzt laufe ich hier rum wie eine Irre, im Kreis, weil es so kein eindeutiges Ende gibt. Ich habe mehrere Runden hinter mir, da gibt es keinen besonders guten Grund mehr abzubrechen.
Man könnte jetzt fragen: „Warum?“. Ich glaube, es gibt zwei Gründe. Erstens heißt laufen, dass man nicht stehenbleibt. Einmal stehen bleiben bedeutet möglicherweise ein zweites Mal stehen bleiben und dann, möglicherweise, ist das Laufen nichts als eine vage Fantasie, von der man lieber träumt als sie ernst zu nehmen. Und zweitens beobachte ich.
Eine Familie, die zum ersten Mal einen Drachen steigen lässt, zwei posierende Mädchen, sie versuchen ein Fotoshooting, ein Mann auf einem Fahrrad, der offenbar auf dem Weg nach Hause ist, ein kleiner Junge, der seinem Vater einen Fußball zurückrollt, eine Frau, die auf der Wiese liegt und gedankenverloren den Wolken dabei zusieht, wie sie hinter den Baumkronen verschwinden und dann wieder auftauchen. Die Liste ist endlos. Immer wenn ich laufe, sehe ich sie. Glückliche, nachdenkliche, verlorene Menschen. Es lässt mich nicht los, dass jeder von ihnen eine neue Geschichte lebt. Eine Geschichte, die zu meiner wird.
Langsam wird es dunkel. Du solltest zurückgehen, denke ich. Also gehe ich zurück, liege zitternd im Bett und träume vom Laufen und von Igeln, die mich beobachten.
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