Nymphomanin

3,20 Stern(e) 6 Bewertungen

TaugeniX

Mitglied
Es kam als ziehender Schmerz im Unterleib: hartnäckig, unablässig, dumpf. Das Mädchen wurde noch nicht aufgeklärt und wußte von ihrer strengen Mutter nur, dass sich „da unten“ Unanständiges befindet, ein Makel und Ekel des menschlichen Körpers. Als gerade Dieses plötzlich so laut wurde, konnte Anna darüber mit niemandem reden. Sie biss die Zähne zusammen, zog die Knie an und lag so stundenlang im Dunklen. Sie bildete sich ein, dass sie „da unten“ Krebs habe und bald sterben müsse. Unsägliche Angst hatte sie, aber reden konnte sie mit niemandem darüber. Die Zeit verging, der Tod kam nicht, aber auch keine Erleichterung. Langsam verstand sie, dass dieser Schmerz eine Art Verlangen, ein Hunger war, den man zwar nicht stillen konnte, aber ihm nachgeben, - tun, was er verlangte.

Indes war Anna dem behüteten Alter und dem elterlichen Haus entwachsen und es fanden sich überaus schnell Männer, die Aufklärung und Hilfe boten. Seltsam kam ihr nur vor, dass sie es „Lust“ nannten, was sie als Leid und Ekel empfand. Doch es spielte keine Rolle. Die Männer redeten - sie hörte kaum zu - und machten dann genau das, was Anna für ihren Hunger brauchte, irgendwie schienen sie es zu wissen.

Sie war jung und hübsch, also fanden sich viele Helfer, bald wurde sie durch Swinger Clubs und Gang Bang Partys gereicht und machte sich den Ruf einer Unersättlichen. Unersättlich war sie auch, denn zur Gänze verging der Hunger nie. Sie hat sich mit dem Schicksal abgefunden, ließ die Männerherden über sich her und wartete darauf, sich irgendwann endlich totzufressen, ohne einmal satt geworden zu sein.

Eine zufällige Entdeckung machte Anna Hoffnung: auf einer Party, die etwas außer Fugen geriet, wurde sie ganz wund und empfand heftigen Schmerz. Und siehe, dieser Schmerz verdrängte den Hunger, er deckte ihn ab und verschaffte ihr einige Stunden Erleichterung, wie sie unsere Anna so intensiv und wohltuend noch nicht kannte. Nun jagte sie dem Schmerz nach. Schwer war es nicht, denn zwischen der Szene, in der sie bereits heimisch war, und BDSMlern bestanden mehrfache Querverbindungen. Ein leise geäußerter Wunsch und prompt wurde sie an ebenso hilfsbereite dominante Herren weitergegeben. Deren Schaden sollte es nicht sein, denn auch als Masochistin machte sie ihrem Ruf alle Ehre.

Angstlos und skrupellos wie eine Ratte auf Futtersuche ging Anna durch Reihen. Mancher Sadist durfte an ihrer Unersättlichkeit satt werden. – Sie selber niemals. – Gierig fing sie den Schmerz auf: er ging durch die Haut, umzingelte den Hunger, drängte ihn in die Körpermitte, immer enger und enger bis nur noch ein leise glimmender Rest unter der Asche war. Da fasste sie Hoffnung, spürte es, wie nahe – wie nahe die Erlösung ist, nur noch ein Schritt – ein Schlag – ein Quantum Schmerz und der Hunger wird gelöscht! Doch es geschah nie. Niemals! Stattdessen kamen im besten Fall eine kurze Bewusstlosigkeit, sonst einfach Erbrechen und Krämpfe, welche nun auch die härtesten Jungs zum Aufhören zwangen. Und so war der ganze Kampf, die ganze ausgestandene Qual beinahe umsonst. Nach wenigen Stunden erholte sich ihr Hunger: er erholte sich immer als erster, als ihr Körper noch erschöpft und zu Boden gestreckt dalag, und brannte mit neuer Kraft und trieb sie wieder auf die Suche.

Anna siebte die Szene durch wie einer, der Gold am Fluß wäscht. Sie wurde wählerisch: viele sanftmütige lüsterne „Herren“, die wie Schmeißfliegen über ihre Inserate fielen und sich in dominanten Zuschriften ereiferten, ignorierte sie einfach. Wo sie aber einen echten Sadisten vermutete, gab sie sich unterwürfig und zudringlich zugleich: sie schmeichelte, bettelte, pries ihren bedingungslosen Schmerzwillen an und verzichtete leicht auf ein Stopwort. Was sollte sie mit einem Stopwort auch anfangen, die sie niemals genug bekam?

Freundschaften wollten ihr nicht gelingen. Anna litt unter Einsamkeit und sehnte sich durchaus nach einer Art persönlicher Beziehung, doch sobald ein Mensch in ihrer greifbaren Nähe war, sah sie ihn nur noch als Funktion seines Nutzens, - als brauchbarer Sadist und eine taugliche Schmerzquelle. In ihrem täglichen Kampf um die Portion Schmerz und Betäubung konnte sie sich keine Sentimentalitäten leisten.

Auch zu sich selbst erlernte sie ein distanziertes und nüchternes Verhältnis. „Bloß kein Selbstmitleid! Bloß keine Müdigkeit vortäuschen!“ Munterte sie sich auf, „bloß keine Angst, kein Ekel und keine Scham.“ Irgendwann begann Anna in dritter Person von sich zu reden. Es fühlte sich gut an. „Diese Schmerzhure“, schrieb sie in ihrem neuen Inserat, „ist für die Folter freigegeben.“ Aus ihren Dates entstanden Fotos von abscheulicher Grausamkeit und Obszönität. Mit einer Art Genugtuung und Schadenfreude über sich selbst betrachtete sie diese Bilder und stellte sie gerne auf Foren und Porno-Seiten frei.

Nun machte Anna wieder ein Rendezvous aus, - wie üblich mit einem Unbekannten aus dem einschlägigen Chat, mit dem üblichen klargestellten Ziel: Folter. Es fing gut an. Der Fremde sprach wenig, belästigte sie weder mit seiner Einfühlsamkeit noch mit dem zaghaften Vorspiel. Vom ersten Schlag an schloss der Schmerz einen festen engen Kreis in Annas Körper. Oh, der Mann war echt gut und er meinte es ernst! Reichlich erfahren, ging Anna die Sache an wie sie es gewohnt war: sich auf den Schmerz und seinen Rhythmus einzulassen, sich zu öffnen, sich zu ergeben. Doch die Qual, die dieser Fremde ihr gab, war anders als alles, was sie vorhin erlebte. Wie eine heillose Querlage war sie, aus der die Kreisende und ihr Ungeborenes keinen Ausweg haben.

Da schöpfte Anna wieder Hoffnung: vielleicht kann dieser andere, trostlose, zermürbende Schmerz das Wunder vollbringen, auf das sie wartet! Der Hunger verschanzte sich tief in ihrem Unterleib. Noch glimmt er, noch ist er da. Doch jetzt… Sie empfand eine Leichtigkeit, die über alle Schmerzen hinweg reichte, - eine Ruhe, einen Frieden… Der verfluchte Hunger war weg! Erloschen, spurlos verschwunden war er. Geheilt, erfüllt von fassungslosem Glück erhob sie sich über das körperliche Leid. Sie empfand Dank und Zärtlichkeit zu ihrem Erlöser und wollte ihn umarmen. Jetzt war sie frei für Menschliches, für eine Nähe, vielleicht gar für eine Liebe! Sie sah sich um: der Mann war nicht mehr da, er schien sich davongemacht zu haben.

„Ach, was tut es schon“, dachte sie, „ich bin geheilt und voller Kraft. Ich werde noch die ganze Welt umarmen.“ Dann bemerkte sie aber ihren Körper, der nicht mehr sie selbst war, sondern abgetrennt wie eine leere Hülle lag. Ein Arm stand im unnatürlichen Winkel aus dem Ellbogen gedreht und das aufgedunsene bläuliche Gesicht war voll mit Blut. Der Fremde hat ein paar Äste darüber geworfen, doch für einen Versteck reichte es lange nicht. „Es wird also nichts aus der Umarmung“, dachte Anna traurig, „aber vielleicht war für mich die Heilung nicht anders möglich. Ich darf nicht undankbar sein. Man kann halt nicht alles haben.“
 

Ji Rina

Mitglied
Hallo TaugeniX,
Auch nach dem zweiten Lesen, werd ich nicht schlau aus diesem Text.
Der Titel lautet Nymphomanin: Hier leidet Anna unter einem ziehenden Schmerz im Unterleib. Während des Textes wird öfters erklärt, dieser Schmerz sei ein Verlangen, eine Art Hunger? (ist exzessives Verlangen gemneint?) Anna findet dann Männer, die ihr Aufklärung und Hilfe bieten (für sie war es Lust, für Anna Ekel) Ich verstehe nicht, was hier überhaupt gemeint ist: Was bedeutet im Text Hunger/Verlangen/ einerseits, und Ekel/Makel andererseits? Wenn die Männer ihr genau das geben, was sie für ihren Hunger braucht, dann scheint mir einiges im Kontrast., denn eine Nymphomanin müsste ja den ständigen Wechsel mit Partnern eher genießen. Auf einer Party wird Anna wund (?); dieser Schmerz verdrängt wiederum den Hunger. Anna bleibt ein einsamer Mensch, der sich unter dem Schmerz keine Sentimentalitäten leisten kann. (Spürt sie denn überhaupt irgendetwas?) Auch wie Anna geheilt wird, verstehe ich nicht...Sie erhofft sich ein Wunder von diesem anderen Schmerz). Ich verstehe es so, dass Anna sich von ihrer Sucht heilen möchte....Finde den Text aber sehr verwirrend...Ist er unter Horror-Psycho richtig eingeordnet?
 

TaugeniX

Mitglied
Bah, da hab ich wohl ein gewaltig übertrieben mit herum schreiben um den heißen Brei. :) Das kommt davon, wenn man ein "pikantes" Thema hat und ums Verrecken nicht in die "Erotikabteilung" will.

Also, das Mädchen empfindet ihre zwanghafte Geilheit als Qual, - das ist eben der ziehende Schmerz im Unterleib, den sie als Kind in ihrer Unschuld für eine Krankheit hält.

Nachdem sie nicht satt zu kriegen ist mit dem normalen (oder vielleicht auch weniger normalen) Sex, versucht sie es mit dem Schmerz. Der Schmerz bringt ihr Erleichterung, er überlagert eben die Geilheit. Aber nur kurzzeitig und unvollständig.

Also sucht sie immer härtere - krankere - Sadisten, bis sie einer von ihrem Körper komplett erlöst und damit auch von ihrer Qual. Da hängt sie dann als erlöste Seele über ihrer eigenen geschändeten Leiche und ist nicht unglücklich mit der neuen Lage.

P. S. Ich warte noch eine Zweitmeinung von jemandem unserer Kollegen ab. Wenn sich die Diagnose "unverständlich" bestätigt, haue ich den Text raus. Ich wollte ja keine Scharade schreiben. :)
 

Ji Rina

Mitglied
Warum willst Du den Text denn nicht in die Erotikabteilung einordnen?
Gehört er da nicht eher hin?
Mich würde interessieren: Empfindet eine Nymphomanin ihre Geilheit als solch eine Qual? Das verstehe ich nicht so ganz in Deinem Text: Die Geilheit auf der einen Seite und ihre ständige Qual auf der anderen. Empfindet Anna als Nymphomanin nicht auch Lust? (Du schreibst, sie empfand ihre „Krankheit“ als Leid und Ekel) Warum geht sie in Swinger Clubs, wenn sie ihre Lust nur als Ekel empfindet? Der Schmerz verdrängt ihren Hunger (wieso Hunger? Sie empfindet doch nur Ekel)? wie gesagt, kommt mir kontrovers vor. Die Idee fände ich gut, ganz besonders dieses Ende würde mir gefallen, aber der Text wirkt verwirrend und ist viellleicht auch ein bisschen zu distanziert und zu sprunghaft geschrieben. Vielleicht köonnte man ihn von Anfang an mehr illustrieren. Einen Zugang zu Anna find ich nicht.
 

FrankK

Mitglied
Guten Abend / Guten Morgen Taugenix
Ich habe nur ein Wort: Hammerhart!

Resümee: Und nur der Tod bringt die Erlösung.

Für mein Empfinden sehr gut geschrieben und (selbst vom Thema her) Meilenweit von der Erotik entfernt.
Hier wurde eine Frau "zu tode geliebt", wenn man bei der Umschreibung "Liebe machen" bleibt. Mit ihrem letzten Partner ist sie offensichtlich an den falschen geraten.

Für mein Empfinden gut geschildert: Die fehlende Aufklärung, was es mit der Lust und dem Verlangen "unten herum" auf sich hat. Mich wundert nur (ein ganz klein wenig) wie sie mit der Menstruation klarkommt. Bei so wenig Wissen über ihre Intimität müsste es sie in nackte Panik versetzen. Spielt aber keine große Rolle für diese Geschichte.

Aus welchem Kulturkreis mag die Frau stammen, das ihr so wenig Aufklärung zu teil wurde?
Welcher Fanatismus mag dahinterstecken, dass die Mutter der Tochter beibringt, "das dort unten sei Unanständig"?
Fragen, die der Text aufwirft, die aber nicht unbedingt einer Antwort bedürfen.

Hunger - unersättliche Gier - Sexaholic - Nymphomanie - Hypersexualität.
Stellt sich nur immer wieder die Frage: Wie definieren wir "normal", damit wir überhaupt von einem "gesteigert" sprechen können?

Mir scheint, Du entwickelst hier ein ganz langsam ein gewisses "Lieblingsthema". ;)




Nächtliche Grüße
aus Westfalen
Frank
 

TaugeniX

Mitglied
Kollegen, ich sehe es ganz einfach: Nymphomanie ist eine Krankheit. Die Grenze zwischen einem "gesteigerten sexuellen Appetit" und der Sucht liegt eben da, wo aus der Lust eine Qual und ein Zwang wird.

Der Süchtige nimmt seine Droge nicht, weil sie ihm "schmeckt", sondern weil er sonst Entzugserscheinungen hat. Die "spaßige" Wirkung der Droge ist dann fast komplett ausgelöscht, der Süchtige erreicht mit der Dosis nur eine kurzzeitige Linderung seiner Qual, - sonst nichts.

So geht es auch der Nymphomanin. Sie hat nicht "Lust auf Sex", sondern "Turky", wie es im Fixerjargon heißt, - Entzug. Eine Befriedigung erlangt so eine Frau nie, auch wenn sie zu einem physiologischen Orgasmus fähig ist.

Meine Protagonistin versucht "Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben" und fällt aus einer Sucht in die andere. Bzw. sie wird von beiden Reizen abhängig. Mit dem entsprechenden Ende.
 

Ji Rina

Mitglied
Ich versuche den Text zu verstehen – schaff es aber nicht.
Hab mal Nymphomanie geguhgelt und da steht: “ Wunsch nach Sexualität” von Wünschen kann ich im Text nichts lesen; es ist mehr eine Einziges Leiden, voller Schmerzen und Ekelgefühle. Deshalb komme ich der Nymphomanin nicht nach.
Bei diesem Satz verstehe ich jetzt den Sprung:
“””Der Süchtige nimmt seine Droge nicht, weil sie ihm "schmeckt", sondern weil er sonst Entzugserscheinungen hat.”””
Die Süchtigen die ich kenne, nehmen Drogen, weil sie dann auf Wolke 7 schweben, Keine Kontaktprobleme, keine Ängste, etc..etc.. mehr spüren. Man könnte sagen, die Droge schmeckt ihnen. Aber wenn ich diese Aussage auf den Text übertrage und diese Erklärung lese:
“””So geht es auch der Nymphomanin. Sie hat nicht "Lust auf Sex", sondern "Turky", wie es im Fixerjargon heißt, - Entzug. “”””
Dann verstehe ich besser was Du meinst. Wobei mir jedoch dann der Anfang fehlt, als sie noch wirklich Spass an der Sache hatte – ein Spass, der sie dann langsam in den Wahnsinn treibt.
Aber egal. Andere verstehen den Text besser als ich, und dann ist ja alles paletti. ;)
 

TaugeniX

Mitglied
@ Ji, ich habe versucht einen Einblick in die innere Welt eines psychisch schwer kranken, zwanghaften Menschen zu geben. Das ist nicht einfach und ich habe es sicher nicht gut genug gemacht.

Schau, da hat mir jemand einen "1" in die Bewertung geschrieben. :) Da bist Du sicher nicht die Einzige, die diesen Text für Humbug hält.

Für mich hat der Leser eigentlich immer Recht. Völlig wurscht, was man sich Tolles ausdenkt und wie tiefsinnig und einfühlsam einem das eigene Zeug vorkommt, - wenn bei Anderen nur Humbug ankommt, dann ist der Text ein Humbug.

Im Moment weiß ich nicht, was ich daran ändern könnte. Mir kommt die Geschichte ja in sich vollkommen schlüssig vor. Der Kollege Frank hat den Text mit seiner "Zweitmeinung" vor Komplettlöschung gerettet. :) Aber ich muss mich bestimmt aufs Hirn greifen und nachdenken, warum die anderen Leser so reagieren.
 

Ji Rina

Mitglied
Hallo TaugeniX,
Ich hab schon sehr viel an dem Text rumgemeckert und werd es nicht weiter tun. Denn wie Du sagst, ist er Z. B bei FrankK sehr gut angekommen. Deshalb behalte ich es als meine Meinung.
Ich würde erstmal garnichts daran ändern, denn wenn auch andere den Text gut nachvollziehen können – dann kann es Dir doch egal sein. Der Anonyme Bewerter erklärt leider nicht, warum er den Text für nicht gelungen hält. Das hätte mich mal interessiert.
Frohe Weihnacht!
Jirina
 

FrankK

Mitglied
Hallo, TaugeniX
Also was die Wertungen angeht, werte Darja, ist jetzt alles vertreten. ;)

Kollegen, ich sehe es ganz einfach: Nymphomanie ist eine Krankheit.
So einfach halt nicht. Um festlegen zu können, was ein gesteigertes Sex-Verlangen ist, müsste erst die Messlatte für ein "normales Sex-Verlangen" definiert sein.
Nymphomanin - Der Traum eines jeden Mannes, und gleichzeit sein Albtraum.
In einer anderen Definition (unstillbarer Sexualtrieb) gebe ich Dir recht, dann ist es eine Krankheit. Wie manch andere Suchtkrankheit eine eher psychologische Abhängigkeit. Hier scheint es etwas körperliches zu sein, dies ist möglicherweise der Knackpunkt, an dem die Geschichte für Ji Rina klemmt.
Es kam als ziehender Schmerz im Unterleib: hartnäckig, unablässig, dumpf. Das Mädchen wurde noch nicht aufgeklärt und wußte von ihrer strengen Mutter nur, dass sich „da unten“ Unanständiges befindet, ein Makel und Ekel des menschlichen Körpers.
Hier beginnt es als körperliche Erscheinung im Unterleib, darüber hinaus augenscheinlich noch bevor Anna ihren ersten Verkehr hatte. Dies sollte möglicherweise angepasst werden. Im Volksmund bedeutet "Nymphomanie" soviel wie "süchtig nach Sex". Kann Anna aber danach süchtig werden, bevor sie ihren ersten Verkehr hatte?
Oder - jetzt wage ich einen Schritt in das Horror-Genre - hat Sie einen Dämon im Unterleib?
Ist (bisher noch) nichts davon geschrieben.

Aber bleiben wir doch mal auf der psychologischen Schiene. Ich könnte mir gut ein Scenario vorstellen, in dem die junge Anna (noch vor der Aufklärung und der notwendigen Geschlechtsreife) ihre ersten sexuellen Erfahrungen machte, mit einer nahestehenden und sehr vertrauten Person. Diese Person könnte später verstorben - oder einfach nicht mehr erreichbar sein.
Anna möchte diese als innig und liebevoll empfundenen Gefühle erneut erleben, und giert danach. Im laufe der Zeit intensiviert sich dieser "Hunger" (treffende Beschreibung) immer mehr und führt schließlich ins tragische.
Psychische Verwicklungen tun ihr übriges, nehmen wir an, es war eine Vaterfigur (beim ersten Mal), dann bedarf es möglicherweise diverser zusätzlicher Sinneseindrücke, um die "Erfüllung" zu erreichen. Dies kann Anna aber nicht bewusst herbeiführen, deshalb bleibt sie unerfüllt.
Sie ist nicht zur Liebe fähig, weil sie (unterbewusst) immer noch nach ihrem "Vater-Ideal" sucht.
Sie genießt Schläge (BDSM-Bereich) weil sie erziehungstechnisch auch von ihrem Vater gezüchtigt wurde, und Anna glaubt, dadurch ihrem Ideal näher zu kommen.
Sie intensiviert ihre Bemühungen und steigert dadurch ihre sexuellen Eskapaden, was sie in der Männerwelt nur noch verlockender macht, wodurch Anna wiederum noch intensiver experimentieren kann. Ein Teufelskreis, eine Spirale abwärts.

Die Erlösung für Anna - sie stirbt. Ob sie dadurch ihrem Ideal näherkommt, bleibt unausgesprochen. Das unstillbare Hungergefühl ist erloschen, sie ist frei.


Der Stil, in dem uns diese Geschichte bisher erzählt wurde, erinnert an "alte Meisterwerke" der klassischen Literatur. Eine ausgewählte und getragene Sprache, die den Text nicht mit Leichtigkeit, sondern mit einer gewissen "schwere" transportiert. Ein ungewohnter Stil, aber kein schlechter.
(Intensiver ist mir dieser Schreibstil unter "Der gute Gutsherr" aufgefallen.)

Du erwähntest einmal, Du suchest noch nach Deinem "persönlichen Stil", ich finde, Du brauchst nicht mehr suchen.


Erbsenzählerei:
Sie [blue]hat[/blue] sich mit dem Schicksal abgefunden,
Zeitfehler

wie sie [blue]unsere[/blue] Anna so intensiv und wohltuend noch nicht kannte.
Die einzige Stelle (wenn ich nichts übersehen habe), in der die Leserschaft mit einbezogen wird. Streichen?

Angstlos und skrupellos wie eine Ratte auf Futtersuche ging Anna durch [blue](die?)[/blue] Reihen.
wie nahe die Erlösung [blue]ist[/blue], nur noch ein Schritt – ein Schlag – ein Quantum Schmerz und der Hunger [blue]wird[/blue] gelöscht!
Zeitfehler?

die wie Schmeißfliegen über ihre Inserate [blue](her?)[/blue]fielen
Doch die Qual, die dieser Fremde ihr gab, war anders als alles, was sie [blue]vorhin[/blue] erlebte.
vorher?

aus der die Kreisende und ihr Ungeborenes keinen Ausweg [blue]haben[/blue].
Zeitfehler

Da schöpfte Anna wieder Hoffnung: vielleicht [blue]kann[/blue] dieser andere, trostlose, zermürbende Schmerz das Wunder vollbringen, auf das sie [blue]wartet[/blue]!
Zeitfehler - bzw. als innerer Gedankengang ist das "auf das sie wartet" deplaziert.

Noch [blue]glimmt[/blue] er, noch [blue]ist[/blue] er da.
Zeitfehler - bzw. als innerer Gedankengang fehlt die Einleitung dazu.


Ganz allgemeine Frage, weil auch in diesem Text:
Du betreibst eine recht ungewohnte Verwendung mit dem Gedankenstrich (oder Bindestrich).
Es ist unüblich, diesen hinter anderen Satzzeichen zu verwenden. Ist das eine Salzburger Spezialität?


Hallo, Ji Rina
Besteht eine leise Chance, dass Du den Text mit meinen Ausführungen dazu jetzt etwas besser nachvollziehen kannst?

Würde mich mal Interessieren.


Viele vorweihnachtliche Grüße aus Westfalen
Frank
 

TaugeniX

Mitglied
Frank, Lieber, vielen herzlichen Dank für so viel Arbeit. Ich werde morgen das Korrektorat einarbeiten und mache mir sicher auch Gedanken über die Änderungsvorschläge in der "Materie" der Geschichte.

Den Dämon möchte ich dieses Mal nicht unbedingt um Beteiligung bitten. Er ist schon in meinem Mittelalterroman fest engagiert, außerdem brüte ich noch über einer Novelle, wo er auch eine wichtige Rolle bekommt. Nicht, dass er sich am Ende einbildet, zu meiner Stammbesetzung zu gehören. :)

Also bleibt es zwangsläufig auf der "real-psychologischen" Linie, obwohl sie aufwändiger und dem Horror-Genre weniger zuträglich ist.

Dein Kompliment zu meinem Schreibstil ist das schönste Geschenk, das ich mir zum Weihnachtsfest wünschen könnte.

Das mit dem Bindestrich ist keine "Salzburger", sondern leider eine russische Spezialität. Bei uns ist er viel gebräuchlicher und ich übertrage unbewußt die russischen Satzzeichen auf die deutsche Sprache. Dabei habe ich bei Selbstkorrektur schon so viele Bindestriche ausgemerzt. :)
 

Ji Rina

Mitglied
@ FrankK:

"""Hier scheint es etwas körperliches zu sein, dies ist möglicherweise der Knackpunkt, an dem die Geschichte für Ji Rina klemmt."""

Ja, das verstehe ich nicht. Was bedeutet: Hier scheint es etwas körperliches zu sein?

Der Text bricht über den Leser herein, mit der Beschreibung: „““Es kam als ziehender Schmerz im Unterleib: hartnäckig, unablässig, dumpf. Es ist nur die Rede von Schmerzen, Leid und Ekel... „““ Für mich bleibt das unverständlich, weil ich mir unter einer Nymphomanin jemanden vorstelle, die Männer verschlingt, dies aber auch genießt.

Der Leser sollte begreifen können: Was fühlt eine Nymphomanin? Warum verwandeln sich ihre Gefühle dann in Ekel und Abscheu? (Zum Beispiel, könnte die Prot. irgendwann nur noch Selbsthass fühlen, weil ihr bewusst wird, dass sie nur noch herumgereicht wird) Aber diese psychologischen Elemente fehlen hier meiner Meinung nach sehr stark.

Wenn diese Frau allerdings „keine normale Nymphomanin“ sein sollte, sondern einfach nur „besessen“ ist, dann müsste dies meiner Meinung nach besser beschrieben werden (am allerbesten könnte ich mir den Text dann mit subrealen Bildern vorstellen. Da könnte man auf wunderbarer Weise Thriller-Psycho einbauen). Irgendwo fehlt diese „Linie“. Und subreale Elemente fände ich auch besser, statt jetzt einen Vater, etc...etc...ins Spiel kommen zu lassen, der die Geschichte ins endlose ziehen könnte. Auch müsste glaube ich beschrieben werden, was diese Frau überhaupt empfindet, während sie ständig durch die Betten wandert. Wenn ein Mann ihr dann „den ganz berauschenden Schmerz zufügt“, den sie vorher noch nie erlebt hat, dann müsste das meiner Meinung nach auch beschrieben werden. Also, villeicht verstehst Du was ich meine, wenn ich sage: Nicht den Pool von aussen betrachten, sondern reinspringen!

Bei der Schreibweise der Autorin und ihrem Kopf – gäbe es hier tausend Möglichkeiten.
P.S: Entschuldigt dieses hastige Geschreibsel, bin aber völlig im W. (3X raten)
Stress!
;)
 

Wipfel

Mitglied
Hi Taugi,

mir gefällt die Geschichte nicht, auch unter der Beachtung Horror/Psycho. Es ist der Blickwinkel des Erzählers auf die Prot., der mir nicht gefällt. Berichtet (und wenig erzählt) wird über eine Person, die - aus welchen Gründen auch immer - alles mit sich machen lässt. Mich interessiert das Warum. Nicht, dass es so ist. Und da reicht mir das dumpfe Ziehen im Unterleib nicht.

Rasend schnell treibst du mich durch die Geschichte, ohne das ich etwas zum Halten fände. Ich komme der Prot. keinen Millimeter näher. Vielleicht wäre es anders, wenn sie erzählen würde? So aber ist die Geschichte nicht mehr als die Bestätigung für viele Männer: "Sag ich doch, die braucht das. Genau so!"

Grüße von wipfel, der dir frohe Weihnachten wünscht.
 
Ich finde diesen Text, wie auch andere von dir, intensiv. Auch sprachlich spricht er mich an. Man erkennt auch den Stil wieder, der , für mein Empfinden, weniger eine Geschichte erzählt, als mehr ein Thema abarbeitet. Was aber durchaus gut gelingt. Vor allem hast du den Mut, wenig populäre Themen anzupacken. Das macht es um so reizvoller. Inhaltlich aber habe ich schon mal Probleme damit, was mir aber keine schlaflosen Nächte bereitet.
Der ziehende Schmerz erscheint mir erst einmal nicht nachvollziehbar. Setzen wir eine erwachte Sexualität voraus, so ließe sich das noch durch Psychosomatik erklären, einerseits das Verspüren einer Lust, andererseits zB Negation durch Missbrauch oder moralischen Konflikt.
So ließe sich auch eine Qual daran erklären, weil das Verlangen negativ besetzt ist. Man kann aber hinterfragen, ob das die Basis von Hypersexualität sein kann. Für eine Fixierung auf Sexualität gibt es wohl andere Ursachen.
Für den Leser aber, denke ich, ist es letztendlich nicht so wichtig, er bekommt eine interessante Geschichte mit Kernaussage.
Die Gewaltentwicklung finde ich interessant. Zunächst führt sie aber wohl zu zusätzlichen psy/phy Reizen, kann aber die sexuelle Erregung durchaus zurück drängen und selbst einen größeren Raum einnehmen. Ich sehe in der Geschichte ein paar Widersprüche, aber sie gefällt mir.
 
G

Gelöschtes Mitglied 17359

Gast
Hallo TaugeniX!

Ich habe diesen Text erst jetzt gefunden, weil ich selten unter Horror und Psycho nachschaue.

Ich finde, abgesehen von dem schwierigen Thema, das du m.M.n. sehr gut darstellst, deine Sprache sehr beeindruckend. Sie ist klar und verständlich und führt den Leser behutsam, aber nachdrücklich in eine unbekannte Welt, hier in die Welt einer Frau, die aus einer unbefriedigten Sexualität heraus in einen Strudel gerät, der sie schließlich in die Arme eines sadistischen Frauenmörders treibt. Tragisch, dass sie nur im Tod Erlösung findet.

Frank, ich finde nicht, dass es eines sexuellen Missbrauchs (eventuell durch den Vater) in der frühen Jugend der Protagonistin bedarf als Erklärung für ihre Unfähigkeit, sexuelle Befriedigung zu finden. Dafür reicht die "Verteufelung" des weiblichen Unterleibes durch die Mutter (oder anderer im nähreren Umfeld) völlig aus.

Eine "Erbse" habe ich noch gefunden: Es heisst "Kreißende" (Gebärende) und nicht "Kreisende".

Gruß,
Hyazinthe
 

TaugeniX

Mitglied
Es kam als ziehender Schmerz im Unterleib: hartnäckig, unablässig, dumpf. Das Mädchen wurde noch nicht aufgeklärt und wußte von ihrer strengen Mutter nur, dass sich „da unten“ Unanständiges befindet, ein Makel und Ekel des menschlichen Körpers. Als gerade Dieses plötzlich so laut wurde, konnte Anna darüber mit niemandem reden. Sie biss die Zähne zusammen, zog die Knie an und lag so stundenlang im Dunklen. Sie bildete sich ein, dass sie „da unten“ Krebs habe und bald sterben müsse. Unsägliche Angst hatte sie, aber reden konnte sie mit niemandem darüber. Die Zeit verging, der Tod kam nicht, aber auch keine Erleichterung. Langsam verstand sie, dass dieser Schmerz eine Art Verlangen, ein Hunger war, den man zwar nicht stillen konnte, aber ihm nachgeben, - tun, was er verlangte.

Indes war Anna dem behüteten Alter und dem elterlichen Haus entwachsen und es fanden sich überaus schnell Männer, die Aufklärung und Hilfe boten. Seltsam kam ihr nur vor, dass sie es „Lust“ nannten, was sie als Leid und Ekel empfand. Doch es spielte keine Rolle. Die Männer redeten - sie hörte kaum zu - und machten dann genau das, was Anna für ihren Hunger brauchte, irgendwie schienen sie es zu wissen.

Sie war jung und hübsch, also fanden sich viele Helfer, bald wurde sie durch Swinger Clubs und Gang Bang Partys gereicht und machte sich den Ruf einer Unersättlichen. Unersättlich war sie auch, denn zur Gänze verging der Hunger nie. Sie hat sich mit dem Schicksal abgefunden, ließ die Männerherden über sich her und wartete darauf, sich irgendwann endlich totzufressen, ohne einmal satt geworden zu sein.

Eine zufällige Entdeckung machte Anna Hoffnung: auf einer Party, die etwas außer Fugen geriet, wurde sie ganz wund und empfand heftigen Schmerz. Und siehe, dieser Schmerz verdrängte den Hunger, er deckte ihn ab und verschaffte ihr einige Stunden Erleichterung, wie sie unsere Anna so intensiv und wohltuend noch nicht kannte. Nun jagte sie dem Schmerz nach. Schwer war es nicht, denn zwischen der Szene, in der sie bereits heimisch war, und BDSMlern bestanden mehrfache Querverbindungen. Ein leise geäußerter Wunsch und prompt wurde sie an ebenso hilfsbereite dominante Herren weitergegeben. Deren Schaden sollte es nicht sein, denn auch als Masochistin machte sie ihrem Ruf alle Ehre.

Angstlos und skrupellos wie eine Ratte auf Futtersuche ging Anna durch Reihen. Mancher Sadist durfte an ihrer Unersättlichkeit satt werden. – Sie selber niemals. – Gierig fing sie den Schmerz auf: er ging durch die Haut, umzingelte den Hunger, drängte ihn in die Körpermitte, immer enger und enger bis nur noch ein leise glimmender Rest unter der Asche war. Da fasste sie Hoffnung, spürte es, wie nahe – wie nahe die Erlösung ist, nur noch ein Schritt – ein Schlag – ein Quantum Schmerz und der Hunger wird gelöscht! Doch es geschah nie. Niemals! Stattdessen kamen im besten Fall eine kurze Bewusstlosigkeit, sonst einfach Erbrechen und Krämpfe, welche nun auch die härtesten Jungs zum Aufhören zwangen. Und so war der ganze Kampf, die ganze ausgestandene Qual beinahe umsonst. Nach wenigen Stunden erholte sich ihr Hunger: er erholte sich immer als erster, als ihr Körper noch erschöpft und zu Boden gestreckt dalag, und brannte mit neuer Kraft und trieb sie wieder auf die Suche.

Anna siebte die Szene durch wie einer, der Gold am Fluß wäscht. Sie wurde wählerisch: viele sanftmütige lüsterne „Herren“, die wie Schmeißfliegen über ihre Inserate fielen und sich in dominanten Zuschriften ereiferten, ignorierte sie einfach. Wo sie aber einen echten Sadisten vermutete, gab sie sich unterwürfig und zudringlich zugleich: sie schmeichelte, bettelte, pries ihren bedingungslosen Schmerzwillen an und verzichtete leicht auf ein Stopwort. Was sollte sie mit einem Stopwort auch anfangen, die sie niemals genug bekam?

Freundschaften wollten ihr nicht gelingen. Anna litt unter Einsamkeit und sehnte sich durchaus nach einer Art persönlicher Beziehung, doch sobald ein Mensch in ihrer greifbaren Nähe war, sah sie ihn nur noch als Funktion seines Nutzens, - als brauchbarer Sadist und eine taugliche Schmerzquelle. In ihrem täglichen Kampf um die Portion Schmerz und Betäubung konnte sie sich keine Sentimentalitäten leisten.

Auch zu sich selbst erlernte sie ein distanziertes und nüchternes Verhältnis. „Bloß kein Selbstmitleid! Bloß keine Müdigkeit vortäuschen!“ Munterte sie sich auf, „bloß keine Angst, kein Ekel und keine Scham.“ Irgendwann begann Anna in dritter Person von sich zu reden. Es fühlte sich gut an. „Diese Schmerzhure“, schrieb sie in ihrem neuen Inserat, „ist für die Folter freigegeben.“ Aus ihren Dates entstanden Fotos von abscheulicher Grausamkeit und Obszönität. Mit einer Art Genugtuung und Schadenfreude über sich selbst betrachtete sie diese Bilder und stellte sie gerne auf Foren und Porno-Seiten frei.

Nun machte Anna wieder ein Rendezvous aus, - wie üblich mit einem Unbekannten aus dem einschlägigen Chat, mit dem üblichen klargestellten Ziel: Folter. Es fing gut an. Der Fremde sprach wenig, belästigte sie weder mit seiner Einfühlsamkeit noch mit dem zaghaften Vorspiel. Vom ersten Schlag an schloss der Schmerz einen festen engen Kreis in Annas Körper. Oh, der Mann war echt gut und er meinte es ernst! Reichlich erfahren, ging Anna die Sache an wie sie es gewohnt war: sich auf den Schmerz und seinen Rhythmus einzulassen, sich zu öffnen, sich zu ergeben. Doch die Qual, die dieser Fremde ihr gab, war anders als alles, was sie vorhin erlebte. Wie eine heillose Querlage war sie, aus der die Kreißende und ihr Ungeborenes keinen Ausweg haben.

Da schöpfte Anna wieder Hoffnung: vielleicht kann dieser andere, trostlose, zermürbende Schmerz das Wunder vollbringen, auf das sie wartet! Der Hunger verschanzte sich tief in ihrem Unterleib. Noch glimmt er, noch ist er da. Doch jetzt… Sie empfand eine Leichtigkeit, die über alle Schmerzen hinweg reichte, - eine Ruhe, einen Frieden… Der verfluchte Hunger war weg! Erloschen, spurlos verschwunden war er. Geheilt, erfüllt von fassungslosem Glück erhob sie sich über das körperliche Leid. Sie empfand Dank und Zärtlichkeit zu ihrem Erlöser und wollte ihn umarmen. Jetzt war sie frei für Menschliches, für eine Nähe, vielleicht gar für eine Liebe! Sie sah sich um: der Mann war nicht mehr da, er schien sich davongemacht zu haben.

„Ach, was tut es schon“, dachte sie, „ich bin geheilt und voller Kraft. Ich werde noch die ganze Welt umarmen.“ Dann bemerkte sie aber ihren Körper, der nicht mehr sie selbst war, sondern abgetrennt wie eine leere Hülle lag. Ein Arm stand im unnatürlichen Winkel aus dem Ellbogen gedreht und das aufgedunsene bläuliche Gesicht war voll mit Blut. Der Fremde hat ein paar Äste darüber geworfen, doch für einen Versteck reichte es lange nicht. „Es wird also nichts aus der Umarmung“, dachte Anna traurig, „aber vielleicht war für mich die Heilung nicht anders möglich. Ich darf nicht undankbar sein. Man kann halt nicht alles haben.“
 
Hallo TaugeniX,

ich werde verrückt - dass ich deine tollen Geschichten hier wiederfinde! (Kenne dich von woanders und hab dich immer gern gelesen).

Also, ich sag zum Text nur: Ich versteh ihn, weil wir auf der gleichen Schiene liegen (für alle Meckerer: nicht literarisch, sondern ich weiß, was für ein "Hunger" gemeint ist). Super geschrieben, hätte nicht gedacht, dass so ein Text hier überhaupt ankommt.

LG SilberneDelfine
(unter dem Namen wirst du mich aber nicht kennen). #zwinker
 

G. R. Asool

Mitglied
Hey TaugeniX,

du erzählst ein ziemlich krasses Schicksal. Deine Geschichte gefällt mir eigentlich sehr gut, allerdings glaube ich, könnte sie ein wenig mehr nähe zu der Hauptfigur vertragen. Wenn du ein bisschen mehr beschreibst, anstatt erzählst, wäre deine Geschichte noch gruseliger und man könnte sich besser in Anna hineinversetzen. Das Wort Hunger finde ich hingegen äußerst gut gewählt, für den Zusammenhang, den du darstellen willst.

Sehr gern gelesen.

Gruß
GR
 



 
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