Pfingstspaziergang mit Hund (Sonett)

4,00 Stern(e) 2 Bewertungen

Walther

Mitglied
Pfingstspaziergang mit Hund


Ein Rabenpaar vom kahlen Baum schwang auf
Und schrie genervt. Ganz grau war es und Pfingsten.
Die beiden störte es nicht im Geringsten,
Dass niemand sah den Geist, der Sonne Lauf,

Der Klarheit schickt im Licht jener Erkenntnis,
Dass Ende ist und Tod in jedem Anfang.
Der Mann mit Hund empfand den stillen Anklang,
Er sah im dunklen Aug des Tiers Verständnis,

Worum es geht: um Nahrung und Verdauung.
Der Glaubende ersingt sich die Erbauung
Im Kirchenschiff, das Winden widersteht.

Der Mann pfeift leis den Hund, und wie er geht,
Da zeichnet sich am Horizont ein Blau,
Erst fahl dann stark azurn, ins Trauergrau.
 

Walther

Mitglied
Pfingstspaziergang mit Hund


Ein Rabenpaar vom kahlen Baum schwang auf
Und schrie genervt. Ganz grau war es und Pfingsten.
Die beiden störte es nicht im Geringsten,
Dass niemand sah den Geist, der Sonne Lauf,

Der Klarheit schickt im Licht jener Erkenntnis,
Dass Ende ist und Tod in jedem Anfang.
Der Mann mit Hund empfand den stillen Anklang,
Er sah im dunklen Aug des Tiers Verständnis,

Worum es geht: um Nahrung und Verdauung.
Der Glaubende ersingt sich die Erbauung
Im Kirchenschiff, das Winden widersteht.

Der Mann pfeift leis dem Hund, und wie er geht,
Da zeichnet sich am Horizont ein Blau,
Erst fahl dann stark azurn, ins Trauergrau.
 

wüstenrose

Mitglied
Hallo Walther,
da hab ich jetzt mal so geguckt, was du so treibst, du emsiger Sonettist!
Letztlich kann ich dein Sonett nicht so richtig einordnen, vielleicht ist es einfach zu vielschichtig (für mich Sonett-Laien), in jedem Falle wirkt es bei mir nach dem Lesen spürbar nach.
Dieser nervöse Charakter. Die Anlehnung an den expressionistischen Sprachduktus, die Nähe zum Trakl-Ton, aber doch letztlich eine eigenständige Nervosität und Verunsicherung, Beunruhigung und Angst. Oder Grauen?
- - - vielleicht will man gar nicht so genau hingucken, vielleicht deshalb die Schwierigkeit einer Einordnung? Man will weglaufen, sich entfernen.
Reiben tu ich mich bei jedem Lesen aufs Neue an Zeile 6: Ist es meine persönliche Hermann-Hesse-Neurose ("Stufen"...), die mich hier einholt oder stünde dem Sonett inhaltlich vielleicht tatsächlich besser an sowas in Richtung:
Dass Ende ist und Tod in jedem Schritte ??
Ist es ein altes Gedicht?
Ist es ein neues Gedicht?
Spendet es Orientierung?
Ist es der Angst geschuldet?

viele Fragen

lg
wüstenrose
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Die Pfingstbotschaft, zurückgeführt in die Natur.
Ich habe nicht sofort gesehen, dass der Geist mit dem heiligen Geist zu tun hat, aber Pfingsten zeigt es doch.
Der Sonne Lauf, ewig scheint er, ewig in Kommen und Gehen, stets neuer Anfang, neues Ende, aber in dem Anfang steht ein Ende in höherem Sinn, eine Erleuchtung, dass auch das vergeht.
Zuvor aber kommt die Natur, die findet und sucht, was sie braucht: Nahrung und Verdauung. Ebenso wie die Pfingstbotschaft beides benötigt.
Der Hund macht einfach, was ein Hund macht, und die Raben sind einfach Raben, und doch sind beide Symbole.
Symbole für vieles. Des Pudels Kern, zum Beispiel.
Winde: der Wind der Verdauung, aber auch der Wind der Natur, der ebenfalls Wind einer Verdauung ist.

"Und wie er geht" finde ich gut, weil meist korrigiert wird "als er geht", wenn die Zeit gemeint wird. Aber meine Heimatsprache betrachtet es anders.

Und wie er geht. Wenn die Betonung auf "wie" liegt, entsteht ein Sinn, der mit "als" niemals erreicht wird.

Ich glaube, man kann dieses Gedicht sowohl monopodisch (mit einer Betonungsstufe) als auch dipodisch (mit zwei Betonungsstufen - Haupt- und Nebenbetonung) lesen.
 

Walther

Mitglied
Pfingstspaziergang mit Hund


Ein Rabenpaar vom kahlen Baum schwang auf
Und schrie genervt. Ganz grau war es und Pfingsten.
Die beiden störte es nicht im Geringsten,
Dass niemand sah den Geist, der Sonne Lauf,

Der Klarheit schickt im Lichte der Erkenntnis,
Dass Ende ist und Tod in jedem Anfang.
Der Mann mit Hund empfand den stillen Anklang,
Er sah im dunklen Aug des Tiers Verständnis,

Worum es geht: um Nahrung und Verdauung.
Der Glaubende ersingt sich die Erbauung
Im Kirchenschiff, das Winden widersteht.

Der Mann pfeift leis dem Hund, und wie er geht,
Da zeichnet sich am Horizont ein Blau,
Erst fahl dann stark azurn, ins Trauergrau.
 

Walther

Mitglied
lb wüstenrose,

du hast das sonett gut interpretiert. es will sich in der tat weder einordnen noch festlegen lassen. darum geht es ja auch nicht bei einem gedicht.

das sonett als diskursivste gedichtform kann man wie ein strukturiertes gespräch sehen. hier spricht ein neutraler protagonist mit seiner umwelt über pfingsten und über herr und hund. und natürlich über das dasein.

am ende soll der leser seine schlüsse selbst ziehen, angeregt durch die leitplanken, die das gedicht den gedanken des lesers vorgibt.

lg w.


lb bernd,

das sonett ist streng jambisch gebaut, bis auf s2v1, in dem ein hebungsprall kurz einen daktylischen takt schafft. damit wird dem vers seine bedeutung gegeben, die er in der jetzt geänderten form ein wenig verliert. ich habe damit herberts hinweis nachgegeben, obschon ich eigentlich die alte formulierung für die stärkere, wenn auch nicht formal korrektere halte.

dadurch entsteht der eindruck, man könnte den text in verschiedenen weisen lesen.

hier geht es in der nicht um den zeitpunkt des gehens, sondern um das gehen selbst, und dann ist das "wie" korrekt und das "als" falsch. denn er geht ja nicht "weg", sondern er geht einfach. er läßt sich und seine gedanken treiben.

auch du hast die bilder sehr gut getroffen, die ich verwandt habe. nun stehen wir in unserer tradition, und derer darf man sich der verdichtung wegen bemühen, wenn man lyrik macht. das aber setzt voraus, daß man sich als autor und leser dieser tradition bewußt macht und sie sich lesend behutsam erschließt.

vielen dank für deinen sensiblen eintrag.

lg w.


lb. herbert,

auch dir herzlichen dank, auch für den hinweis, dessen hintergrund mir durchaus klar ist. rein formal hast du recht, und ich habe dem auch rechnung getragen.

den hintergrund für die vorige formulierung habe ich oben bereits erkäutert; das ist ein grenzfall, allerdings habe ich auch an anderer stelle diesen hinweis erhalten, so daß ich denke, daß meine idee nicht richtig ankommt und ich doch auf den hebeungsprall verzichten sollte.

lb w.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, Walther,
mir hat die vorhergehende Form besser gefallen, sie wirkt lebendiger.
Man kann das Gedicht jambisch skandieren, aber ich denke nicht, dass das die beste Möglichkeit ist.
Jeder Vers und jede Strophe haben ihre - am Jambus orientierte - Eigendynamik.
Das Gedicht wirkt besser, wenn man sie beachtet. (Ich meine jetzt insbesondere beim Vorlesen.)
Das Sonett finde ich insgesamt gelungen.
Es ist schwierig, schriftlich bestimmte mündliche Effekte zu beschreiben.
 

Walther

Mitglied
hallo bernd,

so ist das mit den formen: kaum bricht man aus, wird man (ein wenig) kritisiert. :) ich denke, beide fassungen haben ihre berechtigung.

in der tat ist das gelesene werk wieder eine eigene erfahrung. ich bin kein erfahrener podcaster, das muß ich erst noch üben. ich denke aber, ich werde von ausgewählten gedichten podcasts erstellen, wenn ich mir die technik erschlossen habe.

herzlichen dank für deine zeit, die du diesem text geschenkt hast!

lg w.
 



 
Oben Unten