Liebe in Zeiten der großen Entfernungen oder, wie Männer so sind...

TupperWal

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Liebe in Zeiten der großen Entfernungen 06.11.01

Emissionsfrei glitt das Raumschiff an den Linien des Gravitationsfeldes, welche das Universum durchziehen, endlang. Kommandant Fritz, der gerne seine Abstammung von der Polis Teutonia auf dem europäischen Kontinent dadurch deutlich machte, dass er, wie er sich äußerte, Stammeskleidung in Form einer ledernen kurzen Hose über seiner leichten Raumschutzkombination trug, sagte: „Alles Schlampen!“. Er ordnete zum wiederholten Male seine Hosenträger, die mit dem plastischen Abbild einer dickfleischigen, längst ausgestorbenen Pflanzenart verziert sind und täglich mehrfach mit den Interfaces seiner Kombination in Konflikt gerieten. Niemand in der Zentrale des Frachtschiffes hatte das Gefühl angesprochen zu sein. Während der mehrere Wochen dauernden Reise hatten sich die einzelnen Persönlichkeiten der Zentralbesatzung zunehmend dahingehend organisiert, dass der Einzige, welcher sich über private Belange äußerte, der Kommandant war. Die Reise näherte sich ihrem Ende und die Mannschaft freute sich darauf die Zeit zwischen den Ladungen im Kreise von Familie und oder Angehörigen zu verbringen.
Nur der Kommandant würde wie üblich diese Zeit allein in seiner Kabine und an der Bar der Hafenschänke totschlagen. Man war daran gewöhnt, dass sich, je näher das Ende einer Reise kam, der Kommandant verstärkt in diese Selbstgespräche verging. Seit die Wissenschaftler entdeckt hatten, dass sich die Gravitationslinien auch dazu eigneten ohne nennenswerten Zeitverlust als Kommunikationsstrukturen genutzt zu werden, wurden die Entfernungen im Universum relativiert. Egal, an welchem Ort man sich befand, mit der nötigen technischen Ausstattung war jedermann in der Lage sich mit diesem Netzwerk zu verbinden und die schier unbegrenzten Möglichkeiten einer universumweiten Kommunikation zu nutzen. Der Kommandant war im Umgang mit diesem Medium geübt. Mehrfach täglich wurde Kontakt zur Reederei hergestellt, vornehmlich um technische Unregelmäßigkeiten, oder Terminkorrekturen zu besprechen. Der Kommandant nutzte das Netz aber auch privat. Zur Partnersuche...
„So eine Schlampe“ wiederholte sich der Kommandant. Er war nicht sehr erfolgreich in der Partnersuche. Der Kommandant war eigentlich genau das, was die medizinische Kommission der Raumfahrergilde für Handel und Verkehr als normal und psychisch stabil definierte; er musste es, genauso, wie jeder andere gewerblich Raumfahrende alle zwei Jahre in einer medizinisch- psychischen Untersuchung unter Beweis stellen. Darüber hinaus hatte er als Kommandant in der Hanseflotte ein gutes Einkommen, hatte Rücklagen gebildet und konnte sich zurecht als einen wohlhabenden Mann bezeichnen. Er selber verstand überhaupt nicht, warum er keine Partnerin fand.
Seit einiger Zeit hatte er, wie es durchaus legitim und in keinster Weise als verwerflich zu betrachten war, in den dafür vorgesehenen Foren des Netzes ein Profil von sich erstellt um seine Absicht und eine Beschreibung von sich darzulegen. Er hatte offen und ehrlich seine Vorlieben und Wünsche formuliert, war sogar bei einem renommierten Visualgestalter gewesen, der für ein halbes Monatssollär ein vorteilhaftes Hologrammvideo von ihm aufnahm und bearbeitete. Der Kommandant fand, dass sein Profil gut gelungen sei und konnte sich darin wiederfinden. „In deinen Seppelhosen siehst du wirklich bescheuert aus!“ hatte der Wirt der Hafenschänke gesagt nachdem er sich das Profil seines Stammgastes angeschaut hatte. Für den Kommandanten war seine Stammestracht ein Ausdruck seiner Individualität und ein Symbol seiner persönlichen Freiheit. Außerdem fand er, dass das Äußere eines Lebewesens insbesondere die Kleidung, die es trug, zur Persönlichkeit passen sollte und weiterhin, für ihn fast wichtiger, einfach praktikabel zu sein hatte. Schmuck oder Gala war für in meistens bloß eiteler Tand und er weigerte sich in der Regel, so etwas überhaupt wahrzunehmen. So kam es vor, dass er, selbst auf Planeten mit atembarer Atmosphäre in seiner leichten Raumschutzkombination mit seiner Stammestracht darüber gesehen wurde.
„Es kann doch nicht nur Schlampen geben“ sagte der Kommandant als er sich zum dritten Male das Holo der Antarianerin anschaute, in der sie darlegte, dass sie nach näherem Kennenlernen nun doch den Eindruck habe, das er, Fritz, nicht der Richtige sein um die langen Abende eines immerhin 35 Stunden dauernden antarischen Tages miteinander zu gestalten. Antares zog seine Bahn in einer Entfernung um die Sonne, die ihn zwar hatte eigenes Leben entwickeln lassen, war aber dennoch nicht gerade das, was sich der Durchschnittsterraner als Urlaubsplaneten wünschte. Sicher, einige wohlhabende Großwildjäger zog es regelmäßig dorthin, um eine der 35 Meter großen und sehr gefährlichen Jagtechsen zu erlegen. Immerhin so viele, das ein kleiner Teil der antarischen Bevölkerung davon leben konnte, diese Reisen zu organisieren, aber die Temperaturen in der Zone nahe des Äquators bewegten sich um den Gefrierpunkt und der hohe Anteil an harter UV-Strahlung ließ ungeschützten Menschen die Haut am Laibe verbrennen. Die antarianische Natur hatte ihren Lebensformen zum Schutz ein umfangreiches Fettpolster unter einer grobporigen Haut mitgegeben. So dass z.B. eine schlanke, also häufig frierende Antarianerin mit der Figur eines stattlichen Buddhas gesegnet ist, der in einer schmutzig taubenblauen Farbe mit großen Pinseln angemalt wurde. Eigentlich war es nicht so, dass eine Antarianerin dem Schönheitsideal des Kommandanten entsprach, aber sie hatte ihm so gefühlvoll geschrieben. Sie hatte sich für seine Arbeit und seinen Alltag interessiert. Er fand ihre bodenständige Lebensweise und ihren sozialen Status als Schamanin zwar eher ein wenig hinderlich um sich umsorgt und umgarnt zu fühlen, hatte ihr aber geschrieben, dass dies wahrscheinlich kein größeres Problem für ihn sein würde. Jetzt betrachtete er sich zum letzten Male wie sie ihm aus der Aufzeichnung heraus in die Augen schaute, sehr verständnisvoll dabei wirkt und ihre Worte vorsichtig in einer Form wählt, dass sie ihn durch ihre Absage nicht verletzt.
„Verdammt“ fluchte er. „Ich hätte für diese Schlampe wirklich auf vieles verzichtet“.
Er löschte seine Korrespondenz, wischte sich die Finger an seiner Stammestracht ab und gab die Anweisung den Landevorgang einzuleiten. Heute Abend würde er in der Hafenschänke dem Wirt von diesen undankbaren Anterianerschlampen erzählen.
 

Elli K.

Mitglied
YEAH!

Hey, du kannst es!!!!
Wirklich klasse geschrieben, es macht mächtig Spaß, dem Kommandanten in die unendlichen Weiten interstellarer Beziehungsnöte zu folgen! ;)
Du hast nen tollen, lockeren Stil und viel Wortwitz. Eben die Leichtigkeit im Tonfall, die mir leider fehlt.
SciFi ist ja eigentlich so mein Genre, aber diese Story habe ich mit Begeisterung gelesen. Vergleiche mit gewissen terrestrischen Vorkommen verbieten sich natürlich selbstredend. :D
Also, ich würde sagen: Mach weiter!!!

Beste Grüße!
Elli
 



 
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