Mord im Meeting

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Carusa

Mitglied
M. betritt den Sitzungsraum und riecht sofort die dicke Luft. Die anderen sind schon da. Die Vorstände Tschacker und Petersil sitzen wie üblich am Kopf des Tisches. Petersil hüstelt nervös. Nach einem kurzen Blick auf Tschackers puterrote Glatze weiß M. Bescheid. Es ist kein guter Tag.
„Der Termin war 9:00 Uhr!“. Tschackers Ton ist ungehalten. Irritiert wirft M einen Blick auf die Wanduhr. Es ist 8:55.

Thema ist heute M’s langjähriger Kunde, der über die neue Besetzung des Vorstands beunruhigt ist. M öffnet seinen Laptop und legt das von Tschacker geforderte Konzept zur Krisenbewältigung auf den Beamer. Tschacker schaut nicht hin. Auf einem großen Blatt Papier malt er eine Komposition aus Rechtecken und Kreisen. „So sieht ein erfolgreiches Beziehungsmodell aus!“. M wirft einen schnellen Blick auf das Whiteboard in der Ecke des Raumes. Die Skizze darauf zu einem ganz anderen Thema sieht erstaunlich ähnlich aus. „Ich habe meine Zweifel, dass Sie die Krise in den Griff bekommen!“ Tschacker zielt mit seinem Stift auf M. „Kundenbeziehungen brauchen höhere Sensibilität!“
Petersil hüstelt.
Unvermittelt springt M. auf. Seine Arme schnellen über den Tisch in Tschackers Richtung. Ein scharfer Knall. M. sinkt auf seinen Stuhl zurück. Die andern sitzen bewegungslos. Tschackers Stuhl ist leer.
Die Tür zum Sitzungraum öffnet sich. Nach einem Blick auf die erstarrte Runde legt Nina ihre Unterlagen beiseite und tritt leise an den Tisch. M räuspert sich. „Entschuldigt den Schrecken, aber dies hier war eine von diesen extrem gefährlichen Zangenwespen!“ Er zeigt auf den Tisch. Schweigend starrt die Runde auf den schwarzen Punkt dort. Petersil hüstelt. „Oh, tatsächlich!“ Ninas Stimme klingt erschrocken. Rasch entfernt sie die tote Fliege mit einem Taschentuch.
Der Chef kriecht aus seiner Deckung unter dem Tisch hervor. Vor vielen Jahren hat er eine militärische Grundausbildung erhalten, das sitzt. Glatze und Gesicht haben nun die gleiche Farbe. Die Folgen der Sparmaßnahmen, auch bzgl. der Reinigungsfirma, sind deutlich sichtbar. Diskret lässt Nina eine Kleiderbürste auf den Tisch gleiten, während die Kollegen hochkonzentriert das Whiteboard in der Ecke fokussieren.
„Wir treffen uns nächsten Dienstag!“ Tschackers Stimme ist heiser.
Erfrischt verlassen die Kollegen den Raum. Auf dem Flur trinkt M. genüsslich eine Tasse Kaffee, während der Schredder geräuschvoll Tschackers Output zerhäckselt. Der nächste Dienstag ist weit weg. Es wird ein anderes Top-Thema auf der Tagesordnung stehen. Beschwingt betritt M. sein Büro.
Es ist ein guter Tag.
 



 
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