Nocturne

ziner

Mitglied
Fest umfängst du meine Sicht,
ein Versprechen, zögernd erst dann schnell,
lockt und droht, verspricht und lobt,
kommt an, zu und über mich.

Ich taste nach dir im Raum,
wo deine Stille mir den Atem raubt.
Ein leises Lied, das zart verweht,
das mich verführt, bis dann der Tag zerbricht.
Und tief im Schweigen wächst ein Sog,
der sich durch meine Glieder dehnt.

Die Zeit bleibt, der Müde sät
im Dämmern noch, aus dem das Lachen floh,
den Traum, der still die Seele trägt.
Ich bin müde Nacht, nimm du mich an.
 

Frodomir

Mitglied
Hallo ziner,

ich habe deine Nachtmusik jetzt einige Male gelesen und werde zunehmend wärmer mit dem Text. Zunächst kam ich weder mit dem Rhythmus noch der Wortwahl zurecht. Leider habe ich bezüglich des Rhythmus immer noch Probleme. Ich denke, das liegt daran, dass der Text sich nicht richtig entscheiden kann, ob er nun eine festere oder freie Form bevorzugt. So haben wir Verse mit einer eingängigen Metrik und z.T. sogar Umstellungen der normalen Syntax, wie man es aus zahlreichen gereimten Gedichten kennt, z.B.:

Fest umfängst du meine Sicht,
Und tief im Schweigen wächst ein Sog,
im Dämmern noch, aus dem das Lachen floh,
Und wir haben Verse, in der die Metrik gebrochen wird, wie z.B.:

kommt an, zu und über mich.
Ich taste nach dir im Raum,
Die Zeit bleibt, der Müde sät
Es mag Absicht sein, aber diese Diskrepanz macht das Gedicht für mich zu disharmonisch, um es auch seinem Titel entsprechend mit musikalischem Genuss zu lesen.

Allerdings enthält das Gedicht einige schöne Sentenzen, allen voran meiner Meinung nach der zweite Teil des Textes:

Und tief im Schweigen wächst ein Sog,
der sich durch meine Glieder dehnt.

Die Zeit bleibt, der Müde sät
im Dämmern noch, aus dem das Lachen floh,
den Traum, der still die Seele trägt.
Ich bin müde Nacht, nimm du mich an.
Ich finde, das hebt sich vom ersten Teil ab, der weniger Eindrücklichkeit zu bieten hat. In Strophe 2 Vers 2 haben wir das verbrauchte Bild des geraubten Atems, in Strophe 1 Vers 1 eine Bildsprache, die aber meiner Meinung nach zu abstrakt arbeitet, um zu wirken: Fest umfängst du meine Sicht,

Wie viel stärker ist das gerade der letzte Satz im Gedicht: Ich bin müde Nacht, nimm du mich an - Klasse!

Für mich ein Gedicht mit Höhen und Tiefen, das ich aber insgesamt gerne gelesen habe.

Liebe Grüße
Frodomir
 

petrasmiles

Mitglied
Ich finde, da hat Frodomir mein Leseerlebnis exakt wiedergegeben.
Eine Anmerkung noch: Der zerbrechende Tag ist zu 'laut' im Gegensatz zu der 'ausschleichenden Stille' des Moments.

Liebe Grüße
Petra
 



 
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