Mein neues Ich, Kapitel 4

Gelligaer

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Manche Dinge beschäftigen einen mehr als man denkt. Und manchmal tut man Dinge völlig unbewusst. Beides stellte ich ein paar Wochen später bei mir fest. Ich ertappte mich nämlich dabei, wie ich mir bei Douglas einen Lippenstift in der gleichen Farbe kaufte, so wie Tante Olga, Josefines Mum, ihn benutzte. Dann besuchte ich in der Innenstadt einen Friseursalon. Ich hatte beschlossen, mir eine neue Frisur und Haarfarbe zuzulegen. Ich sagte nicht einmal Josefine etwas davon. Geschweige denn Mum. Natürlich sollte die neue Frisur der ähneln, die Tante Olga trug. Keine Frage!

Also hieß es Waschen, Schneiden, Färben, Styling. Ich verbrachte fast vier Stunden im Salon! Ein Großteil meiner Ersparnisse ging dafür drauf. Was am Ende aber raus kam, das konnte sich sehen lassen. Ich war ein ganz anderer Typ geworden. Zufrieden schlenderte ich nach Hause. Mum staunte nicht schlecht. Ihr schien die neue Frisur sogar zu gefallen. "Das hättest du schon früher tun können" , sagte sie lapidar. Mehr hörte ich nicht von ihr. Auf der Kommode im Flur lag ein Luftpostbrief. Er war von Samantha. Sie hatte ihn direkt an mich adressiert. Die Schwester hatte sich herab gelassen, auf meinen vor zehn Wochen geschriebenen Brief zu antworten.

Ich steckte ihn ein und lief nach oben. Natürlich war ich sehr gespannt darauf, was sie schrieb. Mit einer Tafel Nougat-Schokolade bewaffnet, setzte ich mich an meinen Schreibtisch und fing an zu lesen. Samanthas Schrift war etwas verschlungen, doch ich konnte alles gut entziffern. Sie schrieb: Schwesterlein, was muss ich vernehmen. Du und Dicksein, das ist was ganz delikates! Fast empfinde ich so etwas wie Schadenfreude. Gebe zu, Du hast mich, als ich anfing üppig zu werden, immer scheel angesehen, oder? Na gut, Schwamm drüber. Fast 75 Kilo? Soviel habe ich etwa gewogen, als ich in die Staaten flog. Der Apfel fällt eben nicht weit vom Stamm. Klar hast Du die gleichen Gene wie ich. Schwesterlein, Du musst Dir keine Gedanken machen. Wie Du geschrieben hast, nimmst Du es ja leicht, bist sogar gerne dick. Da haben wir sicherlich was Gemeinsames. Weil Du so ehrlich von Dir berichtet hast, will ich es auch von mir tun. Du hast vermutet, dass auch ich zugelegt habe. Schwesterlein, damit lagst Du nicht falsch. Wenn man unter lauten dicken und fetten Leuten lebt, wie jetzt ich, muss es zwangsläufig dazu kommen, dass man zunimmt. Ich esse genau so gern wie Du. Ich habe das eigentlich schon immer getan. Ich kann einfach nicht dem guten Essen entsagen, da wirst Du mich verstehen. Das Resultat ist natürlich, dass ich wie ein Hefekloß aufgehe. Meine alten Sachen kannst Du alle haben, da passt mir nichts mehr. Nur gut, dass die Gastfamilie nicht knauserig ist und mich einkleidet, wenn ich was Neues brauche. Felicitas, ich wiege jetzt bereits 93 Kilo! Wahnsinn, nicht?

Ich unterbrach das Lesen für einen Moment. Nur 93 Kilo?! Da war Samantha gar nicht soweit weg. Ich hatte Anfang der vergangenen Woche schließlich schon 89,9 Kilo auf die Waage gebracht. Damit hatte ich bereits mit Josefine gleichgezogen! Jetzt schon!!! Ich steckte mir einen Riegel Schokolade in den Mund und las weiter: Also, Schwesterlein, wenn ich hier in einem Vierteljahr weggehe, habe ich bestimmt die 100 erreicht. Wollen wir wetten? Ansonsten gibt es nicht viel Neues. Ich kümmere mich nach wie vor um die Bälger der Familie, sehe dabei allerdings den halben Tag fern. Manchmal helfe ich auch in der Küche aus. Du, ich werde tolle Rezepte mitbringen… Ich war enttäuscht darüber, dass Samantha nicht ausführlicher von sich berichtete. Ich legte den Brief zur Seite. Ich ging hinüber ins Bad. Ein Blick in den Spiegel verriet mir, dass die Akne weiter zurückgegangen war. Dagegen waren meine Wangen voller geworden. Sie waren bereits voller als die von Josefine. Dass ich immer noch rasant zunahm, sah man schon allein schon daran. Ich bekam Zweifel, ob es richtig sei, noch fetter zu werden. Es war nur eine kleine Verunsicherung vorhanden. Doch ich ignorierte die Gedanken sogleich wieder. Ich bewunderte abschließend meine Hochsteckfrisur. Nur schade, dass ich sie öffnen musste, bevor ich zu Bett ging. Ob mir morgen wohl gelingen würde, sie wieder so herzurichten? Am anderen Morgen brachte ich bereits 93,4 Kilo auf die Waage. Ich hatte also die 90-Kilo-Grenze überschritten! 4 Kilo in nur reichlich 7 Tagen! Das war schon heftig. Man musste allerdings berücksichtigen, dass ich in dieser Zeit dreimal bei Tante Olga gegessen hatte. Und deren Mahlzeiten hatten es immer in sich. Ginge ich weiterhin zu ihr, käme das ‘ner Mastkur gleich. Was konnte mir aber Besseres passieren?

Im Geografieunterricht wurde ich von der Schulsekretärin aus der Klasse geholt. Ein dringender Anruf wäre für mich da. Frau Bach begleitete mich ins Sekretariat. Papa war dran. Ich hörte schon aus den ersten Worten heraus, dass etwas Schlimmes passiert sein musste. Ich hatte Recht. Er eröffnete mir, dass Mum zu Hause von der Treppe gestürzt sei und sich dabei tödliche Verletzungen zugezogen habe. Ich schluckte. Wie konnte das nur passieren? Ob Mum betrunken gewesen war? In der letzten Zeit hatte sie ganz schön gesüffelt. Manchmal mehr als nur die eine Flasche Sekt. Ich hatte sie manchmal sogar torkeln sehen. Das war abends gewesen. Was war aber am Tag passiert? Vielleicht war da manches geschehen, an das Papa und ich nie und nimmer gedacht hätten. "Papa, sei tapfer. Ich komme gleich…" Natürlich war das auch für mich ein Schock. Tränen vergoss ich allerdings nicht. Ich hatte mit Mum zu sehr unter Spannung gelebt. Mir tat eigentlich mehr Papa leid. Denn er hatte Mum geliebt, trotz ihres oft dummen Gehabes. Schließlich waren die beiden mehr als 21 Jahre verheiratet gewesen. Ich versprach Papa, ab jetzt den Haushalt zu führen. Ich tat das nicht ganz uneigennützig. In meinem Hinterkopf tauchte nämlich die Frage auf, ob es nicht besser sei, ich verließe die Schule gleich nach der 10. Klasse. In Mathe war ich inzwischen katastrophal schlecht, so dass ohnehin Versetzungsgefahr bestand. Und ich müsste mir nicht mehr die doofen Sprüche der Mädchen anhören. Einfach abzugehen, wäre die eleganteste Lösung. Damit würde ich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen. In den Tagen bis zur Beisetzung redete ich entsprechend auf Papa ein. Er ahnte natürlich nicht, was ich bezweckte. Eines Abends sagte er: "Felie, wenn du das tun würdest, ich wäre dir sehr dankbar. Ich möchte aber deinem weiteren Fortkommen auf keinen Fall im Wege stehen." Ich beschwichtigte. "Da mach' dir mal keine Gedanken. Ich hab' auf die Schule ohnehin keinen Bock mehr. Und ‘ne Berufsausbildung kann warten. Wichtig ist mir, dass du versorgt bist. Deine Arbeit hat Vorrang. Du sollst dich nicht auch noch um den Haushaltskram kümmern müssen." Papa drückte mich. Dann sagte er: "Du hast ganz schön zugenommen, Kleines. Ich spüre da einen richtig pralles Bäuchlein." Mir schoss das Blut in den Kopf. Ich war ganz schön verlegen. Etwas später dann, im Flur, betrachtete ich mich in dem großen Garderobenspiegel. Tatsächlich, mein Bauch stand fast ebenso weit vor wie mein Busen. Die Tatsache war nicht zu verleugnen. Und wenn schon? Zufrieden drehte ich mich hin und her. Angelangt war ich bei Konfektionsgröße 52. Nun, Papa würde mir viel eher mal was Neues kaufen. Mich beruhigte das ungemein. Und ich sah schon, ich würde bald wieder was brauchen. Auch was in schwarz natürlich. Ich machte drei Kreuze… Während Papa Samantha vom Flughafen abholte, putzte ich im Haus die Bäder. Damit fertig, duschte ich ausgiebig. Ich ließ den heißen Wasserstrahl genussvoll über den Körper rinnen. Volle zwanzig Minuten blieb ich unter der Dusche.

Ich trocknete mich nachher gründlich ab. Dann wickelte ich die trocken geriebenen Haare in ein Handtuch und betrachtete mich im Spiegel. Papa hatte schon Recht, mein Bauch war ziemlich prall. Doch so gleichmäßig rund, wie der von Papa, war er nicht. Er bestand nämlich aus dem Ober- und Unterbauch. Der Oberbauch ging in die seitliche Fettwülste über, während der Unterbauch mehr zum Hängen neigte. Auch der Busen folgte dem Gesetz der Schwerkraft. Die rechte Brust hing etwas mehr als die linke. Auch waren die Brüste ein wenig flacher geworden. Dafür gingen sie etwas mehr in die Breite. Sie waren dadurch weniger formschön. Doch im Grunde gefiel mir ganz gut, was ich im Spiegel sah. Neu war, dass sich um die großflächigen Warzenhöfe blaue Adern unter der Haut abzeichneten. Ich fand das zwar nicht besonders schön, nahm es aber als gegeben hin. Ich konnte ohnehin nichts daran ändern. Die massigen, wabbeligen Oberschenkel und der wahnsinnig breite Hintern waren natürlich die Krönung. Ich musste zugeben, dass am Körper kaum noch was war, dass man hätte als ästhetisch bezeichnen können. Trotzdem fand ich mich in Ordnung so. Ich hatte zumindest recht interessante Formen aufzuweisen.

Unten quietschten die Bremsen eines Autos. Das konnte nur Papa sein. Ich schlüpfte in den weißen Bademantel und die Badeschuhe. Eilig stieg ich die Treppe zum Hausflur hinab. Bei jeder der Stufen spürte ich, wie Busen und Bauch in Bewegung gerieten. Die schweren Brüste zerrten, ich hatte mir nicht die Zeit genommen, sie im BH zu verstauen. Unten angekommen riss ich die Augen auf. Denn beinahe hätte ich Samantha nicht wieder erkannt. Ich erschrak etwas. Ihr Gesicht hatte sich verändert. Zwar waren die Grundzüge noch immer erkennbar, doch die dicken Wangen, die dahinter fast verschwindenden und dadurch kleiner wirkenden Augen machten die Veränderung deutlich. Sie wirkte feist. "Felie!", rief Samantha und umarmte mich. "Lass mich dich anschauen." Samantha ging einen Schritt zurück. Sie trug ein hellgelbes Kleid, das durch dunkelgrüne Pailletten am Kragen verziert wurde. Ihre Füße steckten in hochhackigen, grünen Pumps, die dicken Waden in gleichfarbigen Nylons. Auf dem blonden Kurzhaar saß eine etwas alberne, schwarze Kappe aus einem Fellimitat. Eben typisch amerikanisch. "Gott, Schwesterlein, du bist wahrhaftig ein Schwergewicht geworden. Selbst in dem dicken Bademantel ist das zu sehen. Toll finde ich dich! Übrigens, die blonden Haare stehen dir." Ich hatte das Handtuch vom Kopf genommen, damit konnte Samantha die neue Haarfarbe sehen. "Du, Schwesterherz, vorhin hab' ich 101,2 Kilo gewogen! Was sagst du dazu?" Ich kicherte verlegen. Samantha lachte laut los. "Da fehlen mir die Worte. Zu mir sind das dann nur noch ein paar Kilo. Vielleicht drei oder vier, mehr wohl nicht. Wie du das in der kurzen Zeit nur geschafft hast? Alle Achtung, Schwesterlein!" Meine Schwester nahm ihren Koffer in die Hand und folgte Papa nach oben. Ich hörte sie im Hinausgehen sagen: "Die hundert hab' ich bis heute leider nicht geschafft." Wieder lachte sie. Es klang fröhlich, war aber zu laut. Eben amerikanisch, dachte ich. Ich folgte den beiden. Bis zum Begräbnis waren nur noch drei Stunden Zeit. Und eineinhalb würde ich mindestens brauchen, um mich anzuziehen und die Haare hoch zu stecken.

Zwei Stunden später saßen wir alle im Wohnzimmer zusammen. Papa, Samantha, Oma Vera, Cousine Regine, Onkel Franz, Josefine und auch Tante Olga. Ich servierte allen einen Likör. "Schaut euch nur die Felicitas an" , bemerkte Oma. "Das Kind kommt ganz nach Ferdinand (was mein Papa und ihr Sohn ist). Auch Samantha tut das natürlich. Die wird aber schon zwanzig. Felie du doch erst sechzehn, nicht?" Oma legte eine Hand ans Ohr. Sie hörte schwer. Außer Onkel Franz waren alle gut beieinander. Der war beinahe dürr. Er kam aus der Familie von Mum. Drum war das auch nicht eben verwunderlich. "Schaut nur, wie Felie zugelegt hat!" Samantha deutete auf meinen breiten Hintern. "Dabei war sie vor einem halben Jahr noch ein ganz dürrer Spatz. In den paar Monaten derart fett zu werden, ist wirklich eine Leistung!" Samantha lachte wieder laut. Ihr schweres Kinn bebte. Papa lenkte ab und erzählte etwas von seiner Arbeit. Doch niemand konnte so recht folgen. Der Computerkram interessierte auch nicht. Alle waren etwas angespannt. Nur Tante Olga und Josefine, die auf dem Sofa saßen, machten einen entspannten Eindruck. Sie ließen sich eine Vollmilchschokolade schmecken. Regine, die sich bisher nicht am Gespräch beteiligt hatte, fragte: "Sag mal, Felie. Willst du wirklich diese durchsichtige Bluse tragen? Ich finde die sehr gewagt!" Ich schaute sie verständnislos an. "Was meinst du?" Regine zeigte mit der Hand auf die nicht mehr vorhandene Taille. "Durch das Nylon sieht man deutlich deine Speckrollen?" Ich schaute Regine verdutzt an. Dann sah ich an mir herunter. Richtig, die Speckrollen quollen in dicken Wülsten über den Bund des schwarzen Rocks. Nun, das war nichts, worüber ich mich hätte wundern müssen. Bei dem engen Rock war das eben so. Nur, das schwarze Nylongewebe verhüllte tatsächlich kaum etwas. Ganz im Gegenteil! Die Haut schimmerte hell durch den hauchzarten Stoff. Sehr appetitlich sah das wahrlich nicht aus, musste ich zugeben. Was sollte ich aber machen? Geholfen hätte hier nur ein Korsett. Doch erstens besaß ich keines und zweitens wäre mir das an dem warmen Frühlingstag zu viel geworden. Ich schwitzte ohnehin schon unter der Bluse. Leider war sie nicht ärmellos. Eine andere schwarze Bluse besaß ich aber auch nicht. "Wisst ihr was?", meldete sich Samantha. "Es ist doch wurscht, ob die Speckrollen von Felie nun zu sehen sind oder nicht. Ich finde, Felie muss sich doch deswegen nicht verstecken müssen, oder?" Niemand antwortete. Regine senkte nur den Kopf. Meine Schwester hatte sozusagen das Thema abgehakt. Ich warf ihr einen dankbaren Blick zu. Mir war die ganze Sache ziemlich peinlich gewesen.

Es wurde Zeit zu gehen. Wir fuhren in zwei Autos zum Friedhof. In Onkel Franz’ Auto, einem älteren Ford ohne Klimaanlage, war es stickig und warm. Wir durften nicht das Fenster öffnen, weil es ihm zu sehr zog. Mir lief der Schweiß aus den Achseln und auf der Stirn bildeten sich kleine Schweißperlen. Auch Josefine schwitzte und stöhnte. Gut war, dass ich mich vorher richtig "eingedieselt" hatte. Ich hatte von Tante Olga aus deren Vorrat ein kleines Fläschchen des schweren, süßlichen Parfüms geschenkt bekommen. Das war stark genug, um den Schweißgeruch zu übertünchen. Na ja, ein bisschen roch es im Auto immer noch. Früher hätte mir das alles nichts ausgemacht. Ich wusste nicht, wann ich jemals so ins Schwitzen gekommen wäre. Jetzt war das alles anders. Ich schwitzte schon bei der kleinsten Anstrengung und auch, wenn ich keine frische Luft bekam. Mir war das natürlich peinlich. Unangenehm war es außerdem. Als der Sarg in der Grube stand, liefen mir doch die Tränen die Wange herunter. Auch Samantha flennte. Der Pater hielt aber auch eine sehr schöne Rede. Mir ging sie richtig ans Gemüt. Allerdings dauerte sie für meinen Geschmack zu lange. Mir wurden die Beine vom langen Stehen langsam schwer. Ich spürte deutlich mein Gewicht. Auch setzten wieder diese Rückenschmerzen ein, die ich immer dann bekam, wenn ich lange stehen musste. Ich wurde langsam müde. Es war aber auch ein schwerer, anstrengender Tag gewesen. Um wieder zu mir zu kommen, überredete ich Samantha und Josefine mit mir zu Fuß zurück zu gehen. Es waren nur knapp zwei Kilometer. Auf dem Weg kamen wir an der Konditorei "Steinmayer" vorbei. Samantha schlug vor, auf ein Stück Torte hineinzugehen. Natürlich stimmten Josefine und ich sofort zu, keine Frage. Bei mir knurrte ohnehin bereits der Magen. "Liebe Frau", sagte Samantha zu der Bedienung, "bringen sie uns bitte drei große Stücke von der Nougat-Sahnetorte dort." Aus den drei wurden dann natürlich sechs. Solange Samantha bezahlte war mir das recht. Am Tresen suchte Samantha nachher für uns noch je ein kleines Tütchen mit Sahnetrüffel aus. Als wir Zuhause ankamen, waren die Tütchen natürlich leer. "Wir werden morgen alle etwas mehr auf den Hüften haben, wetten?" Samantha lachte hintergründig.

Obwohl es erst kurz vor sieben war, zog es mich ins Bett. Völlig fertig sank ich in die Federn. In der Nacht träumte ich von Tante Olga. Die war so fett geworden, dass sie platzte, als jemand mit einer Nadel in sie stach. Selten kommt ein Unglück allein. Dieses Mal war ich betroffen. Und alles kam wie der Blitz aus heiterem Himmel. Wir saßen am Morgen am Frühstückstisch. Samantha hatte es übernommen, den Tisch zu decken. Sie machte das wirklich gut, wahrscheinlich hatte sie in den Staaten dazugelernt. Obwohl wir noch immer unter dem Eindruck des Begräbnisses standen und wir nicht sehr gesprächig waren, zeigten wir einen gesunden Appetit. Es war Wochenende und ich musste nicht zur Schule. Deshalb hatte ich Zeit, um ganz in Ruhe von all den Dingen zu essen, die Samantha aufgetischt hatte. Eier, Schinken, Speck und Käse, dazu noch ein großer Baumkuchen und leckere kleine Pastetchen. Nach etwa einer Stunde hoben wir die Frühstückstafel auf. Ich war gesättigt und zufrieden, hatte ich doch meinen Magen bis zum Rand voll gestopft. Dann geschah es. Mir wurde beim Aufstehen plötzlich schwarz vor Augen. Dann kam ein Schwindelgefühl auf und es versagten mir die Beine. Ich ließ mich zurück auf den Stuhl fallen. Es kam mir vor, als schnürte mir jemand die Brust zu. Ich hatte starke Atemnot und hatte panische Angst, ich könnte ersticken. Es war die reinste Hölle! Wie lange ich so dagesessen hatte, wusste ich hinterher nicht. Denn nur langsam wichen die schwarzen Schleier von den Augen. Der Schwindel aber blieb. Ich wagte noch immer nicht, mich zu rühren. "Mein Gott, Felicitas!" , rief Samantha. "Was ist los mit dir?!" Ich hielt mich krampfhaft an der Tischkante fest. "Mir ist so schlecht…" "Bleib sitzen, ich hole ein feuchtes Tuch!" Samantha sprang auf und eilte zur Spüle, hielt ein Wischtuch unter den Wasserhahn und legte es mir um die Stirn. Papa schaute besorgt zu mir herüber. "Felie, du bist ja ganz rot im Gesicht!" Mir wurde heiß und ich bekam erneut Atemnot. Und wieder beschlich mich dieses Angstgefühl. Was passierte nur mit mir? Alle Bemühungen von Samantha und Papa halfen nichts. Ich fühlte mich elend und schwach. Es wurde auch nicht viel besser, als ich mich im Wohnzimmer auf die Couch legte. Die Enge in der Brust blieb. Papa sah, dass ich mich weiter quälte und fragte mich, welche Symptome ich habe. Ich beschrieb sie ihm: "Hitzewallungen, Atemnot, Zerschlagenheit." "Du, Papa", sagte Samantha mit Angst in der Stimme, "ich glaube Felie ist ernsthaft krank. Wollen wir sie nicht zu einem Arzt bringen?" Papa stimmte zu. Da er aber trotz Wochenende noch zu einer Besprechung in die Firma musste, bat er Samantha, mich zum Arzt zu fahren. Er gab ihr die Adresse einer Ärztin. "Frau Dinkelhofen ist Spezialistin für Innere Medizin. Es ist besser, Felie lässt sich von ihr untersuchen. Nicht bei unserem Hausarzt, da hätte ich so meine Bedenken." Samantha nickte zustimmend.

An die Fahrt habe ich keinerlei Erinnerungen. Erst als ich auf dem Stuhl im Arztzimmer saß, kam ich zu mir. Die Ärztin sagte, ich solle mich obenrum frei zu machen. Sie hörte und klopfte meinen Brustkorb ab. Von vorn, hinten und den Seiten. Dann wurden Fieber, der Blutdruck und der Puls gemessen. Anschließend wurde ich gewogen und musste mich im Nebenzimmer zum Blutabnehmen auf eine Liege legen. Die Untersuchungen dauerten eine knappe dreiviertel Stunde. "Sie können sich wieder anziehen, Fräulein Berger." Die Ärztin bedeutete mir, ich solle am Schreibtisch Platz nehmen. Ich zog BH und T-Shirt an und setzte mich. "Ist das ihre Schwester da draußen?" Ich nickte. Die Ärztin stand auf und holte Samantha herein. "Ihre Schwester sollte wissen, was mit Ihnen ist." Mir wurde Angst. Das klang ja, als wäre ich schwer krank. Ich fing an zu schwitzen. Als Samantha sich neben mich gesetzt hatte, schaute die Ärztin mich mit ernster Miene an. "Fräulein Berger, ich werde sie zur weiteren Behandlung und Beobachtung ins Krankenhaus einweisen." Ich erschrak heftig. Auch Samantha war überrascht. "Ist es denn so schlimm?", fragte ich ängstlich. Die Ärztin nickte. Ihre Augen hinter der starken Brille blicken nach wie vor sehr ernst. "Fräulein Berger, Sie haben einen ungewöhnlich hohen Blutdruck. 180 zu 110, das ist schon grenzwertig! Auch ihr Ruhepuls ist wesentlich zu hoch. Was die Ursache dafür ist, kann ich noch nicht beurteilen. Sie könnten zum Beispiel eine Angina pectoris haben. Obwohl das in Ihrem Alter höchst selten vorkommt. Aber solche Fälle gibt es leider immer wieder mal." Sie hielt einen Moment inne. "Abgesehen von den Ursachen des Bluthochdrucks. Die Folgen allein können verheerend sein. Ihre Nieren könnten eines Tages versagen. Oder Sie bekommen einen Herzinfarkt. Fräulein Berger, ohne Ihnen zu nahe zu treten, aber sie sind für Ihr Alter zu übergewichtig. Das ist ein enormer Risikofaktor. Die 102,5 Kilo entsprechen immerhin Adipositas Grad I. Das ist immerhin ein deutliches Übergewicht. Da muss man was machen. Fräulein Berger, jedes Gramm Fett bringt sie in ernsthafte Gefahr. Weiter zunehmen dürfen Sie nicht!" Sie machte eine Pause und blätterte in ihren Unterlagen. "Was ist Angina pectoris oder so. Und was ist Adipositas?" Samantha blickte die Ärztin fragend an. Die nahm ihre Brille ab. "Nun, Angina pectoris ist eine Enge in der Brust, hervorgerufen durch sich verengende Blutgefäße. Adipositas bedeutet Fettleibigkeit. Beides sind Krankheitsbilder, die ihre Schwester nicht haben sollte. Dafür ist sie mit ihren knapp sechzehn Jahren einfach zu jung. Ich kann mich nicht erinnern, ob eines meiner jüngeren Patienten jemals derart hohe Blutdruckwerte hatte." Ich kam mir vor wie auf der Anklagebank. Dann erzählte Samantha der Ärztin, dass ich in acht Monaten fast 45 Kilo zugenommen hatte. Ob das denn eine Rolle spielen würde? Die Ärztin hob fassungslos den Kopf. "Und ob! Mädchen, wie ist denn das nur passiert?" Zögernd erzählte ich ihr, dass ich früher sehr schlank gewesen sei, dies aber sei gegen meine Natur. Ich hätte das erkannt und hätte Mitte Januar angefangen, viel und oft zu essen. Ich sei dann schnell esssüchtig geworden. Deshalb hätte ich auch schnell zugenommen. Dass ich unterdessen gern dick war, sagte ich natürlich nicht. Die Ärztin schaute nachdenklich drein. Man sah ihr an, dass ich für sie kein alltäglicher Fall war. "Felicitas, möglicherweise verkalken bereits Ihre Herzkranzgefäße. Dies wegen der überaus hohen Fettzufuhr, verursacht durch Ihre Esssucht. Ihr Körper kann das ganze Fett natürlich nicht verwerten und lagert es in Form von Kalk ab. Sie müssen dringend abspecken! Sonst kann ich für nichts garantieren. Die Folgen habe ich bereits genannt. Und noch habe ich nicht Ihre Blutwerte. Wer weiß, was die noch zu Tage fördern." Sie schaute von mir zu Samantha. "Auch Ihnen rate ich dringend, eine Diät zu machen."

Samantha fuhr mich nach Hause, um Nachthemd und Waschzeug zu holen. Ich sollte noch heute nach Weiden ins Krankenhaus. "Ich denk' gar nicht dran, ‘ne Diät zu machen!" Samantha schürzte verächtlich den Mund. Ich konnte beinahe schon wieder lachen. "Das sieht dir ähnlich! Was soll aber ich tun?" Meine Schwester zuckte die Schultern. "Eines weiß ich, abspecken tue auch ich nicht! Das mit dem Blutdruck muss anders geregelt werden." Samantha stimmte mir zu. "Klar! Es gibt doch jede Menge Medikamente dagegen, oder? Die Ärzte sollen sich was einfallen lassen!" Bevor wir nach Weiden fuhren, duschte ich gründlich. Samantha kam mit ins Badezimmer. Auch sie zog sich aus, kam aber nicht mit unter die Dusche. Sie hatte nur vor, sich umzuziehen. Samantha stellte sich in BH und Slip vor den Spiegel. Man sah, dass sie sich bewunderte. Ihre Augen schienen zärtlich über den Körper zu gleiten. Sie drehte und wendete sich, wobei sie die Haare hoch schob. "Ich finde, mein Hals ist ganz schön fett geworden." Sie stellte es nur fest. Es war nichts Kritisches in ihrer Stimme. Ich bemerkte, dass Samanthas Oberschenkel von Cellulite gezeichnet waren. Allerdings nicht so stark, dass sie nun davon übersät gewesen wären. Ich schaute an mir herab. Ansätze von Cellulite zeigten sich auch bereits bei mir. Kein Wunder bei den fetten Schenkeln. Ich sah Samantha im Gesicht frappierend ähnlich. Das offenbarte mir der Blick in den Spiegel. Ich hatte die gleichen dicken Wangen wie sie. Wir hätten Zwillinge sein können. Eigentlich unterschieden wir uns nur durch die Frisuren. "Schwesterlein" , drang Samanthas Stimme in meine Gedanken. "Geht es dir besser?" "Noch nicht wirklich. Aber ich fühle mich deutlich besser als heute Morgen. Das war ja grässlich!" Samantha zwängte sich in eine weite Jeans. Den Oberkörper verstaute sie in einer dunkelgrünen Bluse. Samantha liebte die Farbe grün. Das war schon immer so gewesen. Auf der einen Seite wirkte Samantha etwas plump, auf der anderen irgendwie leicht. Letzteres kam daher, weil sich Samantha trotz der Fülle beinahe tänzelnd bewegte. Bei mir war das anders. Ich bewegte mich schwerer. Vielleicht hing das auch etwas mit dem hohen Blutdruck zusammen? Ich wusste ja gar nicht, wie lange ich den schon hatte. Allerdings musste man auch sehen, dass ich einfach viel zu schnell fett geworden war.

Samantha begleitete mich zur Anmeldung und dann in den Flügel E des Krankenhauses. Wir fuhren mit dem Aufzug hinauf in die 4. Etage. Dort meldete ich mich im Schwesternzimmer. Die Oberschwester führte uns dann in das Zimmer mit der Nr. 18. Es war ein Sechsbettzimmer. Es lagen jedoch nur drei Frauen darin. Ich bekam das linke Bett am Fenster. Mir war komisch zumute. Es war mein erster Aufenthalt in einem Krankenhaus überhaupt. Nachdem mich die Oberschwester den anderen vorgestellt hatte, ging ich mit Samantha wieder hinaus in den Flur. Die Schwester umarmte mich. "Schwesterlein, mach' dir keine Sorgen, es wird schon alles gut werden. Und rufe an, wenn du was brauchst. Mein Flieger geht ja erst übermorgen. Ich komme dich auf jeden Fall nochmal besuchen." Und schon war sie weg. Ich setzte mich einen Moment auf die Bank, die gleich neben dem Treppenaufgang stand. Ich fühlte mich einsam und verlassen. Und mir wurde wieder etwas schwindelig. Später räumte ich den Schrank ein. Viel hatte ich ja nicht zu verstauen. Ich zog das Nachthemd über und legte mich mit einem Krimi ins Bett. Es wurden nur noch Fieber und der Blutdruck gemessen. Außerdem musste ich noch eine Urinprobe abgeben. Ansonsten endete der erste Tag mit einem mageren Abendbrot, bestehend aus zwei Scheiben Brot mit Käse. Dazu ein kleiner gemischter Salat. Zu trinken gab es irgendeinen Tee, der nicht besonders schmeckte. Ich redete ein paar Worte mit den Frauen. Zwei waren etwa um die Fünfzig, die andere vielleicht Anfang zwanzig. Natürlich wollten die wissen, weshalb ich hier war. Ich erzählte ihnen das mit dem Blutdruck, nannte aber nicht die Werte. Wir sahen noch etwas fern. Mein Magen meldete sich, wie hätte es auch anders sein können. Nachdem das Licht gelöscht worden war, machte ich mich unter der Bettdecke über die Pralinen her, die mir Samantha am Nachmittag noch heimlich zugesteckt hatte. Ich futterte die ganze Schachtel leer. In den nächsten Tagen folgten jede Menge Untersuchungen. Ich war eigentlich ständig im Krankenhaus unterwegs. Zwangsläufig lernte ich ein paar Frauen kennen, wenn ich mit der einen oder anderen vor den Behandlungszimmern wartete. Samantha besuchte mich am nächsten Nachmittag. Wegen der Untersuchungen hatte ich leider kaum Zeit für sie. Doch die zehn Minuten mit ihr taten mir gut. Sie sagte, sie würde morgen zurück fliegen. Zu meinem Geburtstag sei sie aber wieder zurück. Ihre Zeit drüben liefe kurz davor ab. "Felie, ich denke, dass ich mindestens 120 Kilo wiege, wenn wir uns wieder sehen. Wollen wir wetten?" Sie lachte frei heraus. Das war gut möglich, schätzte ich ein. Was aber würde in vier Monaten mit mir sein? Würde meine Krankheit es zulassen, weiter zuzunehmen? Alles Fragen, auf die ich noch keine Antwort hatte. Trotzdem sagte ich: "Also gut. Wetten wir. Du musst mindestens 120 haben, ich aber auch. Einverstanden?" Samantha krähte vergnügt auf. "Wir wetten um ein Schlemmeressen. Die Verliererin muss alles selber anrichten. Ist das okay?" Ich nickte. Meine Schwester reichte mir die Tasche. Ich hatte sie gebeten, mir ihren alten Trainingsanzug mitzubringen. Ich hatte nämlich in der Nähe einen Kiosk entdeckt, wo ich mich mit Süßigkeiten versorgen konnte. "Oben auf liegt ‘ne Tafel Milka." Sie griff in ihre Umhängetasche und kramte darin. Dann fand sie, wonach sie suchte. Sie holte ein winziges Geldtäschchen heraus. "Hier, kauf dir was, wenn du was brauchst." Samantha drückte mir ein paar Scheine in die Hand. Wir umarmten uns. Sie wünschte mir noch gute Besserung und stöckelte dann eiligen Schrittes davon. Ihr massiger Hintern schlug heftig zu den Seiten aus. Das sie aber auch immer solch enge Röcke trug!

Am dritten Tag traf ich Ina. Sie war ein dunkelhaariges, sehr schlankes Mädchen, etwa neunzehn Jahre alt war. Wir kamen ins Gespräch und redeten natürlich auch über unsere Krankheiten. Ina sagte, sie hätte etwas mit den Venen. Sie zeigte mir ihre rechte Wade, an der sich etliche Krampfadern abzeichneten. "Die habe ich von meiner Mutter geerbt. Scheußlich, nicht?" Ich sagte nichts darauf. Ich erzählte ihr, weswegen ich hier sei. "Bluthochdruck?" Ina schaute mich mit großen Augen an. "Naja, du bist aber auch ganz schön dick!" Damit hatte sie den Finger auf die Wunde gelegt. "Muss man dann zwangsläufig hohen Blutdruck haben? ", konterte ich. "Sei nicht gleich beleidigt! Ich hab' es doch nicht so gemeint. Jeder kann meinetwegen dick sein, ich hab' da nichts gegen." Später trafen wir uns unten am Kiosk wieder. Sie holte Zigaretten, ich eine Packung Kekse. "He, ich denke, du sollst abnehmen?" Ina deutete auf die Kekse. Ich lächelte schwach. "Und du sollst nicht rauchen, oder?" Wir beide mussten lachen. Dann sagte Ina, dass man, wenn man raucht, weniger Hunger verspürt. Vielleicht sollte ich es mal mit einer Zigarette probieren? Nun, verführen wolle sie mich aber nicht. So kam es, dass ich meine erste Zigarette rauchte. Und die gleich auf Lunge. Ina hatte gesagt, paffen nütze wenig, das sei nur rausgeschmissenes Geld. Ich rauchte eher aus reiner Neugier. Abnehmen wollte ich nach Möglichkeit nicht. Sollte das doch passieren, würde ich das Rauchen eben wieder lassen. Wir trafen uns mehrmals am Tag heimlich im Heizungskeller. Im Krankenhaus war Rauchen generell verboten. Hier unten aber, dachten wir, würde uns keiner stören. Das Rauchen auf Lunge hatte ich schnell drauf. Anfangs war mir etwas schwindelig geworden. Das hatte sich aber schnell gegeben. Mittlerweile genoss ich jeden Lungenzug. Und mein Appetit hatte tatsächlich etwas nachgelassen. Allerdings nicht auf Süßigkeiten. Einmal fragte mich Ina, wieso ich eigentlich so dick sei. Ich zog genüsslich an meiner Zigarette und überlegte. Sollte ich ihr wirklich alles erzählen? "Ich war Mitte Dezember auch so schlank wie du" , fing ich an. "Dann hab' ich von meinem Papa Süßigkeiten zugesteckt bekommen und bin süchtig geworden. Und ‘ne Freundin hat mich zu McDonald's geschleppt." Ina schaute mich voller Erstaunen im Blick an. "Dann bist du ja wahnsinnig schnell fett geworden!" Sie benutzte zum ersten Mal, dass das Wort "fett". Nun, mich störte das wenig. Schließlich war ich ganz anderes gewöhnt. Ich erzählte ihr wirklich alles. Sogar, das ich diese Wette mit Samantha abgeschlossen hatte. Ina schüttelte verständnislos den Kopf. "Was findest du nur so toll am Fettsein? Ich verstehe das nicht!" "Das glaube ich dir auch. Ich hab' doch auch mal so gedacht. Doch nun ist das eben anders." In Inas Gesicht arbeitete es. Die Antwort befriedigte sie natürlich nicht. Also redete ich weiter. "Ich finde meinen Körper, so wie er jetzt ist, einfach wunderbar. Alles ist so schön weich, alles gibt nach. Mich fasziniert, wie alles immer mehr wird an mir und sich dabei die Formen ändern. Und ich mag, dass mein Körper anfängt, mich zu beherrschen. Er mich, nicht ich ihn!" Ich war kein bisschen verlegen, als ich das sagte. "Trotzdem! Wie kann man sich nur wünschen, noch fetter zu werden?" Ich schaute Ina von oben herab an. "Du kannst das nicht verstehen. Dir fehlt einfach die eigene Erfahrung." "Gott bewahre!" Ina hob entsetzt die Hände. Mehrmals kamen Josefine und Tante Olga zu Besuch. Und immer brachten sie etwas zum Knabbern mit. "Wir kümmern uns um deinen Papa", hatte Josefine mich beruhigt, als ich nach ihm fragte. Er selbst konnte mich nur selten besuchen. Offenbar steckte er bis über beide Ohren in seiner Arbeit. Josefine erzählte, dass ihre Mama und mein Papa sich gut verstünden. Sie tat ganz geheimnisvoll. Sollte sich da etwa was anbahnen?

Mein Krankenhausaufenthalt dauerte insgesamt 15 Tage. In dieser Zeit schaffte man es, meinen Blutdruck auf 140 zu 95 zu senken. Das war zwar noch nicht optimal, aber immerhin ein großer Schritt. Ich müsse weiterhin natürlich blutdrucksenkende Mittel einnehmen. Und auch solche gegen die Überfunktion meiner Schilddrüse. Beim Abschlussgespräch sagte man mir, Auslöser des hohen Blutdrucks sei ein Zusammenspiel von Fettleibigkeit und Überfunktion der Schilddrüse gewesen. Man hoffe aber das bald in den Griff zu bekommen. Meine Blutgefäße seien offensichtlich nicht angegriffen. Und ich wurde ermahnt, ernsthaft abzuspecken. Die 99,5 Kilo, die ich jetzt immer noch habe, seien eindeutig zuviel! Ich müsse mindestens noch 20 Kilo loswerden. Den Ärzten war es unerklärlich, dass ich in den 15 Tagen trotz der angesetzten Diät nur 3 Kilo abgenommen hatte. Die Ärzte konnten nicht wissen, dass ich jeden Tag meine Süßigkeiten zu mir genommen hatte, und das nicht zu knapp. Damit hatte ich einem größeren Gewichtsverlust vorgebeugt. Auch die Raucherei hatte kaum was gebracht. Das alles konnte ich natürlich nicht sagen. Ich verließ das Krankenhaus mit neuen Kräften. Papa, der mich mit dem Wagen abholte, wunderte sich natürlich, mich mit einer Zigarette in der Hand vorzufinden.

( Kapitel 1-3: Mein neues Ich )
 



 
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