Orik Alriksons honig-süßer Raubzug

4,30 Stern(e) 3 Bewertungen


In einer verrauchten Hafenkneipe irgendwo an der wilden Ostseeküste saß Orik Alrikson, Kapitän der Durstigen Drachin. Er hatte gerade seinen dritten Krug Met – wahren Met, nicht dieses verfluchte Zeug aus Katlenburg! – geleert, als er ein Gespräch zwischen zwei besonders nervösen Händlern am Nachbartisch aufschnappte.

„Eine Kogge voller Gold!“, flüsterte der eine, die Augen weit vor Gier. „Auf dem Weg nach Lübeck. Der Kapitän hat Angst vor Piraten, aber ich sage dir, kein Pirat würde bei diesem Wetter auslaufen.“

Orik grinste und rülpste leicht. Kein Pirat? Oh, die werden sehen. Er nickte seiner Mannschaft zu, die sogleich begriff. Egal wie das Wetter spielte, eine koggenreiche Nacht wartete auf sie.

Als die Durstige Drachin in See stach, begrüßte sie ein tobender Sturm. Die Wellen peitschten gegen den Bug, und der Wind blies ihnen Gischt ins Gesicht. Orik, die Hände fest am Steuerrad, lachte trotzig. „Ein bisschen Wind hat uns noch nie aufgehalten!“, brüllte er in den Sturm. Die Mannschaft kämpfte gegen die Elemente, während Valadur, der Troubadour, tapfer versuchte, ein Seemannslied zu singen, obwohl ihm der Regen ins Gesicht klatschte. „Wir segeln ins Gold, ohhh— gluck-gluck— und ins Glück, ohhhh— gluck-gluck—!“

Gerade als es ihnen schien, der Sturm würde das Segel zerreißen, brach plötzlich Stille herein. Der Himmel klärte sich, und in der Ferne tauchte die prächtige Handelskogge auf. Orik schnaubte zufrieden. „Na also, Männer! Jetzt wird geplündert!“

Die Mannschaft kicherte düster, während sie die Kanone klar machten. „Ein Warnschuss, nur damit sie sich in die Hosen machen!“

Mit einem lauten Knall flog die Kanonenkugel über den Bug der Kogge hinweg und ploppte in die See. Die Kogge schwankte nur leicht, aber etwas anderes regte sich wild im Wasser. Etwas, das in Eriks Erfahrung nicht passiert, wenn man einen Warnschuss abgibt.

Das Gurgeln wurde zu einem gewaltigen Strudel, und plötzlich schoss eine tentakelbewehrte Monstrosität aus den Tiefen empor.

„Ach du heiliger Honigwein!“, brüllte Orik, während ein gewaltiger Tentakel sich bedrohlich über das Deck schob.

Orik griff seine Axt und brüllte: „Schlagt zu, Männer! Wir sind doch keine Lachse auf dem Teller!“ Doch der Kampf gestaltete sich schwieriger als gedacht. Der Tentakel packte einen Matrosen, zog ihn in die Höhe und... spuckte ihn direkt wieder aus. Der Matrose landete mit einem lauten Platschen zurück auf dem Deck, zögerte einen Moment, sah sich verwirrt um und grinste dann: „Tja, hab wohl nicht geschmeckt.“

Orik sah sich das mit hochgezogenen Augenbrauen an, während der Tentakel sich den nächsten Matrosen schnappte, nur um auch diesen angewidert zurückzuschleudern. Plötzlich dämmerte es ihm: „Der Met! Wir schwitzen ja regelrecht Honig aus unseren Poren! Das Vieh muss allergisch sein!“

Valadur, der immer eine poetische Antwort parat hatte, überlegte laut: „Vielleicht… sind wir wie süße, klebrige Bienen für dieses Ungeheuer. Es hasst Honig!“

Orik rieb sich nachdenklich den Bart. „Wenn das stimmt, dann... Smutje! Wo ist unser Vorrat an Honig?“

Der Smutje Torfin, der gerade versuchte, einem Tentakel zu entkommen, rief im Laufen: „In der Kombüse! Ein riesiger Topf, wir wollten doch das Met-Rezept aus Lübeck probieren!“ Orik grinste breit. „Dann holen wir uns das süßeste Mittel gegen Seeungeheuer!“

Während der Rest der Mannschaft das Monster ablenkte – einige wurden weiterhin angewidert ausgespuckt –, eilte Torfin in die Kombüse und kam wenig später mit einem riesigen Honigtopf zurück. „Hier, Kapitän!“, keuchte er.

Orik grinste. „Guter Mann! Jetzt ab in den Rachen damit!“

Mit vereinten Kräften hievten sie den Topf auf einen der Tentakel, der sogleich begann, das klebrige Ding in Richtung des weit aufgerissenen Mauls zu schieben. Das Seeungeheuer schnappte zu, doch kaum hatte es den Honig geschluckt, begann es wild zu zucken und zu winden. Mit einem ohrenbetäubenden Brüllen verschwand es im Wasser, und die See wurde wieder ruhig.

„Tja, da hat’s ihm wohl gereicht“, sagte Orik zufrieden und ließ sich auf ein Fass sinken. Die Mannschaft lachte, noch immer benommen vom Sieg.

Kurz darauf näherte sich die Handelskogge, und der Kapitän – ein blasser, dünner Mann mit zu großem Hut – lehnte sich über die Reling und rief: „Oh, ihr tapferen Männer! Ihr habt uns gerettet! Ohne euch wären wir verloren gewesen!“ Orik blinzelte. „Äh... Ja. Gerettet. Natürlich.“ Er wischte sich einen Tentakelrest von der Schulter und versuchte, nicht zu sehr wie jemand auszusehen, der eine Kogge ausrauben wollte.

„Bitte, bitte, nehmt dies als Zeichen meiner Dankbarkeit!“, rief der Kapitän und warf einen Beutel voller Goldmünzen auf Oriks Deck. „Ich weiß, ohne euch wären wir verloren gewesen. Ihr habt uns vor diesem schrecklichen Monster gerettet!“

Orik, völlig perplex, starrte den Beutel an. „Ähm... ja, klar. Gerne. Immer zu Diensten.“ Seine Mannschaft warf ihm verwirrte Blicke zu, aber niemand sagte etwas. Schließlich war Gold Gold.

„Ich muss mich entschuldigen“, fuhr der Kapitän der Kogge fort, während er sich verbeugte. „Ich dachte zuerst, ihr wärt Piraten, die mein Schiff aufbringen wollen! Welch ein Irrtum!“

Orik hustete peinlich berührt. „Ja, ja... das wäre doch absurd, oder?“

Der Kapitän nickte begeistert. „Völlig absurd!“

„Absolut“, murmelte Orik und grinste schief. „Piraten? Pah!“

„Dann wünsche ich euch weiterhin eine sichere Reise, ihr Helden der See!“, rief der Kapitän, winkte noch einmal freudig und segelte davon.

Orik stand einen Moment still da, dann drehte er sich zu seiner Mannschaft um, die mit unterdrücktem Lachen auf ihn starrte.

„Nun, Jungs“, sagte er grinsend und hob den Beutel. „Ich schätze, das war der einfachste Raubzug, den wir je hatten.“

Die Männer brüllten vor Lachen, und als sie mit vollen Krügen Met anstießen, konnte niemand sagen, ob sie das Seeungeheuer besiegt oder einfach nur zu Tode verwirrt hatten. Aber eines war sicher: Der Honig war ein Volltreffer – sowohl gegen Monster als auch für ihren Durst.

-------------------------------------------

Anmerkung: Die Geschichte basiert auf den Charakteren unseren Liedes "Mett (oder Met)"
 
Zuletzt bearbeitet:

Bo-ehd

Mitglied
Schöne Geschichte, sehr unterhaltsam erzählt. Erinnert mich an:
Die Götter, hoch soll'n sie leben
für den gold'nen Honigwein

Gruß Bo-ehd
 

Hagen

Mitglied
Hallo Kelterer des Wahren Mets,
Endlich mal eine professionell wirkende, originelle Geschichte.
Auf sowas muss muss man erst mal kommen!
Nun denn, wir sehen uns in der ScheinBAR!
Zudem lesen wir uns weiterhin!
Herzlichst
yours Hagen

Merke: Die meisten Dinge werden ständig schlimmer.
Früher oder später wird sich das Schlimmste ereignen.
Folgerung: Alles muss so geplant werden, dass es der schlimmsten Form der Umstände widerstehen kann!
 

Tonmaler

Mitglied
Wahre Kapitalisten hätten die Kogge am Ende doch noch ausgeraubt. Warum sollte man liegen lassen, was man kriegen kann? Aber Piraten sind viel weichherziger als die, das stimmt.
 

Blue Sky

Mitglied
Hey Kelterer,
So einfach scheint mir das Gold dann doch nicht verdient worden zu sein.:D
Hätte mir aber auch gefallen, wenn das Ungeheuer auf den Geschmack gekommen wäre und mit den Männern das Horn gehoben hätte, bis zum Untergang ...;)
 



 
Oben Unten