Raubgold, ein ‘Matador‘ und ein heiliger Gral an der ScheinBAR

Hagen

Mitglied
Raubgold, ein ‘Matador‘ und ein heiliger Gral an der ScheinBAR

Als mein ehemaliger Freund und Arbeitskollege Horst unvermittelt vor unserer Haustür stand und der Wunderbaren Ulrike einen Strauß aus Freesien, Lisianthus, Löwenmäulchen und so in die Hand drückte, war die Freude groß. Wir baten ihn natürlich rein und boten ihm, wie es sich gehört, erst mal ein Bier an der ScheinBAR an. Es passierte das Übliche, Loben der ScheinBAR und Austausch von Erinnerungen. Horst war bei der Suche nach dem legendären Gold-Zug von Wałbrzych, oder Nazi-Zug von Waldenburg, dabei gewesen.
„Moment“, meinte ich. „Dabei soll es sich doch um einen gepanzerten, seit dem Zweiten Weltkrieg vermissten Sonderzug in einem Stollen nahe der polnischen Stadt Waldenburg handeln, der von Nationalsozialisten geraubtes Gold, Kunstschätze oder Industriematerialien transportiert haben soll.“
Schluck Bier.
„Genau der“, nickte Horst und nahm auch einen Schluck Bier. „Es scheiterte jedoch an der polnischen Bürokratie, aber wir bleiben dran! – Da bin ich zunächst mit meinem neuen, ‘alten‘ Tempo ‘Matador‘ zu einem Treffen der ‘Oldtimerfreunde Emsland‘ gefahren und hab‘ da deine neue Adresse erfahren.“ Schluck Bier. „Du hast dich ja schön versteckt im Emsland, ich hab‘ dich bisher vergeblich gesucht.“
„Ja, das war der Sinn der Sache. Ich hab‘ alle Brücken hinter mir abgebrochen und mit meiner Herzensdame, der Wunderbaren Ulrike, ein ganz neues Leben angefangen.“
„Ich verstehe. Du hast ja auch schon bei den Oldtimerfreunden ein Quiz gemacht und ich war ganz erstaunt dass das von dir war. Dort erfuhr ich auch deine neue Adresse und dass du nun bei deiner ‘Herzensdame‘ wohnst. Da bin ich mal eben vorbei gekommen.“
„Das hast du gut gemacht!“, meinte die Wunderbare Ulrike. „Dürfen wir deinen Matador denn mal angucken?“
„Natürlich gerne.“
Horst zeigte uns voller Stolz seinen neu erworbenen, tadellos restaurierten Oldtimer. Die Wunderbare Ulrike interessierte sich hauptsächlich für die Radkappen, ich für die Ladefläche.
„Hab‘ ich’s mir doch gedacht!“, murmelte ich und gab Horst einen kleinen Goldsplitter, den ich unter der Ladefläche gefunden hatte.
„Ist das etwa Gold?“, fragte Horst.
„Vermutlich sogar ‘Raubgold‘ oder ‘Nazigold‘, meinte ich. „Aber das ist eine lange Geschichte, die ich für das Oldtimerquiz recherchiert habe.“
Horst schaute etwas verständnislos drein, lud uns dann aber doch zu einer kleinen Ausfahrt ein. Wir nahmen mit Freuden an, obwohl es etwas eng war in dem Matador, aber es hat uns Spaß gemacht. Wir entgingen nur knapp einem Unfall, weil uns ein Sportflitzer die Vorfahrt nahm. Aber Horst meinte: „Sowas passiert mir öfter, aber noch nie hat sich was Ernsthaftes ereignet. Ich kann es mir auch nicht erklären!“
„Ich schon“, meinte die Wunderbare Ulrike, „aber darüber reden wir dann bei einem Cocktail an der ScheinBAR!“
Horst entschied sich an der ScheinBAR für einen ‘Tribute an Harald Juhnke‘ und wollte endlich wissen, was es denn so auf sich hätte, mit dem ‘knappen Entgehen von Unfällen‘. Während ich begann die Cocktails zuzubereiten, startete die Wunderbare Ulrike ihre Erzählung: „Was du sicher noch nicht weißt: Ich sammel nämlich ‘Heilige Grale‘! – Den sechseckigen gläsernen ‘Sacro Catino‘, der angeblich in Genua aufbewahrt wird und der ‘Santo Cáliz‘, der angeblich in Valencia rumsteht, siehst du als Deco in der ScheinBAR. – Egal. Jedenfalls hat einer der Obernazis, Heinrich Himmler, den Heiligen Gral während der Ausrichtung der Feierlichkeiten zum 1000. Todestag Heinrichs I. in Quedlinburg am 2. Juli 1936 entdeckt und an sich genommen. Selbst der namhafte Bibelforscher Prof. Dr. Dr. Reinhard Maria von Glockenklang, der berühmte Gelehrte der Heiligen Schrift, bestätigte die Echtheit des Heiligen Grals ...“
„So, und die ‘Tribute an Harald Juhnke‘“, ging ich dazwischen und stellte der Wunderbaren Ulrike, Horst sowie mir die Cocktails auf den Tresen der ScheinBAR. Wir hoben unsere Gläser und tranken jeder einen Schluck.
„Geil, der Cocktail“, meinte Horst. „Aber was hat das mit meinem Matador zu tun?“
„Ganz einfach“, sprach die Wunderbare Ulrike daraufhin, „unter falschem Namen versuchte Henrich Himmler 1945 in einem Flüchtlingsstrom zu fliehen und geriet bei Lüneburg unerkannt in britische Gefangenschaft. Zuvor konnte er den Heiligen Gral in Hamburg verstecken, und zwar ausgerechnet in den Tempowerken. Dort blieb der Heilige Gral lange unentdeckt.“
Schluck ‘Tribute an Harald Juhnke‘.
„Als Oscar Vidal“, sprach die Wunderbare Ulrike weiterhin, „der Eigner der Tempowerke, 1955 eine Verbindung mit der Hanomag einging, erfolgte eine große Aufräumaktion. Bei dieser Aufräumaktion fiel einem Mitarbeiter der ‘Heilige Gral‘ in die Hände. Er hielt den ‘Heiligen Gral‘ für eine Radkappe mit Gussfehler, flexte den Fuß ab, warf ihn achtlos weg und gab die ‘Radkappe‘ in die Fertigung. Dort wurde der ‘Heilige Gral‘ umgehend verbaut, da er haargenau auf einen Tempo ‘Matador‘ passte, wie du ihn jetzt fährst.“
Schluck ‘Tribute an Harald Juhnke‘.
„Als man den ‘Fehler‘ bemerkte“, erzählte die Wunderbare Ulrike weiter, „war der Wagen mit dem Heiligen Gral als Radkappe und zahlreiche andere Matadoren bereits ausgeliefert und in alle Winde verstreut. Auf eine Rückrufaktion wurde verzichtet. Man zuckte die Achseln und fertigte weiter, schließlich hatte man im Zuge des Wirtschaftswunders anderes zu tun. Möglicherweise rollt der Heilige Gral an einem liebevoll restaurierten Matador – vielleicht sogar deiner – noch immer über Deutschlands Straßen und beschützt den Wagen und seinen Eigner. Weiß man’s?“
Schluck ‘Tribute an Harald Juhnke‘. – Horst schaute etwas nachdenklich drein.
„By the way:“, meinte ich. „Ich vermute, dass Garland Jeffreys Song ‘Take me to The Matador’ einen Hinweis auf den Verbleib dieses Heiligen Grals gibt. Man müsste dem mal nachgehen …
Schluck ‘Tribute an Harald Juhnke‘. Horst grübelte sichtbar.
„So, jetzt bin ich dran“, meinte ich. „Dazu möchte ich etwas ausholen, denn es geht nichts über eine fundierte Halbbildung!“
Schluck ‘Tribute an Harald Juhnke‘.
„Um das Nazigold, auch Raubgold genannt“, begann ich, „ranken sich zahlreiche Mythen und Legenden. Noch immer sind Abenteurer unterwegs, um diesen legendären Schatz zu finden. Fest steht, dass die Alliierten 1945 im Bergwerk Merkers/Thüringen zahlreiche Tonnen Edelmetalle und andere Wertgegenstände gefunden und sichergestellt haben. Über konkrete Angaben der Fundmenge gibt es widersprüchliche Zahlen. Das Bergwerk soll das Hauptdepot der Reichsbank gewesen sein, weswegen sich die weitere Suche auf dieses Bergwerk konzentrierte. Als weitere Tonnen Raubgold in Bad Gastein und Hintersee von den Amerikanern gefunden wurden, war die Theorie von weiteren geheimen Depots geboren.“
Schluck ‘Tribute an Harald Juhnke‘.
„Nach Ansicht von Historikern und Zeitzeugen ist eine erhebliche Menge Raubgold noch immer verschwunden. Seit dem schießen Spekulationen über den Lagerort wie Pilze aus dem Boden, wie zum Beispiel der legendäre ‘Gold-Zug von Wałbrzych‘, oder ‘Nazi-Zug von Waldenburg‘!“
Schluck ‘Tribute an Harald Juhnke‘.
„Eine dieser Spekulationen“, fuhr ich fort, „kann nun zerstreut werden, denn weitere Teile des Nazigoldes befanden sich im Bremer Wasserwerk, die ‘umgedrehte Kommode‘ genannt. Warum die Nazis einen Teil ihres Goldes ausgerechnet in Bremen, einer Stadt in der sie nie sonderlich gerne gesehen wurden, versteckten, bleibt allerdings nach wie vor rätselhaft! – Unter strenger Aufsicht des amerikanischen Inspekteurs William Howard Roycroft wurde das Wasserwerk am 07. 07. 1945 wieder in Betrieb genommen, der Süden Bremens konnte nun auch ausreichend mit Trinkwasser versorgt werden und alle waren wieder vergnügt. – Doch William Howard Roycroft war ein ausgemachtes Schlitzohr!“
Schluck ‘Tribute an Harald Juhnke‘.
„Offensichtlich war keinem der Mitarbeiter des Wasserwerkes bisher aufgefallen“, erzählte ich weiter, „dass sich in dem Wasserwerk Gold befand, und zwar in den Filterbehältern der Enteisenungsanlage! Das Wasser allerdings kümmerte sich nicht darum, es plätscherte gar munter vor sich hin. Aber Roycroft, der nichts anderes zu tun hatte, außer dumme Sprüche zu machen und seine Nase in alles zu stecken, was sich nicht bewegen konnte, fand das Gold!“
Schluck ‘Tribute an Harald Juhnke‘, den letzten.
„Aber anstatt seinen Fund ordnungsgemäß zu melden, schaffte er das Gold sukzessive zu sich nach Hause ...“
„Moment bitte“, unterbrach mich die Wunderbare Ulrike, „ich sehe, Horst hat ausgetrunken. Soll ich uns mal eben drei ‘Forty Miles of bad Road’ zubereiten? Horst hat so einen langen Weg hinter sich, da ist ein ‘Forty Miles of bad Road’ ganz angebracht und du kannst weitererzählen.“
Horst nickte etwas nachdenklich, ich auch, und fuhr fort:
„Das mit dem Nachhauseschaffen und vorerst im Keller lagern, dauerte natürlich seine Zeit. Aber Roycroft wurde unvermutet nach Ohio berufen, wo auch seine Familie lebte. Er sollte dort in Rente gehen. Um seinen ‘Schatz‘ mitnehmen zu können, kaufte William Howard Roycroft aus seinem Privatvermögen zehn kleine Lastwagen vom Typ ‘Matador‘ bei den Tempowerken in Hamburg, um sie in den Staaten weiterzuverkaufen. Offiziell sollte das der Beginn eines kleinen Handels werden, mit dem Roycroft seine Rente aufbessern wollte. Doch zuvor mussten die kleinen Lastwagen noch etwas ‘amerikanisiert‘ werden, weil der Markt in Amerika eine etwas andere Form verlangte, so meinte Roycroft. Diese ‘amerikanisierung‘ geschah bei den Goliath-Werken in Bremen. Nachdem die Fahrzeuge geliefert und bezahlt waren, rüstete Roycroft sie nochmal klammheimlich um …“
„So, bitte schön!“, unterbrach die Wunderbare Ulrike. „Drei von Hagen kreierte und von mir gemixte ‘Forty Miles of bad Road’. Lasst es euch schmecken!“
Wir hoben die Gläser und tranken, nachdem die Wunderbare Ulrike wieder Platz genommen hatte.
„Dank‘ dir, wunderbare Ulrike“, fuhr ich fort. „William Howard Roycroft, um wieder darauf zurückzukommen, rüstete seine Matadoren also nochmals um, und zwar mit einer circa einem Zentimeter dicken Goldschicht auf der Ladefläche, die er dann sorgsam tarnte. Die Autos waren dann zwar etwas schwer, gingen aber anstandslos durch den Zoll und wurden als Beiladung auf dem Frachter ‘American Explorer‘ verladen.“
Schluck ‘Forty Miles of bad Road’.
„Nachdem die American Explorer“, setzte ich meine Erzählung fort, „nach etlichen Zwischenstopps, endlich im Hafen von New York ankam, wurde sie von William Howard Roycroft bereits mit Spannung erwartet. – Doch nach der Entladung gähnten ihm nur die Hölzer der Ladeflächen der zehn Matadoren entgegen. Dass die Mannschaft der American Explorer unverhohlen grinste, entging Roycroft allerdings in seiner Wut. Aber was half’s?“
Schluck ‘Forty Miles of bad Road’.
„William Howard Roycroft verkaufte die Matadoren jedenfalls trotzdem mit ansehnlichem Gewinn“, fuhr ich fort, „führte seit dem bis zu seinem Tod ein beschauliches Leben als Rentner in Ohio und züchtete Rosen, oder waren es Kois, die dem in Europa gezüchteten Spiegelkarpfen oder Zeilkarpfen ähneln? Egal. – Einer der Matadoren soll jedenfalls nach dem Ableben Roycrofts reimportiert worden sein …“
Schluck ‘Forty Miles of bad Road’.
“… nur dass die Besatzung der American Explorer fortan ein ausgesprochen luxuriöses Leben führte, gibt arg zu denken!“
„In der Tat“, sagte Horst nachdenklich und nahm einen Schluck ‘Forty Miles of bad Road’.
„Lass‘ uns etwas Billard spielen“, sprach die Wunderbare Ulrike, „dabei kann man am besten nachdenken!“



Forty Miles of bad Road
4cl Angostura
4 cl Licor 43
4 cl Blue Curaco
Auffüllen mit Sprudel
Eis
Deco Olive

Tribute an Harald Juhnke
1 Tropfen Granatapfelsirup
2 cl Cointreau
4 cl Apricot Brandy
4 cl Martini (Alkoholfrei)
Eis
Deko Cocktailkirsche
 



 
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