Mystik des Waldes - 9.

DJMusicLine

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9. Die Saat des Bösen​

06.00 Uhr morgens.

Das Telefon klingelte. Und das um diese Zeit! Schwerfällig drehte sich André Stein im Bett auf die andere Seite.

„Wer ruft mich denn da jetzt an, verflixt!“ Er ärgerte sich.

Dennoch wollte er wissen, wer es wagte, jetzt zu stören.
Er nahm den Hörer ab.
„André Stein!“, meldete er sich mürrisch.

Eine weinerlich klingende Stimme meldete sich.

„Hallo André, ich bin es, Kerstin.“
„Hey, hey, was ist denn los, mein Kind?“
„Ich stehe vor deiner Türe. Lass mich bitte rein, es ist was Furchtbares geschehen!“
„Was? Du bist schon hier? Warte, ich mache euch auf.“
„Ich bin allein, aber lass uns gleich reden.“
„Gut, Augenblick.“

Kerstin freute sich. Sie hatte es geschafft. Die Stunde der Wahrheit hatte begonnen! Ein Summen ertönte und Kerstin drückte gegen die Tür. Jetzt hatte sie Zutritt in die Wohnung bekommen. Er ahnte nichts. Und das musste auch so bleiben! Sie war gezwungen, ihren Plan vorzuziehen. Sie hatte nicht mehr die Zeit, es musste vollzogen sein, bevor die Korrektur stattfand. Sonst war alles verloren.

Kerstin eilte die Stufen rauf. André stand in der Tür, um seinen Besuch zu empfangen. Kurz bevor er sie sehen konnte, setzte sie ein todtrauriges Gesicht auf.

„Hallo Kerstin. Was ist passiert?“
„Lass mich erst mal rein kommen, dann erkläre ich dir alles.“

André schloss die Tür. Und somit war es fast vollbracht. Sie hatte nicht vor, lange Reden zu schwingen, sondern trat näher an ihn heran und plötzlich packte sie zu!

„Los! Umdrehen!“
„Was gibt das?!“

André wollte sie wegschieben, doch das schaffte er nicht. Obwohl er stark war, schaffte er es nicht, sie loszuwerden.
Kerstin holte aus und trat ihm voll gegen die Schienbeine.
„Verdammt! Was soll die Scheiße?“ André sackte zusammen.
„Wenn ich dir sage, du drehst dich um, dann machst du das! Zumindest momentan, solange du noch so bist, wie jetzt!“

Gleichzeitig ließ sie ihre Fäuste auf seinen Kopf krachen, so dass sie André regelrecht auf die Bretter legte.

Anschließend schrieb sie an Svenja eine Kurzmitteilung:

DAS PAKET IST REISEFERTIG.
KOMMT RAUF. DIE EINGANGSTÜR
IST ANGELEHNT!​

Kerstin öffnete die Wohnungstür und lauschte in den Hausflur hinein. Sie waren unterwegs. Und sie brachten das teuflische Elixier mit, das schon so viele Menschen zu Werwölfen gemacht hatte.

„Los macht dass ihr hochkommt!“
„Sind ja schon da.“, knurrte Rico.
„Wir werden nicht warten. Konvertieren werden wir ihn hier, den Rest später!“

Die Tür fiel ins Schloss. Sie hatten es erreicht. Rico holte die Flasche mit dem Elixier hervor. Sie drehten André auf den Rücken, der Mund war leicht geöffnet. Das kam ihnen gerade recht. Rico öffnete den Verschluss der Flasche und beugte sich über den am Boden liegenden Mann.

Die rote Flüssigkeit rann über den Flaschenrand und der erste Tropfen fiel in seinen Rachen. Dadurch wurde der Mann aus seiner Bewusstlosigkeit gerissen. Er verschluckte sich.

„Los, haltet ihn fest!“, schrie Rico.

Die anderen kamen der Aufforderung nach und umklammerten ihn mit eisenhartem Griff! Und Rico hatte kaum noch Mühe, André den Inhalt der Flasche vollends in den Hals zu kippen.

„Wir haben es fast geschafft. Nur wie kommen wir gleich hier weg?“, fragte Kerstin.
„Das wollte Johannes organisieren.“, sagte Svenja.
„Dann muss es schnell gehen, bevor der Zeitsprung stattfindet.“
„Welcher Zeitsprung?“ Rico war irritiert.
„Ihr wolltet mich doch loswerden, und jetzt braucht ihr mich um das herauszufinden? Es sieht wohl so aus, als wäre ich für euch wichtig!“
„Nun red schon. Ich dachte, das hätten wir geklärt.“ Rico nervte sich über dieses kindische Verhalten.
„Also gut. Ihr kennt die Naturgeister, die Mandragorien. Aber es gibt noch andere, die um jeden Preis verhindern wollen, dass sich Werwölfe und Naturgeister gegen sie verbünden.“
„Wer sind die anderen?“
„Es sind die Waldschrate! Sie hassen die Wölfe noch mehr als den Menschen.“
„Warum?“
„Das ist so seit ewigen Zeiten. Sie werden gegen uns arbeiten. Aber das ist nicht wirklich schlimm. Waldschrate erhalten das Gleichgewicht der Zeit und sorgen dafür, dass Zukunft und Vergangenheit niemals vermischt werden. Und genau das könnte geschehen, wenn sie das Rad der Zeit zurück drehen, und somit unserem Feind Zutritt in die Vergangenheit dieser Umgebung verschaffen würden.“
„Aber dann wäre André doch ...“
„Die Zeitkorrektur wird nach dem Ritual für ihn nicht entscheidend sein. Es werden Fehler im Muster auftreten, die sowohl André als auch George Logan verursachen werden.“
„Wie entstehen diese Fehler genau?“
„Das liegt an der Höhle. Sie ist ein Ort, wo die Zeit nicht existent ist, und André muss sich in diesem Augenblick dort befinden.“
Svenja meinte: „Warum bleiben wir nicht auch an diesem Ort?“

„Die Mandragorien wollen nicht, dass wir zu mächtig werden. Indem wir dort bleiben, würden wir Fähigkeiten erhalten, die unserem Meister gleich wären.“
„Dann würde George Logan einen Teil der Prophezeiung erfüllen?“ Svenja staunte!
„Das ist nur ein kleiner Teil. Überlege mal, wer ihn auf diese Spur gesetzt hat. Seine Mutter gab ihm die Hinweise, doch da ist etwas, was er nicht weiß! Die Zeitkorrektur ist der zweite Teil des Rituals!“
„Dann war alles so vorherbestimmt?“, Svenja war perplex!

„Ja, George und André leiten den Untergang der Menschheit ein! Sie sind beide dran schuld! Das wird ihn zerbrechen!“
„Wann wird der eintreten? Ging das auch aus der Prophezeiung hervor?“
„Wenn wir alles richtig machen, beginnt das neue Zeitalter am 24. Dezember 2003.“

*​

Johannes Peters betrat seine Wohnung. Unbehelligt, trotz Fahndung war es ihm gelungen, sein Haus zu erreichen. Er betrat es und schaltete das Licht ein. Unter der Decke flammte eine helle Lampe auf. Johannes ging die Treppe herauf, sein Ziel war das Schlafzimmer, wo er sicherlich um diese Uhrzeit seine Frau Magda finden würde.

Johannes brannte die Zeit unter den Nägeln. Er musste weg, die Polizei war ihm bestimmt schon auf den Fersen. Er legte die Hand auf die Klinke der Schlafzimmertür und drückte sie nach unten. Die Tür schwang auf und Johannes betrat den Raum. Magda lag im Bett und schlief.

Peters schaltete die Deckenbeleuchtung ein und schlagartig wurde es hell! Magda schreckte aus ihrem Schlaf auf.

„Mensch! Johannes muss das sein?“, beschwerte sie sich lautstark.
„Wir müssen hier weg, was erledigen. Es duldet keinen Aufschub, also mach dich reisefertig.“, entgegnete er.
„Du spinnst wohl! Ich fahre jetzt nirgendwo hin. Wenn du was hast, was wie du sagst, keinen Aufschub duldet, dann mach das gefälligst ohne mich, verstanden?!“ Magda Peters war empört über das ihrer Meinung nach unverschämte Verhalten ihres Mannes.

Er jedoch sah es gelassen, sie regte sich mittlerweile sowieso über alles auf und hatte sich über die Jahre hinweg zu einer echten Nebelkrähe entwickelt, die an allem etwas auszusetzen hatte.

„Ich habe jetzt keine Zeit für lange Erklärungen. Ich muss das jetzt erledigen, und du wirst mich begleiten, und damit Schluss!“
„Auf keinen Fall, Johannes! Ich bleibe hier!“
„Also gut, wenn du es nicht anders haben willst ...“

Er packte sie kurzerhand, zog sie aus dem Bett und stellte sie auf die Beine.

„Du tust, was ich dir sage. Glaube mir, dein ewiges genörgle bin ich langsam satt! Und jetzt ZIEH DICH AN, SONST LERNST DU MICH KENNEN!“

Die letzten Worte schrie er ihr ins Gesicht.

„Ich ...“
„Lass es drauf ankommen und es setzt was!“
Magda gab nach: „Okay, gut, ich mache es.“
„Das will ich dir auch geraten haben! In fünf Minuten bist du soweit, sonst komme ich und dann erlebst du dein Blaues Wunder, verlasse dich drauf!“
„Also gut, wenn du so sehr drauf bestehst ...“
„Ich gehe schon vor zum Auto. Wenn du innerhalb meiner angegebenen Zeit nicht am Wagen erscheinst, komme ich dich holen!“

Peters knallte die Tür zu und machte sich auf den Weg zum Auto. Dort wartete er ab. Tatsächlich erschien sie pünktlich.

„Steig ein!“

Wortlos setzte sie sich neben ihn. Johannes fuhr an. Auf der Höhenstraße angekommen bog er schließlich in einen Wald ein. Erst jetzt fand sie wieder den Mut mit ihrem Mann zu reden. Sie hob den Kopf.

„Was willst du hier? Oh Verdammt ... Neiiiin!“

Johannes hatte sich zu ihr umgedreht und sie starrte in die zum Werwolf entstellte Fratze ihres Mannes!

*​

Wir verließen Oberhausen und ließen einen Menschen schutzlos zurück, der unsere Hilfe dringend gebraucht hätte. Wir hatten keine andere Wahl gehabt, da sich unsere Gegner weit in der Umgebung verstreut hatten und dazu bereit waren, Leid und Tod über die Menschen zu bringen. Diese Erkenntnis lag mir schwer im Magen und dennoch schien es eine akzeptable Lösung zu geben, die zwar nicht klar umrissen war, mir aber als einzige Möglichkeit blieb. Steffen fuhr uns nach Brüggen-Bracht, wo wir uns auf die Spur des Waldschrates begeben wollten, um die Ereignisse zu korrigieren. Diese hatten vielleicht die Möglichkeit, diesen Fall zu einem guten Ende zu bringen. Es würde nicht einfach sein, und wie das alles genau ablaufen sollte, wusste ich auch nicht, aber einen Versuch war es mir wert.

Steffen legte ein wahrhaft höllisches Tempo vor, und so erreichten wir die Wälder von Bracht in Rekordzeit!

Peters stellte das Fahrzeug in einer Parkbucht nahe der niederländischen Grenze ab.

„Wo fangen wir an?“, fragte Dirk.
„Ich würde sagen, wir durchkämmen den Wald. Wir sind zum Abwarten verdammt.“, erklärte ich ihm.
„Also wieder auf die Gegenseite warten?“, fragte Steffen, der sichtlich deprimiert wirkte.
„Ich könnte mich in einen Wolf verwandeln, vielleicht kann ich so besser einige Schwingungen aufnehmen, die uns auf die richtige Fährte bringen.“

Ich hatte da keine Einwände. Langsam dämmerte der Morgen herauf.

„Dann werde ich noch mal kurz zum Auto gehen, damit ich nachher meine Sachen noch anziehen kann.“
„Die andauernden Verwandlungen gehen wohl auf Kosten deiner Garderobe.“, meinte Steffen mit einem verhaltenen Grinsen.

Ich war froh, dass Steffen seinen Humor nicht verloren hatte. Das lockerte die Situation wieder auf.
„Ja, ja. Du änderst dich nie. Wenn du nicht rumpeetzen kannst ...“

Dirk grinste und drehte sich dann um und verschwand im Wagen. Er legte seine Sachen ab und konzentrierte sich auf seine Verwandlung. Überall wuchs ihm das Wolfsfell. Und aus seinem Ober- und Unterkiefer bildeten sich die gefährlichen Reißzähne. Sein Mund spannte sich. Fell wuchs ihm im Gesicht, die Pupillen nahmen eine leuchtend gelbe Farbe an. Die Verwandlung war abgeschlossen! Im nächsten Moment trat der Werwolf ins Freie!

„Mein Gott, George! Sieh dir das an!“
„Steffen, du brauchst vor mir keine Angst zu haben. Ich bin auf eurer Seite und wir werden es schaffen!“

Dirk trat auf uns zu. Steffen konnte sich mit der Situation nicht so recht abfinden. Ich konnte es verstehen, denn zum ersten Mal sah er ihn deutlicher.

„Bleib ruhig, wir schaffen das schon.“
„Wie du meinst, George.“

Wir betraten den Wald ohne zu wissen, ob wir uns in eine noch größere Gefahr begaben. Wir wussten auch nicht genau, wo wir die Suche beginnen sollten. Den einzigen Anhaltspunkt, den wir hatten, waren diese Wälder. Aber eine genaue Stelle konnte mir meine Mutter nicht angeben. Zum Glück war der Tag bereits angebrochen, so dass wir nicht im absolut finsteren Wald umherstolpern mussten.

Wir waren jetzt schon eine halbe Stunde hier.
„Ich glaube, dass man uns hier an der Nase herumführt.“, meinte Steffen argwöhnisch.
„Definitiv nicht.“, antwortete Dirk. „Ich spüre die Magie dieses Ortes.“
„Was genau?“ Ich war hellhörig geworden.
„Wir sind hier nicht erwünscht. Ich bringe euch in Gefahr, ich sollte verschwinden. Es ist zu gefährlich, wenn ich weiter mitgehe.“
„Aber wieso?“
„Kann ich nicht sagen. Lasst mich besser da raus.“ Dirk wurde hektisch und nervös.
„Hast du Angst?“, fragte Steffen.
„Nicht um mich, aber um euch, wenn ich bleibe. Ich verschwinde, bevor es zu spät ist!“

„Es ist zu spät! Ihr seid in unser Revier eingedrungen und habt einen Wolf mitgebracht! Das kostet euch den Kopf!“

Die Stimme war hinter uns aufgeklungen. Dann kamen sie. Von allen Seiten gruben sie sich aus dem Boden. Zwerge! Kaum einen Meter groß. Und sie hatten uns umstellt! Die Diener des Waldschrates hatten uns gefunden!

*​

Johannes Peters trat auf die Bremse!

„Los, raus hier!“, knurrte er.

Magda Peters rammte die Beifahrertür des Wagens auf und lief von Panik getrieben schreiend in den Wald hinein. Auch der Werwolf hatte den Wagen verlassen und hetzte ihr nach. Peters wollte ihre Angst in sich aufnehmen, er wollte es mitbekommen, wie sehr sie unter den Einflüssen litt. Er würde sie nicht gleich töten, sondern quer durch das dämmrige Waldgebiet hetzen. Erst wenn sie erledigt war, hatte er vor, ihr den Todesstoß zu versetzen.

Magda rannte um ihr Leben. Die Zweige der Bäume peitschten ihr ins Gesicht und rissen die Haut auf. Aus den entstandenen Wunden sickerte Blut hervor!

„Lauf nur, ich kriege dich doch!“

Heulend und hechelnd rannte die Kreatur hinter ihr her und hetzte die Frau immer tiefer in den Wald hinein.

In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Sie musste ihm entkommen. Aber wie sie das bewerkstelligen wollte ...

Es ging einfach nicht in ihren Kopf! Was war mit Johannes geschehen?

Da kam ihr die Idee! Werwölfe waren Geschöpfe der Hölle. Hier in der Gegend gab es doch die Irmgardiskapelle. Und diese wiederum bildete zur Hölle den Gegenpol. Diesen Ort musste sie erreichen!

Im Laufen stolperte sie über einen Ast und fiel der Länge nach zu Boden. Ihr Gesicht schrammte über die feuchte Erde!
Sofort war die Kreatur über ihr und wollte zupacken, als Magda ihm mit voller Wucht einen Tritt in die Schnauze versetzte, so dass der Werwolf zurückflog.
Diese kurze Galgenfrist nutzte die Frau um blitzschnell aufzustehen und ihre Flucht fortzusetzen. Magda kannte die Süchtelner Umgebung gut, sie wusste genau, wohin sie sich wenden musste und trieb sich selbst zur Eile an. Das keuchende Ungeheuer direkt hinter ihr.

Da war der Treppenaufgang. Sie rannte die Stufen hoch und sah die Kapelle. Magda rannte darauf zu und der Werwolf hinter ihr!

„Nein! Wenn du dort hingehst, lasse ich von dir nichts übrig für eine Beerdigung!“
„Du Monster, kommst doch gar nicht an mich heran!“

Der Werwolf tobte, während sie sich in den Schutz der Kapelle begab.
Sie hatte genau das richtige getan, denn der Wolfsmensch brachte es nicht fertig, so nahe an diesen heiligen Ort heran zu treten.

Doch wie sollte es weiter gehen? Sie wusste es nicht.

Auf einmal war alles anders. Ein greller Lichtblitz fuhr vom Himmel herab und breitete sich in gleißender Helle aus. Erstaunt starrten beide auf das Geschehene. Doch schon in der nächsten Sekunde sollten sie alle dieses Ereignis bereits vergessen haben, und sich auch nicht mehr dort befinden. Die Zeit hatte einen anderen Verlauf genommen.

Johannes und Magda Peters lagen in ihren Betten und schliefen. Und nichts erinnerte mehr an das was eigentlich geschehen war.

*​

„Also jetzt habe ich lange genug gewartet!“, meinte Svenja. „Wir sollten uns ein Taxi rufen, das uns nach Viersen bringt. Johannes kriegt das doch nicht gebacken.“

„Wenn du meinst. Wenn der Fahrer aber Vorauszahlung will ...?“

„Dann kriegt er seine Spezialbehandlung und wir entwenden den Wagen.“, vollendete Rico den Satz.

In diesem Moment regte sich André. Er setzte sich auf und sah sich verwirrt und erstaunt um.

„Was ist passiert? Wer sind die Leute, Kerstin?“
Sie erklärte es ihm. „Das ist Svenja, Dirks Schwester und Rico, ihr Freund.“
„Was habt ihr mit mir gemacht?“
„Das ist jetzt nicht wichtig, André. Wir müssen unbedingt nach Roermond. Dort wirst du alles erfahren.“
„Wie wollt ihr da hinkommen?“
„Ach André. Wir bekommen alles, was wir haben wollen.“, sagte Kerstin. „Ruf mal den Taxidienst und bestelle uns einen Wagen hierher.“
„Und dann?“
„Nun mach schon! Uns läuft die Zeit davon!“
„Also gut.“

André stand auf und griff zum Telefonhörer.
„Ja, schicken Sie uns ein Taxi, bitte sofort.“

André gab noch seine Adresse durch, dann mussten sie warten.

„Dem Peters erzähl ich was anderes! Wenn ich den in die Finger kriege!“, knurrte Kerstin.
„Wieso? Wer ist denn das?“, erkundigte sich André.
„Das ist unser Fahrer. Er sollte uns eigentlich wieder abholen.“
„Zuverlässigkeit ist wohl nicht seine Stärke.“
„Bisher konnten wir uns auf ihn verlassen.“
„Ich werde mir später mit euch zusammen überlegen, was wir mit ihm machen werden. Aber jetzt lasst uns erst mal runter gehen.“

Sie verließen die Wohnung und traten ins Freie. In diesem Moment hielt auch das Taxi direkt vor ihnen an. Der Fahrer kurbelte die Fensterscheiben herunter und fragte:
„Haben Sie ein Taxi bestellt?“
„Genau.“
„Dann steigen Sie ein.“

Als alle untergebracht waren, fragte der Fahrer, wo es denn hingehen sollte.

„Erst mal Richtung Viersen, über die Autobahn wäre es am besten.“
„Von mir aus. Bis nach Viersen. Ist ja nicht mein Geld.“
„Quatschen Sie nicht, geben Sie Gas!“
„Ist ja schon gut.“

André saß auf dem Beifahrersitz und beobachtete den Mann aufmerksam.

„André? Du übernimmst schon mal die Leitung. Gewöhne dich schon mal daran.“
„Also gut, dann werde ich unserem Freund hier gleich mal die ersten Anweisungen geben!“ Er bedachte dabei den Fahrer mit einem durchdringenden Blick.

„Bevor wir jetzt auf die Autobahn fahren, halten Sie noch mal kurz rechts an, ich erkläre Ihnen jetzt gleich den genaueren Weg.“

Svenja steckte André einen Zettel zu, der eine genaue Zielortbeschreibung enthielt. Der Mann hielt an.

„Dann erklären Sie mir mal.“
„Pass auf ... Wie heißt du, Freund? Der Vorname reicht.“
„Guido.“, entgegnete er.
„Okay Guido. Du stellst jetzt schön brav deinen Zähler aus und fährst nach Roermond. Betrachte das ruhig als Überfall. Wenn du dich ruhig verhältst, passiert dir nichts, aber wenn nicht, Guido, lasse dir gesagt sein, dass wir dir dein Licht auslöschen. Verstanden?“

Guido nahm es locker auf. „Ihr seid vielleicht ein paar komische Vögel. Nicht mal ne Waffe dabei, was?“
„Wer braucht so ein Spielzeug, nur um sich damit Respekt zu verschaffen? Den Respekt, den ich verdiene, bekomme ich ohne so ein Ding!“

Mit dem letzten Satz griff André in die Haare des Mannes und knallte seinen Kopf dreimal auf das Lenkrad. André hatte ihm mit einer einzigen Aktion die Nase gebrochen. Blut sickerte daraus hervor.

„Ich würde dir also raten, zu tun, was ich dir sage, sonst lasse ich dich tot im Kofferraum deines Wagens liegen, und von jetzt an, hältst du deinen Mund und erfüllst unseren Auftrag. Und lasse die Finger vom Sprechfunk. Denke daran. Ich sitze neben dir, mein Freund!“

André gab dem Mann den Zettel.

„Richte dich danach. Und ich erwarte, dass wir unser Ziel schnell erreichen, also verfahre dich nicht, sonst geht’s Licht aus!“

Der Mann trat aufs Gas. Irgendwie spürte er, dass er gegen seine Fahrgäste nicht ankam.

Niemand sprach mehr ein Wort. Guido spürte nur, die brennenden Blicke in seinem Rücken. Er fühlte sich nicht wohl in seiner Haut, spürte die eisige Entschlossenheit der anderen, ihre Drohung in die Tat umzusetzen. Deshalb hielt er den Mund und brachte die Leute an ihr Ziel, auch wenn ihm diese Fahrt keine Verdienste einbringen würde. Der Campingplatz Haten Boer – Anlegeort für Motorboote und gleichzeitig Erholungsgebiet. Er kannte diese Umgebung, und somit konnte er sicher sein, dass er sich nicht verfuhr.

Guido legte Tempo vor. Er wollte diese Leute so schnell wie möglich loswerden. Er erreichte Elmpt. Hier endete die Autobahn und ging in eine Landstraße über, die direkt zur Grenze führte.

Zielstrebig fuhr er weiter und kurze Zeit später hatten sie den Platz erreicht. Guido hielt den Wagen an.

Svenja sagte: „Kerstin und ich gehen mit André zu unserem Zielort, du passt auf unseren Freund hier auf.“
„Kein Thema. Das mache ich. Auf gutes Gelingen!“
„Auf gutes Gelingen!“

„Was erwartet mich denn jetzt?“

Kerstin gab ihm die Antwort. „Du wirst die Höhle betreten, du musst es allein tun, es ist ein Ort, an dem es keine Zeit gibt. Eine Umgebung, in der alle Uhren stehen bleiben. Wenn du da wieder heraus kommst, wirst du große Macht besitzen, doch wir können dir vielleicht nicht mehr zur Seite stehen. Vor deiner Zeit gab es Tom, der deinen zukünftigen Posten würdig vertreten hat, doch er wurde von George Logan getötet. Merke dir den Namen, er ist unser größter Feind, aber er ermöglicht auch, dass du diese Macht erhältst.“

„Wodurch erreicht er es? Welche Fehler wird er begehen?“

„Du wirst in der Höhle sein, während er für unserer Welt das Rad der Zeit zurückdrehen wird, und Tom aufzuhalten versucht, den Wolfsbund zu gründen. Die Prophezeiung sagt, dass in dieser Zeit ein Wolf am zeitlosen Ort Kräfte erhalten wird, die noch nie ein Wolfsmensch je besaß. Tom wusste, dass du der Auserwählte bist. Doch Vorsicht ist geboten. Es wird eine Zeit lang dauern, bis deine Kräfte voll entwickelt sind, um das neue Zeitalter einzuläuten.“

„Wie lange soll ich warten?“

„Es werden sechs Jahre ins Land gehen, bis die Saat aufgeht, dann bist du soweit. Führe es zu Ende und erfülle Toms Vermächtnis.“
„Das werde ich.“

„Geh jetzt. Hier hast du die Karte, damit du den Ort findest. Es ist nicht weit. Viel Glück!“

„Seid vorsichtig.“

„Wir werden nicht mehr die sein, die du kanntest, wenn du die Höhle verlässt. Wir können den Lauf der Dinge nicht mehr verändern. Wenn es soweit ist, versuche uns wieder einzugliedern, denn wenn George Logan es schafft, Tom aufzuhalten, werden wir wieder normale Menschen sein. Wir verdankten ihm letztlich unsere Existenz.“

„Die ihr nicht bekommt, wenn Tom die Finger von der Sache lässt?“

„So ist es. Aber dich wird der Zeitstrahl nicht berühren, du bist am Ort ohne Zeit. Die Korrektur verleiht dir die Kraft. Und jetzt geh! Wir sehen uns in einer besseren Welt.“

„Auf das neue Zeitalter!“

André wendete sich von ihnen ab und ging seines Weges. Die Karte half ihm dabei, sein Ziel zu finden. Es war kein weiter Weg. Da sah er den Eingang. André blickte sich noch ein letztes mal um, dann betrat er die Höhle, um Toms Vermächtnis anzutreten.

*

Svenja und Kerstin hatten es geschafft. André war bereit, die Führung des Wolfsbundes zu übernehmen. Eines Bundes, der sich jedoch durch die Zeitmanipulation höchstwahrscheinlich auflösen würde. Es war von Anfang an ihr Los gewesen, nur eine provisorische Rolle zu übernehmen. Doch eines wollten die Beiden noch auskosten. Bevor es geschah, wollten sie sich ihr Opfer vornehmen. Sie hatten sich zu lange zurückgehalten. Damit würde es jetzt vorbei sein. Es würde sich sowieso keiner mehr daran erinnern. Selbst sie würden alles im Strudel der Zeit vergessen.

Sie erreichten das Taxi und stiegen ein.

*​

Rico hatte gut auf Guido aufgepasst. Er hatte versucht, mit ihm zu reden, aber Rico hatte dies schon im Ansatz unterbunden. Rico hielt es fast nicht mehr aus. Da saß ein Mensch direkt vor ihm – ein potentielles Opfer!

Er spielte mit dem Gedanken, eigenhändig zu handeln, sich in einem Wolf zu verwandeln und dem Taxifahrer sein Leben zu nehmen. Dann kamen die beiden auch schon zurück! Kerstin öffnete die Wagentür.

Ricos Geduld war am Ende.
„Was geschieht jetzt mit diesem Wurm, dort?“
„Wir nehmen ihn uns vor!“, sagte Kerstin.

Sie zögerte keine Sekunde und griff direkt an. Der Mann wollte noch zur anderen Seite raus, doch Rico hatte aufgepasst.

Svenja sagte laut: „Wir sind Wölfe, und wir verhalten uns wieder wie Wölfe!“

Dann setzte bei ihnen die Verwandlung ein.

Guido kämpfte, trat um sich und die Monster purzelten durcheinander, aber in dem engen Auto hatte er auf Dauer keine Chance.

„Mir reicht es jetzt!“, knurrte Kerstin und verbiss sich in den Hals des Mannes.

Guido gurgelte, dann kippte sein Kopf nach hinten. Blut spritzte gegen die Scheiben, dann waren sie über ihm und vollzogen ihr grausames Werk!

Dann passierte es! Ein Blitz fuhr aus dem Himmel und tauchte die Welt in ein blaues Licht. Alles was gewesen war, war plötzlich nie passiert. Es war der gleiche Moment, als auch Magda und Johannes Peters von der Zeitkorrektur erfasst wurden.

*​

Sie hatten uns!
„Jetzt wird es schwierig, wieder rauszukommen.“, sagte Schmitter, dessen Stimme merklich zitterte.
Ich musste ihm Recht geben. Denn ein freundlicher Empfang war das nun nicht gerade gewesen. Auch hatte ich den Eindruck, dass er sich mehr als ein Statist fühlte, der die anderen agieren ließ. Aber das war mir recht. So brachte er sich wenigstens nicht auch noch unnötig in Gefahr. Die Zwerge setzten sich in Bewegung:

„Tötet sie! Nehmt euch zuerst den Wolf vor!“

In diesem Moment tönte eine gigantische Stimme durch den Wald:
„HALTET EIN!“

Ich sah mich um und sah ihn – den Waldschrat!
Er sprach aus einer gigantischen Eiche zu uns, die plötzlich zum Leben erwacht war.

„Was wollt ihr?“
„Wir brauchen eure Hilfe!“, antwortete ich, es war zum verrückt werden. Ich sprach tatsächlich mit einem Baum.
„Was ist dein Anliegen?“

„Furchtbare Dinge sind geschehen. Werwölfe streben die Herrschaft über die Erde an!“

Plötzlich erfüllte ein Brausen die Luft, und dann dröhnte mir seine gigantische Stimme entgegen!

„Du Wurm! Du redest von Wölfen und bringst selbst einen von ihnen in unser Gebiet?!“
„Ja, ich weiß, doch in ihm steckt ein Mensch. Er hat die Bestie besiegt!“

„Wie willst du das beweisen?“
„Mit diesem Armband. Du weißt doch, dass es für einen Werwolf tödlich ist.“
„In der Tat. Das ist es.“
„Ich denke nicht, dass es ihn zerstört, denn er kämpfte mit mir an der Seite des Lichts. Es wird ihn schützen.“

Dirk hatte verstanden. Und er war auch bereit, dieses Wagnis einzugehen.

„George, überlege nicht lange. Gib es mir.“
„Ja.“

Ich reichte dem Wolfsmenschen das Band. Vorsichtig griff er danach, und es passierte – nichts! Es tötete ihn nicht, ich hatte mit meiner Vermutung Recht behalten. – Gott sei Dank!

„Nun?“, meinte ich und wendete mich wieder dem Waldschrat zu. „Bin ich würdig mir einen Gefallen zu erweisen?“

„Was willst du von mir? Weshalb seid ihr gekommen?“

„Ich bin gekommen, um das Rad der Zeit zurückzudrehen, es ist die einzige Möglichkeit, dem Wolfsbund einen ernsthaften Schaden zuzufügen. Ich muss den Gründer finden und aufhalten. Nur so kann die Welt gerettet werden!“

Der Waldschrat war sichtlich erbost über meine Erklärung:
„Woher nimmst du dir das Recht, den Lauf der Zeit verändern zu dürfen?“
„Es ist auch dein Vorteil.“, hielt ich ihm entgegen. „Du bist selbst nicht über das Bündnis der Mandragorien mit den Wölfen erfreut. Ich kann verhindern, dass es dazu kommt!“
„Und beschwörst damit noch mehr Unheil und Verderben herauf!“
„Dieses Risiko muss ich eingehen. Lass es mich versuchen.“
„Hmmmmh!“

Der Waldschrat dachte nach.
„Du bist nur ein Mensch, du würdest mit den Konsequenzen nicht fertig werden. Ich rate dir es sein zu lassen. Du wirst nur einen Berg Probleme gegen einen anderen eintauschen.“
„Das lasse mal ruhig meine Sorge sein.“
„Du hast keine Ahnung, was es bedeutet, den Lauf der Geschichte zu ändern.“

„Sieh doch ein, es ist die einzige Möglichkeit, diese Menschen zu retten, die Opfer des Wolfsbundes wurden, und somit gezwungen sind, solch ein Leben zu führen, nur weil es die Hölle so will! Diesen Triumph gönne ich ihnen nicht!“

„Du glaubst, du kannst es umkehren?“
„Ich hoffe es, es darf nicht so kommen, wie es jetzt geschehen ist! Wo ist das Rad der Zeit? Gib mir die Chance, es richtig zu stellen!“

Der Baum schwieg Ich sah ihm an, dass der Waldschrat mit sich kämpfte.

Schließlich regte er sich.

„Gut! Du bekommst vierundzwanzig Stunden, einen Tag deiner Wahl, in irgendeiner Zeit! Danach wirst du von mir zurückgeholt, hier her, an diesen Platz, damit du siehst, was du angerichtet hast.“
„Danke.“

Mehr brachte ich einfach nicht heraus. Dann wandte ich mich an die anderen.
„Freunde! Es wird Zeit, mein Versprechen einzulösen. Ich werde für euch durch die Zeit gehen, und wenn ich zurückkehre, werdet ihr mich längst vergessen haben. Aber jeder von euch bekommt sein Leben zurück, und ich werde euch nie vergessen. Kommt her zu mir, damit wir von einander Abschied nehmen können.“

Ich wusste selbst nicht, wie ich mich in diesem Moment fühlen sollte. Ich kannte diese Leute erst eine so kurze Zeit. Aber für mich waren sie die besten Freunde auf der Welt geworden!

Langsam kamen sie auf mich zu, wir umarmten uns.

„Lebt wohl, und hofft, dass ihr mich niemals wieder seht. Das wäre für euch die Garantie, dass alles gut zu Ende gegangen ist!“

Der Waldschrat wurde ungeduldig.

„Komm jetzt her. Ich führe dich an den Ort, an dem das Rad der Zeit sich schon seit Anbeginn der Welt befindet!“

„Ist es eine andere Dimension?“

„Es ist eine meiner Welten! Tritt ein!“
Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen! Am untersten Teil der mächtigen Eiche veränderte sich etwas. Die Baumrinde verschwand und gab den Blick auf ein großes, rotes Holztor frei, welches bisher für unsere Augen verborgen geblieben war.

„Jetzt geh schon! Tritt ein, bevor ich es mir anders überlege!“

„Ich soll das Innere des Baumes betreten?“, fragte ich.

„Nein, dieses Tor ist nur von symbolischer Bedeutung, es stellt nur eine Brücke zwischen meiner Welt und eurer her. Ohne diese Hilfsmittel würdest du die Grenzen meines Reiches nicht überschreiten können!“

„Was gibt es in deinem Reich zu sehen?“

„Du wirst dort das Zeitrad finden, aber dennoch wird dir alles andere verborgen bleiben. Du wirst nur das sehen, was ich dir bereit bin zu zeigen.“

„Also nur das Zeitrad?“

„Ja, aber du sollst auch wissen, dass meine Welt die Quelle allen Lebens auf dieser Erde ist. Jedes Lebewesen besitzt dort seine Lebensuhr, und eine Manipulation der Zeit, kann ihre Gangart verändern.“

„Somit könntest du also alles Leben hier vernichten, wenn du es nur wolltest?“

„Nein, ich habe keinen Zugriff auf dieses Gebiet! Ich bin nur der Hüter der Zeit, und nicht der Herr über Leben und Tod! Geh jetzt und erfülle deine Aufgabe!“

Wieder gab es eine Veränderung. Das Gesicht im Baum verblasste. Der Geist des Waldschrates hatte ihn verlassen! Die einzige Ausnahme bildete die Tür, die nach wie vor im Baum eingelassen war.

Ich schritt darauf zu!

„Viel Glück! George.“, sagte Steffen.
„Macht’s gut.“

Ich fasste nach der Klinke und öffnete den Zugang. Die Stunde der Wahrheit war gekommen!

*​

Ich blickte auf das, was hinter der Tür lag! Es war eine Welt ohne Sonne und ohne Mond. Schummriges Licht fiel von einem gelblich leuchtenden Himmel. Weites Land war zu sehen. Felder – Wiesen, ein Weg. Der Waldschrat hatte es mir erklärt. Ich würde nur das zu sehen bekommen was er mir bereit war zu zeigen. Noch nie in meinem Leben hatte ich einen solchen Ort betreten. Hier sollte sich alles entscheiden?

Ich war allein hier. Hilflos und verloren. Für mich war es eine Welt ohne Hoffnung, trostlos und kalt! Hier fühlte ich mich von der ersten Sekunde an einsam, wie ein Gestrandeter auf einem unbewohnten Eiland. Hier wollte ich nicht gefangen bleiben! Hier gab es keine Geräusche, ausgenommen meinen eigenen. Wenn man ruhig auf einer Stelle stand, war es so still, dass ich schon Angst bekam, mein Gehör verloren zu haben! Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr. Es war kurz nach sieben, aber sie stand. Das LCD-Display veränderte sich nicht. Wie eingebrannt hatten sich die Ziffernblöcke festgeschrieben! Ein zeitloser Ort!

Ich musste mich schwer überwinden, den Weg entlang zu schreiten. Spielte sogar mit dem Gedanken umzukehren und alles sausen zu lassen. Aber ich durfte mich meiner Verantwortung nicht entziehen, und nur deshalb fällte ich die für mich persönlich schwere Entscheidung, diesen Weg zu Ende zu gehen.

Ich fror innerlich, obwohl es hier nicht kalt war. Das ungute Gefühl hier zu sein, war einzig und allein daran schuld.

Nach einigen Schritten (von Zeit konnte man hier nicht sprechen) sah ich gelegentlich Weggabelungen, die vom Hauptweg abzweigten. Diese zu betreten wäre sinnlos gewesen. Riesige hölzerne Tore verhinderten schon nach wenigen Metern ein Weiterkommen. Ich war mir irgendwie sicher, dass es sich hierbei um Zugänge zu anderen Bereichen dieser Welt handelte, die mir allerdings verwehrt bleiben sollten. Man sorgte also dafür, dass ich auf dem rechten Pfad blieb!

Ich hatte das Gefühl, schon eine Ewigkeit unterwegs zu sein und beschloss eine Rast einzulegen. Vom Laufen taten mir die Füße weh. Da entdeckte ich am Horizont einen dunklen Punkt! Dort musste etwas sein! Und das musste ich mir aus der Nähe ansehen!

Ich rappelte mich hoch und ging weiter. Langsam aber sicher wurde der Punkt größer und entpuppte sich als eine Art Gebäude. Beim näher kommen erkannte ich es. Vier spitze Türme ragten in den Himmel!

Nun stand ich vor dem Burgtor und überlegte, wie ich dort hinein kam.

Da geschah es. Wie von Geisterhand öffnete sich das Haupttor! Ich konnte und durfte also hinein! Der Burghof war riesengroß. Auch ein zweites und drittes Tor fiel mir auf. Dieses schien einmal eine gut gesicherte Festung gewesen zu sein, aber wofür?

War diese Gegend schon immer unbewohnt gewesen? Gab es hier einst Leben, wie auf unseren Planeten? Diese Rätsel würden mir noch lange zu denken geben, und doch würde ich sie wohl nie alleine lösen.

Nur die Steine der Burg hätten mir dieses Geheimnis offenbaren können, aber wie es eben bei Steinen ist, sie haben ihre Geschichte, doch sie schweigen sich darüber aus.

Wo war das verdammte Zeitrad? Ich musste es finden. Allmählich hatte ich es satt, hier zu sein.

Ich betrat die Halle und sah direkt vor mir eine breite Treppe, die mich einlud sie zu beschreiten. Ich erreichte den ersten Stock. Doch wo sollte ich hin?

„Den Wehrgang entlang.“ Die Stimme des Waldschrates war in meinem Kopf aufgetaucht und leitete mich weiter.

„Jetzt gehst du durch die dritte Tür auf der rechten Seite. Du wirst einen großen Raum finden, und in der Mitte steht auf einem Sockel ein großes Rad. Du wirst es vorsichtig nach links drehen. Alles andere zeigt dir deine Armbanduhr.“

Ich hatte verstanden. Meine Armbanduhr war eines der modernen Exemplare, welches auch einen „Ewigen Kalender“ enthielt. Diese Datenbank umfasste alle Wochentage bis ins Jahr 1950 zurück. Somit konnte ich das Ziel meiner Zeitreise bestimmen!

Ich tat, was mir die Stimme sagte und öffnete die entsprechende Tür. Und tatsächlich war in der Mitte des Raumes ein riesiges Rad auf einem Sockel montiert! Es war von dunkelbrauner Farbe und hatte große Ähnlichkeit mit dem Steuerrad eines Bootes. Das war also der Gegenstand, der alles wieder zu einem guten Ende führen sollte!

Mit einer riesigen Portion Ehrfurcht ergriffen, schritt ich auf das magische Artefakt zu, welches der einzige Gegenstand war, der sich in diesem Raum befand.

Blödsinniger Weise hatte ich noch einen anderen Gedanken. Wenn dieser Geist in meinem Kopf, ein Waldschrat war, wo war dann hier verdammt noch mal der Wald?!

Kaum hatte ich meinen Gedanken zu Ende gebracht, meldete sich die Stimme in meinem Kopf zurück:
„Sieh mal aus dem Fenster!“
„Warum?“, antwortete ich ihm in Gedanken zurück.
„Tu es einfach.“
„Also gut!“ Ich trat ans Fenster und blickte hinaus unter dem knallgelben Himmel!

Der Wald! Kilometerweit erstreckte er sich! Ich konnte ihn sehen. Und wieder vernahm ich die Stimme:
„Ich habe dir gesagt, dass ich dich nur das sehen lasse, was ich gewillt bin, dir zu zeigen. Wenn du all das erkunden würdest, was es hier tatsächlich gibt, würde es die Grenze deines Verstandes sprengen.“

Das glaubte ich ihm aufs Wort. Es war also nur ein Teil dieser Welt, den meine Augen wahrnahmen. Der Rest wurde von dem Waldschrat herausgefiltert.

„Und jetzt konzentriere dich auf dein Ziel!“
„Ja, du hast Recht.“
„Du bekommst vierundzwanzig Stunden. Nach Ablauf dieser Zeit musst du die Grenze meines Reiches erneut überschritten haben, sonst bleibst du auf ewig dort, wo du bist, weil ich danach das Tor für immer verschließen werde.“
„Dann wäre ich aber doch nur etwa drei Jahre in der Vergangenheit. Diese Zeitspanne ist schnell aufgeholt.“
„Im Grunde hast du Recht. Nur nach Ablauf der vierundzwanzig Stunden, bin ich gezwungen, für dich allein die Zeit anzuhalten, und du müsstest in einer Welt leben, die von einer Totenstarre ergriffen zu sein scheint!“
„Das würdest du tun?“
„Ich muss es tun. Denn wenn du jemals deinem jüngeren Ich über den Weg läufst, würde es einen Schutzfehler im Zeitmuster auslösen, der so gewaltig ist, das es die Erde aus seiner Umlaufbahn reißen und geradewegs in die Sonne stürzen lässt. Du wärest für immer ein Gefangener der Zeitanhaltung, aber für die anderen wird das Leben normal weiter gehen. Vierundzwanzig Stunden. Denke daran. Oder du bist für immer verloren! George Logan!“

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