Sonntag, den 15. Juni 144 nach Chrissie Geburt
Liebe Mona,
sei ganz herzlich gegrüßt.
Wundere dich nicht, weil ich so schnell nach unserem unverhofften Wiedersehen schreibe, aber sonntags ist die Gelegenheit besonders günstig. Die Kinder sitzen in der Fernsehstube und schauen sich die Wochenendgeschichte an. Ich habe nichts dagegen. Ich finde, daß zwei Stunden Fernsehen pro Woche eigentlich keinen Schaden bei ihnen anrichten können.
Martin ist wieder einmal zu seinen Freunden gegangen. Seit seine Clique vor knapp zwei Jahren diesen komischen Automobilisten-Club gegründet hat, hocken sie fast an jedem Wochenende in ihrer provisorischen Werkstatt. Ein wenig nervig finde ich dieses Hobby schon, aber ich muß auch zugeben, Martin ist seitdem viel ausgeglichener als früher, wo er sich noch in diversen Handarbeitszirkeln herum trieb.
"Jetzt kann ich wenigstens so richtig kreativ sein", schwärmte er erst neulich wieder, und seine Augen haben dabei mehr geglänzt, als letzte Woche, wo ich ihm mein neues und total irres Dessous vorgeführt habe. Tja - für seinen Club geht er völlig auf. Stell dir vor: da haben es diese Verrückten doch tatsächlich fertig gebracht, nur mit Hilfe uralter Konstruktionszeichnungen eine wirklich funktionierende Benzinkutsche nachzubauen.
"Das heiß nicht Bezinkutsche, sondern Personenkraftwagen", hat mich Martin belehrt und ganz tief Luft geholt. Ich wußte, jetzt folgt ein langer ermüdender Vortrag und habe mich daher flugs in den Garten abgesetzt, um nach dem Gedeihen meines Gemüses zu sehen. Ja, die Ernte wird in diesem Jahr gut werden. Besonders der Sellerie steht prächtig!!
Doch zurück zu Martin. Vor knapp zwei Monaten kam er - später als sonst - aus dem Club, strahlte über das ganze Gesicht und umarmte mich mit einem Temperament, wie ich es seit Jahren nicht mehr erlebt habe. Der Grund? Der Club hatte vom örtlichen Rat der Vernunft doch tatsächlich die Erlaubnis erhalten, ihr mühselig zusammengebasteltes Fahrzeug monatlich für drei Stunden in Betrieb nehmen zu dürfen. Ich möchte ja unsere Hüterinnen der Vernunft nicht unbedingt kritisieren, aber ich denke, eine Stunde hätte es auch getan.
Vor einigen Wochen haben sich die fünf Kerle dann zum ersten Mal in ihr Vehikel gepfercht und sind durch unsere Gegend gedröhnt. Herrentagspartie haben sie das genannt. Mit dem Begriff wirst Du nichts anfangen können. Es handelt sich dabei um so einen heidnischen Männerbrauch aus der Zeit von vor Chrissie, der sich in unserer Gegend ziemlich hartnäckig erhalten hat. Unser Regionalrat toleriert das Ganze. Man ist hier ohnehin sehr großzügig, was die Auslegung der Grundsätze der Vernunft angeht. Stell dir vor, jetzt überlegt man bei uns ernsthaft, ob man das Alter für wahlberechtigte Männer nicht von 55 auf sage und schreibe 45 Jahre herab setzen sollte. Natürlich hat das zu Protesten geführt. Ich bitte dich! Hast Du je einen 45-jährigen Mann erlebt, dem man bereits ein gewisses Maß an Erwachsensein bescheinigen kann? Dagegen spricht doch der durch nichts zu bremsende männliche Spieltrieb. Was sie sich da nicht alles ausdenken! Martin und seine Freunde haben beispielsweise vor kurzem ein uraltes Spiel - es stammt ebenfalls aus der unseligen Zeit vor Chrissie - wieder entdeckt. Da sitzen sie nun jeweils zu dritt um einen Tisch herum, jeder eine bestimmte Anzahl bunt bemalter Kärtchen in der Hand, die dann nach bestimmten Regeln nacheinander auf die Tischplatte geworfen werden. Schkaaat nennen sie das. Ich hätte ja nichts gegen derartige Beschäftigungen, aber ich mußte beobachten, daß dieses heidnische Spiel durchaus aggressive Reaktionen auszulösen vermag. Und es scheint obendrein zum Trinken zu animieren. Ich bin mir nicht sicher, ob Martin, wenn er vom Spielen nach Hause kommt, nicht doch hin und wieder etwas mehr als ein Promille Alkohol im Blut hat. Solche Spiele gehören verboten. Ist es dann ein Wunder, wenn die Männer immer gewalttätiger werden? Ihre Gewalt gegen Frauen hat zumindest bei uns erschreckend zugenommen. Stell dir vor - in unserem kleinen Ort von nicht einmal 20.000 Einwohnern gab es im letzten Jahr allein drei Verfahren gegen Männer, die ihre Frauen geohrfeigt haben. Und die Strafen? Lächerlich. Fünf Jahre Liebesentzug - davon drei Jahre auf Bewährung! Nur einer kam nicht so glimpflich davon. Wenigstens er bekam zwei Jahre Sicherheitsverwahrung, weil ihm nachgewiesen werden konnte, daß er zur Tatzeit die 0,8-Promille-Grenze überschritten hatte. Ich frage dich - müssen Männer erst sooo besoffen sein, um angemessen bestraft zu werden?
Manchmal habe ich richtige Angst, mein Martin könnte in schlechte Gesellschaft geraten sein. Neulich erst hat er ziemlich aggressiv reagiert, mich böse angeknurrt und sogar mit den Türen geschmissen - nur weil ich ihm eine Woche Ausgangsverbot verordnet habe. Dabei war das noch äußerst milde. Oder würdest Du es durchgehen lassen, wenn sich der Abwasch drei Tage in der Küche türmt? Und die Hausaufgaben der Kinder hat er auch nur halbherzig kontrolliert.
Sonst ist Martin ja ein ganz netter Kerl. Nein - ich habe damals, als er von mir angemietet wurde, nicht unbedingt einen Fehler gemacht. Er besaß eine solide Ausbildung, verfügt daher über ein ausreichendes Allgemeinwissen und hat immerhin vier Semester Hauswirtschaft studiert. Die Kinder mögen ihn auch. Und so habe ich mich entschlossen, den bereits einmal verlängerten Vertrag zunächst noch weitere fünf Jahre weiter laufen zu lassen.
Sein neuer Job bei der Eisenbahn gefällt ihm auch. Man hat kürzlich eine vor fast 200 Jahren stillgelegte Strecke wieder in Betrieb genommen, und Martin fand auf Anhieb eine Stellung als Schrankenwärter. Seiner hohen Verantwortung ist er sich durchaus bewußt. Nicht auszudenken, was passiert, wenn er mal vergißt, die Schranke zu schließen. Es wäre ja durchaus möglich, daß gerade zu diesem Zeitpunkt ein E-Mobil den Schienenweg kreuzt. Anfangs hat er mich zwar mit seiner typisch männlichen Verbesserungsmanie genervt und etwas von einem Elektromotor gefaselt, den man an das Windwerk der Schranke basteln könnte, damit die lästige Kurbelei.... Ich mußte tatsächlich erst ein paar energische Worte verlieren, damit diese Spinnerei aufhörte.
Sein Job bringt ihm soviel ein, daß er problemlos seine Hobbys finanzieren kann. Und für unsere Urlaubsreisen kommt er auch auf. Für nächstes Jahr haben wir bereits 24 Wochen Kuba gebucht. Die meiste Zeit werden wir zwar auf dem Schiff verbringen, aber ich wollte schon immer mal mit einem dieser Luxussegler reisen. Martin hat allerdings Angst, daß er seekrank werden könnte. Nun hat er sich im Garten eine große Schaukel gebaut, wo er stundenlang das bauchkribbelnde Auf und Ab simuliert.
Tja - mit dem anderen Auf und Ab - im Bett meine ich - da hat er es nicht so. Na ja - ist eben nie alles beisammen. Er hat sich von Anfang an etwas tolpatschig angestellt. Ach - dachte ich damals, das wächst sich aus. Es ist ja eine Binsenweisheit, daß es nur sehr wenige Männer gibt, die jederzeit das richtige Gespür für das besitzen, was uns Frauen Spaß bereitet und was uns vor allem glücklich macht. Vielleicht habe ich ihn in den ersten Jahren mit meiner Nörgelei auch ein wenig verunsichert. Eine Freundin, der ich davon erzählte, riet mir, ihn zu einem Spezialkurs anzumelden. Das habe ich auch getan. Martins Proteste hielten sich in Grenzen. Vielleicht waren sie sogar geheuchelt, denn mir fielen seine begehrlichen Blicke auf, mit denen er das Prospekt studierte. Da wir zu dem Zeitpunkt schon über fünf Jahre miteinander verbracht hatten, schickte ich ihn zu einem sechswöchigen Kurs für Fortgeschrittene. Das muß ein Fehler gewesen sein. Ich fing gerade an, seine Abwesenheit zu genießen, da stand er nach knapp 14 Tagen schon wieder auf der Matte. Völlig zerknirscht murmelte er etwas von "Scheiß Zwischenprüfung" und "im Mündlichen durchgefallen". Ich habe lange gebraucht, um ihn moralisch einigermaßen wieder aufzupäppeln.
Na, was soll es. Bleibe ich eben bei biederer Hausmannskost. Rein zur Abwechslung lasse ich mir aber schon hin und wieder jemanden vom Exclusiv-Liebesservice schicken. Ist ja meist ganz nett, aber sauteuer.
Oh je - um Chrissies Willen! Wie die Zeit beim Schreiben verflogen ist! Ich muß Schluß machen. Gleich kommen Martin und die Kinder, und wir wollen gemeinsam Kaffee trinken. Sonntags koche i c h den nämlich.
Mist, ich wollte dir so vieles erzählen, und nun habe ich fast nur über meinen leasing-man berichtet. Na ja. Männer sind eben die aufregendste Nebensache der Welt. Ich finde, es war schon ein großes Glück, daß sich damals - nach der Wiedereinführung des Matriarchats - die radikalen Chrissianerinnen nicht durchgesetzt haben. Wäre ihre Forderung erfüllt worden, Männer nur noch in streng limitierter Anzahl für Zuchtzwecke in geschlossenen Anstalten zu halten - oh - es wäre für uns Frauen ein zwar beschauliches aber doch recht langweiliges Dasein geworden. Ich glaube, die meisten von uns zahlen recht gern den Preis der ständigen Wachsamkeit. Und wenn sich jede Frau ihrer hohen Verantwortung bewußt ist und alles tut, um Politik und Gesellschaft von männlichem Gedankengut rein zu halten, dann wird uns die Gefahr einer Weltkatastrophe, der unsere Urgroßmütter im 1. Jahrhundert vor Chrissie nur ganz knapp entronnen sind, wohl auf ewig erspart bleiben.
In diesem Sinne möchte ich den Brief beenden und dir einen netten Restsommer wünschen. Bald hörst Du mehr von mir.
Es grüßt dich in alter Freundschaft
Deine Susanne.
Liebe Mona,
sei ganz herzlich gegrüßt.
Wundere dich nicht, weil ich so schnell nach unserem unverhofften Wiedersehen schreibe, aber sonntags ist die Gelegenheit besonders günstig. Die Kinder sitzen in der Fernsehstube und schauen sich die Wochenendgeschichte an. Ich habe nichts dagegen. Ich finde, daß zwei Stunden Fernsehen pro Woche eigentlich keinen Schaden bei ihnen anrichten können.
Martin ist wieder einmal zu seinen Freunden gegangen. Seit seine Clique vor knapp zwei Jahren diesen komischen Automobilisten-Club gegründet hat, hocken sie fast an jedem Wochenende in ihrer provisorischen Werkstatt. Ein wenig nervig finde ich dieses Hobby schon, aber ich muß auch zugeben, Martin ist seitdem viel ausgeglichener als früher, wo er sich noch in diversen Handarbeitszirkeln herum trieb.
"Jetzt kann ich wenigstens so richtig kreativ sein", schwärmte er erst neulich wieder, und seine Augen haben dabei mehr geglänzt, als letzte Woche, wo ich ihm mein neues und total irres Dessous vorgeführt habe. Tja - für seinen Club geht er völlig auf. Stell dir vor: da haben es diese Verrückten doch tatsächlich fertig gebracht, nur mit Hilfe uralter Konstruktionszeichnungen eine wirklich funktionierende Benzinkutsche nachzubauen.
"Das heiß nicht Bezinkutsche, sondern Personenkraftwagen", hat mich Martin belehrt und ganz tief Luft geholt. Ich wußte, jetzt folgt ein langer ermüdender Vortrag und habe mich daher flugs in den Garten abgesetzt, um nach dem Gedeihen meines Gemüses zu sehen. Ja, die Ernte wird in diesem Jahr gut werden. Besonders der Sellerie steht prächtig!!
Doch zurück zu Martin. Vor knapp zwei Monaten kam er - später als sonst - aus dem Club, strahlte über das ganze Gesicht und umarmte mich mit einem Temperament, wie ich es seit Jahren nicht mehr erlebt habe. Der Grund? Der Club hatte vom örtlichen Rat der Vernunft doch tatsächlich die Erlaubnis erhalten, ihr mühselig zusammengebasteltes Fahrzeug monatlich für drei Stunden in Betrieb nehmen zu dürfen. Ich möchte ja unsere Hüterinnen der Vernunft nicht unbedingt kritisieren, aber ich denke, eine Stunde hätte es auch getan.
Vor einigen Wochen haben sich die fünf Kerle dann zum ersten Mal in ihr Vehikel gepfercht und sind durch unsere Gegend gedröhnt. Herrentagspartie haben sie das genannt. Mit dem Begriff wirst Du nichts anfangen können. Es handelt sich dabei um so einen heidnischen Männerbrauch aus der Zeit von vor Chrissie, der sich in unserer Gegend ziemlich hartnäckig erhalten hat. Unser Regionalrat toleriert das Ganze. Man ist hier ohnehin sehr großzügig, was die Auslegung der Grundsätze der Vernunft angeht. Stell dir vor, jetzt überlegt man bei uns ernsthaft, ob man das Alter für wahlberechtigte Männer nicht von 55 auf sage und schreibe 45 Jahre herab setzen sollte. Natürlich hat das zu Protesten geführt. Ich bitte dich! Hast Du je einen 45-jährigen Mann erlebt, dem man bereits ein gewisses Maß an Erwachsensein bescheinigen kann? Dagegen spricht doch der durch nichts zu bremsende männliche Spieltrieb. Was sie sich da nicht alles ausdenken! Martin und seine Freunde haben beispielsweise vor kurzem ein uraltes Spiel - es stammt ebenfalls aus der unseligen Zeit vor Chrissie - wieder entdeckt. Da sitzen sie nun jeweils zu dritt um einen Tisch herum, jeder eine bestimmte Anzahl bunt bemalter Kärtchen in der Hand, die dann nach bestimmten Regeln nacheinander auf die Tischplatte geworfen werden. Schkaaat nennen sie das. Ich hätte ja nichts gegen derartige Beschäftigungen, aber ich mußte beobachten, daß dieses heidnische Spiel durchaus aggressive Reaktionen auszulösen vermag. Und es scheint obendrein zum Trinken zu animieren. Ich bin mir nicht sicher, ob Martin, wenn er vom Spielen nach Hause kommt, nicht doch hin und wieder etwas mehr als ein Promille Alkohol im Blut hat. Solche Spiele gehören verboten. Ist es dann ein Wunder, wenn die Männer immer gewalttätiger werden? Ihre Gewalt gegen Frauen hat zumindest bei uns erschreckend zugenommen. Stell dir vor - in unserem kleinen Ort von nicht einmal 20.000 Einwohnern gab es im letzten Jahr allein drei Verfahren gegen Männer, die ihre Frauen geohrfeigt haben. Und die Strafen? Lächerlich. Fünf Jahre Liebesentzug - davon drei Jahre auf Bewährung! Nur einer kam nicht so glimpflich davon. Wenigstens er bekam zwei Jahre Sicherheitsverwahrung, weil ihm nachgewiesen werden konnte, daß er zur Tatzeit die 0,8-Promille-Grenze überschritten hatte. Ich frage dich - müssen Männer erst sooo besoffen sein, um angemessen bestraft zu werden?
Manchmal habe ich richtige Angst, mein Martin könnte in schlechte Gesellschaft geraten sein. Neulich erst hat er ziemlich aggressiv reagiert, mich böse angeknurrt und sogar mit den Türen geschmissen - nur weil ich ihm eine Woche Ausgangsverbot verordnet habe. Dabei war das noch äußerst milde. Oder würdest Du es durchgehen lassen, wenn sich der Abwasch drei Tage in der Küche türmt? Und die Hausaufgaben der Kinder hat er auch nur halbherzig kontrolliert.
Sonst ist Martin ja ein ganz netter Kerl. Nein - ich habe damals, als er von mir angemietet wurde, nicht unbedingt einen Fehler gemacht. Er besaß eine solide Ausbildung, verfügt daher über ein ausreichendes Allgemeinwissen und hat immerhin vier Semester Hauswirtschaft studiert. Die Kinder mögen ihn auch. Und so habe ich mich entschlossen, den bereits einmal verlängerten Vertrag zunächst noch weitere fünf Jahre weiter laufen zu lassen.
Sein neuer Job bei der Eisenbahn gefällt ihm auch. Man hat kürzlich eine vor fast 200 Jahren stillgelegte Strecke wieder in Betrieb genommen, und Martin fand auf Anhieb eine Stellung als Schrankenwärter. Seiner hohen Verantwortung ist er sich durchaus bewußt. Nicht auszudenken, was passiert, wenn er mal vergißt, die Schranke zu schließen. Es wäre ja durchaus möglich, daß gerade zu diesem Zeitpunkt ein E-Mobil den Schienenweg kreuzt. Anfangs hat er mich zwar mit seiner typisch männlichen Verbesserungsmanie genervt und etwas von einem Elektromotor gefaselt, den man an das Windwerk der Schranke basteln könnte, damit die lästige Kurbelei.... Ich mußte tatsächlich erst ein paar energische Worte verlieren, damit diese Spinnerei aufhörte.
Sein Job bringt ihm soviel ein, daß er problemlos seine Hobbys finanzieren kann. Und für unsere Urlaubsreisen kommt er auch auf. Für nächstes Jahr haben wir bereits 24 Wochen Kuba gebucht. Die meiste Zeit werden wir zwar auf dem Schiff verbringen, aber ich wollte schon immer mal mit einem dieser Luxussegler reisen. Martin hat allerdings Angst, daß er seekrank werden könnte. Nun hat er sich im Garten eine große Schaukel gebaut, wo er stundenlang das bauchkribbelnde Auf und Ab simuliert.
Tja - mit dem anderen Auf und Ab - im Bett meine ich - da hat er es nicht so. Na ja - ist eben nie alles beisammen. Er hat sich von Anfang an etwas tolpatschig angestellt. Ach - dachte ich damals, das wächst sich aus. Es ist ja eine Binsenweisheit, daß es nur sehr wenige Männer gibt, die jederzeit das richtige Gespür für das besitzen, was uns Frauen Spaß bereitet und was uns vor allem glücklich macht. Vielleicht habe ich ihn in den ersten Jahren mit meiner Nörgelei auch ein wenig verunsichert. Eine Freundin, der ich davon erzählte, riet mir, ihn zu einem Spezialkurs anzumelden. Das habe ich auch getan. Martins Proteste hielten sich in Grenzen. Vielleicht waren sie sogar geheuchelt, denn mir fielen seine begehrlichen Blicke auf, mit denen er das Prospekt studierte. Da wir zu dem Zeitpunkt schon über fünf Jahre miteinander verbracht hatten, schickte ich ihn zu einem sechswöchigen Kurs für Fortgeschrittene. Das muß ein Fehler gewesen sein. Ich fing gerade an, seine Abwesenheit zu genießen, da stand er nach knapp 14 Tagen schon wieder auf der Matte. Völlig zerknirscht murmelte er etwas von "Scheiß Zwischenprüfung" und "im Mündlichen durchgefallen". Ich habe lange gebraucht, um ihn moralisch einigermaßen wieder aufzupäppeln.
Na, was soll es. Bleibe ich eben bei biederer Hausmannskost. Rein zur Abwechslung lasse ich mir aber schon hin und wieder jemanden vom Exclusiv-Liebesservice schicken. Ist ja meist ganz nett, aber sauteuer.
Oh je - um Chrissies Willen! Wie die Zeit beim Schreiben verflogen ist! Ich muß Schluß machen. Gleich kommen Martin und die Kinder, und wir wollen gemeinsam Kaffee trinken. Sonntags koche i c h den nämlich.
Mist, ich wollte dir so vieles erzählen, und nun habe ich fast nur über meinen leasing-man berichtet. Na ja. Männer sind eben die aufregendste Nebensache der Welt. Ich finde, es war schon ein großes Glück, daß sich damals - nach der Wiedereinführung des Matriarchats - die radikalen Chrissianerinnen nicht durchgesetzt haben. Wäre ihre Forderung erfüllt worden, Männer nur noch in streng limitierter Anzahl für Zuchtzwecke in geschlossenen Anstalten zu halten - oh - es wäre für uns Frauen ein zwar beschauliches aber doch recht langweiliges Dasein geworden. Ich glaube, die meisten von uns zahlen recht gern den Preis der ständigen Wachsamkeit. Und wenn sich jede Frau ihrer hohen Verantwortung bewußt ist und alles tut, um Politik und Gesellschaft von männlichem Gedankengut rein zu halten, dann wird uns die Gefahr einer Weltkatastrophe, der unsere Urgroßmütter im 1. Jahrhundert vor Chrissie nur ganz knapp entronnen sind, wohl auf ewig erspart bleiben.
In diesem Sinne möchte ich den Brief beenden und dir einen netten Restsommer wünschen. Bald hörst Du mehr von mir.
Es grüßt dich in alter Freundschaft
Deine Susanne.