Regen

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Regen. Dauerregen. Ununterbrochen. Dürre Fäden ziehen den grau-schwarzen Himmel fest. Unverrückbar droht die Wolke jedem, der das Haus verlassen will. Ich schaue aus dem Fenster, kein Blau weit und breit, die Wolken sind so nah, dass man sie mit bloßen Händen bei Seite schieben könnte.

Hunger. Hört es nicht bald zu Regnen auf, werde ich verhungern. Ich sitze hier, eingepfercht in das Loch, das man Wohnung schimpft. Zelle träfe es eher. Am liebsten würde ich die Tür aufreißen, ins Treppenhaus stürzen und auf die Straße rennen, die Weite spürend auf dem Platz Kreise tanzen. Auch wenn der Regen mich dann tötet. Was kümmert es mich und brächte der Tod nicht Erleichterung? Diese Gedanken habe ich manchmal, nicht so schlimm, als dass ich wirklich nach draußen gehen würde; niemand geht bei Regen nach draußen. Das, was aus der Atmosphäre gewaschen wird und in konzentrierten Lösungen auf die Erde tropft, ist tödlich für alle tierischen Organismen.

Vergangenheit. Goldene Zeiten. Meine lieben Eltern erzählten gerne von der Zeit, als der Regen noch Leben und Freude brachte und die Kinder in Pfützen spielten. Sie hatten noch gute Erinnerungen an den Regen, obgleich ihre Generation es schließlich am härtesten traf und überdies ihre Generation es war, die es hätte kommen sehen und verhindern müssen. Meine Großeltern und Eltern waren arme Menschen, sehr arm, weshalb sie ihrer Meinung nach nichts haben ahnen oder tun können. Irgendwann wurden die Meldungen im Fernsehen immer düsterer und dann verdunkelte sich der Himmel, der saure Regen kam und verätzte das Land, ließ die Felder verdorren. Heute gibt es nur noch Bücher, in denen gibt es Geschichten; Geschichten in denen die Menschen sich über den Regen freuen, im Regen spazieren. Heute freut sich niemand über den Regen, denn er ist Gift.

Schutz. Die Warteliste für einen Schutzanzug ist lang, denn wasserdichte Kleidung reicht nicht aus, die Substanzen gehen durch die Kleidung, durch die Haut. In den Großstädten ist die Lage besser, dort kommt man überall hin, ohne nach draußen zu müssen, aber hier bei uns? Ohne Anzug kommt man nicht weit. Ich kenne hier im Haus niemanden der einen Anzug hat, wir alle warten darauf, dass uns endlich einer zugeteilt wird.
Wenn ich wie jetzt am Fenster sitze und den Regen so betrachte, die völlig harmlos wirkenden Tropfen, die unschuldig an mein Fenster springen und sich dort zu winzig kleinen Flüssen sammeln. Dann bin ich manchmal versucht das Fenster zu öffnen und die Hand raus zu strecken.
Er sieht gar nicht giftig aus, der Regen. Er sieht genauso aus, wie das Wasser, das aus meiner Dusche kommt. Ich war seit einem Monat nicht mehr duschen. Es ist viel zu teuer. Aber morgen geh ich wieder, einmal im Monat, das gönn ich mir. Andere gehen nicht so oft. Aber zum Glück gibt es ja Deodorant. Unendlich viele Sorten gibt es da. Damit jeder seinen Gestank ganz individuell übertünchen kann. Meine Sorte heißt „Free Spirit“.

Langweile. Ich beschließe mir die Welt im Fernseher an zu sehen. Ich schalte das faustgroße Gerät ein und ein 2x2 Meter großes Bild erscheint auf meiner Wand. Es gibt 3000 Kanäle, davon ca. 2000 Werbekanäle, unglaublich welch Fülle an Produkten geboten wird. Und für keines muss man das Haus verlassen. Man muss nur die Bestellnummer in das Gerät und seine ID eingeben und schon kommt alles nur Erdenkliche zu einem ins Haus. Es sei denn es regnet. Denn dann kommt kein Lieferant.
Ich weiß gar nicht wie lange es eigentlich schon regnet. Eine Woche? Zwei? Ich weiß auch nicht wie lange ich schon nichts mehr gegessen habe. Ich habe schrecklichen Hunger, wenn es nicht bald aufhört zu Regnen, dann hört es vermutlich auf mit mir.
Ich zappe durch die Programme und frage mich, seit wann sie eigentlich keine Filme mehr senden. Ich erinnere mich noch, als ich klein war kamen immer Filme im Fernsehen. Am Wochenende vor allem, da habe ich oft mit meinen Eltern Filme geschaut. Das war bevor mein Vater verschwand. Mein Vater glaubte nicht daran, dass der Regen giftig sei. Wenn er was erledigen wollte tat er das, auch bei Regen. Trotz aller Warnungen, ging er stets unbeirrt aus dem Haus. Eines Tages kam er nicht wieder aus dem Regen zurück. Ich erinnere mich noch daran, dass Männer kamen, vermutlich von der Regierung, die meiner Mutter sagten, man hätte seine Leiche gefunden und dass sie ihn nicht sehen dürfe, denn er wäre verseucht oder so was.
Von diesem Tage an wurde es immer schlimmer. Die Lebensmittel und vor allem das Wasser wurden täglich teuerer. Ich erinnere mich, dass ich als Kind alle zwei bis drei Tage gebadet wurde oder duschen musste. Heute ist einmal im Monat duschen schon ein Luxus.
Gedankenverloren tippe ich meine ID und ein paar Bestellnummern in den kleinen Kasten. Ich kann dann später die Vorfreude genießen, auf die Dinge, die ankommen sobald es nicht mehr regnet. Ich bestelle am liebsten bei Easy Shop, bei diesem Sender sind die Sendungen nicht ganz so einfallslos, wie bei den anderen und es werde nicht so viele Nachrichten eingeblendet. Nachrichten deprimieren mich. Das liegt daran, dass es keine guten Nachrichten gibt, immer geht es darum, dass der Regen giftig ist und man sich ihm auf gar keinen Fall aussetzen darf. Manchmal heißt es bei uns sei der Regen nicht ganz so gefährlich wie in anderen Ländern, manchmal heißt es er ist schlimmer als irgendwo sonst, kommt auf den Sender an.

Wieder Hunger. Ich wache auf. Ich habe gar nicht bemerkt, wie ich eingeschlafen bin. Ich fühle mich schwach vor Hunger. Ich kann kaum aufstehen. Mein Magen schmerzt fürchterlich. Wie konnte ich nur vergessen Essen zu kaufen? Es ist mir unbegreiflich. Ich setzte mich auf, betrachte meine Hände, sie zittern. Mein Bauch krampft sich zusammen, dumpfer Schmerz, knurrt nach Hilfe.
Es regnet nun schon seit bestimmt drei Wochen. Ich war schon vorher recht dünn, jetzt bin ich total eingefallen. Habe versucht jemanden zu erreichen der vielleicht einen Schutzanzug hat und mir Essen bringen könnte, aber keiner den ich kenne, wäre bereit das Risiko für mich auf sich zu nehmen. Ich habe sogar die Polizei angerufen, über die Notrufnummer, aber die Straßen sind zu unsicher sagen sie. Es gibt Überschwemmungen, niemand kann raus. Würde ich in der Stadt wohnen ... Aber ich wohne nicht in der Stadt, ich wohne in diesem elenden Kaff, wo mir niemand helfen kann.
Ich weiß nicht, wie viel Zeit nun vergangen ist, mühsam schleppe ich mich zum Fenster, spüre wie diese Anstrengung mir die letzten Reserven aus dem Körper saugt. Es geht zu Ende. Früher dachte ich darüber nach ob man es spürt, wenn das Ende kommt, jetzt bin ich mir dessen sicher. Ich fühle wie die Kräfte dahinschwinden, wie Wasser aus der hohlen Hand. Ich bin durstig, ich bin vor Hunger nicht mehr in der Lage mir Wasser zu holen.
Ich schaue aus dem Fenster. Sehe den Regen, er wirkt unschuldig wie immer. Er weiß nicht, dass er gerade dabei ist, seit Wochen dabei ist, mich langsam und qualvoll zu töten. Ich lege den Kopf auf die Fensterbank. Am Horizont glaube ich Sonnenstrahlen zu sehen, aber die kommen zu spät. Ich werde nicht mehr lange durchhalten. Ich sehe auf die Straße und glaube meinen Augen nicht. Da ist ein kleines Kätzchen, das aus einer Pfütze trinkt. Das kann nicht sein, schießt es mir durch den Kopf. Unmöglich. Ich schließe die Augen, sehe noch mal hin. Tatsächlich, ein Kätzchen. Ich halluziniere in meinem Todeskampf. Ein Wagen hält an. Ein Lieferwagen, schwarz. Ich sehe einen Mann aussteigen, ein Beamter von der Regierung, so scheint es, er trägt eine Uniform. Ich sehe, oder glaube zu sehen, wie er das Kätzchen in einen Sack packt. Er trägt keinen Schutzanzug.
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Interessante Idee. Aber: Warum tun „die“ das, was haben „die“ davon? Was wäre z. B., wenn er/sie in der Stadt wohnen würde?
 
Danke für die kritischen Rückfragen. Ich werde die Geschichte unter Berücksichtung beider nochmal durcharbeiten.
Zu Punkt 1. Wasser ist mittlerweile privatisiert und sehr teuer, das Teuerste vielleicht.
2. Die Städte verfügen schlicht über Infrastruktur, trockene Wege, überdachte Einkaufpassagen etc. Die Stadtrandgebiete und Vororte sind strukturell so geschwächt, dass jeder auf sich alleine gestellt ist.
Werde ich bemühen, das deutlicher rauszuarbeiten.

Gruß
K.
 

jon

Mitglied
Teammitglied
… das mit der Frage nach der Stadt war mehr eine Idee, dass man hier verpacken könnte, was „die“ davon haben. Wenn der Grund „teures Wasser" ist, bietet sich das aber nicht so gut an.

Teures Wasser - ok. Aber es das reicht nicht, für dieses Szenario müssen ganz andere Kräfte am Werk sein als nur die Wasser-Verkäufer. Die wären ja nur EIN Interessent, all die anderen Verkäufer (z. B. Mode und Schuhe, Autos, Medientechnik, Lebensmittler etc. pp) können kein Interesse daran haben, die Leute in den Wohnungen festzunageln (und damit von Konsum und vor allem der Wirkung von "sozialer Webung" fernszuhalten). Woher nimmt die Wasserlobby die Macht, derart massiv alles und jeden (Politik und Medien!) zu bestimmen?
 
Gebe zu, das ist die Sackgasse, in die ich die Story gefahren habe ...
Der Gedanke geht soweit, dass die Privatisierung letztlich eine ebenso vollständige, wie irrationale Abhängigkeit ergibt. Wasserlobby ist mittlerweile an die Spitze gerückt, bestimmt Medien, Regierung etc. Es sind die alten Horroszenarien, die ich aufgreife. Gerade die Angst davor, dass Konzerne unser Leben wirklich bestimmen könnten ...
Es ist absurd und soll auch absurd sein, denn ich glaube nicht, dass es jemals EINEN großen Bestimmer geben wird, aber so soll es sich in diesem irrationalen Plot sein.
Darüber hinaus, ist der Protagonist selbst Schuld und seine Sicht auf die Dinge ist auch nicht richtig. Er hätte sich ja einfach drum kümmern müssen, rechtzeitig. Der Punkt ist aber auch, dass er keine interessante Kaufkraft darstellt. Niemand will ihn festhalten - den Reichen geht es ja auch gut, die haben das Problem gar nicht - aber ihm will auch niemand helfen.
Das Festhalten in der Wohnung ist nur ein Nebeneffekt - künstliche Wasserknappheit und dadurch Verteuerung ist der Hauptgrund ...
 
Regen. Es regnet wieder seit Tagen. Ununterbrochen. Dürre Fäden zurren den grau-schwarzen Himmel fest. Unverrückbar droht die Wolke jedem, der das Haus verlassen will. Ich schaue aus dem Fenster: kein Blau weit und breit. Die Wolken wirken so nah, man könnte sie mit den Händen beiseiteschieben.

Hunger. Hört es nicht bald zu regnen auf, werde ich verhungern. Ich sitze hier eingepfercht in das Loch, das man Wohnung schimpft. Zelle träfe es besser. Am liebsten würde ich die Tür aufreißen, ins Treppenhaus stürzen und auf die Straße rennen, die Weite spürend auf dem Platz Kreise tanzen. Auch wenn der Regen mich dann tötet. Was kümmert es mich und brächte der Tod nicht Erleichterung? Diese Gedanken habe ich manchmal; nicht so schlimm, dass ich wirklich nach draußen gehen würde. Niemand geht bei Regen nach draußen. Das, was aus der Atmosphäre gewaschen wird und in konzentrierten Lösungen auf die Erde tropft, ist tödlich für alle tierischen Organismen.

Vergangenheit. Goldene Zeiten. Früher war es anders, meine lieben Eltern erzählten gerne von der Zeit, als der Regen noch Leben und Freude brachte und die Kinder in Pfützen spielten. Sie hatten noch gute Erinnerungen an den Regen, obgleich ihre Generation es schließlich am härtesten traf und überdies ihre Generation es war, die es hätte kommen sehen und verhindern müssen. Meine Großeltern und Eltern waren arme Menschen, sehr arm, weshalb sie ihrer Meinung nach nichts haben ahnen oder tun können. Irgendwann wurden die Meldungen im Fernsehen immer düsterer und dann verdunkelte sich der Himmel, der saure Regen kam und verätzte das Land, ließ die Felder verdorren. Heute gibt es nur noch Bücher, in denen gibt es Geschichten; Geschichten in denen die Menschen sich über den Regen freuen, im Regen spazieren. Heute freut sich niemand über den Regen, denn er ist Gift. Die Warteliste für einen Schutzanzug ist lang, denn wasserdichte Kleidung reicht nicht aus, die Substanzen gehen durch die Kleidung, durchdringen die Haut. In den Großstädten ist es anders. Diese riesigen trockenen Oasen bieten überdachten Schutz. Aber hier bei uns? Ohne Anzug kommt man nicht weit. Ich kenne hier im Haus niemanden, der einen Anzug hat und wenn, wer würde etwas derart Wertvolles verleihen? Und würde ich ihn zurückbringen? Wohl kaum, von dem was ein Anzug kostet, könnte ich Wasser für einen Monat kaufen.
Wenn ich wie jetzt am Fenster sitze und den Regen so betrachte, die völlig harmlos wirkenden Tropfen, die unschuldig an mein Fenster hüpfen, sich zu Flüsschen trollen, dann bin ich manchmal versucht das Fenster zu öffnen und die Hand raus zu strecken.
Es sieht gar nicht giftig aus. Es sieht genauso aus, wie das Wasser, das aus meiner Dusche kommt. Ich war seit einem Monat nicht mehr duschen. Aber zum Glück gibt es ja Deodorant. Unendlich viele Sorten gibt es da. Damit jeder seinen Gestank ganz individuell übertünchen kann. Meine Sorte heißt „Free Spirit“. Wasser aber ist kostbar. Mit den Jahrzehnten wurde es immer teurer. Zunächst waren alle den Konzernen dankbar, lösten sie doch schnell die Wasserprobleme: Rationalisierung, Privatisierung, Industrialisierung. Alle diese –ierungen, die während der Katastrophe halfen, die Wasserfrage kostengünstig von anderen beantworten zu lassen. Wasser für alle, die Konzerne kümmern sich darum, das Land muss die Kosten nicht aufbringen und wir zahlen nur eine kleine Aufwandsentschädigung. Schließlich müssen die Wasserkonzerne über die Runden kommen. Lange hielt sich das Gerücht, Wasser würde wieder günstiger werden, die Regierung würde die Wasserrechte zurück kaufen, man würde die Menschen – vor allem die Armen – nicht im Stich lassen. Der Regen würde auch bald wieder normal werden, versprachen Fernsehen und Internet. Was ist geschehen? Vieles ist billig geworden, anderes nicht. Vor allem Wasser nicht. Angeblich verdienen einige wenige Milliarden am Wasser. Wie denn?, frage ich mich, gibt es doch so wenig noch davon, das nutzbar wäre.

Langeweile. Der Regen langweilt. Die Glitzerwelt im Fernsehen verheißt Zerstreuung. Ich schalte das faustgroße Gerät ein und ein zwei Quadratmeter großes Bild erscheint auf meiner Wand. Es gibt dreitausend Kanäle, meist Werbekanäle. Werbeviedeos fluten meine Wand. Produkte werden gepriesen, für die man das Haus nicht einmal verlassen muss. Man muss nur die Bestellnummer in das Gerät und seine ID eingeben und schon die Vorfreude auf die Aufmunterungen genießen, die alsbald eintrudeln. Es sei denn es regnet. Denn dann kommt kein Lieferant. Nicht hierher. Nicht zu uns. Nicht wegen der kleinen Paketchen, die hier stranden und ohne Trinkgeld aufgenommen werden.

Hunger. Immer noch. Ich weiß gar nicht wie lange es eigentlich schon regnet. Eine Woche? Zwei? Ich weiß auch nicht wie lange ich schon nichts mehr gegessen habe. Ich habe schrecklichen Hunger, wenn es nicht bald endet, dann geht es zu Ende mit mir.
Ich zappe durch die Programme und frage mich, seit wann sie eigentlich keine Filme mehr senden. Ich erinnere mich noch, als ich klein war kamen immer Filme im Fernsehen. Am Wochenende vor allem, da habe ich oft mit meinen Eltern Filme geschaut. Das war bevor mein Vater verschwand. Mein Vater war irgendwann der Meinung, der Regen sei nicht mehr gefährlich. Schließlich hätten die Wissenschaftler geweissagt, die Schadstoffmenge ließe schnell nach und die Katastrophe wäre nur von begrenzter Dauer. Darum ging er wieder aus dem Haus, pfiff auf einen Schutzanzug. Zunächst wunderten wir uns, weil ihm nichts geschah. Bald aber kam die Ernüchterung: Er kehrte nicht zurück. Ich erinnere mich noch daran, dass Männer kamen, vermutlich von der Regierung, die meiner Mutter sagten, man hätte seine Leiche gefunden und dass sie ihn nicht sehen dürfe, denn er wäre verseucht oder so was.
Es wurde nicht besser. Die Menschen gewöhnten sich daran, nicht in den Regen zu gehen. Die Städte wuchsen zu überdimensionierten Kuppelbauten zusammen. Die Menschheit überdachte sich, zog sich unter eine schützende Haube zurück. Zumindest die, die es sich leisten konnten. Wir anderen - der an den Rand gedrängte Aussatz einer Bevölkerung, die so fett geworden ist, dass sie ihre eigenen Füße nicht mehr sehen kann -, bleiben bei Regen zu Hause und harren aus. In unseren Zellen sitzen wir, kaufen Glück in kleinen Portionen und warten auf Sonnenschein.
Warum habe so viel Geld für so wenig Schnaps ausgegeben? Warum habe ich nicht nachgeschaut, ob ich noch Essen habe?
Gedankenverloren tippe ich meine ID und ein paar Bestellnummern in den kleinen Kasten. Ich kann dann später die Vorfreude genießen, auf die Dinge, die ankommen sobald es nicht mehr regnet. Ich bestelle am liebsten bei Easy Shop, bei diesem Sender sind die Sendungen nicht ganz so einfallslos, wie bei den anderen und es werde nicht so viele Nachrichten eingeblendet. Nachrichten deprimieren mich. Das liegt daran, dass es keine guten Nachrichten gibt, immer geht es darum, dass der Regen giftig ist und man sich ihm auf gar keinen Fall aussetzen darf. Manchmal heißt es bei uns sei der Regen nicht ganz so gefährlich wie in anderen Ländern, manchmal heißt es er ist schlimmer als irgendwo sonst, kommt auf den Sender an.

Ich wache auf. Ich habe gar nicht bemerkt, wie ich eingeschlafen bin. Ich fühle mich schwach vor Hunger. Ich kann kaum aufstehen. Mein Magen schmerzt fürchterlich. Gestern habe ich Krümel aus dem Teppich geklaubt. Jetzt ist auch da nichts mehr zu holen. Meine Hände zittern. Mein Magen krampft, dumpfer Schmerz oszilliert durch meinen nach Hilfe knurrenden Bauch.
Es regnet nun schon seit bestimmt drei Wochen. Ich war schon vorher recht dünn, jetzt bin ich total eingefallen. Habe versucht jemanden zu erreichen der vielleicht einen Schutzanzug hat und mir Essen bringen könnte, aber keiner den ich kenne, wäre bereit das Risiko für mich auf sich zu nehmen. Ich habe sogar die Polizei angerufen, über die Notrufnummer, aber die Straßen sind zu unsicher sagen sie. Es gibt Überschwemmungen, niemand kann raus. Würde ich in der Stadt wohnen ... Aber ich wohne nicht in der Stadt, ich wohne in diesem elenden Kaff, wo mir niemand helfen kann.
Ich weiß nicht, wie viel Zeit nun vergangen ist, mühsam schleppe ich mich zum Fenster, spüre wie diese Anstrengung mir die letzten Reserven aus dem Körper saugt. Es geht zu Ende. Früher dachte ich darüber nach ob man es spürt, wenn das Ende kommt, jetzt bin ich mir dessen sicher. Ich fühle wie mir die Lebenskraft entrinnt, wie Wasser aus der hohlen Hand.
Der Regen draußen wirkt unschuldig wie immer. Er weiß nicht, dass er gerade dabei ist, seit Wochen dabei ist, mich langsam und qualvoll zu töten. Ich lege den Kopf auf die Fensterbank. Am Horizont ein zärtliches Funkeln, Sonnenstrahlen. Zu spät. Sie schaffen es nicht mehr rechtzeitig.
Halluzinationen. Unten auf der Straße sitzt ein kleines Kätzchen, trinkt aus einer Pfütze. Das kann nicht sein, schießt es mir durch den Kopf. Unmöglich. Ich schließe die Augen, sehe noch mal hin. Tatsächlich, ein Kätzchen. Ich fantasiere im Todeskampf. Ein Wagen hält an. Ich sehe einen Mann aussteigen, ein Regierungsbeamter, so scheint es, er trägt eine Uniform. Ich schaue zu, wie er das Kätzchen in einen Sack packt.
 

Aligator

Mitglied
Hallöchen K.
Hat mir gefallen deine Geschichte, besonders die Düsterstimmung.
Also ich hab nicht an Wasserverkäufer gedacht. Eher an Überbevölkerung, 2 Klassengesellschaft, priviligierte Oberschicht ... Da macht es schon Sinn, die Unterschicht in den Wohnblöcken verrecken zu lassen.
Grüße,
Aligator
 

Aligator

Mitglied
Nachtrag: davon ausgehend, dass der giftige Regen nur eine LügenKampagne wäre.
...
Aber was, wenn es mut dem Sauwetter mal aufhört? :)
 



 
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