Neujahr

LiAlfheim

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Naja, Neujahr

Ich ging spät ins Bett und schlief entsprechend schnell ein. Ich war noch irgendwo im Schlummerland, diesen wohligen Zustand, an dem man sich an nichts erinnert und doch irgendwie schon etwas mitbekommt. Ich glaube, ich hatte noch ein zufriedenes Lächeln und leicht hochgezogene Augenbraunen im Gesicht, die den einen oder anderen an ein Honigkuchenpferd erinnern mögen. In mir hörte ich noch meine letzten Gedanken vor dem Einschlafen, bei denen ich mich zufrieden umdrehte: „vier Uhr - egal - Jungs schlafen aus - liegen bleiben“. Ich erinnere mich noch an dieses reine, schuldlose Gewissen. Es war ein gutes Gefühl.

Rums-Dong-tatock. „Hä?! - Ähm …“ irgendwie rührte sich etwas von mir. „Wann essen wir Frühstück?!“ schrillte eine militärisch bestimmte Stimme von rechts in mein Ohr. Orientierungslos versuchte ich das Gehörte und die Gedanken zu sortieren. Es war irgendwie im Millisekundenbereich, in dem schon die nächsten Worte folgten: „Ich hab Hunger!“ … „Hä?! Was in aller Welt … meine Güte“ mein Hirn war wie der alte, rote Porschetraktor vom Nachbarn, der mich in meiner Kindheit Samstags irgendwo bei halb acht weckte: toaaak, toaaak, toak, toak, toak, tuk, tuk, tuk, neerd, neerd, neerd, töff, töff, töff …. „hä?! Essen? Jetzt?! Wieso essen? Wir haben doch gerade… Hannes? Wach? Die Jungs sind wach? Aber? Wie spät?“ Ich begriff, dass ich geschlafen habe.

Johannes hatte bereits das Zimmer verlassen, während diese Hirnwindungen und Synapsen noch recht orientierungslos im Dunkeln vor sich herzündeten und versuchten Licht in den Kasten zu bekommen. „Hallo? Essen? Frühstücken - wie spät?“ Oach - ich spürte dieses Gewicht, was ich schwermütig bewegen musste. Körper und Geist hatten sich noch nicht ganz miteinander verbunden, als sich diese Augenluken öffneten: „Es ist schon halb zehn. Ich will jetzt Pfannkuchen!“ sagte dieser bereits angezogene Oberfeldwebel mit einer bemerkenswerten Selbstverständlichkeit, während er bereits die Treppe selbstbewusst nach unten stiefelte.
Ich rieb mir ungläubig die Augen: „Im ernst?! Ne - halb zehn … Pfannkuchen?!“ Ich war verwirrt. „Hä?! - die wollten doch ausschlafen? Die hatten sich doch rund gefressen. Im ernst - jetzt?“ „Papa! Kommst du jetzt?“ schrillte es von unten. „Ich decke schon mal den Tisch!! Machst du dann Pfannkuchen, Papa? Papa!! … Papa? …. Paapa.“

„OK“ schien die Schaltzentrale zu melden und setzte diesen fast 50-Körper in Bewegung. „Halb zehn - Pfannkuchen, Gertenschlank …. diese Fettverbrennung könnte ich auch gebrauchen!“ kommentierte das halbwache Selbst dieses trägen Kolosses, während ich meinte wahrzunehmen, dass meine Füße mich bereits in den kuscheligen Lederpuschen zur Treppe trugen und ich sogleich begann diese Treppe herunter zu torkeln. Trotzdem schien ich noch eine gewisse Eleganz im Ablauf zu haben - wie diese schwerfälligen Nilpferde, wenn sie sich mit einem leichten Tritt elegant an den Besucherscheiben vorbeiwinden und in Schräglage laaangsam eine Wendung in der Kurve vollziehen. „Moin - 2022 … schönes Wetter“ sagte ich schweigend zu mir selbst, während die Kälte mir über die Haut strich und mein Blick durch die leicht vereisten Fenster in diese wahnsinnige Winterlandschaft glitt, in der bei klaren blauen Himmel die Sonne über die mit Puderschnee bedeckten Bäumen hinwegstrich und sich in diesen wundervoll glitzernden Glanz der Eiskristalle im See zu erkennen gab.

Ich atmete tief durch und da war es wieder: dieses wohlige Lächeln und diese leicht schon fast ironisch hochgezogenen Augenbraunen in meinem Gesicht: Schlafen hat sowas reales!
 



 
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