Night Trucker

Heinrich VII

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Nachts ist alles anders. Horst lenkte den riesigen LKW mit der Linken und goss sich mit der rechten den Deckel der Thermoskanne mit Kaffee voll. Schließlich nahm er einen Schluck, ohne auch nur einen Moment die Augen von der Fahrbahn genommen zu haben. Man ist freier, es ist kaum noch Verkehr. Die Lichter sind wie gleißende Gardinen, links und rechts huschen sie an einem vorbei. Ja, die Nacht hat ihre spezielle Energie und sie hat die Nüchternheit des Tages vertrieben.
Horst steckte sich eine Zigarette an und inhalierte einen ersten, tiefen Zug. Er ließ sie im Mundwinkel stecken und dachte, dass das ein guter Job ist. Man bewegt 30 Tonnen von A nach B, lädt den LKW erneut voll und fährt zurück zum Ausgangspunkt. Es würde nichts funktionieren, wenn dieser Job nicht gemacht werden würde. Wie sollten sonst all die Waren in die Supermärkte, in Verkaufsgeschäfte und in die verschiedenen Firmen kommen. Das musste alles mit dem Brummi gemacht werden. Horst grinste zufrieden: Und ich bin einer, der diesen wichtigen Job macht.

Später, als die Lenkzeit um war und er pausieren musste, fuhr er eine Raststätte an und parkte bei den anderen Brummis, die aufgereiht auf dem Parkplatz standen. Ein paar der Fahrer liefen draußen herum und vertraten sich die Beine. Einer saß mit einer Bierdose vor seinem LKW auf dem Boden und trank gerade einen Schluck. Horst grüßte ihn, als er zu ihm her sah. Der Kollege grüßte zurück und widmete sich wieder seinem Bier.
Horst blieb erst mal in seiner Kabine sitzen und steckte sich eine weitere Zigarette an. Gedankenverloren blickte er nach vorne in Richtung der Raststätte. Nach der Zigarette würde er dort hin gehen und ein ordentliches Steak mit Gemüse und Kartoffeln essen. Mit einer schmackhaften Soße. Er kannte das Restaurant, war schon öfter hier zum pausieren. Das Essen war gut. Und noch etwas war gut, aber darum würde er sich erst nach dem Essen kümmern.

Er traf Julia eine Stunde später, als er zu seinem Truck zurück lief. Er hatte beobachten können, wie sie einen Moment zuvor aus einem anderen Lastwagen ausgestiegen war. Dem Fahrer noch ein paar salbungsvolle Worte zugerufen hatte, bevor dieser die Tür zu schlug. Jetzt marschierte sie auf ihn zu. In einer sehr kurzen Jeanshose, einem gebatikten T-shirt ohne BH darunter, die Haare wehend im Wind und mit hüftbetontem Gang. Sie wusste wie man die Männer um den Finger wickelt, allein mit ihrer Präsenz. Dementsprechend lief auch ihr Geschäft, es brummte geradezu.
„Na Horst“, sagte sie, als sie vor im Stand.
„Lust auf einen Ritt ins Paradies?“
Horst schloss die Tür auf und machte Julia mit einer Geste klar, dass sie zu ihm rein kommen solle. Drinnen zog Horst die Gardinen zu, die an jedem Fenster, besonders an der Frontscheibe, aufgehängt waren. Beide zogen sich aus und legten sich hinten in die Koje.
Später blieben sie nackt. Julia hatte sich nach vorne in die Kabine gesetzt, Horst blieb in der Koje liegen. Beide rauchten und schwiegen einen Moment.
Bis Horst sagte: „Hast du dir das jetzt mal überlegt?“
„Was?“
„Tu nicht so, du weißt was ich meine.“
Julia lachte. „Glaubst du im Ernst, dass ich einen Trucker heirate?“
„Aber du lebst ja schon die ganze Zeit mit Lastwagen.“
„Das ist Geschäft.“
„Bin ich auch nur ein Kunde?“
Julia schwieg einen Moment.
„Nein, Horst. Aber heiraten werde ich dich nicht. Das wäre, rein materiell gesehen, keine Verbesserung. Und nur wegen Zuneigung? Wenn jetzt ein Millionär dieses Angebot machen würde, wäre es etwas anderes. Ich könnte seinen Porsche fahren, mit seiner Kreditkarte unbegrenzt einkaufen und in einem Haus leben, in dem ich vor dem Frühstück ein paar Bahnen im Pool schwimmen würde.“
Horst schluckte und zog an seiner Zigarette. Er behielt den Rauch lange in seiner Lunge, ehe er ihn ausstieß. Dann räusperte er sich und antwortete: „So stellst du dir das also vor?“
„Ich denke schon, ja.“
Sie schwiegen beide. War nicht das erste mal, dass sie dieses Thema hatten. Eigentlich hatten sie es immer, wenn sie sich hier trafen. Aber so deutlich hatte ihn diese Frau noch nie abgelehnt. Julia drückte ihre Zigarette in den Ascher und zog sich eilig an. Horst zog den Vorhang der Koje etwas zur Seite und beobachtete sie.
„Hast wohl noch Kundschaft?“
Julia nickte. In dem Moment klingelte auch schon ihr Handy. Sie sah auf das Display und nahm an. Eine Männerstimme war zu hören. Horst konnte da hinten nicht verstehen was der Mann sagte. Aber er konnte es sich denken. Als Julia fertig angezogen war, bewegte sie sich nochmal nach hinten und gab Horst einen Kuss.
„Bis dann – kannst mich bald wieder haben.“
Horst nickte. „Aber nur für eine Stunde – nicht für immer.“
Julia sagte nichts, stieg aus dem LKW und schlug die Tür von außen zu.
Horst stellte den Wecker auf seinem Handy und drehte sich zur Seite. Es reichte noch für ein kurzes Nickerchen.

Um vier Uhr, ziemlich genau, war er wieder auf der Piste. Die Nacht war jetzt nicht mehr so dunkel. Man merkte bereits, dass der Tag sie bald ablösen würde. Noch zwei Stunden bis zum Abladeort. Horst lenkte mit der linken und goss sich mit der rechten Hand Kaffee aus der Thermoskanne ein. Er nahm einen Schluck und grunzte zufrieden. Ich werde pünktlich ankommen, dachte er, das Timing ist optimal.
 
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anbas

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Moin,
Du solltest den Text noch mal durchgehen. Aus Horst wird immer mal wiedser Kurt. Oder habe ich da was nicht verstanden :oops:?
Liebe Grüße
Andreas
 

Heinrich VII

Mitglied
Hallo Andreas,
Du solltest den Text noch mal durchgehen. Aus Horst wird immer mal wiedser Kurt. Oder habe ich da was nicht verstanden :oops:?
du hast recht, da haben sich 3 oder 4 Kurts eingeschmuggelt. Bei Julia wird der Horst zum Kurt. Ob das etwas zu bedeuten hat? :)
Wie auch immer, ich habe es verbessert und hoffe, keinen Kurt übersehen zu haben. Danke, dass du so aufmerksam warst und es gemerkt hast. ;)

Gruß, Heinrich
 
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