Leben im Eimer

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He de Be

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Wenn du geworfen worden bist in einen großen Topf, den Eimer des Lebens, so wie in Venedig von der Hinterseite, was dann? Dann ein paar Geschichten.


Bekannte Geschichte:
Frosch fällt in einen Kübel Milch. (Anmerkung 1: Das war noch zu Zeiten als es sowohl noch Häuser gab, in denen kübelweise Milch stand, als auch Frösche in deren Nähe, denen ein solcher Unfall schon mal passieren konnte. Heutzutage sehen Froschgefahren anders aus: Entweder fällt ein Ochsenfrosch in einen Teich voller Frösche oder ein kleiner Frosch.. )
Aber zurück zur altbekannten Geschichte:
Der Frosch fällt in den Eimer und fängt natürlich sofort an, wie wild zu rudern und zu strampeln, und das so lange, bis er schließlich festen Boden unter den Füßen hat, weil aus der Milch Butter geworden ist. Jetzt kann er aus dem Butterfass heraus springen.
Moral von der Geschicht: Man muss nur ordentlich reinbuttern, wenn man in einen Kübel Milch fällt. Klar doch, oder? Klar wie Rosas Kloßbrühe.


Unbekannte Geschichte:
Frosch fällt in einen Eimer Wasser statt in den Kübel Milch. Sofort denkt er: Hey, das ist doch nur Wasser hier, da wird nichts draus, schon gar nicht Butter; am besten ist, ich lass mich noch ein bisschen treiben, bis ich absaufe. Dann aber fängt er doch an, zu strampeln, denn so einfach ist das nun mal nicht mit dem Sich-einfach-so-mal-absaufen lassen, man muss schon ganz schön schlucken können dafür, noch mehr als beim Einfach-mal-sich-vollaufen-lassen. Ich fürchte sogar, dass es fast genauso schwer ist, wie sich selbst an den eigenen Haaren aus dem Wasser herauszuziehen, erst recht, wenn man ein Frosch ist und gar keine Haare hat. Also was macht Frosch? Strampelt und strampelt, bis er zuletzt doch untergeht? Nicht ganz. Strampelt, lässt sich treiben, strampelt wieder ein bisschen, wartet ab, strampelt wieder, kurz: Macht rum, bis er absäuft.
Moral von der Geschicht': Schwimmen im Eimer voll Wasser führt zu Tod durch Untergang.


Weitere Geschichte:
Frosch ist in einen Eimer Wasser geworfen worden. Natürlich nicht von einem anderen Frosch, sondern etwas viel Größerem und Mächtigerem, einem Menschen zum Beispiel.
Glücklicherweise kommt ein anderer Mensch vorbei, der den Frosch im Wassereimer sieht, und sogleich bereit, willens und in der Lage ist, ihn daraus zu befreien.
Moral von der Geschicht': In einen Eimer Wasser geworfen zu werden, kann jedem Frosch passieren. Wenn es außer dem Hineinwerfer auch noch einen Herauszieher gibt, hat Frosch Glück gehabt.


Noch weitere Geschichte:
Mensch zwei, das andere menschliche Wesen, befreit Frosch aus dem Wassereimer – allerdings nur, weil es ihn zubereiten und verspeisen will. Aus diesem Grund nimmt es den Frosch und wirft ihn in einen anderen Topf, der schon auf dem Herd steht mit beinah kochend heißem Wasser drin. Das tut weh! Aber was tut Frosch?! Der fällt in das heiße Wasser und macht sofort, dass er da wieder weg kommt, tut also einen großen Sprung nach vorne und ist fein raus.
Moral von der Geschicht': Ein Frosch merkt gleich, wenn etwas mit der Temperatur nicht stimmt.


Weitere Fortsetzung der weiteren Geschichte:
Nun ist Mensch aber auch nicht blöd. Nimmt sich des Frosches wieder an, fängt ihn also wieder ein, und hat inzwischen dazu gelernt, dass Frosch in kaltem Wasser schwimmen bleibt, in heißem aber gleich das Springen anfängt. Daher nun wohl wissend, dass Frosch kalt aufgesetzt gehört, wirft er ihn in den Topf mit kaltem Wasser und macht ihm dann erst Feuer unterm Hintern. Armer Frosch. Verhält sich wie der Frosch in der Geschichte Nummer zwei, lässt sich also treiben, strampelt ein bisschen, spürt, wie das Wasser immer wärmer wird, findet nichts dabei, schwimmt, leidet dann, und ist bald tot.
Moral von der Geschicht': Frosch freut sich manchmal viel zu früh, wenn Wasser nicht zu heiß ist.


Neue Geschichte.
Es waren einmal zwei Frösche. Der eine sprang in einen Eimer Milch und der andere in einen Eimer Wasser. Der Frosch in der Milch strampelte und strampelte, bis er irgendwann auf einem Berg Butter saß und aus dem Eimer heraus hüpfen konnte. Der Frosch in dem Eimer Wasser strampelte und strampelte, bis er absoff.
Moral: Bevor du in einen Eimer springst, sieh nach, ob Wasser drin ist oder Milch.


Noch neuere Geschichte:
Zwei Frösche springen in zwei Eimer. Der eine ruft dem anderen aus seinem Behältnis zu: Haha, hier drin ist Wasser, wie ich es dir gesagt habe. Feinstes Leckerwasser, wie am Teich von Monte Froscho! Aber du musst ja alles immer besser wissen! Der andere Frosch ärgert sich und fühlt sich gar nicht wohl in dieser Brühe, igitt! Milch hat er noch nie gemocht, ein Drüsensekret, eklig, wie der Schweiß auf deiner Haut, und er schüttelt sich und strampelt, was das Zeug hält, solange, bis das Zeug hält und er den Sprung hinaus schafft. Puh, ruft er nun dem anderen Frosch in dem anderen Eimer zu, das war hart! Aber der hört nichts mehr, der ist tot, so lange unter Wasser, und antwortet deshalb auch nicht. Daraufhin springt Frosch Nummer zwei, der, der es gerade aus dem anderen Eimer mit der Milch heraus geschafft hat, ihm hinterher, nur um zu wissen, warum erster Frosch nicht antwortet.
Moral von der Geschicht': Wenn einer keine Antwort gibt, spring nicht hinterher, um nach: "Warum?" zu fragen.


Die Unmoral von all den Froschgeschichten:
Kein Frosch hat je gewusst, was drin ist in dem Eimer, ob er nun rein geworfen wurde oder weshalb auch immer rein gesprungen oder gefallen sein soll. Und meistens ist ein Frosch im Eimer Wasser ganz auf sich allein gestellt. Von unten keine Butter, von oben keine Menschenseele. Auch Affe, Pferd oder Elefant sind meilenweit entfernt. Haha, wirst Du schlauer Leser jetzt vielleicht sagen, wie soll ein Pferd denn auch den Frosch aus einem Eimer ziehen?! Haha! Soll es doch gar nicht. Ist viel einfacher. Pferd steckt Maul in Eimer, trinkt das Wasser, Frosch springt raus. Na bitte! Aber Pferd ist wie gesagt ja auch keines in der Nähe, hatte ich gesagt. Pferde sind ja nie zur Stelle, wenn man sie braucht. Frosch im Eimer muss also mit allem rechnen, das heißt in diesem Fall: Mit nichts. Mit nichts und niemandem, auf den er zählen kann. Und gehen wir noch weiter davon aus, dass Frosch das nun auch weiß, er ist ja nicht blöd, nein wirklich. Ganz dumm ist er nun auch wieder nicht, er weiß, dass es sich hier doch nur um Wasser handelt, um nichts als Wasser, in dem er schwimmt – und nicht um Milch -, er weiß, dass diese Strampeltechnik doch nur funktioniert mit Milch, und er weiß auch, dass dieses Wasser nicht sehr froschgerecht ist, ja, dass es nur ein Eimer Wasser ist, zu wenig, um ein Ufer drum herum zu haben, zu viel, um nicht unterzugehen, und dass es nichts und niemanden geben wird, das oder der ihn da rausholt und ihn rettete, geschweige denn, noch extra herbeigelaufen käme, um das zu tun.

Wenn Frosch dann trotzdem weiter strampelt, trotz dieses Wissens weiter strampelt, ganz so als ob er dieser Superfrosch aus der Geschichte Nummer eins sei, der Strampelfrosch in der Milch, der es dann dank seiner Strampelei schafft, sich aus dem Eimer zu befreien?!

Ist er dann nicht bescheuert? Zwar nicht an sich blöd, denn im Prinzip ist er ein wirklich kluger Frosch, kein ganz gewöhnlich dummer, denn er weiß sehr wohl, was Wasser ist.
Unser Frosch hier kennt den Unterschied zwischen Wasser und Milch und kennt sogar den zwischen Menschen, Affen, Pferden oder Elefanten. Nein, ein Dummer ist er nicht, unser Frosch, der da im Topf gelandet ist, schlimmer noch, im Eimer. Er ist ein echter Besserwisserfrosch, ein noch-mal-besser-wisser-Frosch. Einer, der weiß und weiß, dass Wissen nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Ein gar nicht gar so dummer Frosch. Ein Frosch, der weiter denkt und strampelt, ein weiter-denk-und-strampel-Frosch. Ein weiter-denk-ich-also-strampel-ich-auch-weiter-Frosch. Ein Über-Frosch.

Natürlich ist es dann gar nicht er selbst, der sich am Strampeln hält, nein, er lässt strampeln - und das so lange, bis er sich schließlich in Trance gestrampelt hat und gar nicht mehr denken, machen oder anderes kann, während er da strampelt, schon gar nicht noch einmal etwas daran ändern. Je länger er im Eimer strampelt, desto mehr gerät er außer sich. Und nur das unendlich große Irgendwas, irgend etwas, das er gar nicht nicht denken kann, schon gar nicht daran denken, lässt ihn weiter strampeln. Er kann es weder fassen noch benennen, es hat ihn einfach nur gepackt, von ihm Besitz ergriffen, und lässt ihn strampeln, einfach weiter strampeln - was anderes kennt er jetzt nicht mehr – nicht einmal, was dann kommt, wenn es sich ausgestrampelt hat mit unserm Frosch‚ was dann?!

Dann ist Frosch tot. Das hätte Frosch doch früher haben können, oder?! Ganz ohne strampeln. Sagte ich doch schon. Was ich noch nicht gesagt habe, ist, dass Strampeln wohl mehr Spaß macht als sich einfach untergehen lassen, oder? Probier es selbst. Strampeln hält warm im kalten Wasser. Strampeln ist gleich wie Wille oder Hoffnung. Wille zum Strampeln, Hoffnung auf Wunder. Es macht vergessen, dass man untergeht.

Und so tut Frosch eben einfach so, als wäre Milch im Eimer, auch wenn er merkt, dass keine drin ist, sondern nur Wasser. Milch ist doch immer drin, sagt er sich, oder?! Ein kleines bisschen wenigstens. So tut er so, als ob da Milch im Eimer sei und also in Milch schwämme, auch wenn er erst mal blufft. Wie heißt es: Blöffe, bis Du's hast! Strampele in Wasser, bis Milch draus wird. Aus der wird dann Butter und aus der Butter eine Treppe. So ungefähr. Und denk daran: Auch Milch ist nichts weiter als Wasser! Wenn schon ein Mensch zu 98 oder wieviel Prozent aus nichts weiter besteht als aus Wasser, woraus besteht dann erst die Milch?! Aus noch mehr?! Doch sicher nicht! Auch Milch ist dann nichts anderes als Wasser, fast nichts als Wasser. Alles ist fast nur Wasser, also ist Wasser alles, auch Milch. Aha, denkt jetzt der Frosch. Auch Mensch ist fast nur Wasser. Und Frosch ist viel zu gut für den, oder dann doch zu schlecht. Genau wie dieser Text. Denn der hat viel zu viel vom Eimer abgelenkt.

Denn das Problem des Frosches, seine Falle, ist gar nicht das Wasser. Auch nicht die Milch. Das wahre Problem ist der Eimer. Dass er da rein gefallen ist! Und wie da wieder raus kommen? Gut ist, wenn der Eimer ein Loch hat. Wenigstens eines. Ein Ungestopftes. Ein echtes, richtiges Vollloch. (Anmerkung: Vollloch wird im Deutschen jetzt mit drei „l“ geschrieben, das finde ich toll! Das Wort musste deshalb sein! Zelgeht einem lichtig auf der Zunge!)

Ein Eimer ist ja nur dann kein Problem, wenn man Schwimmen auf der Stelle toll findet. Dann ist ein Eimer kein Problem, auch ohne Loch nicht. Und er ist ja sowieso kein richtig langwieriges, haben die ganz fix Schlauen unter uns längst schon gedacht, was?! Lange schwimmt ein Frosch ja sowieso nie in dem Eimer, oder?! Wie lange überhaupt? Hat das schon jemand untersucht?! (Kann man doch eine Doktorarbeit darüber schreiben, denkt der nächste Schlaukopf: Die durchschnittliche Überlebenszeit eines in einen Eimer Wasser geworfenen Frosches nebst seiner Strampelgeschwindigkeit … Oder so ähnlich. Ende der Anmerkung.)

Der Frosch allerdings sieht das Ganze aus noch mal einer andern Perspektive:
'Wo', denkt er sich, 'bin ich hier nur gelandet, und sowieso, hey: Wo sind all die anderen?!' Die sind natürlich nicht mit drin im Eimer, Frosch ist ja, wie gesagt, alleine. Wahrscheinlich, denkt er, sitzen die am Teich, da, wo sie hingehören, wo sie gerne sitzen, quaken, sich groß aufblasen, Fliegen fressen und wer weiß was treiben, was?! Nur er muss sich hier abstrampeln, während es ihnen gut geht an ihrem Teich. Und nur er fühlt sich hier gar nicht wohl und auch nicht zugehörig und irgendwie in diesen Eimer hier geraten, vor allem, wenn er auch noch anfängt, so zu denken. Sich so zu sehen. So in den Eimer rein geworfen. Den Abfalleimer. Den Eimer der Geschichte. Da strampelt er doch besser wieder. Strampeln macht den Eimer vergessen. Strampeln macht Geschichte.


Aber das ist schon wieder eine ganz andere Geschichte.


Nicht anders als diese ultimativ andere Geschichte.
In der sind nämlich Wölfe drin und Schafe. Schafe und Wölfe. Oder nein, heute nun doch nicht. Hasen. Heute geht es um Hasen. Auch wenn Raubvögel derzeit mehr in Mode sind, mag ich die Hasen lieber. Hasenbraten. Adlerkeule gibt’s ja keine. Hasen sind vor, nach oder neben den Fröschen die ängstlichsten Tiere der Welt und kommen mir sehr bekannt vor. Hasen gehören unbedingt auch in diesen Text. Und außerdem sind auch Hasen gerade im Aussterben begriffen. Wie die Frösche, wenn das mit den Ochsenfröschen so weitergeht. Aber warum eigentlich die Hasen? Adler zum Beispiel sterben aus, weil ihre Jungen sich schon im Nest dermaßen wenig über die Frage einigen können, ob denn nun genug Platz für alle im Horst sei, dass sie sich deshalb gegenseitig aus selbigem hinaus werfen. (Anmerkung: In der Liese wäre ihnen das nie passiert! Nur im Horst.)
Hasen aber tun so etwas nicht. Sie kuscheln sich dicht aneinander in ihrem Stall und haben Angst, von Anfang an. Sterben sie also aus aus Angst? Wollen sie ins ewige Leben übergehen, in der Hoffnung, dass dort die Seele weniger Angst zu leiden hätte?

Ich hoffe ja, dass nach dem Tod die Seele auch hinüber ist, sagt da der Frosch im Eimer. Ich habe nicht vor, dieses Unding noch weiterhin durch Raum und Zeit und was es sonst noch alles geben mag, zu schleppen. Ich will auch nicht wiedergeboren werden, weder als Ameise noch als Eimer noch als Elefant. Ich finde, heutzutage ist das Leben für beinahe jedes Lebewesen schwer genug zu ertragen. Die ganze Welt ist bald nur noch im Eimer. Und deshalb sterben auch die Hasen aus – ich erkläre es dir am Beispiel der Elefanten. Elefanten haben es jetzt nämlich auch sehr schwer.

Denn stell dir vor, du lebst als Elefant in einer Gegend, in der sie dir den Wald um dich herum abgeholzt haben. Was dann? Dann hast du als erstes ziemlich bald Streit mit deinen neuen Nachbarn. Denn du musst ja auch ohne Wald um dich herum etwas essen und nimmst dir jetzt woanders, was du finden kannst, also von den Feldern, die sie bebauen, nachdem sie dir den Wald unterm Rüssel weggeratzt haben. Da gehst du also hin, frisst was. Kaum sieht das einer deiner neuen Nachbarn, fängt er an, auf dich zu schießen. Und ohne, dass du es gemerkt hast, waren auch ein paar Hasen auf dem Feld. Da haben wir dann den Salat. Frösche im Eimer, Hasen im Salat. Von denen nun gerät der eine beim Hakenschlagen unter ein Elefantenbein, der zweite lässt sich auf ein Wettrennen mit Igels ein, und wieder ein anderer wird vom Nachbarn erschossen, weil der sich denkt, dass er ja wenigstens den Hasenbraten essen kann, wenn ihm die Elefanten schon das Grünzeug weg gefressen haben. So ein Durcheinander herrscht jetzt in der Welt, und wo sollen da dann noch all die Seelen hin?!

Das fragt sich unser Frosch im Eimer.


Ganz ganz zuletzt aber bleibt dann immer noch die Frage, wieso Frösche sich aus dem heißen Wasser mit einem großen Sprung retten können, nicht aber aus dem kalten?! Weil sie im Kalten an sich selbst glauben müssen, nicht aber im Heißen? Zu dumm das alles, wirklich. Zu dumm.
 
G

Gelöschtes Mitglied 22774

Gast
Hallo Ha de Be,

es hätte so schön sein können. :(:(:(

limerix
 



 
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