Monika

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Wolfee

Mitglied
Vor nicht allzu langer Zeit gab es einen Mann. Er war mittleren Alters, hatte ein gepflegtes Aussehen, stets ein freundliches Lächeln auf den Lippen und tiefblaue Augen. Dennoch machte er den Eindruck, als wäre sein unbestreitbar gutes Aussehen nicht bewusst von ihm so erarbeitet, sondern einfach vom morgendlichen in den Spiegel Sehen an so gegeben.

Der Name dieses Mannes war Christian und er arbeitete beruflich als Krankenpfleger. Von der Frauenwelt dort dominiert und oft als wahrer standhafter Mann in Frage gestellt, arbeitete er dennoch gern in diesem Beruf. Es gefiel ihm von Haus zu Haus zu fahren und jeden Tag seine kranken und alten Patienten zu versorgen. Das Lächeln einer alten Dame, nachdem er ihr zu ihrem 80. Geburtstag eine Torte gebacken und sich am Abend zu ihr gesellt hatte, da all ihre Verwandten schon verschieden waren und er sie nicht allein lassen wollte, würde er nie vergessen. Christian war ein freundlicher Mensch und jeder konnte ihn gut leiden. Und auch er mochte die Menschen. Doch besonders gern mochte und besuchte er eine Frau, ihr Nachname war, zu seinem Verdruss, nie gefallen. Sie hieß von Beginn an immer Monika. Sie war keine der alten Patienten, sondern war ca. im Alter ihres Pflegers und konnte ihren Alltag nicht mehr allein meistern, da sie unter einer starken Demenz litt. Sie war eine sehr intelligente und humorvolle Frau, doch leider wurden diese Wesenszüge von schlimmen Attacken überschattet.

Die beiden verstanden sich prächtig. Jeden Tag kümmerte sich Christian immer ein wenig länger um sie, weil er sich so gern mit ihr unterhielt. Und mit der Zeit verbrachte er auch mehr und mehr Zeit außerhalb des Arbeitsalltags mit ihr. Er führte sie ins Kino aus, lachte und hatte anregende Gespräche mit ihr. Doch eines fiel immer wieder verwundernd auf. Sie sprach unentwegt den Satz zu ihm "Sie ähneln meinem Mann...". Dazu muss gesagt sein, dass der Mann der Frau bei einem tragischen Unfall, als sie den Wagen fuhr, tödlich verunglückte. Seit diesem Tag litt sie auch an ihrer Krankheit. Und immer, sobald sie diesen Satz sprach, brach die derzeitige Situation für die beiden zusammen und ihm war klar, dass sie nun wieder einen Anfall hätte und er ihr erklären müsse, wer er und wo sie sei.

Dies ging so mehrere Monate und bald sogar Jahre. Christian kündigte bald seine Arbeit, um sich nur noch um seine inzwischen anvertraute Geliebte zu kümmern und sie von ihrem Laster zu befreien. Die Anfälle wurden seltener und seltener, und sie sprach somit kaum noch eben jenen Satz aus. So beschloss Christian eines Tages, dass er sie heiraten wolle. Stetig der Besserung entgegentretend und schon nahezu vollkommen geheilt, gingen die beiden auf eine lange Reise. Sie kletterten zusammen in den Alpen, so wie sie es früher gerne getan hat. Auf einer Almhütte wohnend, lebten sie dort einige Wochen und hatten Freude an ihrem Leben. Zu diesem Zeitpunkt lag der letzte Anfall schon Monate zurück, ward schon längst vergessen und gehörte somit der Vergangenheit an. So suchte Christian ausgiebig nach einem Ort, an dem er ihr auf Knien die ewige Frage der Liebenden stellen konnte. So kam es, dass sie am letzten Tag ihrer wunderbaren Reise, auf dem Berggipfel angelangten. Von dort aus führte er sie im milden Wind des Abends zu einer mit Lichterketten vergangenen Hängebrücke eines Berges zum Nächsten. Ringsherum war alles verziert mit ihren Lieblingsblumen, nämlich Magnolien. Und der Abend leuchtete heller, als der Tag es je könnte. Dort trat er ihr endlich entgegen, fiel auf die Knie und fragte sie, nach einer herzerweichenden Rede, ob sie für ihn die Frau seines Lebens sein wollen würde und reckte ihr treuen Blickes den Ring entgegen. Ihr Gesicht, zerfurcht von tiefen nur schwerlich verheilten Schnitten durch den Autounfall, welches hässlich aussah, es aber nicht war, blickte ihm entgegen. Mit zu Tränen gerührten Augen öffnete sie ihre blassgrauen Lippen zu einem Oval und sprach mit leicht aufgelöster und stockender Stimme:

"Sie ähneln meinem Mann...".
 

John Wein

Mitglied
Vor nicht allzu langer Zeit gab es einen Mann. Er war mittleren Alters, hatte ein gepflegtes Aussehen, stets ein freundliches Lächeln auf den Lippen und tiefblaue Augen. Dennoch machte er den Eindruck, als wäre sein unbestreitbar gutes Aussehen nicht bewusst von ihm so erarbeitet, sondern einfach vom morgendlichen in den Spiegel Sehen an so gegeben.

Der Name dieses Mannes war Christian......
Hallo Wolfee,
Es gab auch vor kurzer Zeit einen Mann! Spaß beiseite, ich würde so formulieren/anfangen:
  • Christian, mittleren Alters, war ein attraktiver Mann mit freundlichem Wesen.
der Satz sagt alles über ihn, den Rest weglassen, klingt sperrig. Fürs Aussehen kann keiner was und vom in den Spiegel schauen wird man automatisch nicht noch schöner)

Anm.: Der erste Satz muss sitzen! Er soll den Leser einladen (einfangen)zum Weiterlesen.

Blaue Augen kannst du im weiteren Verlauf des Textes bringen.
Anm.: Farben werden richtig farbig, wenn du sie beschreibst z.B. blau/himmelblau-rot/feuerrot-gelb/goldgelb usw. einfach dunkel und hell klingt blass

Demenz ist m.E. ein unheilbares, fortschreitendes Krankheitsbild mit lichten Momenten dann und wann.

Ihr Gesicht, zerfurcht von tiefen nur schwerlich verheilten Schnitten durch den Autounfall, welches hässlich aussah, es aber nicht war, blickte ihm entgegen.
wenn das Gesicht nicht hässlich war, dann sah es auch nicht hässlich aus.
Ich würde so schreiben: Sie sah ihn an, die Narben in ihrem Gesicht nahm er nicht mehr wahr.

eine phantasievolle Geschichte.

Lieben Gruß John
 
Hallo Wolfee,

eine rührende Geschichte, fast, wie ein Märchen. Und deshalb finde ich die Einleitung auch gar nicht so überladen. Da es eine sehr kurze Geschichte ist, muss die Formulierung nicht ganz so steril sein, denke ich.

Ein paar Kleinigkeiten hätte ich aber doch:

... er arbeitete beruflich als Krankenpfleger. Das ist doppelt gemoppelt. Da im nächsten Satz wieder 'arbeitete' und 'Beruf' kommt, wäre mein Vorschlag kurz und knapp: ... er war Krankenpfleger.
... besuchte er eine Frau, ihr deren Nachname war, zu seinem Verdruss, nie gefallen war.
... ca. etwa im Alter ... Solche Abkürzungen finde ich in Geschichten nicht so schön.
... Situation für die beiden zusammen Punkt Und ihm war klar, ... Sonst wird der Satz zu lang.
... bald sogar Jahre. Christian kündigte bald daraufhin seine Arbeit, ... Wortwiederholung vermeiden.
Stetig der Besserung entgegentretend und schon nahezu vollkommen geheilt, gingen die beiden auf eine lange Reise. Der Besserung entgegentreten bedeutet Verschlechterung. Und im Gegensatz zum zweiten Satzteil bezieht sich der erste nur auf sie. Also sollte es heißen: Dank stetiger Besserung war sie nahezu geheilt. Deshalb gingen die beiden auf eine lange Reise.
Auf einer Almhütte lebend, wohnten sie dort einige Wochen ... Ein bisschen umständlich formuliert ...
... schon Monate zurück, ward schon längst vergessen ... Wortwiederholung ...
... ihrer wunderbaren Reise Kein Komma auf dem Berggipfel angelangten.
... zerfurcht von tiefen Komma nur schwerlich ... Aber John hat recht, wenn er sagt, dass man diesen ganzen Satz hübscher formulieren könnte. Wen interessieren die Narben in einem solchen innigen Moment?

Das sieht jetzt im Verhältnis zur Länge der Geschichte viel aus, aber es sind dennoch nur Kleinigkeiten, die eine wirklich schöne Geschichte noch ein bisschen schöner machen können. Lass Dich davon bitte nicht abschrecken. Textarbeit wird hier gemacht, um Dich besser zu machen. Ich habe hier auch schon eine Menge dazugelernt.

Liebe Grüße,
Rainer Zufall
 

Wolfee

Mitglied
Ich glaube ich nutze die Antwortfunktion gerade falsch, gerne sagen, wie man das eigentlich machen soll, dennoch: Vielen Dank für deine Rezension, es freut mich, dass tatsächlich jemand meine Geschichte gelesen und sich sogar eine Meinung zu konkreten Stellen gebildet hat. Es ist das erste Mal für mich, dass ich mir nicht nahe stehende Personen etwas habe lesen lassen. Vielen Dank für deine Anmerkungen!

Hallo Wolfee,

eine rührende Geschichte, fast, wie ein Märchen. Und deshalb finde ich die Einleitung auch gar nicht so überladen. Da es eine sehr kurze Geschichte ist, muss die Formulierung nicht ganz so steril sein, denke ich.

Ein paar Kleinigkeiten hätte ich aber doch:

... er arbeitete beruflich als Krankenpfleger. Das ist doppelt gemoppelt. Da im nächsten Satz wieder 'arbeitete' und 'Beruf' kommt, wäre mein Vorschlag kurz und knapp: ... er war Krankenpfleger.
... besuchte er eine Frau, ihr deren Nachname war, zu seinem Verdruss, nie gefallen war.
... ca. etwa im Alter ... Solche Abkürzungen finde ich in Geschichten nicht so schön.
... Situation für die beiden zusammen Punkt Und ihm war klar, ... Sonst wird der Satz zu lang.
... bald sogar Jahre. Christian kündigte bald daraufhin seine Arbeit, ... Wortwiederholung vermeiden.
Stetig der Besserung entgegentretend und schon nahezu vollkommen geheilt, gingen die beiden auf eine lange Reise. Der Besserung entgegentreten bedeutet Verschlechterung. Und im Gegensatz zum zweiten Satzteil bezieht sich der erste nur auf sie. Also sollte es heißen: Dank stetiger Besserung war sie nahezu geheilt. Deshalb gingen die beiden auf eine lange Reise.
Auf einer Almhütte lebend, wohnten sie dort einige Wochen ... Ein bisschen umständlich formuliert ...
... schon Monate zurück, ward schon längst vergessen ... Wortwiederholung ...
... ihrer wunderbaren Reise Kein Komma auf dem Berggipfel angelangten.
... zerfurcht von tiefen Komma nur schwerlich ... Aber John hat recht, wenn er sagt, dass man diesen ganzen Satz hübscher formulieren könnte. Wen interessieren die Narben in einem solchen innigen Moment?

Das sieht jetzt im Verhältnis zur Länge der Geschichte viel aus, aber es sind dennoch nur Kleinigkeiten, die eine wirklich schöne Geschichte noch ein bisschen schöner machen können. Lass Dich davon bitte nicht abschrecken. Textarbeit wird hier gemacht, um Dich besser zu machen. Ich habe hier auch schon eine Menge dazugelernt.

Liebe Grüße,
Rainer Zufall
 

Wolfee

Mitglied
Hallo John,

vielen Dank für deine Meinung zu meiner Geschichte, es freut mich, dass du sie gelesen hast. Bzgl. der Beschreibung des Gesichts am Ende bin ich anderer Meinung, aber vielleicht liegt das an individuellen Assoziationen. Die anderen Anmerkungen nehme ich mir gern zu Herzen, vielen Dank!

Hallo Wolfee,
Es gab auch vor kurzer Zeit einen Mann! Spaß beiseite, ich würde so formulieren/anfangen:
  • Christian, mittleren Alters, war ein attraktiver Mann mit freundlichem Wesen.
der Satz sagt alles über ihn, den Rest weglassen, klingt sperrig. Fürs Aussehen kann keiner was und vom in den Spiegel schauen wird man automatisch nicht noch schöner)

Anm.: Der erste Satz muss sitzen! Er soll den Leser einladen (einfangen)zum Weiterlesen.

Blaue Augen kannst du im weiteren Verlauf des Textes bringen.
Anm.: Farben werden richtig farbig, wenn du sie beschreibst z.B. blau/himmelblau-rot/feuerrot-gelb/goldgelb usw. einfach dunkel und hell klingt blass

Demenz ist m.E. ein unheilbares, fortschreitendes Krankheitsbild mit lichten Momenten dann und wann.


wenn das Gesicht nicht hässlich war, dann sah es auch nicht hässlich aus.
Ich würde so schreiben: Sie sah ihn an, die Narben in ihrem Gesicht nahm er nicht mehr wahr.

eine phantasievolle Geschichte.

Lieben Gruß John
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Doch besonders gern mochte und besuchte er eine Frau, ihr Nachname war, zu seinem Verdruss, nie gefallen

Als Krankenpfleger verwaltet er aber auch die Akten und da weiß er den Nachnamen!

Das Ende finde ich verwirrend. Wenn er dem verstorbenen Mann ähnelt, wird ihn doch ein ähnliches Schicksal erwarten? Also er verunglückt auch dem von ihr gefahrenen Auto?

Aber das passiert nicht, denn sie sind ja auf einem Berg.

Hier wünsche ich mir mehr Klarheit!

Gruß DS
 

Wolfee

Mitglied
Der Einwand mit dem Nachnamen ist berechtigt, stimmt.

Ungern erkläre ich nur das Ende, aber ihr Ausspruch steht nicht dafür, dass Christian das gleiche widerfahren wird, wie ihrem Mann, sondern ist Ausdruck dafür, dass die Situation wieder für sie zusammenbricht, sie also nicht geheilt ist, sondern erneut einen Rückfall hat. Das ist meiner Meinung nach aber schon ersichtlich eigentlich. Sollten die anderen Leser dies auch nicht verstanden haben, dann bitte gerne sagen.

Als Krankenpfleger verwaltet er aber auch die Akten und da weiß er den Nachnamen!

Das Ende finde ich verwirrend. Wenn er dem verstorbenen Mann ähnelt, wird ihn doch ein ähnliches Schicksal erwarten? Also er verunglückt auch dem von ihr gefahrenen Auto?

Aber das passiert nicht, denn sie sind ja auf einem Berg.

Hier wünsche ich mir mehr Klarheit!

Gruß DS
 



 
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