Mystik des Waldes - 1. Der Plan

DJMusicLine

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1. Der Plan​

Ricardo Terstappen spürte es seit Tagen. Es musste ein neuer Meister geboren werden, der ihn und seinen Halbbruder Tom Clark durch ein seltsames Leben führte. Die beiden hätten es sich niemals leisten können auffällig zu werden, deshalb hielten sie sich auch zurück.

Die Zeiten waren stürmisch geworden, und die großen Momente des Triumphes waren vorübergegangen. Selbst die große Führerin hatte es nicht überlebt. Ein bestimmtes Ereignis zwang sie dazu, nach einem würdigen Nachfolger zu suchen. Doch nicht nur sie suchten, nein hier ging es um ein Projekt von globalem Ausmaß. Denn überall auf der Welt gab es Leute wie sie. Doch zu lange schon hatte es eine Zeit ohne einen Meister gegeben, und die beiden sahen auch nicht ein, dass es so blieb. Auf die anderen konnte man sich nicht verlassen, das hätte keinen Sinn gehabt. Besonders Tom war in letzter Zeit reichlich nervös geworden. Es hatte geheime Treffen gegeben – auf einer nahe gelegenen Waldlichtung. Dort kamen sie regelmäßig zu bestimmten Zeiten hin und tauschten Informationen aus – alle die so waren wie sie.

Auch in dieser Nacht wurde wieder eine Zusammenkunft einberufen. Tom übernahm das Wort als Redeführer:

„Freunde, dieses Elend wird hier bald ein Ende haben! Unsere Art wird sich das nicht weiter gefallen lassen. Wir werden bald den Meister krönen, denn ich habe es satt, weiterhin nur von der Hand in den Mund zu leben! Es gibt Perspektiven die wir nutzen werden! Wir haben Freunde hinter uns, und ich habe von ihnen Informationen erhalten. Ich weiß, wer der Meister werden soll. Es gibt auch schon einen Plan, alles ist vorbereitet! Unsere Kontaktperson trifft sich demnächst mit einer Frau, die unseren Meister sehr gut kennt. Sie wird mitmachen, denn unsere Argumente werden sehr überzeugend sein. Es wird Zeit für Action, wir müssen den Stein wieder ins Rollen bringen! Also lasst es uns tun!“


Toms Rede fand bei seinen Freunden einen positiven Anklang. Nur Ricardo hatte noch eine Frage:

„Gehört der Meister etwa zu den Menschen?“
„Warte ab, Rico du wirst noch alles erfahren, noch gehört er der menschlichen Rasse an, doch schon bald wird die Menschheit vor ihm erzittern! Das ist ein Versprechen!“

*​

Roermond – Niederlande

Nur wenige Leute wussten davon, wer es wusste, sprach nicht einmal im Flüsterton darüber, aus Angst davor, dass ihn der Fluch einer mächtigen Dämonengottheit traf. Im Jahre 1992 hatte dieser grausame Dämon hier seinen Stützpunkt vorerst aufgegeben. Ein Erdbeben war die Folge gewesen, das den Rheingraben mit einer Stärke von 5,5 auf der Richterskala erschüttern ließ. Die Alten, welche die Geschichte kannten, beteten zu Gott, dass der Dämon sie verschonen möge.

Hatte er seinen Stützpunkt wirklich aufgegeben? Oder steckte eine Taktik dahinter? Gerüchte machten die Runde, dass er den Menschen einen Zugang zu seinem Reich geschaffen hatte, welcher vorher verschlossen gewesen war. Es waren düstere Vermutungen. Es wurde auch nicht laut darüber geredet, die Angst war einfach zu groß.
Tom hatte sich damals spaßeshalber für diese Geschichten interessiert und im Roermonder Stadtarchiv recht interessante Informationen erhalten. Als er vor zwei Jahren dort Urlaub machte, fand er den Eingang zu einer Höhle, dort bestätigten sich die Geschichten. Tom hatte dort etwas gefunden, aber über zwei Jahre lang mit niemandem darüber geredet, was es gewesen war. Mit einem weiteren Freund, Steffen Peters fuhr er von nun an des Öfteren dorthin, hatte ihm aber nichts Weiteres erzählt. Die beiden, campierten oft in der Nähe, und als Steffen dann schlief, machte er sich nachts auf den Weg.

Was Tom dort alles entdeckte und tat, blieb sein Geheimnis. Er hatte sich mit der Zeit, aus welchen Gründen auch immer, der geheimnisvollen Gottheit dienstbar gemacht und versprochen, einen Nachfolger zu finden – einen Nachfolger, der dunklen Macht, der er durch sein Verhalten mittlerweile selbst angehörte.

Peetz – wie Steffen unter seinen Freunden allgemein genannt wurde – ahnte nichts von den Aktionen, denn Tom war auch stets wieder zurück, bevor er erwachte. Ihm hätte Tom auch nichts erzählt, er war einfach nicht für diese Sachen einzusetzen. Außerdem konnte er sich nicht vorstellen, dass er den Mund halten würde.

Andernfalls hatte Tom auch keine besondere Lust darauf, alleine mit seinem Mofa dorthin zu gondeln. Mit Steffen konnte er im Auto mit nach Roermond fahren. Das war schon ein Vorteil. Dennoch wollte Tom endlich eine weitere Person in die Sache einweihen – seinen Halbbruder Rico. Aber er hatte nicht immer so viel Zeit, und damit kam Tom auch ein wenig in Verzug.

Doch dann kam der Tag, wo sie zu dritt im Wagen saßen und mal wieder in Richtung Roermond unterwegs waren. Das war im Juni 1997 gewesen. Das Wetter hatte an diesem Tag auch mitgespielt, es war ein heißer Sommertag. Alle drei freuten sich wieder auf ein langes Wochenende auf dem Campingplatz „Haten Boer“.

Steffen meinte:

„Puh, ist das wieder eine Bullenhitze in der Karre, ich bin froh, wenn wir hier endlich rauskommen.“
„Ein Platz am Wasser könnte auch nicht schaden.“, sagte Rico.
„Peetz, mach mal Musik, hier ist es so still wie in einem Leichenwagen!“
„Soll ich vielleicht selber singen? Das Radio geht doch nicht!“, erwiderte er griesgrämig.
„Boar Mann ey, kann sich dein Vater nicht mal ein Radio einbauen, was funktioniert?“, meinte Tom.
„Klappe! Sonst läufst du den Rest zu Fuß!“
„Mensch, labere hier nicht rum, und fahr weiter, ich habe langsam keinen Bock mehr!“
„Aber ich …“
„Ach, schweig und bete!“

„Das kann ja wieder was werden.“, dachte Steffen und trat wieder aufs Gas.

Zehn Minuten später erreichten sie ihren Zielort. Nach einer kleinen Pause begannen die Freunde damit, ihr Zelt aufzubauen, und anschließend waren sie schon unterwegs zum Fluss.

Nach der Fahrt in dem heißen Wagen tat das kühle Wasser gut. Es herrschte wie immer ausgelassene Stimmung, und natürlich kam Steffen nicht drum herum, eine gehörige Menge Flusswasser unfreiwillig zu probieren. Aber so war das eben, wenn man mit Tom und Rico bekannt ist, muss ein Steffen Peters eben hin und wieder auf Tauchstation gehen. So ging es weiter, bis der Abend anbrach. Dann machten sie sich auf den Weg zurück zum Zelt.

Toms Gedanken drehten sich die ganze Zeit nur darum, wie er Ricardo in den dunklen Machtkreis integrieren konnte. An Steffen hatte er kein Interesse. Er war als Fahrer gut genug, nicht für die Sache an sich.

Doch was war, wenn er etwas mit bekam? Das würde nicht gut für ihn ausgehen, da war sich Tom sicher. Für seine Geheimaktion würde er sogar eine Freundschaft riskieren. Die Sache war einfach wichtiger, als eine Freundschaft zu Menschen, und er war auch bereit, Konsequenzen zu ziehen, sollte etwas schief laufen, denn Menschen bedeuteten nichts. Gar nichts!

Für ihn gab es unter den Menschen nur eine Person, die er wirklich brauchte, denjenigen, der sie bald wieder anleiten würde. Ideen hatte er entwickelt, aber es war nicht einfach, die richtige Person zu finden, schließlich fand man den Meister nicht von heute auf morgen. Jedenfalls brauchte er Unterstützung, und die sah er in seinem Halbbruder Rico. Ihn wollte er aufnehmen, in den dämonischen Kreislauf.

Langsam senkte sich die Sonne. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Nacht hereinbrach, dann musste er verschwinden. Er hatte zwar gelernt, bestimmte Dinge und Eigenschaften zu kontrollieren, dennoch war er darin noch kein Profi. Da war es schon besser, wenn er sich beizeiten verdünnisierte.

Es wurde anständig gekippt. Schließlich war Wochenende und eine Kiste Bier war sowieso Standardausrüstung. Obwohl Tom auch anständig gebechert hatte, arbeitete sein Verstand glasklar. Sollten sich die anderen ruhig zudröhnen, ihm war es sowieso egal wie viel er sich von dem Zeug einfuhr. Der Effekt war bei ihm gleich null. Umso besser konnte er an seinem großen Plan weiterarbeiten.

Schließlich meinte Ricardo:

„Ich glaube ich werde mal eine Schüssel aufsuchen, wo ich mein Bier hinbringen kann.“
„Okay, ich komme mit.“, meinte Tom. „Ich will sowieso was mit dir bereden.“
„Dann geht mal. Aber fallt nicht rein.“, sagte Steffen.
„Peetz, sei doch mal ruhig! Ich hab’s dir schon mal gesagt!“
„Und Tschüß!“

Die beiden dackelten ab.

„Was wolltest du mit mir bereden?“
„Rico, ich habe etwas vor, und ich bin nicht ohne Grund hierher gefahren. Ich war jetzt schon öfters mit Peetz hier, aber ihn kann ich für mein Vorhaben nicht brauchen. Der verrät nachher noch die ganze Aktion.“
„Hä? Aktion? Welche Aktion? Wovon redest du eigentlich?“
„Ich habe hier vor einiger Zeit etwas entdeckt, wovon bisher niemand, außer mir, etwas weiß. Es dreht sich um eine Höhle. Dort gibt es so etwas wie einen Club, und ich sage dir, diese Leute haben Macht, Dinge zu verändern. Sieh es dir doch an, wie es in der Welt aussieht. Hast du da Bock drauf, so ein verdammtes Spießerleben zu führen wie all die anderen?“
„Das nicht gerade, aber ich möchte auch nicht wie ein Höhlenmensch leben.“
„Das habe ich auch nicht gemeint. Was würdest du davon halten, wenn du aufhören würdest ein Mensch zu sein?“
„Das verstehe ich nicht? Wie kann ich aufhören ein Mensch zu sein? Ich bin schließlich als Mensch geboren worden, das kann ich mir doch wohl nicht aussuchen!“
„Ich meine das so: Was würdest du davon halten, ein Schattenwesen zu werden, eine mächtige Kreatur, die nichts umbringt und ewig leben kann? Die Menschen und deren Lebensweise würden dich dann einen Scheißdreck interessieren. Es ist viel interessanter, so zu leben wie ich.“
„Und wie lebst du? Bist du neuerdings ein Zombie geworden oder was?“
„Kein Zombie, aber etwas anderes.“
„Du bist verrückt, Tom. Es gibt keine dunklen Mächte. Du hast dir die Birne zugekippt und willst mir jetzt so’n Scheiß erzählen!“

Tom war es leid und gab einen Teil eines gefährlichen Geheimnisses preis. Er öffnete den Mund und präsentierte seinem Halbbruder ein Gebiss mit zwei scharfen Hauern, so dass er fast aussah wie ein Vampir.

Ricardo lachte dennoch:

„Willst du mich mit diesem lächerlichen Karnevalsgebiss erschrecken? Verarschen kann ich …“
Rico Terstappen blieben die Worte im Hals stecken. Das gefährliche Knurren, das aus Toms Kehle drang, konnte nicht von einem Menschen stammen.

„Entweder bist du für mich oder gegen mich! Ich sage dir nur, bist du gegen mich, bist du des Todes.“, erklärte Tom eisig. „Ein Menschenleben bedeutet nichts! Glaub mir, bald wirst du auch so denken wie ich, das heißt, solltest du dich für meinen Weg entscheiden.“
„Wie kann das denn …?“
„Stell hier keine dummen Fragen, entweder du kommst jetzt mit zur Höhle und wirst das, was ich bin, oder du stirbst! Suche es dir aus. Eine andere Wahl hast du nicht!“

Ricardo Terstappen sah ein, dass er gegen Tom keine Chance hatte. Wenn er nicht sterben wollte, musste er gehorchen. So ging er schweren Herzens mit, obwohl er wusste, dass er nicht mehr als normaler Mensch zurückkehren würde. Wie sollte es demnach weiter gehen? Er war nicht allein auf der Welt, und wenn das stimmte, was Tom sagte, war nicht nur er, sondern auch seine Freundin Svenja in großer Gefahr.

Rico machte sich Sorgen. Seine Zukunftsaussichten als Mensch durchzukommen, waren bis auf den Nullpunkt gesunken …

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