Marika winkt

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SusiPikl

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Ich mache das Fenster auf, es muffelt in meiner Wohnung. Ich muffel, mein ganzes Leben muffelt.

Dabei komme ich gerade „frisch“ aus der Dusche, wie man so schön sagt. Wie „Frisch aus dem TK“, dabei ömmelt das da drin doch auch ewig rum. Ich ömmel auch gerne ewig rum, unter der Dusche. Regendusche an der Decke, da könnte ich ewig drunterstehen. Warmer Regen.

Das große Badezimmer war auch der Hauptgrund warum ich diese Wohnung hier unbedingt haben wollte, für mich und meine zwei Mädels: 3 Frauen-WG, für jeden ein Zimmer plus Wohnküche, Wohnzimmer, Wohnbad. Gut zum Wohnen. Wohlfühlwohnen, ich wohne sehr gerne hier, meine beiden Töchter benötigen noch Zeit.

Manche sagen: Frisch geduscht, wie neu geboren. Ich fühle mich nicht anders als vorher, nur sauberer. Die Luft fühlt sich gut an, auf nackter Haut.

Marika winkt. Von der anderen Straßenseite hinüber, auch 3. OG, gleiche Flughöhe. Nicht mehr als 10 Meter trennen uns. Mit ihrem halber Körper und ihren vollen Busen durchs halb geöffnete Fenster gequetscht, Zigarette in der Hand, Kurzhaarfrisur, schaut sich um. Seit fast zwei Jahren wohne ich hier. Seit fast zwei Jahren treffen wir uns regelmäßig, auf gleicher Luftlinie. Marika immer Kippe in der Hand, immer Smalltalk. Meist zuerst übers Wetter. Klingt langweilig aber ist immer sehr nett. Früher Altenpflegerin. Schwerer Beruf. Wichtiger Beruf, ich empfinde Respekt. Jetzt nicht mehr, also ich meine sie ist jetzt nicht mehr im Beruf. Respekt hab ich immer noch, sowieso vor ihr. Wie sie ihr Leben meistert. Ganz alleine. Auch vor mir habe ich Respekt, wie ich mein Leben meistere, alleine, zu dritt.

Marika hat nen Tick. Dieses Tourette-Syndrom. Da hat man Zuckungen von Körpergliedmaßen oder Gesichtsmuskeln, die man nicht steuern kann. Wenn man nervös ist oder aufgeregt, kann ja auch positive Aufregung sein, verschlimmern sich die Ticks oft. Marika macht aber auch Geräusche nach und spricht Schimpfwörter laut aus und pfeift oft.

Das hat ihr auch ihren Beruf gekostet. Es wurde immer schlimmer sagt sie, bis es eben nicht mehr ging. Arbeitsunfähig, gesellschaftsunfähig,
ausgegliedert, aussortiert, funktionsunfähig. Invaliden-Rente.

Am Anfang war ich erstmal, sagen wir mal, irritiert: „Schlampe!! Guten Morgen Laura! Schau mal, da hinten ist die Sonne….fick Dich Sonne!“

Jetzt habe ich mich daran gewöhnt und sie mag es, glaube ich, dass ich damit umgehen kann. Selber Schlampe, denke ich, und da hinten ist die Sonne, die sich fickt. Ich grinse in mich rein.

Eigentlich befreiend. Sie darf über die ganze Straße Schimpfwörter schreien oder was Sache ist, sie macht es ja nicht mit Absicht, und sie will das ja auch eigentlich garnicht, ist ja nicht so dass sie so denkt! Und die Sonne ist ja auch nicht immer am Ficken.

Die Blicke beleidigen Marika nicht mehr, das ist sie gewohnt. Und ich beobachte gerne die Menschen, die hier nicht wohnen und sie nicht kennen, ihre Krankheit nicht kennen und sich nur in Gedanken empören über das derart abartig laut Ausgesprochene, sie nicht zu kontern oder gar zurückzubeleidigen, wie ich es tue. Die meisten tun so als hätten sie „es“ nicht richtig verstanden. Wenn ich Marika ebenfalls etwas Bösartiges zurückrufe, lacht Marika. Wir kennen uns ja, sie weiß inzwischen auch wie ich ticke. Ihr Lachen liebe ich. Großer Mund, breites Grinsen, schöne weiße Zähne, das strahlt wie die Sonne.

Und dann der Anblick von Marika! Im engen Fensterrahmen durchgequetscht mit qualmiger Kippe und dem Riesen Busen im lavendel Nicki-Hoodie-Pulli. Hat sie immer an, also Hoodies aus Nicki-Stoff, der so kuschelig weich ist. Also den kompletten Nicki-Jogger hat sie an. Von der Straße unten sieht man aber wahrscheinlich erst nur ihren Busen flachliegend auf dem Fensterbrett bevor man den Kopf im Hoodie sieht, den sie dann nach unten streckt und vorne kippt um ebenfalls zu schauen wer da so langläuft, unten an ihrer Haustür vorbei. Hat ja auch nix zu tun die Arme.

Wie ihre Wohnung wohl aussieht? Achso, so einen Chihuahua Hund hat sie noch. Oder gehört der einer Nachbarin und sie kümmerst sich ab und zu um den, wenn die krank ist. So ganz hatte ich es nicht verstanden. Auf jeden Fall sehe ich sie manchmal damit Gassi gehen, hier im Viertel. Und bunte Crocs trägt sie immer, also nicht die Echten. Sowas kann man sich mit Invaliden-Rente eher kaum leisten. Weiße mit so bunten Batikverlauf oder heißt das Marmorieren, erinnert mich an Kindergarten.

Naja, auf jeden Fall amüsieren mich persönlich die Reaktionen auf Marikas „Fehlverhalten“. Sozialstudie. Dieses so tun als war oder ist da gar nix, ich laufe mal einfach weiter, meinte sie etwa mich? So die Erwachsenen!

Die Kinder sind da offener, zugänglicher, neugieriger. Die schauen direkt hoch zu Marika, wenn sowas kommt wie: „Du Arschloch, geh weiter!“ und sie schauen die Mama an der Hand dann komisch an und zeigen da hoch in den 3. OG direkt zu Marika. Oder die Teenies, oft im Zweier oder Dreier-Gespann, sie kichern und lachen laut. Besser als ignorieren - finde ich.

Letztens, zwei Jungs auf nem Roller, der Roller rollte fast im selben Tempo weiter während beide nach oben starrten. Zum Glück war da gerade nur Gebüsch. Hätte hier an der großen Kreuzung auch anders ausgehen können.

Aber wer möchte denn nicht gerne mal „Fuck you!“ aus seinem eigenen Wohnzimmerfenster laut herausschreien, jeden Tag!? Nur ganz kurz! Aber ja, ich bin froh um meinen Job. Ich bin froh um jede Nicht-Krankheit.

Meine zwei Mädels sind heute über Nacht bei ihrem Papa. Um den Stess in seiner Firma zu kompensieren trinkt er. Er muffelt auch.

Marika klemmt immer noch in ihrem
Fensterrahmen, ihre Zigarette längst ausgedrückt in einer leeren Mais-Dose. Kann ich von hier aus erkennen. Ich mag Mais auch. Ich lasse das Fenster noch ein wenig offen, die kühle Luft tut nicht nur mir gut. Wir haben noch eine Bartagame, zwei Farbratten und einen Hamster zu Hause. Die muffeln auch.

Ich gehe in die Küche für einen zweiten Kaffee, ich höre Marikas Pfeifen. Wie eine Amsel hört es sich an.
 
Zuletzt bearbeitet:

petrasmiles

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Liebe SusiPikl,

Deine Geschichte habe ich gerne gelesen - wenn ich auch den flapsigen Ton gewöhnungsbedürftig finde - aber man liest sich ein.

Das finde ich irreführend:
Marika ist eine treue Seele.
Denn sie hängt ja nicht wirklich freiwillig ständig am Fenster und ob die 'Beziehung' so weit gediehen ist, dass die Protagonistin das beurteilen kann? Ich würde etwas anderes nehmen.

Und hier ist eine Doppelung:

Und dann der Anblick von Marika! Im engen Fensterrahmen durchgequetscht mit qualmiger Kippe und dem riesen Busen im lavendel Nicki-Hoodie-Pulli. Hat sie immer an, also Hoodies aus Nicki-Stoff, der so kuschelig weich ist. Also den kompletten Nicki-Jogger hat sie an. Von der Straße unten sieht man aber wahrscheinlich erst nur ihren Busen flachliegend auf dem Fensterbrett bevor man den Kopf im Hoodie sieht, den sie dann nach unten streckt und vorne kippt um ebenfalls zu schauen wer da so langläuft, unten an ihrer Haustür vorbei. Hat ja auch nix zu tun die Arme.

Hat sie immer an, Hoodies aus Nicki-Stoff, der so kuschelig weich ist. Also den kompletten Nicki-Jogger hat sie an. Von der Straße unten sieht man aber wahrscheinlich erst nur ihr zwei gewölbten Brüste flach liegend auf dem Fensterbrett bevor man den Kopf im Hoodie sieht, den sie dann nach unten streckt und vorne kippt um ebenfalls zu schauen wer da so langläuft, unten an ihrer Haustür vorbei. Hat ja auch nix zu tun die Arme.
Das Bild mit den Brüsten auf dem Fensterbrett, die man wahrscheinlich als erstes sieht, finde ich verwirrend - das müssten sehr große Brüste sein, und ich glaube nicht, dass eine Frau sie über den Festerrahmen schwingt und sich dann darauf lehnt, um nach unten zu sehen. Ich glaube eher, die Perspektive ist falsch, denn beim Hochsehen verschwindet der untere Teil und man sieht vielleicht den Kopf. Dass ich da jetzt so lange dran rumgegrübelt habe, ist eigentlich ein Zeichen, dass dieses Bild verzichtbar ist - das mit der Sicht von unten.

Ich finde sehr gut, wie Du die Reaktionen der 'Normalos' aufzeigst. An zwei Stellen nennst Du, dass Du sie manchmal beneidest - das zweite Mal ist zuviel. Ich habe zwar erst innegehalten, aber es gehört zur Wahrheit auch dazu, wie man mit so einer Begegnung umgeht und was sie in einem auslöst, aber einmal reicht.

Es wird ja jeder mit seinem inneren Erlauber konfrontiert und bei spontanen Reaktionen ist man eben nicht reflektiert und denkt an Krankheit, sondern hat diesen Ablehnungsimpuls - darum sind Kinder vielleicht auch 'lockerer'.

Das hier finde ich für die Geschichte überflüssig:
Meine zwei Mädels sind heute über Nacht bei ihrem Papa. Um den Stess in seiner Firma zu kompensieren trinkt er. Er muffelt auch.
Da die 'Mädels' im Verlauf der Geschichte keine Rolle spielen, ist die Tatsache, dass sie Schwestern sind, ein Nebengleis und der trinkende Papa erst Recht.

Mir gefällt Dein Blick.

Liebe Grüße
Petra
 

SusiPikl

Mitglied
Guten Morgen liebe Petra!

Vielen lieben Dank für Deine Anregungen und Hinweise. Ich habe mich sehr gefreut, dass ich endlich mal einen Response erhalte über meine Geschichte(n). Das war auch der Grund warum ich sie bei Leselupe eingestellt habe. Ich bin ganz neu hier und muss mich erst einmal mit allen Funktionen vertraut machen.

Den doppelten Absatz habe ich bereits korrigiert. Das ist bestimmt durch das Hineinkopieren passiert.

Deine Anregungen (treue Seele, Perspektive von unten) werde ich definitiv überdenken.

Mit dem trinkenden Papa wollte ich das „Muffelige“ noch einmal einbringen. Die Geschichte sollte leicht (flapsig, kokettierend, ein bisschen frech) aber auch schwer (belastend, bedrückend, zum Nachdenken anregend) rüber kommen.

Mich interessieren Tabu-Themen sehr. Daran habe ich mich festgebissen. Ich arbeite in einer Klinik und bekomme täglich mit wie sehr sich Menschen einfach umdrehen können statt mal genau hinzusehen. Das berührt und bewegt mich sehr.

Dir lieben Dank,
SusiPikl

PS: Mir gefällt Dein Ausdruck „innerer Erlauber“
 

petrasmiles

Mitglied
Liebe SusiPikl,

na dann erst einmal Herzlich Willkommen auf der Leselupe!

Ja, das kann dauern, bis jemand vorbeischaut - es kommt ja immer darauf an, was ein Text in einem auslöst. Ich habe auch schon einiges von Dir hier gelesen, aber hatte bisher keinen Impuls, zu kommentieren.
Dass das bei diesem Text der Fall war, ist sehr wahrscheinlich, dass Dir genau das:

Die Geschichte sollte leicht (flapsig, kokettierend, ein bisschen frech) aber auch schwer (belastend, bedrückend, zum Nachdenken anregend) rüber kommen.
gelungen ist - sogar mit einem leichten Plus auf der 'Frech'-Seite, auf jeden Fall fand ich die Geschichte nicht bedrückend, was eben daran liegt, dass Du die Perspektive von Marika sehr gut darstellst und ihr eine eigene 'Normalität' gibst. Wenn es mehr echte Inklusion gäbe, würden auch mehr Menschen aus dieser unreflektierten Impulsphase herauskommen und lernen, diese andere Normalität zu akzeptieren. (Nicht, dass sich damit für die Betroffenen etwas Entscheidendes ändern würde. Im Alltag nicht verstört auf diese Krankheit zu reagieren, ist auch nur wieder eine Zivilisationsleistung, aber wer würde wirklich eine Freundschaft suchen?)

Erst im Nachhinein habe ich begriffen, dass die drei Mädels wohl Mutter und zwei Töchter sind; mangels Erfahrung - sowohl mit WGs als auch Töchtern - habe ich es für eine WG dreier erwachsener Frauen gehalten. Damit musst Du rechnen, das Leute den Beziehungsrahmen nicht verstehen.

Ich glaube, dass literarisches Schreiben erst dann beginnt, wenn man Geschichten wie aus dem Leben gegriffen nicht mehr aus der Innenperspektive sieht, sondern von außen, damit man erkennt, was der Kern der Geschichte ist, wie man sie optimal präsentiert und was alles weg kann. Das Muffelige ist als Einstieg gut, muss aber nicht wieder aufgegriffen werden, ebensowenig wie die Töchter und der Papa.
Aber nicht dass Du den Eindruck bekommst, ich selbst würde das können. Ich habe es nur erkannt - vor vielen Jahren und auch durch Kommentare auf der Leselupe auf einen eigenen Text - dass das so ist, und dass ich es nicht können möchte. Mir ist im Zweifel mein Selbstausdruck wichtiger, also betreibe ich das Schreiben nicht 'ernsthaft'. Es genügt mir, literarisches Schreiben erkennen zu können. Vor dieser Entscheidung stehen wir wohl alle mal.

Der 'Erlauber' stammt sehr wahrscheinlich nicht von mir. Ich habe zu einer Zeit in meinem Leben mich mit Psychologie beschäftigt und einige Bücher mit verschiedenen Modellen gelesen. Einiges bleibt hängen und wird zum Eigenen. Ich weiß nicht mehr wo, aber da wurde vielleicht einmal als innere Institution ein 'Verbieter' genannt, und das habe ich einfach umgedreht, weil es mir nach meiner Denkungsart sinnvoller erschien. Denken ist 'kulturelle Aneignung' :D

Dir noch viel Spaß am Schreiben - und ein schönes Wochenende!

Liebe Grüße
Petra
 

Aniella

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Hallo Susi,

Ich bin froh um jede Nicht-Krankheit.

Unterschreibe ich gern. Amüsant zu lesen, eine tolle Komposition zwischen zwei völlig unterschiedlichen Lebenssituationen. Hier muffelts, da pfeifts.

Hat mir gefallen!

LG Aniella
 

SusiPikl

Mitglied
Hallo Aniella,

oh das hast Du aber schön beschrieben. Genau so ist es!

Bis später, sitze gerade beim Arzt

LG Susi
 

Anders Tell

Mitglied
Die Schimpfwortkanonaden tolerant hinzunehmen beschreibt nur eine Ausprägung des Tourette Syndroms. Es gibt Fälle, die so starke körperliche Tics haben, dass sie vor Selbstverletzung nicht sicher sind. Oft müssen sie mit starken Beruhigungsmitteln ihre Zwänge dämpfen. Die Betroffenen wissen, was ihnen geschieht und leiden oft sehr darunter. Da hilft ihnen keine Toleranz der Mitwelt.
 

SusiPikl

Mitglied
Die Schimpfwortkanonaden tolerant hinzunehmen beschreibt nur eine Ausprägung des Tourette Syndroms. Es gibt Fälle, die so starke körperliche Tics haben, dass sie vor Selbstverletzung nicht sicher sind. Oft müssen sie mit starken Beruhigungsmitteln ihre Zwänge dämpfen. Die Betroffenen wissen, was ihnen geschieht und leiden oft sehr darunter. Da hilft ihnen keine Toleranz der Mitwelt.
 

SusiPikl

Mitglied
Das ist wohl wahr, nur DAS vermag erst recht niemand lesen. Und ja, da hilft möglicherweise keine Toleranz der Mitmenschen, wobei Akzeptanz wäre immerhin schon ein Schritt nach vorne. Hinsehen und nicht wegsehen.
 

Anders Tell

Mitglied
@Aniella
Das ist zu kurz gesprungen. Niemand will alle Probleme der Welt lösen. Nur mit Verharmlosung ist ein Tabuthema nicht hinreichend beschrieben. Ich bin bestimmt kein Weltverbesserer. Susi hat in anderen Geschichten die Sache bei den Hörnern gepackt und drastisch gezeigt, worum es geht. Das fand ich überzeugend.
 

Aniella

Mitglied
Das ist zu kurz gesprungen.
Bei den anderen Geschichten habe ich auch kommentiert.
Was wäre dann für Dich die Lösung, wenn nicht der erste Schritt, wenn nicht die Akzeptanz, dass jeder Mensch irgendwelche Mängel aufweist? Es kann auch nicht jeder Mensch mein bester Freund werden, aber deswegen kann man ja in kleinen Schritten mit jemandem kommunizieren, ihn akzeptieren und einfach mit ihm zusammen (friedlich) existieren?
 

Anders Tell

Mitglied
Für mich kommt Marika ein bißchen wie eine Witzfigur rüber. Es ist aber nicht lustig, unter Tourette zu leiden. Es wird ja viel über Inklusion gefaselt. Die Bedingung für Inklusion ist aber die vorhergehende Ausgrenzung. Die Idealzustand wäre, wenn niemand ausgegrenzt wird. Aber das lässt sie sich leicht nicht erreichen. Natürlich hat jeder irgendeine Einschränkung, aber jeder wird dafür nicht marginalisiert. Ein Autist zum Beispiel ist oft kein einfacher Zeitgenossen. Er kann aber herausragende Fähigkeiten haben. Schauen wir mehr aufs Potential als aufs Defizit.
Ich habe sehr viel mit sehr stark eingeschränkten zu tun gehabt. Ganz oft habe ich mich demütig verbeugt, was sie dennoch auf die Stange geschoben haben.
Du solltest weiter so engagiert schreiben. Das ist wichtig. Ich mag trotzdem meine Ansichten zu einzelnen Aspekten äußern.
 

Aniella

Mitglied
Das sollst Du auch, das finde ich sogar gut!
Ich glaube, aber das ist natürlich nur meine Auffassung nach dem Text, dass hier Marika nicht als Witzfigur dastehen soll, sondern als die gute Seele, die sie hinter dem äußeren Bild wahrnimmt. Unfreiwillig komisch sind auch ganz gesunde Menschen manchmal und genauso wirkt das hier auf mich. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sich die Protagonistin über Marika stellt, im Gegenteil, sie respektiert sie für das, was sie geleistet hat. Sie findet sie nett, auch wenn sie anfänglich irritiert ist. Außerdem denke ich, dass Marika das echte Gefühl dahinter spürt, sonst würde sie sich gar nicht weiter mit ihr abgeben. Vielleicht lese ich auch zuviel rein.Möglich.
Aber für mich wirken sie wie zwei Freundinnen von Fenster zu Fenster. Jeder tut in seinem Bereich das, was er leisten kann.
Inklusion ist nur bis zu einem gewissen Grad immer umsetzbar. Es wäre schon viel gewonnen, wenn man erreichen könnte, dass man sich gegenseitig als Bereicherung empfinden könnte und nicht als Belastung. Je mehr aber die Menschen selbst unter Druck stehen, desto weniger können sie auf (noch) Schwächere Rücksicht nehmen. Dann wird von jedem erwartet, dass er voll leistungsfähig ist, egal, ob er beeinträchtigt ist oder nicht. Leider steigt der Druck überall immer mehr, darum sehe ich da noch kein Licht am Ende des Tunnels. Selbst betroffen, weiß ich, wovon ich rede.
Im Übrigen finde ich es gut, dass du Dich für Marika hier ins Zeug legst, ich habe es nur anders gelesen, aber ich mag ja falsch damit liegen. Schließe ich nie aus. ;-)
 

Anders Tell

Mitglied
Es geht mir um Wertschätzung, um die Begegnung auf Augenhöhe. Mitleid ist die kleine Schwester von Verachtung. Und Toleranz und Akzeptanz etablieren ein ebensolches oben/unten Gefüge. Ich bin für diese Haltung oft angegriffen worden. Mit so Begriffen wie professionelle Distanz fehlt. Erst in der Ausbildung zum systemischen Berater habe ich Bestätigung erfahren. Da ist Wertschätzung oberstes Gebot.
 

SusiPikl

Mitglied
Oh macht ihr Beiden mir Freude, darüber reden, sich Gedanken machen, Hinsehen, nicht wegsehen. EMPATHIE, darauf will ich die ollen Nasen stupsen.

Marika (Name von der Redaktion geändert ) gibt es wirklich, die Geschichte ist nicht fiktiv. Und falls ich sie gefühlt in eine "Witzfigur" gepackt habe, so war das nicht meine Absicht, wobei sie viel Humor hat und von ihrer Persönlichkeit einfach witzig ist. Das wollte ich mitgeben. Ich mag sie!! Sie war meine Nachbarin gegenüber. Sie ist umgezogen, sie fehlt mir. Deshalb wollte ich über sie und unsere sanfte Beziehung / Begegnungen schreiben.

Danke, dass ihr meine Geschichten lest und ich mit dabei sein darf, wie sie Euch "bewegen", in welche Richtung auch immer.

LG Susi
 



 
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