Lass dich fallen. Lass dich los.

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Ava L. Ries

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Die Kieselsteine knirschen unter deinen Schuhsohlen und die Sonne wärmt dein Gesicht. Die Bäume um dich herum wiegen sich im Wind und die leichte Brise weht durch dein Haar. Die Luft ist angenehm und riecht ein bisschen nach Frühling. Am Wegesrand wachsen schon die ersten Blumen, strecken ihre kleinen Köpfe der Sonne entgegen.
Alles um dich herum wirkt so warm und weich, als könntest du den kalten Winter endlich hinter dir lassen. Aber dein Herz, ganz tief in deiner Brust, ist immer noch bedeckt mit den eisigen Erinnerungen der letzten Monate.

Der Weg, den du gehst, scheint unendlich lang, aber du hast dich mit Absicht für diese Route entschieden; weil du das gerade brauchst. Einen langen Weg, der nur geradeaus führt, ohne Ziel und ohne tieferen Sinn.
Neben dir plötzlich das Rauschen eines Baches. Das Wasser fließt schnell und stößt gegen ein paar große Steine. Das Plätschern beruhigt dich, es gibt dir Halt und auch ein Stückchen Sicherheit. Die Vögel in den Bäumen zwitschern ein fröhliches Lied, welches auch dich glücklich stimmt. Die Natur kann so schön und beruhigend sein. Doch tief in dir drin, da ist etwas kaputt und du fragst dich, ob es jemals wieder ganz sein wird.

Der Boden unter deinen Füßen ändert sich, wird zu Staub. Langsam, aber sicher näherst du dich dem Ende deiner Reise. Du merkst, wie deine Schritte immer kleiner und deine Beine immer langsamer werden. Das Rauschen des Baches neben dir wird plötzlich immer lauter und du fragst dich, woran das liegt.
Die Stimmen der Vögel werden verschluckt durch ein raues, lautes Platschen. Es klingt fast so, als würden sich Wellen an riesigen Felsen brechen.
Und auf einmal siehst du das weite und offene Meer vor dir. Es breitet sich aus wie der große blaue Teppich deines Opas, den du schon als Kind immer bewundert hast. Die Luft hier draußen ist von Salz und Iod getränkt, die Sonne strahlt dir immer noch warm ins Gesicht.
Vor dir liegt Sand, unter deinen Füßen knirscht er leise und deine Schritte werden immer schneller, immer aufgeregter. Du läufst los, direkt aufs Wasser zu.

Deine Augen sind geschlossen, deine Arme gegen den Wind gestreckt und auf einmal berühren deine Knöchel das kalte Meer. Aber das ist dir noch lange nicht genug, denn du läufst weiter; so weit, bis dein Bauch die Wasseroberfläche durchdringt. Dein Gesicht streckst du der Sonne entgegen und mit den Händen berührst du den kalten, angenehmen Ozean.
Das Rauschen der Wellen ist nun ganz laut und erfüllt deinen gesamten Körper mit Leben. Du spürst, wie er unter dir zu beben beginnt.
Das Vogelgezwitscher wurde durch Möwengeschrei getauscht und deine Gedanken beginnen, endlich wieder frei zu sein.
Salz auf deinen Lippen, das von den Tränen kommt, die dir über deine Wangen laufen.
Du vermisst sie, das weiß ich, aber ich verspreche dir, dass es wieder gut wird. Und morgen wirst du wieder hierherkommen und deine Lippen wird ein Lächeln zieren, das weiß ich.

Die Wärme der Sonne auf deiner Haut, der kühle Geruch des Meeres um dich herum und das Geschrei der Wasservögel. All das lässt dich erinnern und es lässt dich los.

Lass dich fallen, lass dich los.
Mit dem Kopf ins Wasser und ...
 



 
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