Manifest gegen die Bundeswehr

Paulinekeck

Mitglied
„Dann geh doch zur Bundeswehr“

„Ne, danke“. Sage ich ohne Rechtfertigung und drehe mich auf meiner Sonnenliege um. Es hat circa 30 Grad, ich bin auf Mauritius. Ich habe nun ungefähr 277 Tage nicht an die Bundeswehr gedacht. Wahrscheinlich seit dieser peinliche Werbe-Brief kam.

„Aber Bundeswehr ist doch sinnvoll, da lernen die jungen Menschen noch was“

Ich antworte mit „sicher, ist das sinnvoll“. Der Atheismus verlässt meinen Körper und ich fange an Stoßgebete an den Himmel zu entsenden. Bitte Gott, ich möchte nicht an diesem Gespräch teilhaben.

„Tu doch mal was für dein Land, ja was Richtiges, zum Beispiel bei der Bundeswehr!“

Ich lasse mir meine Sonnenbrille ins Gesicht rutschen, rücke meinen Bikini zurecht, starre regelrecht in mein Buch über Pazifismus und Demokratie. Ich glaube langsam kam die Nachricht an.

Ich habe keinen scheiß Bock eine Grundsatzdiskussion über die Bundeswehr mit dir zu führen. Mir ist es egal ob die Wehrpflicht nun auch für Frauen eingeführt wird, anscheinend sollte mich das als selbsternannte Feministin deiner Meinung nach interessieren. Davon ausgegangen, ich hätte eine ausdifferenzierte Haltung dazu ob Waffenexporte jetzt tatsächlich die Marktwirtschaft ankurbeln, würde ich wahrscheinlich sehr vorsichtig mit dieser umgehen und sie nicht in jedem x-Beliebigen Entwicklungsland herumposaunen. Noch weniger Lust habe ich, mich zum zigtausendsten Mal zu rechtfertigen, eine Geisteswissenschaft studieren zu wollen. Ich war bei der Auswahl meines zukünftigen Studiums tatsächlich mental gesund und bei Sinnen. Nur so kurz Nebenbei stellt dieses Studium MEINE Interessen dar. Spoiler: Die Bundeswehr liegt eher weniger in meinem Interessensfeld. Ich finde Tarnfarben nämlich Unsexy und Tinder-Männer in Uniform, hab ich aus Prinzip immer weggewischt. Meine Geisteswissenschaft verspricht mir logischerweise keine 10k netto im Monat als Oberfeldwebel*in. Selbst wenn Taxi-Fahrerin die Alternative bedeutet, mein Gott dann sei es so. Als Taxi-Fahrerin bin ich wenigstens nicht dazu verpflichtet Tarnfarben zu tragen. Klar würde ich mich freuen wenn ich grad so über die Runden käme und dabei eventuell noch so n klitzekleinen Porsche besäße. Aber selbst, wenn es für den Porsche nicht mehr reicht, dann kann ich dir wenigstens mit meinem Politikwissenschaftsstudium fundiert begründen, warum Krieg echt nicht so erstrebenswert ist. Wenn ich studiert habe, vielleicht nimmst du meine politische Meinung dann sogar ernst? Und für alle die Fakten hören wollen, ich habe Asthma und rauche, ich kann keinen Berg besteigen, wenn ich Glück habe komme ich grade noch so drei Stockwerke hoch. Ebenfalls kann ich kein Blut sehen, hab Höhenangst und keine Vaterfigur. Was mich aber zur Monarchin der Anti-Bundeswehr Bewegung macht, ist dass ich, keinen einzigen Funken Patriotismus, gar Nationalstolz in meinem Körper zusammen kratzen kann, welcher mich eventuell noch dazu bewegen könnte für dieses Land zu kämpfen.

Aber ich als selbsternannte Hobbypsychologin und Politikexpertin frage mich was in diesen Menschen jetzt explizit vorgeht. Ich möchte euch folgendes Szenario nochmal vorführen. Ihr liegt am Strand, ihr solltet völlig entspannt sein, aber die Bild-Zeitung berichtet schon wieder darüber, dass Deutschland nur noch 0,5 Leopard-Panzer im Reportoire hat und damit vollkommen unegrüstet im 3. Weltkrieg gegen Putin kämpft, quasi mit Luft und Liebe. Plötzlich kommt euch der rettende Gedanke, ihr müsst heute noch euer Land retten. Die einzig logische Konsequenz? Halbfremdes Mädchen für ihren Studiumswunsch erst so fertig zu machen, dass sie ihre kompletten früheren Entscheidungen hinterfragt. Um in Folge, aus kompletter Willkür für die Bundeswehr zu machen zu werben. Sorry Thomas, aber deine Einkommenssteuer wird leider nicht zur Finanzierung eines neuen Leopard-Kampfpanzers genutzt. Und ja, daran sind wirklich nur allein die Grünen Schuld. Aber zum Glück betreibst du ja so fleißig Werbung in den jüngeren Generationen, das wird alles ändern! Dank dir ist unsere Armee nun besser ausgestattet, wenn du glück hast gibt’s vielleicht noch ein Bundesverdienstkreuz für besonders selbstlose Einsätze dazu.

Im Endeffekt geht es gar nicht darum ob die Bundeswehr jetzt tatsächlich so geil ist, wie Ü40 Männer gerne behaupten, oder ob ich einfach physisch und psychisch zu unfähig dafür bin.

Es geht darum, dass der Satz „Dann geh doch zur Bundeswehr“ instabile Männer mit Gewaltfantasien so angeilt, dass sie meinen sie hätten damit alle folgenden Generationen, inklusive ihr gelobtes Vaterland gerettet.

Natürlich freue ich mich, wenn ihr alle das Beste für mich wollt. Aber ich habe nur begrenzte Kapazitäten für gekünstelte Bundeswehrfantasien von halbfremden. Nicht nur, weil diese Diskussion schon ein paar Male entfachte und ich mich damals tatsächlich noch darauf eingelassen habe. (Wie blöd von mir), sondern auch weil ich mir wünschen würde, dass meine zukünftige Studiumswahl einfach respektiert werden würde. Ich lege meine politische Meinung euch allen offen zukunde, und ich würde sogar behaupten, wenn man sich einmal auf ein zehnminütiges Gespräch mit mir einlässt, dann ist es ziemlich offensichtlich, dass die Bundeswehr nicht unter meine Karriere Optionen fällt.

Es soll ja Menschen geben, die nicht so eine rattenscharfe Menschenkenntnis besitzen wie ich und deswegen ihren Deutschland-Savior-Komplex an alle Jugendlichen im 50 Meter Umkreis ranlabern müssen. Versteht mich nicht falsch, bei irgendwem kommt es bestimmt an. Und wer sich das dann auch tatsächlich freiwillig gibt. Meinen Ganzen Respekt. Ihr seid tatsächlich Deutschlands Zukunft. Ich persönlich habe mit dem Karierreweg der Leutnantin abgeschlossen und werde daher glücklich und zufrieden mein politikwissenschaftsstudium beginnen. Hoffentlich findet die Bundeswehr ihren Frieden auch ohne mich.
 



 
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