Nix und aber nix (Dialoge I)

Nix und aber nix

"Was darf ich ihnen bringen?"
"Ich nehme ein helles Hefe", bestellte Stefan.
"Für mich ein Pils, bitte", Lothar lehnte sich zurück. "Also, was hältst du davon..."
Der Angesprochene lehnte sich zurück, ließ die Augen über den Rathausplatz schweifen, wandte seine Aufmerksamkeit der Zeitung zu, die aufgeschlagen auf dem Caféhaustisch lag.
"Weißt doch, was ich von solchen Geschichten halte, nix, nix und nochmal nix. Glaubt der Bürgermeister allen Ernstes, er kommt damit durch?"
"Du kennst meine Meinung", antwortete Lothar. "Hier geht es doch nicht nur um die paar Nachhilfestunden für Asi-Kids aus der Hochberg-Siedlung. Die Leute verlangen von Jahr zu Jahr mehr von der Stadt; aber keiner will für die Kosten aufkommen. Bleibt die Stadt dann auch den Grundstücken im Industriegebiet hocken, weil es keine brauchbaren jungen Leute gibt - wer hat dann die Schuld?"
Die Kellnerin stellte die Gläser auf den Tisch, beugte sich dabei tief runter. Die Männer genossen den Anblick, auch als die junge Frau mit gut einstudiertem Hüftschwung zurück ins Café schlenderte.
"Und wer soll deiner Meinung nach die Arbeit tun? Welcher arbeitslose Junglehrer ist denn so blöd, für nen lumpen Euro die Stunde exakt die Arbeit zu tun, für die seine Kollegen ein schönes fettes Beamtengehalt kassieren."
"In anderen Gemeinden hat man bereits gute Erfahrungen mit den freiwilligen Helferinnen gemacht, auf Junglehrer wären wir gar nicht angewiesen. Und von Seiten des Kultusministeriums gibt es auch keine Einwände. Ich sehe wirklich nicht ein, uns da unnötige Kosten aufzuhalsen."
"Und an wen habt Ihr Damen und Herren vom Stadtrat da gedacht? Doch nicht etwa an die Trullen von der Kirchengemeinde? - Bruderherz! Sag, dass das nicht stimmt."
Lothars verlegenes Gesicht sagte mehr als tausend Worte.
"Die armen Kinder!"
"Wem's nicht passt, der kann ja gucken, wo er mit seinen Sprösslingen bleibt", antwortete Lothar unwirsch. Ihm waren schon die ewigen Debatten in den Ratssitzungen zuwider, privat mochte er mit der Sache so wenig wie möglich zu tun haben - aus diversen Gründen.
"Das kann leicht einer sagen, dessen Jüngster im nächsten Jahr Abi macht. Meine Kurzen müssen noch ein paar Jährchen", maulte Stefan. "Und wo soll das Trauerspiel eigentlich stattfinden?"
"Rate mal, Kleiner", grinste der Ältere.
"Im alten Jugendheim?"
"Stimmt."
"Und du hast so rein gar nichts damit zu tun? Und dein Spezi kriegt auch keinen Auftrag - für die Renovierung?"
"Die Auftragsvergabe wird völlig korrekt erfolgen, das weißt du ganz genau. Ist schließlich im Interesse aller, wenn das Geld in der Stadt bleibt." Lothar verzog das Gesicht vor Ärger, zerpflückte den Bierdeckel. Sein Bruder deutete das Zeichen richtig. Alles wie gehabt. Weitere Fragen zwecklos. Mochte den Bruder aber auch nicht zweiter nerven.
"Einen Vorteil hat das Ganze", sinnierte der Jüngere grinsend. "Wenn ich meinem Erstgeborenen verklickere, dass er zur ollen Meyerjahn muss, wenn er weiterhin so nen Mist in der Schule verzapft, dann lernt der Bengel glatt freiwillig."
Schallendes Lachen war die Antwort: "Der arme Junge! Aber ich bin der Familienbuhmann!"
Von der Rathausuhr schlug es sechs. Zeit, die Kinder vom Feuerwehrnachmittag abzuholen. Lothar schaute sich nach der Serviererin um, gab der Frau ein Zeichen.
"Können wir bitte zahlen?", rief er der Kellnerin zu.
 



 
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