Meisterstück

Marc H.

Mitglied
Meisterstück


Als Jake Meyers sein Bewusstsein wiederfand, sah er sich in stehender Position in einem leeren Raum, mit einem sehr eingeschränkten Blickwinkel. Offensichtlich konnte er durch sein rechtes Auge nichts sehen. Er sah sich im Raum um. Mit seiner Zunge drückte er, aus dem Innern seines Mundes, gegen seine gefühllosen Lippen. Sie fühlten sich stark geschwollen an und er schmeckte Blut. Jedoch war es ihm nicht möglich, seinen Mund zu öffnen. Der Boden des Raumes war gefliest. In der Mitte zeigte sich ein kleines, eckiges Metallgitter. Wahrscheinlich ein Abfluss. Als Jake an sich herabblickte, sah er, dass seine nackten Füße mit Nägeln durch beide Fußrücken an den Boden genagelt waren. Er zuckte bei diesem Anblick innerlich zusammen. Doch er spürte keinen Schmerz. Zwei stabile Stahlbozen, durch beide Schultergelenke getrieben, hielten seinen Körper aufrecht an einer Wand.
Eine Person erschien vor ihm in Zimmer.
„Hallo Jake. Wie ich sehe, bist du bei Bewusstsein. Das freut mich. Endlich können wir uns mal unter vier Augen unterhalten. Na ja, eigentlich nur drei, im Moment. Ich musste ziemlich hart zuschlagen, du verstehst das sicher.“
Vor ihm stand Thomas Brooks, gekleidet in eine Zimmermannstracht und lächelte ihn an. Eine erschreckende Erkenntnis erwachte in Jake und sein Körper begann innerlich zu beben. Thomas Brooks, der ewige Loser, wie sie ihn damals genannt hatten. Thomas, von allen ausgeschlossen und gemobbt.
„Du wirst dich im Moment sicher nicht erinnern, wie ich dich hierher brachte, Jake. Ich schlug dich nieder und verabreichte dir eine Spritze mit starkem Schmerzmittel, deshalb spürst du im Moment wahrscheinlich wenig. Ich musste dir den Mund zunähen. Dein Gejammer ging mir irgendwann ziemlich auf die Eier. Verzeih mir das Bitte. Wie du spürst, ist es zu deinen Gunsten. Also, das Schmerzmittel, meine ich. Die Wirkung wird jedoch bald nachlassen, also sollten wir es hinter uns bringen, bevor die Schmerzen zu groß für dich werden. Ich werde dir erklären, was ich meine und vorhabe.“
Thomas nahm ein handliches Schussgerät in seine rechte Hand, hielt Jakes linken Arm seitlich von dessen Körper hoch und presste ihn gegen die Holzwand. Er schoss einen Bolzen mittig durch das Ellenbogengelenk und fixierte dessen Arm, in einem neunzig Grad Winkel vom Torso, am Holz. Jakes Hand zuckte hektisch. Er spürte bereits ein leichtes Pochen in seinen geschwollenen, mit grobem Zwirn vernähten Lippen. Das Betäubungsmittel ließ langsam nach. Er wollte schreien, doch lediglich ein gedämpftes Gurgeln ertönte. Speichel und Blut presste sich durch die Spalten zwischen dem schwarzen Garn an seinen Lippen und tropfte gemächlich an seinem Kinn herab.
„Immer war ich für euch der Verlierer, ist es nicht so, Jake? Und ihr die guten, schönen Jungs, die Mädchen reihenweise flach legten. Oft lag ich nachts wach, weinte stumm in mich hinein und fragte mich, warum ihr mich nicht einfach so akzeptieren konntet, wie ich bin. Ich weiß, ich bin kein schöner Mann, Jake. Ich hätte mir sehr gewünscht, so sein zu können wie ihr. Doch alles, was ihr für mich übrig hattet, war, mich zu erniedrigen, wo ihr nur konntet. Die Mädchen fanden das lustig. Ihr gabt eine gute Show ab. Auf meine Kosten.“
Thomas hob Jakes rechten Arm an und schoss einen weiteren Stahlstift durch dessen Ellenbogen. Beide Oberarme standen nun im perfekten Winkel an das Holz genagelt vom Körper ab. Jakes Hände fuchtelten unkontrolliert umher. Öffneten und schlossen sich hektisch. Sein geöffnetes Auge rollte wild in der Höhle.
„Für den Geschädigten ist Mobbing eine echt fiese Sache. Es richtet erheblichen, seelischen Schaden an, weißt du, Jake? Aber ich kann nichts dafür, dass ich so hässlich bin. Meine Alten waren schuld, nicht ich.“ Thomas Stimme wurde lauter, er begann zu keuchen. Er redete sich in Rage.
„Ja, sie waren schuld daran! Warum mussten sie unbedingt ficken, wo sie doch genau wussten, dass aus hässlichen Menschen, wie sie es waren, nur ein unschönes Balg wie ich entstehen konnte, als meine Mutter mich ausgeschissen hatte? Aber das habe ich geklärt. Auch das wird man morgen in allen Zeitungen lesen können, Jake!“
Thomas hielt den linken Unterarm seines Opfers gegen die Wand und schoss einen Nagel mittig durch die Handfläche.
„Wir sind fast fertig, Jake. Das hat was vom beschissenen Karfreitag, oder? Da wird sicher jeder Kirchgänger feucht in der Hose, wenn er mein Kunstwerk zu sehen bekommt. Weißt du, Jake, ich blühe auf in meinem Beruf als Zimmerer. Es war eine sehr schwierige, handwerkliche Ausbildung. Aber ich hab es ohne große Mühe gepackt, Jake. Eigentlich wollte ich meinen Meister machen, doch diese Leere, und Verwirrung, die ich oft im Kopf spüre, lassen dies nicht zu. Daran trägst du die Schuld. Du und deine Freunde von damals. Du wirst zu meinem Meisterstück, Jake! Ich werde mein Kunstwerk der Welt präsentieren!“
Jakes Körper zuckte und krampfte unkontrolliert an der Holzwand hängend. Ein weiterer Nagel durch die rechte Handfläche vervollkommnete das Bild schließlich.
Thomas legte das Schussgerät auf den Boden vor sich. Er griff sich einen Zimmermannshammer und hielt ihn mit seiner rechten Faust umklammert. Mit der Linken nahm er einen 25 cm langen und 7 Millimeter dicken Zimmermannsnagel und setzte ihn mittig auf Jakes Stirn an.
„Halt still Jake. Mach es nicht noch schlimmer für dich.“
Jake atmete hektisch und spuckte dabei durch die vernähten Lippen. Er schloss sein Auge und hielt schließlich still.
Thomas holte weit aus. Der Stahlstift durchschlug mühelos den Schädelknochen und drang in das Holz hinter dem Kopf ein. Jakes Körper erschlaffte.
Thomas ließ den Hammer zu Boden fallen und begutachtete sein Meisterstück zufrieden. Dann ging er in die Küche, holte sich ein kaltes Bier aus dem Kühlschrank, setze sich mit der geöffneten Dose auf seine Couch, griff zum Telefon und rief die Polizei.
 
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