Es war schon vollkommen dunkel im Hotelzimmer, als ich leicht fröstelnd erwachte. Ganz still war es hier drinnen, bis auf das leise und gleichmäßige Summen der Klimaanlage war kein Laut zu hören.
Noch benommen tastete ich nach der Nachttischlampe, zögerte einen Moment und schaltete das Licht erst ein, als ich mich wieder erinnerte, dass ich ja heute Morgen erst in dieser großen, heißen Hafenstadt am Mittelmeer angekommen war. Das Lampenlicht blendete mich so, dass ich mich jetzt mit einem Ruck erhob, aufs Bett setzte und mich im ganzen Zimmer umsah. Durch die schweren Vorhänge drang selbst um die Mittagszeit kein Tageslicht und wahrscheinlich war es ohnehin längst Abend geworden, während ich die ganze Zeit tief geschlafen hatte, erschöpft vom ziellosen Herumlaufen in der Mittagshitze. Endlich zog ich Schuhe an, stand auf, steckte 50 Euro für das Abendessen ein und ging hinunter auf die Straße.
Obwohl es dort wie erwartet längst Abend geworden war, schlugen mir immer noch Schwaden schwülheißer Luft entgegen, vermengt mit den fettigen Ausdünstungen ambulanter Grillstände, den schweren Parfums flanierender Frauen und den Abgasschwaden zahlloser Autos, die um den platanengesäumten großen Platz vor dem Hotel kreisten. Allmählich bekam ich Hunger. Eine Paella oder gegrillten Fisch mit Salat vielleicht, dazu ein erfrischendes Glas Weißwein, das müsste hier doch jetzt zu finden sein. Zum Glück gab es hier an diesem Platz viele Bars und Restaurants, sodass ich nicht lange suchen musste. Ich entschied mich für das „la Mancha“, ein sympathisches kleines Lokal in unmittelbarer Nähe vom Hotel und bekam dort ein vorzügliches Abendessen serviert. Nachdem ich die Rechnung bezahlt hatte, beschloss ich nun gut gelaunt, vor der Rückkehr ins Hotel noch einen kleinen Spaziergang zu unternehmen und zum Abschluss irgendwo ein Glas zu trinken.
So überquerte ich den großen hell erleuchteten Platz, war bald auf der anderen Seite angelangt und fand mich wieder am Eingang einer dunklen Gasse, die meine Neugier weckte. Erst zögerte ich, denn beim flüchtigen Betrachten konnte ich dort zunächst nur eine Art schwarzes Loch erkennen, dann aber, aus einem etwas anderen Blickwinkel, sah ich einen schwachen Lichtschein von der anderen Seite, wie gesagt schwach, aber doch stark genug, um meine unbestimmten Befürchtungen zu zerstreuen und mir das Gefühl zu vermitteln, alles unter Kontrolle zu haben, was immer das nun heißen mochte. Als ich nun aber wirklich Anstalten machte, in die Gasse einzubiegen, stand plötzlich ein Mädchen vor mir, jung und sehr hübsch, aber doch etwas zu grell geschminkt und selbst für diesen heißen Sommerabend etwas zu leicht bekleidet. Sie will mit ihren Reizen wohl für ihre Dienste werben, dachte ich mir - bis sich unsere Blicke kreuzten. Was ich zu meinem Erstaunen sah, war nun aber nicht der Wille zur Verführung, sondern Furcht und Unruhe. Und weil ich mir darauf keinen Reim machen konnte und sie wohl auch etwas zu lange zu verständnislos ansah, verlor sie die Geduld und begann auf einmal, wie besessen auf mich einzureden und wild zu gestikulieren. Und obwohl ich ihre Sprache nicht verstand, war ihre Botschaft klar und eindeutig: GEH‘ DA NICHT DA REIN.
Normalerweise halte ich mich an die gutgemeinten Ratschläge Einheimischer, in diesem Falle aber ritt mich der Teufel und ich schlug die Warnungen meiner schönen Kassandra leichtfertig in den Wind. Als sie sah, dass sie mich nicht von meinem Vorhaben abbringen konnte, huschte ein resigniertes Lächeln über ihren hübschen Mund und sie ließ mich gehen. Nun bog ich also ein in die Gasse. Zwei-, dreihundert Meter, meine Güte, was soll da groß passieren? Wird schon nicht, dachte ich und ging dann guten Mutes voran. Nach einer Weile bemerkte ich rechts in der Gasse einen Hauseingang mit einem Treppenabsatz davor, den man von außerhalb gar nicht hatte einsehen können. Auf dem Treppenabsatz kauerte ein Schatten, ein Betrunkener, ein Drogenabhängiger oder ein Obdachloser, was weiß denn ich? Ich werde ihn einfach nicht beachten und weitergehen, dachte ich mir. Da erhob sich der Schatten plötzlich mit einer Geschwindigkeit, die ich ihm niemals zugetraut hätte, stand nun mit einem Mal in voller Größe vor mir und versperrte mir den Weg. Du sprichst wohl auch nicht mit jedem, raunzte er noch halbwegs gemäßigt. Nun wurde mir aber heiß und kalt. Hör mal, sagte ich, es ist spät, nach Mitternacht. Ich bin müde, möchte ins Bett und schlafen, statt mit dir zu diskutieren. Laß‘ mich bitte vorbei und dann geht jeder von uns seiner Wege, ja? Ich konnte seine Gesichtszüge nur ahnen aber spürte, dass er überlegte. Nach einer Weile kam seine Antwort, nun aber deutlich schärfer im Tonfall. Gib mir Geld, das Geld fauchte er. Aha, in diesem Film sind wir jetzt, dachte ich und wurde darin noch bestätigt, als ich an mir heruntersah und eine blitzende Messerklinge erblickte, direkt auf meinen Unterleib gerichtet. Das Geld, wiederholte er noch einmal, gib mir endlich das Geld. Jetzt ruhig bleiben und keinen Fehler machen, dachte ich mir, keine Panik, nichts, was ihn reizen und dein Leben vorzeitig beenden könnte. Wortlos und ohne Eile, wie in Zeitlupe, zog ich mein Portemonnaie aus der Hosentasche und legte es ihm in geöffnete Hand, die nicht das Springmesser hielt. Daraufhin verschwand er so schnell in der Dunkelheit, wie er aufgetaucht war.
Ich atmete nun erst einmal tief durch und ging dann direkt ins Hotel zurück und beschloss, nie wieder klüger als Einheimische sein zu wollen.
Noch benommen tastete ich nach der Nachttischlampe, zögerte einen Moment und schaltete das Licht erst ein, als ich mich wieder erinnerte, dass ich ja heute Morgen erst in dieser großen, heißen Hafenstadt am Mittelmeer angekommen war. Das Lampenlicht blendete mich so, dass ich mich jetzt mit einem Ruck erhob, aufs Bett setzte und mich im ganzen Zimmer umsah. Durch die schweren Vorhänge drang selbst um die Mittagszeit kein Tageslicht und wahrscheinlich war es ohnehin längst Abend geworden, während ich die ganze Zeit tief geschlafen hatte, erschöpft vom ziellosen Herumlaufen in der Mittagshitze. Endlich zog ich Schuhe an, stand auf, steckte 50 Euro für das Abendessen ein und ging hinunter auf die Straße.
Obwohl es dort wie erwartet längst Abend geworden war, schlugen mir immer noch Schwaden schwülheißer Luft entgegen, vermengt mit den fettigen Ausdünstungen ambulanter Grillstände, den schweren Parfums flanierender Frauen und den Abgasschwaden zahlloser Autos, die um den platanengesäumten großen Platz vor dem Hotel kreisten. Allmählich bekam ich Hunger. Eine Paella oder gegrillten Fisch mit Salat vielleicht, dazu ein erfrischendes Glas Weißwein, das müsste hier doch jetzt zu finden sein. Zum Glück gab es hier an diesem Platz viele Bars und Restaurants, sodass ich nicht lange suchen musste. Ich entschied mich für das „la Mancha“, ein sympathisches kleines Lokal in unmittelbarer Nähe vom Hotel und bekam dort ein vorzügliches Abendessen serviert. Nachdem ich die Rechnung bezahlt hatte, beschloss ich nun gut gelaunt, vor der Rückkehr ins Hotel noch einen kleinen Spaziergang zu unternehmen und zum Abschluss irgendwo ein Glas zu trinken.
So überquerte ich den großen hell erleuchteten Platz, war bald auf der anderen Seite angelangt und fand mich wieder am Eingang einer dunklen Gasse, die meine Neugier weckte. Erst zögerte ich, denn beim flüchtigen Betrachten konnte ich dort zunächst nur eine Art schwarzes Loch erkennen, dann aber, aus einem etwas anderen Blickwinkel, sah ich einen schwachen Lichtschein von der anderen Seite, wie gesagt schwach, aber doch stark genug, um meine unbestimmten Befürchtungen zu zerstreuen und mir das Gefühl zu vermitteln, alles unter Kontrolle zu haben, was immer das nun heißen mochte. Als ich nun aber wirklich Anstalten machte, in die Gasse einzubiegen, stand plötzlich ein Mädchen vor mir, jung und sehr hübsch, aber doch etwas zu grell geschminkt und selbst für diesen heißen Sommerabend etwas zu leicht bekleidet. Sie will mit ihren Reizen wohl für ihre Dienste werben, dachte ich mir - bis sich unsere Blicke kreuzten. Was ich zu meinem Erstaunen sah, war nun aber nicht der Wille zur Verführung, sondern Furcht und Unruhe. Und weil ich mir darauf keinen Reim machen konnte und sie wohl auch etwas zu lange zu verständnislos ansah, verlor sie die Geduld und begann auf einmal, wie besessen auf mich einzureden und wild zu gestikulieren. Und obwohl ich ihre Sprache nicht verstand, war ihre Botschaft klar und eindeutig: GEH‘ DA NICHT DA REIN.
Normalerweise halte ich mich an die gutgemeinten Ratschläge Einheimischer, in diesem Falle aber ritt mich der Teufel und ich schlug die Warnungen meiner schönen Kassandra leichtfertig in den Wind. Als sie sah, dass sie mich nicht von meinem Vorhaben abbringen konnte, huschte ein resigniertes Lächeln über ihren hübschen Mund und sie ließ mich gehen. Nun bog ich also ein in die Gasse. Zwei-, dreihundert Meter, meine Güte, was soll da groß passieren? Wird schon nicht, dachte ich und ging dann guten Mutes voran. Nach einer Weile bemerkte ich rechts in der Gasse einen Hauseingang mit einem Treppenabsatz davor, den man von außerhalb gar nicht hatte einsehen können. Auf dem Treppenabsatz kauerte ein Schatten, ein Betrunkener, ein Drogenabhängiger oder ein Obdachloser, was weiß denn ich? Ich werde ihn einfach nicht beachten und weitergehen, dachte ich mir. Da erhob sich der Schatten plötzlich mit einer Geschwindigkeit, die ich ihm niemals zugetraut hätte, stand nun mit einem Mal in voller Größe vor mir und versperrte mir den Weg. Du sprichst wohl auch nicht mit jedem, raunzte er noch halbwegs gemäßigt. Nun wurde mir aber heiß und kalt. Hör mal, sagte ich, es ist spät, nach Mitternacht. Ich bin müde, möchte ins Bett und schlafen, statt mit dir zu diskutieren. Laß‘ mich bitte vorbei und dann geht jeder von uns seiner Wege, ja? Ich konnte seine Gesichtszüge nur ahnen aber spürte, dass er überlegte. Nach einer Weile kam seine Antwort, nun aber deutlich schärfer im Tonfall. Gib mir Geld, das Geld fauchte er. Aha, in diesem Film sind wir jetzt, dachte ich und wurde darin noch bestätigt, als ich an mir heruntersah und eine blitzende Messerklinge erblickte, direkt auf meinen Unterleib gerichtet. Das Geld, wiederholte er noch einmal, gib mir endlich das Geld. Jetzt ruhig bleiben und keinen Fehler machen, dachte ich mir, keine Panik, nichts, was ihn reizen und dein Leben vorzeitig beenden könnte. Wortlos und ohne Eile, wie in Zeitlupe, zog ich mein Portemonnaie aus der Hosentasche und legte es ihm in geöffnete Hand, die nicht das Springmesser hielt. Daraufhin verschwand er so schnell in der Dunkelheit, wie er aufgetaucht war.
Ich atmete nun erst einmal tief durch und ging dann direkt ins Hotel zurück und beschloss, nie wieder klüger als Einheimische sein zu wollen.