Maleficium -1

denLars

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MALEFICIUM
Eine düstere Geschichte aus dem Mittelalter


,,Summis desiderantes affectibus" -Hexenbulle




1.Teil: Trier

Prolog
Hexnefeuer


Willisau,1447
Schweiz

Dichtes Schneetreiben hüllte die dunkle Nacht in ein eisiges Kleid, Wind peitschte den Schnee unbarmherzig durch die alpine Talsenke, in der sich Willisau, das kleine Städtchen Willisau erstreckte.
Kein Mensch hatte sich aus dem Haus gewagt und man konnte die kleine Stadt deutlich an dem Schein des Kerzenlichtes erkennen, das durch die Fenster in die Dunkelheit der Nacht fiel.
Es war eine Nacht, in der man in seinen Häusern blieb, Geschichten erzählte, sich gegenseitig Wärme und Behagen schenkte und den fürchterlichen Schneesturm vor dem Haus vergaß.
Niemand hatte vermutet, dass diese lebensfeindliche Nacht voller Ereignisse sein sollte, die den Bewohnern des kleinen Ortes noch lange in Erinnerung bleiben würden.
Hätte Borkat gewusst, was in dieser Nacht geschehen würde, so wäre er sicher zu Hause geblieben oder wäre in die Kneipe gegangen, um sich mit seinen Freunden zu betrinken.
Doch da er völlig ahnungslos war, hatten ihn Begierde und Verlangen aus dem Haus getrieben, sodass er nun zielstrebig durch die verschneiten Fichtenwälder lief, die Willisau umgaben.
Der Schnee war kniehoch, immer wieder sank er ein, der Wind peitschte ihm Schneeflocken in sein Gesicht, bis es taub vor Kälte war. Zitternd schlug er den Kragen seines Mantels hoch und schlang ihn sich enger um den muskulösen Schmiedskörper.
Durch das dichte Nadeldach der Fichten fiel kaum Licht, im Wald war es finster und dunkel. Borkats Schritte wurden immer schneller und es war nicht allein die Kälte, die ihn zur Eile trieb. Es war etwas Böses, das tief in der Dunkelheit des Forstes zu lauern schien. Etwas Unerklärliches und Schauerliches, das Borkat beobachtete.
Ängstlich dachte der vierschrötige Borkat an die Worte seiner alten Mutter: "Der Neunschwänzige, der Teufel ist los in dieser Nacht!", so hatte sie gesprochen und es schauderte Borkat, als er an diese Worte dachte.
Der Teufel lauert in dieser Nacht, der Teufel lauert in diesem Forst.
Das Heulen eines Wolfes durchbrach die Stille und ließ Borkat zusammenzucken und darüber nachdenken, ob er nicht doch lieber umkehren sollte. War ihm der Anblick der nackten Luisa wirklich so viel wert? Der nackten Luisa, die ihm noch nicht mal gehörte? Seine braunen Augen funkelten entschlossen. Ja, ihr Anblick war ihm so viel wert!
Vor Borkat reckten sich die grauen Bergriesen in den Himmel. So hoch, das er seinen Kopf in den Nacken legen musste, um ihre schneebedeckten Spitzen zu erkennen, die majestätisch im Mondlicht schimmerten. Dort, in den Eingeweiden der Berge, von denen es hieß, dass die Tunnel geradewegs in den Abgrund der Hölle führten, würde ihr nackter Anblick auf sie warten und Borkats Begierde stieg ins Unermessliche. Er betrachtete Fußstapfen im jungen Schnee, die geradewegs zum Fuße der Berge führten.
Borkat folgte den Spuren, bis sich seine Gestalt im Schatten der Bergriesen verlor...

*


Trier, 1447
Deutschland


"Verbrechen gegen die öffentliche Ordnung...Errores Hussitarum...Fides haeretica... Gotteslästerung und Heiligenschändung...Crimen...In der Untersuchung erwiesen."rief der Inquisitor Johannes Meyfart gegen das Knistern und Lodern der Flammen an, wobei seine Stimme immer wieder im Getöse des prasselnden Feuers unterging.
Lukas, der neben dem in eine schwarze Kutte mit weißen Kragen gehüllten Inquisitor auf einem hölzernen Podest stand, zitterte und schauderte am ganzen Leib, trotz der Nähe zum Feuer.
Für ihn wirkte die ganze Szenerie wie ein dunkler Traum, aus dem man schweißgebadet und schweratmend aufschreckte und erfreut feststellte, dass man doch nur in seinem Bett lag und sich von den Alpträumen hatte ängstigen lassen.
Das laute, flehende und panische Schreien einer jungen Frau hallte durch die mondlose, wolkenverhangene Nacht, in der die Sterne wohl vergessen hatten zu scheinen und die erste, winterliche Kälte über die Felder wehte.
Bei jedem Schrei der Frau zuckte Lukas unwillkürlich zusammen und kauerte sich mehr in seinen warmen Wollmantel.
"Pater noster, qui es in caelis:... sanctificetur nomen tuum;"betete Lukas als er zu dem Scheiterhaufen auf der Kuppel des Hügels blickte, einem langen hohen Pfahl, umlegt mit lodernd brennenden Reisigscheiten, auf denen die Frau stand, die Hände an den Pfahl gebunden.
Die Flammen umschlangen ihre Waden, Funken stoben auf ihr zerschlissenes Gewand und der beißende, süße Geruch von brennenden Fleisch lag in der Luft. Die Empore, auf der der Inquisitor, sein Gehilfe Lukas und einige andere Leute standen, war mehrere Meter von dem Scheiterhaufen entfernt, trotzdem konnte Lukas blanke Furcht und Panik aus den Augen der Frau ablesen, die funkelnd aus ihrem rußgeschwärzten Gesicht hervorstachen.
Die Flammen schlugen hinauf, bis sie sich mit der langen, roten Haarmähne der Frau zu einem grässlischen Flammenbiest zu vereinen schienen.
"Ich, der inquisitor a Sede Apostolica specialiter deputates, frage dich ein letztes Mal, Gertrude Mahlens:", rief Johannes Meyfart gegen die Flammen und das Raunen der Menge an, die sich um den Scheiterhaufen versammelt hatte," Willst du den sündigen Lehren des dämonischen Satans abschwören und reinen Herzens in das Fegefeuer wandern, so rufe einfach 'Ja!'."
Doch Gertrude Mahlens, die wegen Hexerei und Teufelsbuhlenschaft angeklagte Frau, antwortete nicht, da sie längst vor Schmerzen ohnmächtig geworden war.
Der Inquisitor Meyfart stand kerzengerade auf dem Podest, seine hagere, große Gestalt wirkte wie ein alter, kahler Baum, der sich mit letzter Mühe mit seinen Wurzeln in die Erde klammerte, den kalten Winden trotzend. Die kalten, blauen Augen des Inquisitors, die von leichten Falten umspielt wurden, waren ungerührt auf die ohnmächtige Gertrude gerichtet. Nur wenn man ihn genau betrachtete, konnte man erkennen, dass seine Finger nervös an seiner schwarzen Kutte herumfummelten.
"Und so ein gefühlloses, ignorantes Schwein schimpft sich mein Lehrmeister!",dachte Lukas und sah seinen Meister abschätzig an.
"Sie war unschuldig!"sagte Lukas wütend zu seinem Meister, als das Feuer den Frauenkörper am Scheiterhaufen bereits vollständig verschlungen hatte und eine schwarze Rauchwolke gen Himmel stieg.
Der alte, etwa 50-jährige Meyfart sah seinen Schüler mit strengen Augen an.
"Sie hat selbst gestanden, dass sie mit dem Teufel im Bunde steht und der Häresie verfallen ist! Ich weiß, Lukas, dass du die Inquisition nicht gutheißt, aber sie hat es selber zugegeben!""Ja, das hat sie! Aber erst, nachdem ihr ihr die Daumenschrauben angelegt habt und sie so lange von den Folterknechten habt malträtieren lassen, bis jeder Mensch gestanden hätte, nur um der Folter und Befragung zu entgehen."
"Deine spitze Zunge, mein junger Gehilfe, wird dir noch eines Tages Kopf und Kragen kosten!"entgegnete Meyfart wutentbrannt, da ihn sein Schüler einmal wieder rhetorisch in die Enge gelockt hatte und ihm nun die Argumente fehlten.
Der wohlbeleibte, 15-jährige Lukas von Hohenfels war äußerst, wenn nicht sogar hochintelligent, dass musste Meyfart sich schon eingestehen.Deshalb hatten ihn seine Eltern, die Fürsten von Hohenfels, auch in eine kirchlische Laufbahn gedrängt, damit er später einmal Bischof, oder gar Kardinal, wenn nicht sogar der Papst selbst werden sollte.
Vor allem hatten es dem jungen Lukas die Naturwissenschaften und die alten, heidnischen Denker angetan," die ihm wohl zu Kopf gestiegen waren und das Hirn verbrannt hatten", sinnierte Meyfart vor sich hin. Wenn der junge weiterhin die Methoden der Inquisition hinterfragen würde, oder gar die heilige Mutter Kirche selbst, so würde es kein gutes Ende mit ihm nehmen. Denn auch Adel schützte nicht vor dem langen Arm der Inquisition.
Die Gruppe der Schaulustigen stob auseinander, die Menschen eilten zurück zu ihren Gehöften, die außerhalb Triers lagen und zu ihren Häusern und Werkstätten, die von dem Mauerring der Stadt umschlossen wurden.
Lukas blickte noch lange zu den Resten des Scheiterhaufens, dem verkohlten, schwarzen Pfahl, dem schwarzverbrannten Reisigscheiten. Nur kurz blieb sein Blick an dem verbrannten Leib der Gertrude Mahlens hängen, an dem noch Kleidungsfetzen klebten, die im Wind flatterten, denn schon übermannte Lukas ein stechender Würgereiz.
Würgend und spuckend sprang Lukas von dem Podest, während sich seine Magensäfte seine Kehle heraufschlängelten. Röchelnd sank er neben dem Podest, auf weichen Rasen nieder und erbrach sich hemmungslos.
"Du hast nicht nur einen fetten Bauch, ", Meyfart lächelte und betrachtete Lukas, der sich erschöpft gegen das Podest lehnte und mit dem Ärmel seines grünen Gewandes Erbrochenes von seinem Kinn wischte, ", sondern auch einen empfindlichen Magen!"
"Bezwingt mich erst auf intellektueller Ebene, bevor ihr mit eurer Lästerzunge über meinen Körper herfahrt!"stöhnte Lukas und dachte insgeheim, dass er seine Leidenschaft für Speiß und Trank zähmen würde.
"Hüte deine Zunge! Ich bin immer noch dein doctus doctor, dein Lehrer!"
Mühsam richtete sich Lukas auf. Seine Züge waren noch blasser als sonst, seine ansonsten leuchtenden, grünen Augen schienen matt und leer.
"Ich habe so viel über die Hexenverbrennungen gelesen! Ihr hattet mir so viel über die Folter erzählt. Warum nur kann ich die Verbrennung dann doch nicht ertragen, Meister?"
"Die Theorie hat nichts mit dem echten Leben zu tun!" Johannes Meyfart legte eine Hand auf Lukas Schulter. Der 15-jährige kam ihm nun sehr verletzlich und schutzlos vor.
"Komm! Lass uns sehen ob noch die Schenke "Zur Sonne" auf hat! Ich habe einen Bärenhunger!"verkündete Meyfart und schritt mit Lukas den Hügel hinab auf die Stadt Trier zu, die sich im Tal erstreckte, während sich einige Geharnischte daran machten, die sterblichen Überreste der Gertrude Mahlens von dem Scheiterhaufen zu schneiden.
"Verstreut ihre Asche in alle Winde!"rief der milites dei, der Gottesstreiter Johannes Meyfart.
Wie, als hätte er sich nur kurz versteckt um nicht die grausame Hinrichtung mitanzusehen, blickte der Mond hinter dunklen Wolkenbergen hervor und schenkte dem Tal sein bleiches Licht.
Lukas blickte kurz zu dem Trabanten hinauf und folgte dann seinem Lehrer einen steilen Pass hinab, der sich in das Tal schlängelte, in dem Trier lag.
Die alte Römerstadt Trier, die damals auf den Namen Augusta Treverorum gehört hatte, lag wie ein alles verschlingender Abgrund in der Mitte des Tales. Die Mauern, die die Stadt umgaben stammten teilweiße noch aus den Zeiten der Römer. Hinter den Mauern war eine bunte Mischung an Häusern, die glänzend zu ihren farbenfrohen und verschiedenen Bewohnern passten. Es drängte sich das alte Römertor, die Porta Negra, an die Kontore der Pfeffersäcke, es lagen Kirchen neben den ärmlichen Hütten der Tagelöhner und Halsabschneider, es drängte sich Turm an Turm, Giebel an Giebel, Erker an Erker, und alle zusammen bildeten sie ein unüberschaubares Labyrinth.
Trier war wie ein pulsierendes Monster, das immer größer und mächtiger wurde. Die Größe der Stadt hatte sich seit den Römern verdoppelt, bald würde sie sich verdreifachen und die Menschen dachten nicht einmal daran, in der Wut ihres Bauens einzuhalten.


*

Trier, Deutschland

Die kleine Spelunke, die auf den Namen "Zur Sonne" hörte, lag in einer dunklen Gasse im Südviertel Triers, dort, wo Banditen, Halunken und Halsabschneider aus- und eingingen, ebenso wie Dirnen und die Rattenschwärme der Stadt.
Ein kleines Holzschild mit abgeblätterter Schrift, auf dem einst "Zur Sonne" stand, quietschte leise im Wind, es hatte begonnen zu regnen und monotones Plätschern erfüllte die Gassen, Straßen und Hinterhöfe der Stadt.
Lukas und sein dürrer Meister Johannes Meyfart liefen durch den matschigen Morast der Gasse, der ihre Stiefel ruinierte. Meyfart zog sich seinen schwarzen Inquisitoren-Hut mit der riesigen Krempe tiefer ins Gesicht. "Mistwetter!"fluchte er, nicht gerade seinem Stand entsprechend.
"Hoffentlich hat der alte Kuno einen schönen, heißen Krug Met! Diese Kälte geht einem ja durch Mark und Bein!"
Aus der Schenke, einem unscheinbaren Gebäude aus Lehm, das sich zwischen ein Bordell und einen Geldwechsler drängte, erklang lautes Johlen, Rufen und Lachen.
Meyfart öffnete die schwere Holztür des Lokales und betrat den vor Rauch stickigen Raum, der nach Erbrochenem, Bier, Zwiebeln und fettigen Fleisch roch. Das Lachen und Rufen verstummte schlagartig, alle Blicke in der Schenke richteten sich auf den durchnässten, hageren Inquisitor und seinen beleibten Gehilfen.
Meyfart lief durch den kleinen Schenkraum auf den Tresen zu, der am Ende des Zimmers stand, wobei er den Kopf einziehen musste, um nicht gegen die niedrige Decke zu stoßen. Lukas folgte ihm und wurde dabei von mehreren Gestalten angestoßen, die den wohlgenährten Lukas in seinem samtenen, grünen Wams neidisch musterten.
Meyfart stellte sich an den Tresen und lächelte Kuno, den fettleibigen Besitzer der Kneipe an, der eine äußerst starke Behaarung aufwieß. Man konnte das Gesicht des Mannes kaum erkennen, da es unter struppigen, fettigen Haaren und verfilzten Bart verborgen war, nur zwei wachsame Augen blitzten aus dem Gewirr der Haare hervor.
Kuno lächelte zu Meyfart zurück und entblößte dabei mehrere Zahnlücken und faulige, gelbe Zähne.
"Ah, Johannes, alter Knabe!", Kuno klopfte auf Meyfarts Schulter, "Hab' gehört, dass du heute Nacht mal wieder fleißig warst und ein Hexenfeuer hast brennen lassen."
Der Wirt schüttelte seinen Kopf. "Ich kannte die alte Gertrude. War eigentlich ein netter Zeitgenosse! Ich hätte nie gedacht, dass sie mit dem Teufel im Bunde steht."
"Gottes Wege sind unergründlich!"meinte Meyfart und blickte zu Boden, wodurch seine Augen im Schatten seines Hutes im Argen lagen.
"Was darfs denn sein? Ich habe das beste Pökelfleisch der Stadt und meine Met würde selbst Kaiser Friedrich nicht ablehnen können!"
"Hört, hört!"lachten einige Trunkenbolde auf, die mitgehört hatten.
"Dann will ich nicht nein sagen! Zwei Met für mich und meinen jungen Freund hier! Und bring uns dein bests Pökelfleisch und unverschimmeltes Graubrot!"
"Mit Vergnügen!"entgegnete Kuno und machte sich daran, die von Meyfart aufgetragenen Speißen zu besorgen. "Komm, wir suchen uns einen guten Platz!"sagte Meyfart zu Lukas und schritt voraus durch den Schankraum, wobei ihre Schritte im ausgelegten Stroh knisterten.
Sie setzten sich an einen groben Holztisch in eine Ecke des Raumes, ein wenig entfernt zu den anderen Gästen. Lukas blickte in die Flamme einer Talgkerze, die auf der Mitte des Tisches stand. Das leise, fast unhörbare Knistern des Feuers klang für ihn wie das verzweifelte Schreien der Gertrude Mahlens.
"Woher kennt ihr diesen Kuno?"fragte Lukas und fuhr mit einem Finger die Maserung der Tischplatte entlang. "Er war einst mein Gehilfe, genau wie du jetzt!"antwortete Meyfart.
"Wieso ist er dann nicht Geistlicher?"
"Er war es! Er war sogar Inquisitor! Doch man erzählt sich, dass er einst eine Hexe verurteilen sollte, die so wunderschön und lieblich war, das er es nicht übers Herz brachte. Sie hatte ihn wohl mit einem Liebeszauber belegt, anders kann ich es mir nicht erklären."
Meyfart setzte seinen Hut ab, legte ihn auf den Tisch und spielte an der Krempe.
"Deshalb ist er mit dieser Hexe durchgebrannt. Sie sind in irgendeinen Ort in der Schweiz geflohen und man hat jahrelang nichts mehr von ihm gehört. Eines Tages tauchte er plötzlich verwildert und abgemagert hier in Trier auf. Ich habe ihn gepflegt, bis er wieder auf den Beinen war, dann hat er diese Schenke hier eröffnet."
"Was ist aus der Hexe geworden?"
"Ich weiß es nicht! Manche vermuten, dass sie gestorben ist, Andere meinen jedoch, Kuno selbst habe sie umgebracht."
Im selben Moment kam der, über den sie gesprochen hatten zu ihrem Tisch und stellte zwei irdene Becher Met, einen großen Laib Brot und Pökelfleisch auf den Tisch.
"Alles nur vom Feinsten! Geht auf's Haus!"kommentierte Kuno.
"Ich bin dir zu Dank verpflichtet!"sagte Meyfart und errötete leicht. "Aber nein!"Kuno winkte ab und ging davon. Lukas schnitt sich etwas Brot ab und schob es sich in den Mund.
Stillschweigend machten sie sich über ihr Mahl her, nur ab und an warfen sie sich Blicke zu, die von Vertrautheit, aber auch von Angriffslustigkeit zeugten.
"Bald wirst du deine eigenen Wege gehen müssen! Ich kann dir nicht mehr viel beibringen!"sagte Meyfart zwischen einem Happen Pökelfleisch und einem Zug Met.
"Was meint ihr, Meister, wie lange ich diesen Tag schon herbeisehne!"lachte Lukas schmatzend.
"Hüte deine Zunge! So spricht man nicht mit seinem Mei..."wollte Meyfart sagen, doch seine Worte gingen in dem ohrenbetäubenden Getöse der Tür unter, die schwungvoll aufflog.
Drei Gestalten, in abgewetzte Umhänge gehüllt, betraten die Schenke, allesamt hielten sie Krüge und Flaschen in Händen und stanken penetrant nach billigem Wein, Bier und Schnaps.
"Was'n? Bring uns was zu saufen, Kuno! Schnell!"knurrte einer der Männer, ein gedrungener, kleiner Kerl mit pockennarbigen Gesicht. Die drei Saufkumpanen torkelten auf einen Tisch zu und ließen sich dort nieder, wobei sie einen Stuhl zerbrachen und Bier über den Boden kippten.
Kuno kam zu ihnen und donnerte wütend einen Krug billigen Fusel auf den Tisch.
"Benehmt euch oder ihr fliegt raus und könnt die Nacht bei den Hunden verbringen!"brüllte er sie an und lief dann zu dem Tisch von Meyfart und Lukas.
"Hütet euch vor denen! Der Kleine mit den Pockennarben ist Gertrudes Mann, deshalb ist er so besoffen!"flüsterte ihnen der Wirt zu.
Meyfart warf den drei johlenden Gesellen einen abschätzigen Blick zu.
"Gott wird über mich wachen! Ego milites dei!"
"Wenn du meinst!"sagte Kuno und lief zurück zum Tresen.
"Trinkst du noch was?"fragte Meyfart Lukas.
"Nein, eigentlich nicht! Ich geh mal eben nach draußen. Die Blase drückt."
Lukas stand auf und lief durch den Schankraum. Als er an dem Tisch mit den drei Betrunkenen vorbeikam, stellte ihm einer ein Beinchen und Lukas stürzte der Länge nach auf den Boden.
"Na, wen haben wir denn da?"sagte Gertrudes Mann. "Was macht ein Bengel in so schönen Gewändern in so einer Kneipe?" Lukas antwortete nicht, sondern stand auf und lief schnellen Schrittes auf die Tür zu, den Blick starr nach vorne gerichtet.
"Verdammter Hurensohn! Bleib steh'n, wenn ich mit dir red'!"schrie das Pockennarbengesicht.
Lukas wandte sich noch einmal um. Im selben Moment traf ein von den Betrunkenen geworfener Bierkrug seine Schläfe und ließ ihn zurück, gegen die Wand taumeln, an der er benommen niedersank.
Die Drei standen auf und umkreisten ihn, wilder Tumult entstand in der Kneipe, Männer sprangen auf Tische, Stühle wurden umgeworfen, Schreie ertönten.
Und über all diesen Lärm schallte die Stimme von Johannes Meyfart hinweg. "Haltet ein!"rief der Inquisitor. "Lasst ihn in Ruhe! Er hat euch nichts getan!"
Der Mann von Gertrude drehte sich zu ihm um und sein Gesicht wurde wutverzerrt. "Du!",rief er, wobei Speichel seinen Mundwinkel hinabrann, "Du hast sie umgebracht! Schwein! Mörder!"
Der Mann zückte einen rostigen Dolch und stürzte sich auf Meyfart, dann ging alles ganz schnell.
Kuno holte eine breite Axt hinter dem Tresen hervor, die beiden anderen Trunkenbolde holten einen Knüppel und ein kleines Messer hervor, die anderen Männer im Raum schlugen wild aufeinander ein.
Lukas verlor die schwarze Kutte des Inquisitors in dem Menschengewimmel aus den Augen....
 



 
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