liebeslied

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vom geliebten im mantel tod
ist ein drachen auf dem wind
der vom schreienden tag geritten
flieht über die sterbenden wangen von pergament

vom geliebten im mantel tod
ist ein jäger in tanzenden schuhen
der toll mit rotem hungermund geworden
der grossen sonne höhlen gräbt

vom geliebten im mantel tod
ist ein adler auf bergen in der nacht
der dunklen auges sticht
in die blasskörper der perlmuttknaben

vom geliebten im mantel tod
ist ein ewig kindherz wundgelegen
daß springt mit beutelnden kammern
auf den büchsen der eingeäscherten pandora

vom geliebten im mantel tod
ist ein lied
daß fällt vom mund des entzündeten mondes
über die in stahl gekochten dächer
 
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Chandrian

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Hallo @Christoph Maria Mühlmann

Schreibst du „Tag“ absichtlich gross? Erschliesst sich mir nicht ganz…

Der Text gefällt mir aber sehr gut - er lässt mir genau die richtige Dosis an Interpretationsfreiraum (denn ich denke, meine Assoziationen sind gänzlich anders als die deinen) und überzeugt zeitgleich mit mMn starken und feinfühligen Metaphern.

LG
Chandrian
 
Hallo Chandrian ,

nein, der 'Tag' soll im Text kleingeschrieben sein-ein Flüchtigkeitsfehler den ich korrigiert habe. Danke Dir für Deinen Hinweis und auch Dein Feedback! Ich denke auch das es nicht unwichtig ist ,daß gerade ein lyrischer Text diesen von Dir beschriebenen Interpretationsfreiraum lässt und damit die Vielfalt an Assoziationsmöglichkeiten für die Leser gegeben ist, also der persönliche Hintergrund der ja vielen Texten - so auch meinem Liebeslied - zwar innewohnt und subjektiv auch tief empfunden ist..aber zugleich nicht auf dieser Ebene steckenbleibt um danach nur Beschreibung zu sein und mit einer solchen Beschreibung im ungünstigen Fall dann ein- statt mehrdeutig oder deutbar bleibt. Das gelingt sicher nicht immer, aber vor allem für mich persönlich dann ,wenn der subjektive Hintergrund eben so tief erlebt war ,daß er ein gewisses Diztanzieren beim Verarbeiten und arbeiten damit nach sich zieht ...

LG. Christoph
 

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Servus, Christoph Maria!

Ich lese dein "liebesgedicht" im Tonfall Paul Celans eigenen Vortrags seiner "Todesfuge". Ich nehme an, deine Formulierungen sollen das ganz bewusst nahelegen und unter dieser besonderen Melodie entfalten deine Bilder gleich nocheinmal mehr Wucht und werden entsprechend "gefärbt" erlebt.
Das finde ich sehr gut gemacht.

Nicht alle Bilder gefallen mir zu hundert Prozent, obwohl sie allesamt gut gesetzt und gemacht sind. Aber manchmal scheint mir persönlich der Fokus da zu sehr auf diesem Spiel der Gegensätze und gebrochenen Bilder als auf der Botschaft des Textes zu liegen. Beispielsweise die "beutelnden Kammern" oder die "Büchsen der eingeäscherten Pandora". HIngegen großartig finde ich die "sterbenden Wangen von Pergament" - ein Bild, wie es zerbrechlicher nicht gemalt werden könnte. Oder auch die Vorstellung, dass der Sonne Höhlen gegraben werden....das finde ich schon sehr stark und poetisch!

Insgesamt ein Text, der mich findet, den ich besonders der nicht durchgehend gradlinigen Entschlüsselbarkeit wegen spannend finde - lässt mich das doch bei jedem Lesen erneut kreisen und an anderen Orten verankern. Wenn ein Text das kann, ist es schon großes Kino, wie ich finde. Also gernst gelesen!

Nur noch ein paar Peanuts:

hier scheinen mir zwei Tippfehler der Korrektur entgangen zu sein:
vom geliebten im mantel tod
ist ein ewig kindherz wundgelegen
daß springt mit beutelnden kammern - das...siehe auch untere Strophe
auf den büchsen der eingeäscherten pandora

vom geliebten im mantel tod
ist ein lied
daß fällt vom mund des entzündeten mondes
über die in stahl gekochten dächer
und beim "entzündeten Mond" bin ich kurz am Bild einer Hautenzündung des Mondes gestrauchelt...das Wort ist in seiner Doppeldeutbarkeit vielleicht nicht ganz günstig gewählt, meinst du doch sicherlich den "angezündeten" Mond. Wo aber kurz davor im Text die Rede von "wundgelegen" die Rede ist, war ich da für den Bruchteil einer Sekunde auf Abwegen...aber gut möglich, dass bloß ich darüber gestolpert bin. Auf jeden Fall ein Text, der mich neugierig auf weitere warten lässt.

Lieber Gruß,
fee


PS: Eigenkorrektur: nachdem ich es jetzt nochmals gelesen habe, bin ich nicht mehr sicher, ob die Doppeldeutigkeit des entzündeten Mondes so nicht genau richtig ist. Du siehst, dein Text kreist in mir noch nach. Und wird es noch länger tun, Wenn das kein Zeichen dafür ist, dass er mich wirklich gepackt hat, weiß ich auch nicht... ;)
 
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