Hey
@N. Valen !
Sorrysorrysorry! Deine Anmerkung ist mir leider durchs (aktuell etwas grobporige) Mentalsieb gerutscht!
Dein Empfinden beim Lesefadensuchversuch kann ich gut nachvollziehen - denn ich teile es.
Ich sag es jetzt mal in meinen Worten und hoffe, es deckt sich so einigermaßen mit Deinem Eindruck: Was wir hier haben ist ein Gedicht ohne durchgängigen "Handlungstrang", ja es gibt nicht einmal einen wirklich konsistent durchgehalten Assoziationsraum, in dem sich die Bilder und Metaphern einigermaßen "logisch" treffen könnten. Jede Strophe hat so ein bisschen eine eigene Motivik, wobei - wenn ich mal die Musik als Analogie verwende - auch innerhalb der Strophen kein leicht nachsingbarer "Melodiebogen" existiert, insgesamt wäre das, wenn es ein Musikstück wäre, vermutlich ein recht neutönig-atonales Gebilde. Im Prinzip ist also auch Dein Vergleich mit Collagen sehr stimmig.
Vielleicht haben - zumindest die einzelnen Strophen - aber auch ein bisschen was Pointilistisches: Wenn man z. B bei der zweiten Strophe "ganz nahe rangeht", also versucht jeden Ausdruck zu "entschlüsseln" und Zusammenhänge zwischen den einzelnen Zeilen dieser Strophe zu benennen, dann löst sich der Text in ein ziemlich unverbundenes "Gekleckse" auf. Tritt man einen oder zwei Schritte zurück, bemerkt man (vielleicht?), dass hier tatsächlich gewisse brüchig-romantische Schwingungen angedeutet werden, ein etwas mehrdeutiges Kind in seiner planerisch-potentiellen Darreichungsform ist im Spiel (ist es nun eher ein Wunschkind oder ist es wie im Märchen ein verwunschenes Kind - bleibt unklar), ein Verzicht fügt weiteres (womöglich) Schmerzliches hinzu, wobei auch hier offen bleibt, ob der Verzicht eines Gesichts oder auf ein Gesicht oder auf ein Nein oder Neingesicht oder wie auch immer nun wirklich etwas Negatives beschreibt oder sogar eine Loslösung von etwas Schlechtem. Mit "Dudorf" tritt nun ein Du hinzu, aber irgendwie mit Abgesangsnostalgiebeimengungen und einem schwer greifbaren "Mischbetrieb" (zwei Menschen, die sich "mischen"?!). Auch die "Startbahn West" ist irgendwie mehrdeutig, nicht eindeutig positiv oder negativ besetzbar, wird aber zumindest klar mit der Liebe identifiziert und dies gibt m. E. den "thematischen" (naja) Schwerpunkt dieser Strophe wieder.
Und was vielleicht ein bisschen einen ganz schwachen "Leseführer" durch das gesamte Gedicht bieten kann, ist das Thema "Märchen", denn irgendwie klingt das Wort Holunderbaum schon beinahe ein bisschen märchenhaft (finde ich) und splattermäßige Gewaltexzesse sind ja auch typische Märchenmotive wie etwa die "ausgehackten Augen" oder das herausgerissene Herz (wenn man "isoliert" im chirurgisch-präparatorischen Sinn versteht und nicht im üblicheren sozialen Wortgebrauch, der aber natürlich auch mitschwingt). Dieser etwas brüchige Märchenton wird dann ja auch zu-guter(???)-letzt durch das Stichwort "Grimm" besiegelt.
LG!
S.