Punklady (Sonett)

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James Blond

Mitglied
So lässig steht sie da, leicht angelehnt,
als wär der Ort Kalkül und jene Stätte
weit mehr als nur ein Gral moderner Glätte,
die sie mit träger Nonchalance begähnt.

Ihr Lippenschwarz betont die Zigarette,
das Dekolleté empfängt weit ausgedehnt
des Fremden Blick, doch was er sich ersehnt,
versperrt ein Handgriff der Toilettenkette.

Der Irokesenkamm soll jene locken,
die leuchtend rotes Haupthaar motiviert,
doch wenden sich die Gäste meist erschrocken,

sobald ein Zungenschlag signalisiert,
das Mündchen ist gepierct, voll spitzer Pocken –
was nur ein echter Kenner honoriert.
 

mondnein

Mitglied
ein so nettes Frauenbeschreibungslied, wie "She's a lady" oder "Pretty woman" oder "Ruby Tuesday" oder "Lovely Rita" oder "She comes in colours" usw. usw.: ein großes eigenes genre im großen Sonette-genre
 

mondnein

Mitglied
Frauenfeinlichkeit
nun ja, das liegt gewiß an Deinen feinen Umgangsformen -

aber hier zählt, würde ich meinen, nur das, was als Kommentar unter diesem Gedicht beigetragen wurde,
alles Weitere kann mir gar nicht bekannt sein,
sei es die beschriebene Person, die es ohne Kenntnis der ästhetischen Distanz persönlich nimmt,
sei es ein Hörer bei der Wasserglaslesung,
sei es irgendeine ab- und zu-ständige Frauenbeauftragte,
sei es ein Leselupemitglied des vorigen Jahrtausends
usw. usw.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Es ist eher würdigend.
Und sehr genau geschrieben. Es zeigt zwei Seiten einer Medaille.

PS:
Es geht dabei nicht nur um eine einzelne Figur, sondern deren Inszenierung allgemein, ich denke, des halb die Assoziationen von mondnein zu Filmen. Die Frau zeigt sich, berechnet ihre Wirkung, die sie oder ihre Gruppe inszeniert hat, sie spielt mit den Blicken – sie erntet gegensätzliche Reaktionen: Anziehung und Abwehr, Faszination und Schreck.

Das Gedicht schwankt zwischen Würdigung (genaue, fast ehrfürchtige Beschreibung) und Distanz (leichter Spott über Kette, Pocken, Gäste, die sich abwenden, was zugleich ehrfürchtige Beschreibung ist). Es ist also ein feines Spiel zwischen Hoch- und Tiefstilisierung.

Interessant der Gegensatz zum ursprünglichen Punk, der eher Zufallselemente kombinierte mit Punk-Stil, als Hochglanzprospektstil.

Vielleicht aber ist das Kalkül die Projektion des Betrachters.
 
Zuletzt bearbeitet:

James Blond

Mitglied
Lieber Bernd,
danke für den Beitrag, du hast einige interessante Aspekte ins Spiel gebracht, die ich gern aufgreifen möchte.

Zentraler Punkt ist hier die Selbstinszenierung, die allerdings im Kontrast zu den eher verherrlichend besungenen Frauenfiguren in @mondneins Beitrag steht. Du hast sehr schön auf die Mischung von Nähe und Distanz, von Ehrfurcht und Spott hingewiesen, die eine Inszenierung oft hervorruft, ob sie allerdings (auch) eine Projektion des Betrachters ist, kann hier nicht entschieden werden. Der Verfasser zweifelt jedenfalls nicht an der absichtlichen Zurschaustellung seiner Bedichteten, die er sowohl würdigend als auch spöttisch unter die Lupe nimmt.
(Ganz abgesehen davon, dass andauernde Selbstbespiegelungen in den hiesigen Versen auch ganz schön langweilen können.) :)

Gern gelesen - gern geantwortet.

Viele Grüße
JB
 

Ubertas

Mitglied
Lieber James,
witzigerweise oder unddoch!witzigerweise habe ich deine Punklady zwar in erster Instanz als Frau (beim ersten Drüberlesen sodahin) wahrgenommen, nicht aber im weiteren Sinne. Da wurde mir die Punklady so richtig sympathisch:)
Nicht als eine Gestalt allein, die provoziert und damit, mit Pocken bestraft, ihr Auskommen hat. Sondern als Mensch. Welchen Geschlechts auch immer, sich der gesellschaftlichen Tarnung stellt und sie gleichzeitig entlarvt. Den Rest mag ich nochmals und nochmals lesen, in eigenen Gedanken und in der Hoffnung, dass kein "Dekolleté" jemals umsonst ist.
Auf die Punklady!!!
Liebe Grüße, ubertas
 

James Blond

Mitglied
Nicht als eine Gestalt allein, die provoziert und damit, mit Pocken bestraft, ihr Auskommen hat. Sondern als Mensch. Welchen Geschlechts auch immer, sich der gesellschaftlichen Tarnung stellt und sie gleichzeitig entlarvt. Den Rest mag ich nochmals und nochmals lesen, in eigenen Gedanken und in der Hoffnung, dass kein "Dekolleté" jemals umsonst ist.
Liebe Ubertas,
das hast du wirklich treffend beschrieben. Die Punklady wird hier nicht als Opfer der Gesellschaft dargestellt. Sie ist kein "Sozialprodukt", sondern sie dominiert in ihrer Rolle, indem sie mit den Erwartungen anderer spielt, was im letzten Terzett besonders deutlich wird.

Der "echte Kenner" weckt möglicherweise Assoziationen einer monokeltragenden Kundschaft in Frack und Hut aus dem vorletzten Jahrhundert. Der fiktive Gourmet bildet hier allerdings nur den ironisierenden Abschluss des Spiels mit der Fremdwahrnehmung.

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Ich verbinde übrigens Punk fast immer auch mit Musik. Und mit Protest.
Ja, lieber Bernd, das war auch der ursprüngliche Ort und Ansatz des Punk.
Vormals eine schillernde Blüte der Jugendkultur, ist der Punk innerhalb des Mainstream längst zum Karnevalskostüm mutiert und bietet (im Gegensatz zu Seeräubern oder Cowboys) auch im gewerblichen Bereich einen geeigneten erotischen Spielraum.
Dieser Wandel wird im Gedicht allerdings nicht als "Gleitmittel" benutzt, nicht ausgekostet, sondern aus einer ironischen Distanz heraus als Guck-und-Zeige-Spielchen dargestellt. Ich denke nicht, dass daraus dem Text ein "Missbrauch" durch "Sexualisierung von Protestverhalten" erwächst, geschweige denn, dass er irgend jemanden "verhöhnen" würde.

Danke für eure Kommentare!

Liebe Grüße
JB
 



 
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