Ofterdingen,
schön mal wieder einen Text von dir zu lesen.
Ein paar Bemerkungen:
Die Idee des Textes kommt rüber, die Atmosphäre aber nur phasenweise. Daher würde ich dir empfehlen, ihn noch einmal zu überdenken. Auf sprachlich/stilistische Unebenheiten möchte ich jetzt gar nicht eingehen, sondern nur einige Aspekte kritisch aufzeigen.
Erzählperspektive: Miras Erfahrung stellt einen Einschnitt in ihrem Leben dar, etwas Intimes, das sie in ihrem Leben nur mit wenigen, ausgewählten Menschen und wie du jetzt entschieden hast, mit ihrem Tagebuch teilen wird. Um das emotionale Potenzial der Situation und den Konflikt der Protagonistin zu transportieren, müsste sich die auktoriale Perspektive differenzierterer Sprachmittel bedienen, so, wie z.B. das gelungene Bild:
Sie folgte mit den Augen der frischen Schleimspur einer Schnecke, die scheinbar von weit her gekommen war. Das war die Strecke, die die Zeit seither zurückgelegt hatte[strike],[/strike] [strike]dunkle Stunden, auch[/strike][blue](weil, dass die Stunden der Nacht dunkel sind, von selbst versteht): [/blue]Miras dunkle Stunden.
Eine Alternative wäre es, den Berichtsstrang mit ich-erzählten inneren Monologen zu alternieren.
Mira: Der Figur gelingt es nicht, sich von einer Schablone hinreichend abzuheben — wir sehen nicht das Besondere an ihr und ihrer Erfahrung, sondern das (vermeintlich) Bekannte:
„Ja, so war es auch bei mir“, oder
„so ist das halt, es ist eben Glückssache…“ Aber ohne das Besondere braucht das Ereignis nicht erzählt zu werden.
Der Hund als Analogon einerseits und als Metapher (gefühlt „Schweinehund“)
andererseits nimmt einen Textraum ein, den er — so gehandhabt — nicht ausfüllen kann.
Der Schluss: Wenn du den inneren Monolog in dem Dialog mit dem Tagebuch auflösen willst — ein nicht ganz triviales Vorhaben —, dann müsste er konsequenterweise bereits hier beginnen:
Statt
Wenn das Tagebuch hätte nicken können, hätte es genickt, denn sie hatte ja Recht …
sowas wie:[blue]
„Du hast Recht", nickte das Tagebuch …
[/blue]
Deine Absicht, die in Miras Alter durchaus plausible Kitsch-Bebilderung des Gefühlslebens einzufangen scheitert meiner Meinung nach daran, dass der Text Mira dem Leser nicht ausreichend konturiert und nicht nahe genug gebracht hat. So wirkt nicht ihr Seelenlebenssprache kitschig — was wie bereits erwähnt, die Nähe plausibel noch steigern würde — sondern der Text.
Wenn meine Bemerkungen nicht hilfreich sind, dann — Pardon.