Reizhusten

LaraG

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Es war einmal, vor vielen, vielen Jahren, ein junges Mädchen, das in den blauen Augen eines kleinen Zwerges verloren ging. Der kleine Zwerg hatte eine krumme Nase, aber für das junge Mädchen sah er so schön aus wie ein edler Prinz. Sie mochte seine kleinen Hände, sein volles Haar und vor allem seine blauen, strahlenden Augen. Sie waren der Himmel, zu dem sie aufsah. Und jedes Mal, wenn der kleine Zwerg mit seinen blauen Augen zu ihr hinab sah, glaubte sie, in ihnen von der Liebe zu lesen, die in seinem Herzen für sie flammte.

Der kleine Zwerg brachte dem jungen Mädchen das Tanzen bei. Er drehte sie hin, er drehte sie her. Er warf sie in die Luft, fing sie kunstvoll wieder auf, zog sie an sich und schließlich führte er ihre Lippen auf seine. Das junge Mädchen vertraute dem kleinen Zwerg. Deshalb schloss sie die Lider, als sie im Kuss mit ihm zu verschmelzen begann.

Als sie die Lider wieder hob, sah sie in die schönen, strahlenden Augen ihres kleinen Zwerges. Er flüsterte ihr Versprechen ins Ohr. Von einer feinen, lichtdurchfluteten Höhle und einem Edelsteinbett. Von einem Ring, der ihre Verbindung für die Ewigkeit besiegeln würde.

Aber alles, was der kleine Zwerg dem jungen Mädchen tatsächlich schenkte, war ein schlimmer Reizhusten.

Denn eines Tages war der kleine Zwerg einfach weg. Auf und davon. Über alle Berge. Vielleicht hätte das junge Mädchen es ahnen können. Immerhin hatte der kleine Zwerg eine krumme Nase gehabt. Aber sie war so verliebt gewesen. Sie hatte ganz vergessen, dass für Zwerge Steine schwerer wiegen als Worte. Sie hatte nicht gemerkt, dass seine Augen sie mit demselben habgierigen Blick bedachten, wie die goldenen Adern der hohen Berge, die er raubte.

Also hatte sie ihm ihr goldenes Herz geschenkt. Er hatte es genommen, ihre Rose gepflückt und war mit dem Schatz in der Dunkelheit verschwunden.

Wochenlang wollte es für das junge Mädchen danach nicht wieder hell werden. Ständige Schatten zogen über ihr Gesicht. Noch Monate später fragte sie sicherheitshalber andere, wo unten und wo oben war. Auf ihr Herz konnte sie sich nicht verlassen. Es verlangte noch immer nach dem einen kleinen Zwerg, der ihr so weh getan hatte. Pfui. Sie wollte ihn loslassen. Sie hustete und hustete, um die Erinnerungen, die sich in ihre Seele gebrannt hatten, loszuwerden, doch es half nichts. Wenn sie nicht aufpasste, wanderten ihre Gedanken wieder zu ihm und manchmal lächelte sie dann sogar. Pfui. Sie wollte das nicht.

Aber was sollte das junge Mädchen tun? Gegen Reizhusten kann man nichts machen. Mit ihm auch nicht. Man kann nichts, nichts außer dasitzen und husten und wenn das junge Mädchen nicht gestorben ist, plagt sie der Reizhusten sicher noch heute, küsst sie von Zeit zu Zeit mit einer schönen Erinnerung wach, bevor er ihre Seele bluten lässt.
 



 
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