Mystik des Waldes - 7. Eine schlimme Wahrheit

DJMusicLine

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7. Eine schlimme Wahrheit​

Erzählt aus der Sicht von George Logan:​

Wir saßen auf dem Revier am Rathausmarkt und ich hatte mir von Steffen nun die ganze Geschichte erzählen lassen. So wie es mir schien, hatte sich zwischen Roermond und Viersen ein Geheimbund von mehreren Werwölfen entwickelt, die sicherlich bald noch mehr Angst und Schrecken verbreiten würden, wenn man ihnen nicht Einhalt gebot. Vor allem schien dieser Kreis immer größer zu werden, sie hatten sich wie ein Lauffeuer verbreitet, die ahnungslosen Opfer merkten es erst dann, als es schon längst zu spät war. Die Täter: Freunde und Familien. Sie gaben den Keim weiter wie einen verfluchten Virus! Diese Aktionen mussten gestoppt werden. Das Schlimmste daran war, dass die Leute die infiziert wurden, nicht am Leben bleiben konnten. Um diese Sache unblutig zu beenden, war ich viel zu spät gekommen. Diese Ereignisse mussten sich über Wochen hinweg entwickelt haben. Aufspüren und vernichten war das einzige, was hier noch getan werden konnte. Bei diesem Gedanken lag mir ein Stein im Magen, denn eine gute Lösung war das nicht. Aber die einzige, die ich kannte. Wer einmal zum Dämon mutiert war, für den gab es keine Rettung mehr. Man konnte nur gegen sie vorgehen, in dem man ihre schwarzen Seelen auslöschte.

Darüber sprach ich mit Steffen, der es nicht begreifen konnte, er wollte dies nicht als einzige Möglichkeit ansehen, die wir zur Auswahl hatten. Ich konnte ihn verstehen, sie waren seine Freunde gewesen, aber was hätte ich ihm anderes sagen können.

In diesem Moment ging eine Kurzmitteilung auf Steffens Handy ein. Steffen las sie laut vor:

MIT THOMAS HAST DU JETZT
EINE SORGE WENIGER!
DER IST GESCHICHTE!​

„Oh Mann! In was bin ich da reingeraten?“
Steffen tippte eine Gegenantwort:

BALD RÄUMEN WIR MIT DER
BRUT AUF! ICH HABE
UNTERSTÜTZUNG!​

Dirk war sich sicher gewesen, dass Steffen zur Polizei gegangen war. Dennoch war er nicht so dumm, einen Fuß dort hinein zusetzen. Deshalb blieb er im nahe gelegenen Park und schrieb von dort aus weitere Mitteilungen:

ICH WEISS, DU BIST
BEI DER POLIZEI!
ICH WILL DICH SEHEN!
ALLEIN!!!​

Dirk hatte die sms abgeschickt, entschloss sich aber dennoch Steffen direkt anzurufen. Er sah ins Telefonbuch, wählte Steffens Namen und hörte kurz darauf das Freizeichen...

„Steffen Peters, was ist, Dirk?“
„Ich will dich sehen, wir müssen reden.“
„Was gibt’s da zu reden? Du hast gesagt, ich darf dir nicht trauen.“
„Ich weiß, was ich gesagt habe. Was für eine Unterstützung meinst du?“
„George Logan. Er kennt sich im Umgang mit Werwölfen aus, also auch mit Abschaum wie dir!“
„Jetzt mal halblang, ja?! Vergiss nicht, dass ich es war, der dich laufen ließ und mit Informationen versorgt hat!“
„Das ist wahr.“
„Also: Treffen wir uns?“
„Ja, wo?“
„Komm in den Park am Rathausmarkt. Es ist keine Falle! Und ich weiß das du in der Nähe bist.“
„Okay, ich bin gleich dort.“

Steffen legte auf.
„Ich werde allein gehen“, meinte er zu mir. „Es ist hier im Park, Sie sind ja nicht weit weg.“

Ich tat es nicht gerne, aber ich kam seinem Wunsch nach. Ich wusste nicht, ob es richtig war. Aber dieser Dirk war die einzige Quelle die wir hatten. Und somit hätten wir einen Informanten gehabt, der uns die Geschichte aus der Sicht der Werwölfe erklären konnte, um die Zusammenhänge letzen Endes besser zu verstehen.

Also ließ ich ihn gehen, in der Hoffnung, dass er nicht zur Geisel wurde.

Steffen trat heraus. Vorsichtig sah er sich um. Er traute Dirk nicht über den Weg. Aber er wusste auch, dass sein Freund eine Schlüsselrolle in diesem Falle übernommen hatte. Er schien nicht abgrundtief böse zu sein, sonst hätte er ihn nicht aus dem Archiv entkommen lassen. Deshalb war Steffen mit Dirks Vorschlag auch einverstanden gewesen.

Der Park schloss sich direkt an die Polizeistation an. Wenn man hier jemanden suchte, fand man ihn in der Regel schnell, da das Gelände doch recht klein war.

Steffen war noch nicht weit gegangen, als er die Stimme hörte:
„Halt!“

Sofort blieb er stehen.
„Hinter dir ist eine Bank. Setze dich dort hin. Aber dreh dich nicht um!“ Eindeutig war es Dirk, der da gesprochen hatte.

Steffen kam der Aufforderung nach und nahm augenblicklich dort Platz. Dirk setzte sich neben ihn.

„Tut mir leid, Steffen, aber ich muss vorsichtig sein. Wenn du Fragen hast, dann stelle sie mir jetzt.“
„Ja, in der Tat, Dirk, Fragen habe ich genug. Was in Gottes Welt ist hier eigentlich los?!“
„Ich verstehe deine Frage. Genau weiß ich es selbst nicht. Es hängt mit dieser Höhle zusammen, von dort geht alles aus. Tom hat damals im Stadtarchiv geforscht, als er von der Geschichte zum ersten Mal hörte. Für ihn war es ein Spaß, ging aber der Sache nach und fand dort weiteres Material unter anderem auch den Lageplan der Höhle ...“

Nun erzählte Dirk ihm die Geschichte von einem Bund der Mandragorien und der Wölfe. Er erzählte von dem großen Plan, dass die Herrschaft der Wölfe über die Erde kurz bevor stand.

„Welchen Platz haben denn die Menschen in solch einer Zeit?“ fragte Steffen weiter.
„Überhaupt keinen. Die Konvertierten bleiben dann Wölfe und legen ihre menschliche Gestalt schließlich für immer ab.“
„Und, was ist mit den anderen?“
„Werden überrannt, vernichtet. Die Mandragorien sind der Meinung, dass der Mensch versagt hat.“
„Aber wieso?“
„Wegen der Zerstörung unseres Planeten.“
„Und auf welcher Seite stehst du, Dirk?“
„Ich weiß seit einigen Tagen überhaupt nichts mehr. Diese merkwürdigen Pflanzen haben es in sich. Wölfe und Natur haben einen Pakt geschlossen. Die Magie der Wölfe und der Pflanzenwelt vermischten sich mit einander. Seitdem kann aus ihnen der Wolfstrank gebraut werden, dem viele schon zum Opfer fielen.“
„Wie viele?“
„Zu viele, Steffen, zu viele.“
„Wer verdammt?!“

„Fast alle, die du kennst. Sie gehören schon lange dem Bund an. Tom sprach von dem Tag, als er Rico integriert hatte. Er sagte, dass es an einem Tag war, wo ihr nach längerer Zeit mal wieder zusammen nach Roermond gefahren ward. Er sagte, dass in dem Wagen deines Vaters das Radio damals kaputt war. Später wäret ihr am Fluss gewesen, und hättet abends ein richtiges Fass aufgemacht. Dann sind Tom und Rico verschwunden und erst sehr spät zurückgekommen. Erinnere dich, Steffen, du hattest dich über Rico gewundert. Auch Tom war dir doch seit längerem unverständlich. Die Antwort auf die Frage ist einfach. Rico konnte sich zwischen einem Leben als Schattenwesen oder seinem Tod entscheiden. Eine andere Wahl hatte Tom ihm nicht gelassen. In dieser Nacht wurde Rico konvertiert.“

„Oh, verdammt. Und Tom?“
„Ist seit 1995 dabei!“
„Das darf doch wohl nicht wahr sein. Und wie weiter? Was hast du für eine Geschichte?“

„Der Rest ist einfach. Rico hat mit Tom gewisse Tränke gebraut, und unter die Leute gebracht. Irgendwann hat er dann meine Schwester mit dem Zeug infiziert. Aber es kam noch schlimmer. Anschließend fiel meine Freundin wiederum auf sie rein. Sie ging als Mensch und kam als Werwolf zurück. Natürlich wusste ich das zu diesem Zeitpunkt noch nicht, obwohl die Veränderung, die sie in den nur wenigen Stunden durchlebt hatte, enorm war. Sie konvertierten mich einige Stunden nachdem ich mit dir ausgemacht hatte in Roermond mal nachzuforschen was da abgeht.“

„Und diesmal war es Kerstin, nicht wahr?“
„Ja, sie und Thomas, dein Arbeitskollege!“
„Aber wieso er?“
„Um dich zu observieren und den Keim unter die Leute zu bringen.“

Steffen drehte fast am Rad! Der Tobak war hart!
„Was hat der Bund der Wölfe denn mit mir zu tun? Warum gerade meine Freunde? Warum ich?“
„Ich fürchte, das hat mit uns zu tun, mein Freund. Der Bund wusste, dass wir uns kennen. Man kannte unsere Zuverlässigkeit.“
„Und?“
„Der Bund sucht dem Auserwählten, den Leitwolf, der momentan noch ein Mensch ist, aber zu unsagbarer Größe sich erhebt, der Herrscher über die Welt! Derjenige, der sie um sich versammeln wird, für denjenigen, für den dann selbst Zeit und Raum kein Hindernis mehr darstellt.“
„Wer ist es, und woher willst du wissen, dass er über solche Kräfte verfügen wird?“

„Nach dem du weg warst habe ich das Stadtarchiv auf den Kopf gestellt. Dort fand ich die alte Aufzeichnung über die Götzenhöhle, fand Lagepläne und Namen der Leute, die die Anlagen mitbringen sollten, qualifiziert genug zu sein, um uns anzuführen. Doch ich hatte nicht viel Zeit. Die anderen wollten los, und so lernte ich die Höhle mit meinen eigenen Augen kennen. Ein magischer Ort, ein Einstieg in eine andere Dimension, eine Umgebung, an dem es die Zeit nicht gibt. Mittlerweile habe ich herausbekommen, dass der Auserwählte ein Freund von mir aus Oberhausen ist. Sein Name ist André Stein!“

„Den kenne ich nicht.“, sagte Steffen.
„Aber du kennst uns, und warst somit dazu ausersehen, Ihnen zu helfen, ohne dass du es wusstest.“
„Das heißt, dass Tom schon seit 1995 ...“
„Leider ja, Steffen, Tom hat dich benutzt, um uns alle ins Unheil zu stürzen.“

Steffen war verzweifelt: „Gibt es überhaupt noch eine Rettung?“
„Steffen, ich weiß es nicht. Es ist möglich, vielleicht gibt es da in der Höhle ...“

Dirk brach den Satz ab: „Ich weiß wirklich nichts konkretes, und will dir auch keine falschen Hoffnungen machen, was deine Freunde betrifft.“
„Und warum hilfst du mir dann, wenn du doch dem Bund angehörst?“

„Ich kann mir das selbst nicht erklären. Ich konnte mich irgendwie gegen den Einfluss wehren. Ich kann dir auch nicht sagen, ob ich mich darin wieder verliere. Es ist nach wie vor gefährlich wenn wir uns sehen, doch ich schuldete dir noch die Antworten auf die Fragen nach dem warum.“

Plötzlich weinte Steffen.
„Sag mir, Dirk, kannst du mir versprechen, dass wir immer Freunde bleiben werden?“

Dirk war ehrlich:
„Steffen, ich bin ein Werwolf. Wäre ich ein Mensch, hätte ich es dir garantiert. Aber wenn ich mich verlieren sollte ...“

Steffen ließ ihn nicht ausreden: „Was ist dann?“

„... bin ich vielleicht die Kreatur, die dich umbringt!“
„Und Thomas?“
„Ist tot. Sein Kopf ist bei mir zu Hause. Es war Rache für meine Behandlung.“
„Aber ...“
„Steffen, er war ein Monster, vergiss ihn. Und jetzt geh. Ich kann dir momentan nicht helfen.“
„Was ist mit George?“
„Ich traue ihm nicht, vielleicht tötet er mich, und ich will leben, ich werde meinen eigenen Weg gehen. Tut mir leid!“

Dann geschah es. Dirk verwandelte sich blitzartig in einen Werwolf. Die Kleider platzten ihm vom Leib. Dann jagte er davon und verschwand in der Dunkelheit.

Steffen war ratlos und verzweifelt. Jetzt kannte er die Wahrheit, und diese tat so weh, dass er die Hände in sein Gesicht vergrub und völlig fertig ohne weiteren Lebensmut allein zurückblieb ...

*​

So langsam machte ich mir Sorgen. Steffen war jetzt schon eine ganze Zeit verschwunden. Lange wollte ich nicht mehr warten. Dummerweise hatte ich seine Handynummer nicht, um einfach mal nachzuhaken wie es läuft. Je mehr Minuten vergingen, desto nervöser wurde ich.

Ich trat ins Freie und wendete mich Richtung Park. Nach wenigen Schritten sah ich ihn auf einer Bank sitzen. Ich ging auf ihn zu und setzte mich neben ihn. Er bemerkte mich erst, als ich ihn ansprach. Steffen zuckte heftig zusammen als er meine Stimme vernahm.

„Ach hier bist du? Was ist passiert?“

Steffen erzählte mir die ganze Geschichte, über die er sich mit der Zeit mehr und mehr aufregte.

„Ich weiß nicht mehr, was ich jetzt tun soll.“, meinte er abschließend.
„Wir müssen jetzt den Schaden begrenzen. André Stein braucht Schutz, er ist völlig ahnungslos.“, erklärte ich ihm.
„Was hältst du denn von Dirk?“
„Ich weiß es nicht, ich würde behaupten, dass er oft instabil ist. Im Grunde ein Wunder, dass er uns hilft. Ich könnte jede Unterstützung brauchen, aber wenn er kein Vertrauen zu mir hat, kann ich ihm nicht helfen.“

„Er sagte ja schon selbst, dass man ihm auch nicht trauen soll. Dirk denkt, dass er als Werwolf keine Garantien für sein Verhalten geben kann.“

„Wo wird er jetzt zu finden sein?“

„Ich denke, irgendwo im Gebiet des Hohen Buschs. Ich habe auch den Eindruck, dass er sich mit dieser Umgebung sehr verbunden fühlt. Jedenfalls wird er dort einige Verstecke kennen.“

„Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten: Wir sehen jetzt nach der Adresse von André Stein und dann suchen wir Dirk, oder wir fahren anschließend direkt nach Oberhausen und hoffen ihn morgen dort anzutreffen.“

„Ich gehe davon aus, dass Kerstin und er morgen dorthin fahren werden. Die Suche können wir uns eigentlich sparen.“

„Ja, Steffen, da hast du wohl Recht. Lass uns nach der Adresse suchen und dann machen wir uns auf den Weg.“

George und Steffen hatten die Anschrift schnell zur Hand. Jürgen Schmitter hatte sich auf der Stelle darum gekümmert.

„Werden wir ihn warnen?“, fragte Steffen.
„Nein, ich denke nicht, dass er uns glauben würde. Das können wir nicht in Betracht ziehen.“

Ich empfahl Schmitter hier zu bleiben und mich, falls es Neuigkeiten geben würde, umgehend über die Vorkommnisse hier zu informieren. Mein Gefühl sagte mir, dass der Kampf erst jetzt richtig losging. Denn sollten wir die Meisterkrönung nicht verhindern, sah es wirklich düster aus.

Nach dem ich alle Informationen, die ich über André benötigte, erhalten hatte, machten wir uns auf den Weg nach Oberhausen.

*​

Doch es gab in dieser Nacht noch anderweitige Zusammenkünfte. Die Kreaturen versammelten sich erneut am Hohen Busch. Ihnen war klar, dass sie auf Dirk nicht mehr zählen konnten. Er war trotz Konvertierung zum Verräter an ihnen geworden. Auch Steffen war nach wie vor eine Gefahr für sie. Er musste endlich aus dem Weg. Kerstin äußerte die Vermutung, dass er mittlerweile eine wirkungsvolle Unterstützung gefunden hatte, einen Experten, der sich auch im Kampf gegen Werwölfe auskennen musste: Sie berichtete den anderen von dem Telefonat mit Thomas, und wie sie ihn schließlich am Fuße des Bismarckturms kopflos vorfand. Sie ließ nichts mehr aus, auch nicht, dass der Kopf zu ihr nach Hause gebracht worden war. Sie hatten einen Mitstreiter verloren, und Schuld waren Dirk und dieser Fremde! Sie galt es jetzt ins Fadenkreuz zu nehmen. Es durfte keine Gnade geben! Der zukünftige Meister musste geschützt und seine Feinde vernichtet werden!

„Aber wie kommen wir jetzt nach Oberhausen?“, fragte Svenja. „Steffen ist unerreichbar, ihn können wir momentan nicht dafür benutzen.“

„Leute, denkt doch mal nach. Es gibt noch mehr von uns, die uns dorthin bringen können.“

„Aber wer?“, fragte Tom und machte ein verständnisloses Gesicht, „Thomas ist auch erledigt!“

„Ja, ich weiß. Aber du vergisst, dass auch Steffens Vater ...“

„Ja, stimmt!“, rief Tom aus. „Rufen wir ihn an, reden wir mit ihm.“

Tom wollte dies persönlich übernehmen und machte sich davon. Ihnen war klar, dass sie vor Steffen dort ankommen mussten. Es war brenzlig geworden, und so hatten sie nicht die Zeit noch länger zu warten. Es musste jetzt auf der Stelle über die Bühne gehen, sonst war alles verloren.

Rico meinte zu Svenja:
„Ob zu viel Aufsehen, oder nicht, Steffen hätte schon vor Monaten ausgeschaltet werden müssen. Er ist wie ein Dorn in unserem Bund. Er hatte von Anfang an ...“

„Wir können es jetzt nicht mehr ändern! Wir erwischen den Kerl und seinen komischen Verbündeten!“

„Der immerhin Thomas schwere Verletzungen zugefügt hat!“, entgegnete Kerstin.

„Wenn dein Freund nicht versagt hätte, dann wäre Steffen jetzt tot und Thomas noch am Leben.“, fauchte Svenja sie an.

„Jetzt halte bloß deinen großen Mund, Schwesterchen! Ich wollte ihn von vorne herein aus dem Weg haben! Es war doch euer genialer Plan, also werft es mir ja nicht vor!“

„Du gehörst zu ihm, den Verräter!“, argumentierte sie.

„Ich habe ihn nie geschützt! Lass mich den in die Finger kriegen, den mache ich kaputt, bevor der morgige Tag zu Ende ist!“ Kerstin war wütend.

„Dann bekommst du jetzt bis morgen Abend Zeit, diese Aufgabe zu erfüllen!“
„Willst du mir drohen?“
„Das haben wir nicht nötig. Wenn du versagst, wird sich der Bund um dich kümmern. Verstanden?“, sagte Rico mit fest entschlossener Stimme.
„Das hast du doch gar nicht zu entscheiden! Dafür bist du viel zu kümmerlich!“
„Es reicht jetzt!“, Svenja mischte sich lautstark ein. „Wenn du ihn nicht erledigst, hast du für uns hier keinen Stellenwert mehr! Da wird dir auch Tom nicht helfen! Und jetzt gib Ruhe, wir haben dazu nichts hinzu zufügen.“

Kerstin sah ein, dass es keinen Sinn hatte, mit ihnen rumzustreiten. Sie würde alles daran setzen, um Steffen und Dirk zu schaden, aber der Geheimbund war im innersten für sie erledigt. Die Gemeinschaft war gestört. Nach Erledigung ihrer Aufgabe wollte sie sich von ihnen trennen, obwohl es in diesem Fall auch darauf ankam, wie André sich zukünftig ihr gegenüber verhalten würde. Dann änderten sich die Machtverhältnisse sowieso. Nur legte sie auf eine Gesellschaft dieser Art keinen großen Wert mehr. Sie setzte sich ins Abseits, kochte vor Wut, und das war also der Dank!

Kerstins Handy meldete sich:
Sie ging ran und meldete sich mit einem knappen „Ja!“

„Hier Tom! Verlasst den Wald Richtung Höhenstraße. Wir holen euch ab und dann geht’s los.“
„Ja, von mir aus.“
„Ist was vorgefallen?“
„Merkt man das?“
„Na, so wie du drauf bist ...“
„Ach, ist Wurscht, ich sag den anderen Bescheid.“
„Gut.“

Tom hatte aufgelegt. Kerstin informierte die anderen und sie machten sich auf den Weg zum vereinbarten Treffpunkt. Sie brauchten nicht lange dort zu warten, als sich ein Auto näherte. Johannes Peters drehte die Fensterscheibe herunter:
„Steigt ein, die Stunde der Wende ist gekommen!“

Die drei Werwölfe nahmen im Fond des Wagens Platz um einem Zeitalter den Anstoß zu geben, in dem es für Menschen keinen Platz mehr geben sollte.

*​

Der Fall verlagerte sich zusehends auf mehrere Orte. Hier gab es keinen zentralen Punkt, man hätte überall anfangen können Einstiege zu finden. Zu vielfältig waren diesmal die Möglichkeiten. Aber ich besaß nun einmal nicht die Gabe, an mehreren Orten gleichzeitig meine Arbeit aufzunehmen. Obwohl ich wusste, dass es, wenn ich in Viersen war, immer Ärger gab, hatte ich Mike Brown, meinen besten Freund und Kampfgefährten, nicht in die Sache eingeweiht. Also musste ich jetzt Prioritäten setzen, und die Personen schützen, die momentan durch den Wolfsbund am stärksten bedroht wurden. Steffen war auf ihrer Abschussliste die Nummer zwei, aber ihn wusste ich neben mir.

Viele meiner Gedanken kreisten auch um diesen Dirk, ich wusste nicht, ob man sich auf ihn verlassen konnte. Er war selbst ein Werwolf geworden, aber er reagierte vom Verhalten her nicht so verändert, wie Steffens übrige Freunde. Diese waren eiskalte Killer geworden.

Wir schwiegen uns an, während ich die Autobahn entlang fuhr, als sich Steffens Handy meldete. „Dirk Handy“ war im Display zu lesen. Steffen nahm ab. Er kam gar nicht erst dazu, sich zu melden.

„Hi, Steffen! Du hör zu. Ich habe die Info, dass der gesamte Bund sich auf dem Weg nach Oberhausen befindet. Ihr müsst André beschützen, kann ich mit euch fahren?“

„Das geht nicht mehr. Sind schon auf den Weg dorthin.“
„Ich könnte wichtig für euch sein. Will auch in Kerstins Nähe, man hat ihr ein Ultimatum gestellt.“
„Was muss sie tun?“
„Ich bin ein Feind des Bundes. Wenn sie es nicht schafft, uns beiden den Garaus zu machen, würde der Bund sie wegen Hochverrats hinrichten. Und das muss ich verhindern. Verstehst du das?“
„Ja.“, meinte Steffen. „Aber wir können doch jetzt nicht mehr umdrehen! Moment ...“

Steffen erklärte mir kurz das Problem. Ich dachte kurz nach. Vielleicht konnte Jürgen Schmitter da was tun, obwohl mir bei diesem Gedanken doch nicht wohl war, da Dirk ebenfalls im eigentlichen Sinne dem Bund angehörte, und es Zeiten gab, in denen auch er genau so gefährlich war wie die anderen. Da wir aber keine Zeit zu verlieren hatten und wir jede Hilfe brauchen konnten, war es vielleicht das Beste.

„Steffen, sage Dirk, dass wir gleich zurück rufen.“
Steffen sagte es ihm und legte dann auf.

„Ich werde Schmitter damit beauftragen ihn in den Wäldern abzuholen. Ich muss nur wissen, wo er sich aufhält.“, meinte ich.

„Ich weiß nicht, Dirk ist nicht so harmlos. Aber ich weiß auch nichts Besseres. Ich rufe ihn noch mal an.“
„Warte, lass mich erst mit Schmitter reden!“
„Okay.“

Ich wählte Schmitters Nummer. Begeistert war er über meinen Vorschlag überhaupt nicht, aber er erklärte sich schließlich doch bereit, Dirk zu uns nach Oberhausen zu bringen.
„Ich schreibe dir dann eine SMS wo du ihn abholen kannst.“
„Okay, bis dann.“
„Oh, Steffen. Hoffentlich geht das gut ...“

*​

Nachdem Dirk verschwunden war, hatte er sich auf Schleichwegen zum Hohen Busch durchgeschlagen. Schließlich musste er als Werwolf hier nicht auffallen. Aber Rückverwandeln war nicht möglich, da auch er als nichtmenschliche Kreatur dennoch keine Lust hatte, sich dem Flitzertum anzuschließen und splitterfasernackt durch Viersen zu laufen. Außerdem war er als Werwolf schneller. Die einzige Ausnahme bildete seine Hand, die menschlich geblieben war, um sein Handy mitnehmen zu können. Nach dem er sich bis zum Ringofensweg, eine Gegend der Schrebergärten, durchgeschlagen hatte, verharrte er einen Moment um sich ein Ziel festzulegen. Vielleicht konnte er die anderen belauschen und Steffen weiterhin mit wertvollen Informationen versorgen.

Linksseitig des Weges reihten sich die Schrebergärten aneinander. Rechts lag eine Waldschonung, die ihm eine optimale Deckung bieten würde, zumal sich des Nachts kein Mensch hierher verirren würde.

Im Schutz der Bäume erreichte er das Ninive, eine vornehme Wohngegend von Viersen. Wer hier lebte, hatte Geld. Ein Bungalow nach dem anderen war hier gebaut worden. Dirk mied jedoch die Straße und nahm den Weg durch die Felder. Vom Ninive aus war es nicht schwierig, die Todesbahn zu erreichen, und auch der Bismarckturm war nur wenige hundert Meter von dort entfernt.

Der Werwolf erreichte den hölzernen Rundbau. Für ihn war dieser Ort ein Schlüsselerlebnis, denn im Grunde hatte für Kerstin und auch für seine Schwester hier alles seinen Anfang genommen. Der Ort ihrer Konvertierung.

Er verweilte hier kurz. Nicht weil er müde war. Nein. – Es war die Erinnerung, die ihn gepackt hielt. Dieser Ort hatte durch die schlimmen Ereignisse eine düstere Ausstrahlung erhalten, so dass sich bei ihm das Wolfsfell sträubte. Er dachte an seine Freundin und was aus ihr geworden war. Er hatte sie einst geliebt, doch was war von dem, was sie ausmachte, jetzt noch da? Anscheinend wohl nichts mehr. Auch für ihn gab es von nun an nichts Wichtiges mehr in seinem Leben. Er war nicht so, wie es die anderen waren, obwohl sie es erneut versucht hatten, ihn in diese Form zu pressen und seines Willen zu berauben. Doch das hatten sie letztlich nicht geschafft, auch wenn es dennoch manchmal knapp war.

Dirk war sich bewusst, dass er in dieser Welt einen schweren Stand haben würde. Er war weder ein Mensch, noch ein richtiger Werwolf. Gab es für ihn eine Rettung? Und wenn ja, warum überhaupt? Er hätte niemanden mehr gehabt, der für ihn da gewesen wäre.

Alles was ihm etwas bedeutete war den Bach runtergegangen. Der einzige Freund, der ihm geblieben war, war Steffen. Wie gut, dass seine Schwester sie damals miteinander bekannt gemacht hatte. Damals waren sie alle zusammen nach Oberhausen ins CentrO, einem großen Einkaufszentrum, gefahren. Diese Freundschaft war schnell geschlossen. Drei Worte über Technik und sie hatten ein Gesprächsthema. Bei dem einen Treffen war es dann nicht geblieben, und das war auch gut so.

Dirk schwelgte in Erinnerungen. Aber er musste seine Aufgabe erfüllen. Er musste in Richtung Kapelle, wo sie sich trafen. Dirk startete und hetzte durch den Wald. Es war das erste mal, dass er als Werwolf durch das dichte Geäst rannte und dabei feststellte, wie schnell er doch war. Ein Gefühl der Freiheit breitete sich in ihm aus. Er rannte und rannte, bis er schließlich die kleine Waldgaststätte erreichte. Jedoch betrat er nicht die Parkflächen, sondern bog vorher rechts in einen Waldweg ab.

Er kannte die Umgebung gut und wusste genau, wohin er sich zu wenden hatte. Rund um die Lichtung kannte er zahlreiche Verstecke, in denen er verweilen und den Geheimbund belauschen konnte.

Nun war er nicht mehr weit vom Ort des Geschehens entfernt. Er bekam schon vereinzelt Stimmen mit. Dirk suchte sich ein geeignetes Versteck. All zu nahe traute er sich jedoch nicht heran, so dass er den Gesprächen der Kreaturen angestrengt lauschen musste.

Das was er hörte, setzte ihm heftig zu. Er wurde also als Verräter gebrandmarkt und sollte von Kerstin eliminiert werden. Es tat ihm weh, als er mitbekam wie abfällig seine Schwester über Steffen und ihn redeten. Da gab es keine Gemeinsamkeit mehr. Selbst in dem Moment, als der Bund sich gegen seine Freundin stellte, war sie fest entschlossen, ihn dennoch aus dem Verkehr zu ziehen. Einmal mehr sah er sich in seiner Annahme bestätigt. Er war nicht so, wie es die anderen waren. Ihm war klar, dass er hier nicht bleiben durfte. Er musste seine letzten Freunde vor dem Grauen schützen, dass bereits zu ihnen unterwegs war.

Er traute George nicht, aber ohne ihn würden sie keine Chance haben. Nachdem er erfahren hatte, wer sie nach Oberhausen bringen würde, griff Dirk zu seinem Handy, nachdem auch der letzte der Wölfe die Lichtung verlassen hatte.

Er wollte nur mit. Details musste er für sich behalten, damit Steffen die Nerven behielt. Er wählte die Nummer seines Freundes, und gab ihnen durch, wo man ihn abholen konnte. Doch er erfuhr, dass sie nicht selbst erscheinen konnten, da auch sie bereits auf der Fahrt nach Oberhausen waren. Man bedeutete ihm abzuwarten, man würde sich etwas überlegen.

Kurze Zeit später meldete sich sein Handy erneut. Dirk gab seine Position durch, Schmitter wollte ihn abholen. Dirk war einverstanden. Doch er hatte ein Problem. Als Mensch konnte er sich ihm nicht zeigen, da seine Kleidung völlig zerfetzt war. Also musste er ihn quasi erst einmal zwingen, ihn mitzunehmen. Es waren Mittel, die leider notwendig waren, um sein Ziel zu erreichen.

Auch Dirk verließ das Gebiet in Richtung Höhenstraße. Er hielt sich jedoch weiter im Schutz der Bäume auf, so dass er, falls Leute auch zu dieser nächtlichen Stunde, hier vorbei gingen, nicht gleich entdeckt wurde.

Dirk hoffte, dass alles glatt lief. Sicherlich würde sich Schmitter weigern, ihn so mitzunehmen. Aber das konnte ihn nicht stören, notfalls musste er sich darauf vorbereiten, ihn als „Geisel“ zu nehmen.

In der Ferne sah Dirk ein Scheinwerferpaar aufleuchten. Der Wagen näherte sich seinem Versteck und verlor an Tempo. Schmitter hielt an. Aus sicherer Deckung beobachtete die Kreatur den Wagen. Der Mann sah sich im Wagen sitzend nach allen Seiten um, aber Dirk entdeckte er nicht. Dann bückte sich der Polizist offenbar nach einem Gegenstand. Vielleicht eine Taschenlampe.

Da sah der Werwolf seine Chance. Er startete, riss die Tür auf und warf sich auf den Beifahrersitz!
„Hi! Los, gib Gas!“

Schmitter war perplex und wollte den Wagen verlassen. Dirk ließ es nicht so weit kommen. Seine Krallenhand packte zu und vergrub sich im Stoff der Jacke.
„Hier geblieben! Tür verriegeln! Auf der Stelle!“
„Aber ...“
„Mund halten! Fahr los, nach Dülken! Ich muss mich umziehen!“
„Gut, ich beuge mich der Gewalt.“

Schmitter hatte seine Überraschung verdaut und gab Gas. Im Grunde wusste er ja, worum es ging. Für ihn war es nur das erste Mal, dass er einen Werwolf aus nächster Nähe sah.

„Es geht hier nicht um Gewalt.“, sagte Dirk. „Der Notfall erforderte es, so zu handeln. Sie hätten mich bestimmt, so wie ich aussehe, nicht freiwillig mitgenommen.“
„Wahrscheinlich nicht.“

„Ich musste als Wolf auftreten, da ich mir erst zu Hause was zum Anziehen holen muss. Sobald ich das erledigt habe, trete ich Ihnen als Mensch gegenüber, ich gebe Ihnen mein Wort. Und noch was: Momentan bin ich auf Ihrer Seite. Das bedeutet, dass ich versuche, André Stein zu schützen, aber wir müssen schnell machen, die anderen sind bereits auf dem Weg.“

Der Werwolf griff an sich herunter und holte aus seiner völlig zerfetzten Hose seinen Haustürschlüssel hervor.

Schmitter fühlte sich unwohl. Er konnte es nicht begreifen, dass neben ihm im Wagen ein Werwolf saß und sich mit ihm unterhielt.

„Achten Sie auf den Verkehr. Bleiben Sie locker, ich tue Ihnen nichts. Jedoch möchte ich, dass Sie gleich mit reingehen. Ich möchte, dass Sie für die Zeit ins Bad gehen und dort bleiben. Verstanden?“

„Ja, habe ich.“

Es war jetzt nicht mehr weit. Die beiden hatten sich für diesen Moment nichts mehr zu sagen. Und schließlich erreichten sie den Zielort.

„Raus aus dem Wagen! Sie bleiben in meiner Nähe!“, befahl ihm der Werwolf.

Dirk schloss auf und die beiden betraten die Wohnung.
„Da ist das Bad! Gehen Sie da rein!“
„Aber ...“
„Ich habe keine Zeit für lange Reden!“

Dirk versetzte Jürgen Schmitter einen Stoß, der ihn in den Raum beförderte.
„Rühr dich nicht von der Stelle, Polizist! Ich kann auch anders!“

Dirk ließ die Rollläden herunter. Sollte Schmitter versuchen durch das Badezimmerfenster zu fliehen, würde er es sofort hören.

Der Wolfsmensch zog den Schlüssel der innen steckte ab, warf die Türe zu und verschloss sie dann von außen. Dann betätigte er den Lichtschalter, damit Schmitter nicht im Dunkeln saß. Er sollte nur nicht auf dumme Gedanken kommen, denn er musste ihn nach Oberhausen bringen, um das Schlimmste zu verhindern.

Dirk betrat sein Schlafzimmer. Sein Blick fiel auf das Bett. Ein Gestell, das in Herzform angefertigt worden war, in weißer Farbe mit Messingverzierungen. Diesen Schlafplatz hatte er jahrelang hier mit Kerstin geteilt. Er warf sich auf die Matratze, die Rückverwandlung in einen Menschen hatte bereits begonnen. Er vergrub die Hände in sein Gesicht, an dem eine Träne entlang lief. Er hatte sie verloren, denn er war nicht wie sie. Aber er brauchte sie doch. Wie sollte er ohne sie zu Recht kommen? Und was würde geschehen, wenn sie sich begegneten? Sie würde ihn töten, das stand für ihn fest. Von der Liebe, die sie einst verband, war ihrerseits nur Hass übrig geblieben. Es fiel ihm schwer, dies zu akzeptieren, dass die Beziehung, wie sie sie geführt hatten, wohl für immer vorbei war. Trotz all der trüben Gedanken musste er sich jetzt auf sein Nahziel konzentrieren, denn es würde André sicherlich nicht helfen, wenn er hier herum saß und grübelte.

Dirk stand vom Bett auf – als Mensch, nahm sich Sachen aus dem Schrank und zog sich an. Blue Jeans, ein blaues Hemd und Sportschuhe. Nichts deutete mehr darauf hin, dass in ihm ein Wolf steckte, der ungeheure Kräfte besaß.

Er verließ den Raum und schloss das Bad auf.
„So, jetzt können wir los.“, sagte er.
„Ja, aber ...“
„Ich erkläre Ihnen alles auf der Fahrt. Wir haben kaum Zeit, es geht um Menschenleben. Jede Sekunde ist wichtig.“
„Ja, George sagte es auch.“
„Dann vertrauen Sie mir und bringen Sie mich hin.“
„Gut, dann steigen Sie ein.“

Kurz darauf ließ Schmitter den Motor an und gab Gas.

Sie fuhren zur nächstmöglichen Autobahnauffahrt. Endlich konnte Schmitter durchtreten. Der Polizist war sichtlich durcheinander.

Dirk meinte: „Wenn Sie Fragen haben ...“
„Das habe ich in der Tat. Wie ist das möglich? Was ich gesehen habe, dürfte es gar nicht geben!“

„Ich kann Ihnen sagen, dass es das schon gibt. Sie haben es selbst gesehen. Meist wohnen diesen Kreaturen die Kräfte der Hölle inne, und auch den Teufel gibt es wirklich. Doch nicht nur ihn, auch andere Dämonen, die mächtigen Natur- und Pflanzengeister, die auch Mandragorien genannt werden. Im Prinzip geht es ihnen und dem Wolfsbund darum, die Vorherrschaft über die Menschen zu gewinnen, da dieser unserem Planeten schadet. Deswegen gab es einen Zusammenschluss dieser beiden Mächte.“

Dirk erklärte ihm ausführlich, was er von Tom hatte in Erfahrung bringen können.
„Und dieser Meister soll dein Freund André Stein werden?“
„Ja. Er ist derjenige, der alles herumreißen soll. Wenn wir die Krönung nicht verhindern, wird ein neues Zeitalter des Schreckens seinen Anfang nehmen. Massenkonvertierungen, Massenvernichtungen, denn nicht alle werden mit einbezogen. Die Konvertierten werden ihre Menschlichkeit verlieren, und am Ende werden sie für immer als Werwölfe in den Wäldern unseres Planeten leben. Menschen wird es dann nicht mehr geben.“

„Ist dieser Bund so mächtig?“
„Nicht der Bund allein, Sie vergessen André und diesen Naturgeist.“
„Und auf welcher Seite stehst du? So wie ich es sehe, muss ich doch wohl eher annehmen, dass du diesem Bund angehörst.“
„Im Prinzip ist das auch richtig, doch ich habe mich nicht so entwickelt, wie es die anderen gerne gehabt hätten. Ich habe mich gewehrt und die böse Magie bekämpft.“
„Mit reiner Willenskraft?“, fragte Schmitter.

„Ich denke schon. Ich bin mir nicht sicher. Aber wichtig ist, dass ich es kontrollieren kann. Zuerst hatte ich einige lichte Momente, und irgendwann war ich ganz und gar wieder ich selbst. Nur alle sonstigen Eigenschaften eines Werwolfes waren mir geblieben.“

„Was war denn in den düsteren Momenten?“
„Das ist es ja. Man hat daran keine Erinnerung. Es ist als wäre man tot. Im Grunde ist derjenige, der eine Konvertierung erfahren hat, im menschlichen Sinne gestorben.“
„Das ist grausam, und muss verhindert werden! Aber warum hast du mich wie eine Geisel behandelt?“
„Ganz einfach: Ich musste sicher gehen, dass Du nicht abhauen würdest. Eine ungewöhnliche Situation erfordert gelegentlich außergewöhnliche Mittel.“
„Aber im Grunde bist du ein Mensch?“
„Ja, und ich werde alles daran setzen, diesen Fluch zu löschen.“
„Siehst du da eine Chance ... ich meine ...“
„Sie meinen, ohne Opfer?“
„Ja.“
„Wenn ich ehrlich bin, nein, die konvertierten scheinen mir verloren zu sein.“
„Ja, aber du bist doch ...“
„Das ist was anderes. Nur ich selbst hatte bis jetzt die Willenskraft mich gegen diese Kräfte zu wehren. Aber ich kann nicht sagen, ob das so bleibt.“
„Was du kannst, können andere doch vielleicht auch.“

Dirk lächelte müde: „Bis jetzt habe ich noch keinen getroffen.“
„Das ist schlecht.“
„Wir müssen abwarten, den Schaden begrenzen. Das ist unsere wichtigste Aufgabe. Denn wenn der Bund gewinnt, wird es die Erde, so wie sie jetzt ist, nicht mehr geben.“
„Was ist mit deiner Freundin?“
„Sie steht auf der anderen Seite. Wie ich schon sagte, ich bin bisher die einzige Ausnahme.“, antwortete Dirk.
„Das muss sehr schlimm für dich sein.“
„Es ist nicht einfach. Vor allem weiß ich nicht, was geschehen soll, wenn wir uns begegnen.“

Erneut hatte er Tränen in den Augen. Mit seinem Hemdärmel wischte er sie fort und versuchte nicht an die Situation zu denken, sondern sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren.

Schmitter war jetzt voll im Bilde und machte sich jetzt noch mehr Sorgen als zuvor. Doch er hielt sich mit weiteren Äußerungen über dieses Thema zurück. Sie erreichten die Ausfahrt Oberhausen. André Stein wohnte in der Nähe des Presswerkes. Die Adresse war bekannt, das Ziel fast erreicht. Sie befanden sich bereits ganz in der Nähe.

Ihnen fiel ein Wagen auf, der vor dem Haus parkte. Johannes Peters’ Auto! Jetzt wurde es wirklich Zeit!

*​

Es war erst vier Uhr morgens. Am unauffälligsten konnten sie vorgehen, wenn der Tag angebrochen war. In der kommenden Nacht musste es geschehen. Auch durfte die eigentliche Meisterkrönung nicht hier stattfinden. Dafür mussten sie erst nach Roermond. Dort hatten Tom und Rico alles vorbereitet. Das Ritual würde umfangreicher als bei allen anderen sein, und wenn Steffen, Dirk und George hier auftauchen würden, war ein harter Kampf unvermeidbar. Auch sie waren mittlerweile angekommen.

„Sollen wir mit dem Wagen direkt vor dem Haus parken?“
„Klar.“, meinte Kerstin, „Die anderen wissen eh Bescheid, sie werden bereits da sein. Da sind offene Kämpfe nicht auszuschließen.“
„Ja, nur wo sind sie? Von ihnen sieht man nichts. Sie waren bestimmt schon vor uns unterwegs.“, meinte Rico.
„Lass den Wagen trotzdem hier stehen, dann kommen wir schneller weg.“, erklärte Svenja.

Johannes Peters fand einen Parkplatz direkt am Haus. Dort ließ er sie aussteigen. Das wichtigste war jetzt, ihre Gegner aufzuspüren, das war besser, als sich hinterher von ihnen überraschen zu lassen.

„Wo können sie sein?“, fragte Rico.
„Eine gute Frage. Vor allem frage ich mich welches Auto sie fahren.“, meinte Svenja.
„Steffen hat meinen Zweitwagen. Damit werden sie unterwegs sein.“
„Und? Siehst du den irgendwo?“, fragte Tom.
„Nein, den haben sie wo anders abgestellt.“
„Ich frage mich nur, ob Dirk auch hier ist.“, sagte Kerstin.

Rico grinste wissend: „Es wäre besser für dich. Du weißt ja. Bis heute Abend muss er erledigt sein ...“
„... sonst bist du erledigt!“, vervollständigte Svenja Ricos angefangenen Satz.

„Hört auf damit. Wir sollten von der Straße weg. Wir stehen hier rum wie die Schießscheiben auf dem Jahrmarkt, und ihr habt nichts Besseres zu tun als euch zu streiten!“, warf Tom ein.
„Dann gehen wir in die Seitenstraße. Dort ist es nicht so öffentlich. Ich vermisse unsere Wälder.“, meinte Steffens Vater.
„Davon werden wir bald mehr als genug haben, wenn die Städte erst mal leer sind!“, gab Svenja mit einer Überzeugung zurück die schon erschreckend war. „Dann brennen wir sie ab und jagen ihre Bewohner zum Teufel!“
„Im Moment müssen wir leise treten.“, entgegnete Rico.

Sie verließen die Hauptstraße und bogen in einen schmalen Weg ein.
„Da, der Wagen! Da ist mein Auto!“, rief Peters.

Im gleichen Augenblick wurde die Fahrertür geöffnet. George Logan stieg aus, um sich seinen Gegnern zu stellen.

*​

Unsere Lage war schlecht, denn außer dem silbernen Armband hatte ich keine Waffe gegen den Bund der Wolfsmenschen. Da war es mir schon recht, Unterstützung von Dirk zu bekommen. Auf sein Erscheinen wollte ich warten, da es in dieser Lage wohl keinen Sinn machte, allein gegen alle anzutreten. Meine Mutter hatte mir vor Jahren, als ich noch ein Junge war, das Band überlassen, in welches ein roter Stein eingearbeitet war. Sie sagte mir nicht viel darüber, nur, dass es mich beschützen würde. Ich musste es ihr versprechen, es immer zu tragen, was ich auch stets einhielt. Es sollte von unschätzbarem Wert für mich sein, und mir irgendwann im Leben Schutz bieten.

„Eines Tages, mein Junge, wirst du den wahren Wert erkennen. Denn es werden Dinge eintreten, die unsere Welt gravierend verändern könnten. Nur du kannst es verhindern.“

Meine Mutter – sie hatte schon des Öfteren Dinge voraus gesehen, und so einiges war auch genau so eingetreten. Jedoch konkrete Zeitangaben konnte sie darüber nicht machen. Sie wusste nur, dass etwas in der Luft lag.

Auch wir erreichten die angegebene Adresse schnell. Jedoch parkten wir nicht direkt vor dem Haus, sondern einige Meter weiter in einem Seitenweg. Dort wollte ich auf Jürgen Schmitter und Dirk warten. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass bald etwas Entscheidendes passieren würde. Ich besah mir das Armband. Täuschte ich mich, oder sah ich tatsächlich im inneren des Steines ein schwaches Leuchten? Ich war mir nicht sicher, aber es gab mir zu denken. Sollte es dieser Tag sein, von dem meine Mutter damals sprach? Wenn es so war und ich nicht entsprechend handelte, konnte es unser Aller Ende bedeuten. Erst jetzt merkte ich, dass sich eine weitere Prophezeiung erfüllen würde und die größte Gefahr würde dann von André Stein ausgehen. Plötzlich meldete sich mein Handy.

„Ja, bitte.“
„Mein Junge, es ist soweit. Das neue Zeitalter steht kurz bevor. Nur du kannst es ändern, aber nicht direkt verhindern. Du musst es finden, den Gegenstand, der alles korrigieren wird.“
„Aber es ist noch nichts geschehen.“, sprach ich in mein Telefon hinein.
„Du kannst seinen Tod nicht verhindern, nur korrigieren. Aber der Werwolf – der Meister, wird grausamer sein, als alles, was du bisher bekämpft hast. Es gibt einen Gegenstand. Ich weiß nicht genau, damit kannst du einen Ausgleich herstellen und Schlimmeres verhindern. Verliere keine Zeit! Der Wolfsbund ist die Quelle. Sie wissen, wo es ist ...“

Klick. Die Verbindung war unterbrochen. Im gleichen Moment leuchtete der Stein meines Armbandes glutrot auf! Da wusste ich, was die Stunde geschlagen hatte!

*​

So etwas hatte ich noch nie gesehen. Bis jetzt war ich der Meinung gewesen, dass es sich bei dem Armband um ein Schmuckstück, einem Glücksbringer handelte. Gut, ich hatte einen der Wölfe Verletzungen damit beigebracht, weil es eben aus Silber war, aber anscheinend hielt ich hier ein weißmagisches Artefakt in der Hand, eines von vielen wie mir schien, denn meine Mutter hatte mich ja quasi damit beauftragt, noch nach einem weiteren Gegenstand zu suchen, mit der man etwas irgendwie korrigieren kann. Keine Ahnung, wie sie das meinte. Ich nahm mir vor, später Dirk danach zu fragen.

Steffen staunte Bauklötze, als er den Stein glutrot aufstrahlen sah.
„Du meine Zeit, was geht denn jetzt ab?“, fragte er mich.
„Also ehrlich gesagt, Steffen, weiß ich das auch nicht.“
„Was meintest du denn eben wegen dem Telefon? War es etwas Wichtiges?“
„Ich kann dir nichts versprechen, aber vielleicht sind wir der Lösung schon sehr nahe, aber ich brauche Dirk hier, um die entsprechenden Informationen zu erhalten.“
„Kann ich verstehen. – Verdammt!“

Im gleichen Moment sah auch ich die Leute, die um die Ecke kamen und gleich in unsere Richtung deuteten.
Der Wolfsbund war gekommen!
Steffen stampfte mit dem Fuß auf, war von einem Moment zum anderen völlig verändert.

„Was hast du, Steffen? Sprich, was ist los?“
„Ich dreh noch mal durch! Unter den Leuten vom Bund ... da ist mein Vater dabei!“
„Du bleibst hier sitzen und rührst dich nicht!“
„Aber mein Dad ...“
„Trotzdem, lass mich das machen.“

Ich öffnete die Tür des Ford Fiesta um dem Bund der Wölfe die Stirn zu bieten ...

Ich stieg aus. Jetzt würde es losgehen. Ich schritt auf die Gruppe zu, die ihrerseits auch näher kam. Mein Armband war hierbei meine einzige Waffe zur Verteidigung.

„Gib es auf, und gib uns Steffen raus!“
Das musste sein Vater sein, denn er war der älteste in dem Verein.
„Niemals! Wenn ihr ihn haben wollt, müsst ihr erst an mir vorbei!“
„Geh uns aus dem Weg! Man hält den Wolfsbund nicht auf!“
„Dann kommt her und probiert es aus!“

Der erste Angreifer kam heran! Ich stoppte seinen Lauf mit einem Tritt in die Magengrube. Er flog zurück und klatschte mit dem Gesicht auf die Straße!

Aber schon waren die anderen heran. Ich musste mich wirkungsvoller verteidigen. Das Armband strahlte noch immer in seiner roten Farbe auf. Ich hielt es ihnen entgegen, und dies zeigte deutliche Wirkung. Die Kreaturen wichen davor zurück.

„Noch einen Schritt und es verbrennt euch!“, drohte ich ihnen.

Dann geschah etwas Merkwürdiges. Ein roter Blitz löste sich aus dem Stein, schoss auf einen der Gestalten zu und traf ihn in die Brust. Der Werwolf brach zusammen und löste sich auf! Die anderen waren unsicher geworden und suchten das Weite.
Zur gleichen Zeit schrie Steffen auf:
„Tom, nein! Tom!“

Steffen sprang aus dem Auto.
„Ist er jetzt tot?“
„Ja, Steffen – das Grauen hat begonnen!“

*​
 



 
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