Rückkehr der Männer aus dem Feld

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Die Felder die golden im Wind
den Tag verdösen
lösten sie schließlich so aus ihren Fängen
wie sehr junge Mädchen Zukunft lösen
Aus den geheimnisvollen Klängen
die erklingen
wenn sie ganz mit sich alleine
sind

Sie singen nicht mehr wie ein Kind
Sie singen völlig unbestimmt
Wie das unendlich leichte Rauschen
von Meer und von
Wind
Und von Engeln
die ihre Flügel bauschen
in der
Ferne

Die Hände der Männer rochen
nach Wärme
Nach tiefstehender Sonne
Und tief in ihren müden Knochen
war des Sommers letzte sonnenwarme Wonne
aufbewahrt

Derweil im Dorfe
aufgebahrt
der Erntedank
der letzten übervollen
Wochen stand
auf durchhängenden
Tischen

Und darauf sank
geflüstertes Gebet
Die Frauen holten alle frischen
Tischtücher aus dem Schrank
Schmückten damit Tisch und Bank
und hatten goldene Blumen
ausgelegt

Es war schon spät
als die Männer
endlich kamen
Die reiche Ernte in den Armen
Und auf den harten Lippen
unendlich liebevoll den Namen
von dem der alles
ausgesät

Text DvE
Musik ki

 
Zuletzt bearbeitet:

Frodomir

Mitglied
Lieber Dionysos von Enno,

ich habe dein Gedicht zuerst gelesen und dann erst das Lied gehört. Beim Lesen hatte ich den Eindruck, dass der zweite Teil (ab Strophe 4) die deinen Gedichten typische Qualität erreicht, während die ersten drei Strophen ein bisschen hintenanstehen. Beim Hören allerdings habe ich mich mal wieder in alle deine Zeilen verliebt, deshalb muss ich sie nun nochmal mit gebotener Neutralität lesen.

Beginnend mit dem Titel dachte ich, dass es sich vielleicht um ein Kriegsgedicht handeln könnte, aber ich merkte schnell, dass es sich hier nicht um das Schlachtfeld handelt, sondern um ein tatsächliches Feld, welches bestellt wird.

Die Felder die golden im Wind
den Tag verdösen
lösten sie schließlich so aus ihren Fängen
wie sehr junge Mädchen Zukunft lösen
Aus den geheimnisvollen Klängen
die erklingen
wenn sie ganz mit sich alleine
sind
Ich glaube, je öfter ich das lese, desto eher weiß ich jetzt, wo mein Problem liegt: Die Felder sind ja nichts Charakterhaftes. Wenn sie also als Subjekt sozusagen absichtlich den Tag hinter sich bringen (verdösen), dann entbehrt das einer inhärenten Metaphernlogik. Und zudem führt es zumindest bei mir zu einer gewissen Überladung, dass in Vers 3,4 und 5 jeweils ein neues Subjekt die Regie übernimmt. Dadurch gelingt es mir als Leser nicht so richtig, ein stimmiges Bild aufzubauen. Das Gesamte der ersten Strophe setzt sich meiner Meinung nach aus zu vielen einzelnen Eindrücken zusammen, die nicht harmonisch korrelieren wollen. Felder - Zukunft - Klänge - hm, das springt für mich zu sehr vom Bild zur Abstraktion und bringt die Strophe somit um ihre Kohärenz.

Ich weiß zudem, dass du im Gedicht keine Interpunktion nutzt, doch im Relativsatz in Vers 1 wäre es doch eine Überlegung wert, das Komma zu setzen.

Sie singen nicht mehr wie ein Kind
Sie singen völlig unbestimmt
Wie das unendlich leichte Rauschen
von Meer und von
Wind
Und von Engeln
die ihre Flügel bauschen
in der
Ferne
Hier hast du mich aber wieder gewonnen, das ist wunderschön, vor allem die ersten zwei Verse.

Die Hände der Männer rochen
nach Wärme
Nach tiefstehender Sonne
Und tief in ihren müden Knochen
war des Sommers letzte sonnenwarme Wonne
aufbewahrt

Derweil im Dorfe
aufgebahrt
der Erntedank
der letzten übervollen
Wochen stand
auf durchhängenden
Tischen
aufbewahrt und aufgebahrt ist ein Reim, den ich noch nie gelesen hatte bisher. Das ist sehr originell. Hier finde ich die Wortwahl auch wieder vollkommen stringend und ich empfinde den Text als kohärent und schlüssig.

Und darauf sank
geflüstertes Gebet
Die Frauen holten alle frischen
Tischtücher aus dem Schrank
Schmückten damit Tisch und Bank
und hatten goldene Blumen
ausgelegt

Es war schon spät
als die Männer
endlich kamen
Die reiche Ernte in den Armen
Und auf den harten Lippen
unendlich liebevoll den Namen
von dem der alles
ausgesät
Auch das ist von schönster Würde, vor allem der drittletzte Vers hat es mir angetan. Aber auch die ersten beiden, wow! Ich finde nur hier das Metrische etwas holprig, und zwar konkret hier:

Die Frauen holten alle frischen
Tischtücher aus dem Schrank


Dadurch, dass hier die erste Silbe betont wird, gibt es meiner Meinung nach eine zu starke Betonung auf den Tisch und es wäre eine Überlegung wert, diesen einfach wegzulassen. Was meinst du?:

Die Frauen holten alle frischen
Tücher aus dem Schrank


Dies würde auch die Dopplung mit dem Tisch in der nächsten Zeile verhindern.

Ebenfalls holpert es meiner Meinung nach an dieser Stelle:

Es war schon spät
als die Männer
endlich kamen


Man könnte, um es flüssiger zu gestaltet, z.B. auch schreiben:

Es war schon spät
als endlich
alle Männer kamen


Ich finde, das würde besser klingen. Eine weitere Anmerkung hätte ich noch: Und zwar geht es um die Groß- und Kleinschreibung der Versanfänge. Da erscheint es mir seltsam, dass du manche Wörter, die normalerweise klein geschrieben werden, groß schreibst, andere aber wieder klein. Ich persönlich fände es schöner, wenn alles klein wäre, was klein geschrieben werden muss.

Ohje, jetzt hört sich mein Beitrag zu deinem Gedicht nach sehr viel Gemecker an. So soll es aber nicht rüberkommen, denn ich habe mich gern mit deinem Gedicht beschäftigt und finde es auch sehr schön, auch wenn ich an einigen Stellen etwas kritisch gesehen habe. Besondern gelungen finde ich auch das dazugehörige Lied, das werde ich mir sicherlich noch öfter anhören.

Ich hoffe, du nimmst mir meine Kritik nicht übel und so verbleibe ich wie immer mit lieben Grüßen
Frodomir
 
Lieber @Frodomir Merci für deine substanzielle und tiefe Auseinandersetzung mit dem Lied/Gedicht.

Ein paar Gedanken von mir zu Deinen so gut belasteten und dargestellten Eindrücken:

Die Felder sind ja nichts Charakterhaftes. Wenn sie also als Subjekt sozusagen absichtlich den Tag hinter sich bringen (verdösen), dann entbehrt das einer inhärenten Metaphernlogik. Und zudem führt es zumindest bei mir zu einer gewissen Überladung, dass in Vers 3,4 und 5 jeweils ein neues Subjekt die Regie übernimmt. Dadurch gelingt es mir als Leser nicht so richtig, ein stimmiges Bild aufzubauen. Das Gesamte der ersten Strophe setzt sich meiner Meinung nach aus zu vielen einzelnen Eindrücken zusammen, die nicht harmonisch korrelieren wollen
Vielen Dank für die detaillierte Beschreibung, dessen, was dich hier stört. So, wie du es herleitest, kann ich es gut nachvollziehen. Nun ist ja die "Belebung" an sich toter Gegenstände in der Lyrik nichts völlig ungewöhnliches. Dennoch verstehe ich die Überladung , die hier entstehen kann. Richtig treffend finde ich das Aufdecken der nicht organisch hergeleiteten Bilder. Das ist tatsächlich nicht optimal gelücklit Dein Hinweis auf die jeweils führenden Subjekte ist ein wertvoller Ansatzpunkt für die Zukunft.

etwas holprig, und zwar konkret hier:

Die Frauen holten alle frischen
Tischtücher aus dem Schrank


Dadurch, dass hier die erste Silbe betont wird, gibt es meiner Meinung nach eine zu starke Betonung auf den Tisch und es wäre eine Überlegung wert, diesen einfach wegzulassen. Was meinst du?:
Mir gefällt der "Inhärente Singsang" , das manieristische in solchen Liedern ja sehr gut und diese "Wortgirlande" des Tisches flattert so schön über die Zeilen, in dem sie sich mehrfach wiederholt und wieder aufgenommen wird. Ich mag sowas sehr. Das gibt so einen inneren Gesang (für mich) im Äußeren. Gesang.

Ich weiß zudem, dass du im Gedicht keine Interpunktion nutzt, doch im Relativsatz in Vers 1 wäre es doch eine Überlegung wert, das Komma zu setzen.
Ganz bestimmt. Aber beim Übertragen ist nicht nur die Formatierung sondern auch so manches Satzzeichen und die Groß und Kleinschreibung verloren gegangen, wie mir an den ganzen Großbuchstaben aufgefallen ist durch deinen Kommentar. Das ist wirklich nicht schön.

Es war schon spät
als die Männer
endlich kamen
Das wird objektiv sicher holpern, empfinde ich aber auch nach selbstkritischer Würdigung nicht wirklich so. Hier gefällt mir das leicht angedeutete Staccato, das mit einer gewissen Schnelligkeit durch den doch recht langen Text führt gut: DIE Männer, DIE reiche Ernte, DEN Armen.

ch habe mich gern mit deinem Gedicht beschäftigt und finde es auch sehr schön, auch wenn ich an einigen Stellen etwas kritisch gesehen habe.
Vielen Dank, dass Du Dich wieder so werthaltig mit meinem Gedicht beschäftigt hast und für deine ehrliche Kritik, die gerade bei der Inkonsitnez der Bilder die du ansprachst mir auch einen ganz neuen Blick auf den eigenen text ermöglicht hat. Merci !

mes compliments

dio
 

Frodomir

Mitglied
Lieber Dionysos,

vielen Dank für deine Antwort auf meinen Kommentar. Ich habe das Lied zu deinem Gedicht gestern Abend noch ganz oft gehört, weil es mir so gut gefallen hat.

Mir gefällt der "Inhärente Singsang" , das manieristische in solchen Liedern ja sehr gut und diese "Wortgirlande" des Tisches flattert so schön über die Zeilen, in dem sie sich mehrfach wiederholt und wieder aufgenommen wird. Ich mag sowas sehr. Das gibt so einen inneren Gesang (für mich) im Äußeren. Gesang.
Ja, das kann ich absolut nachvollziehen. Auch wenn es metrisch vielleicht nicht perfekt ist, kann ich es auch beim Vorlesen ein bisschen anpassen. Es war mir nur wichtig, dir meinen Eindruck zu schildern, wenn ich dein Gedicht vor mir liegen habe.

Das wird objektiv sicher holpern, empfinde ich aber auch nach selbstkritischer Würdigung nicht wirklich so. Hier gefällt mir das leicht angedeutete Staccato, das mit einer gewissen Schnelligkeit durch den doch recht langen Text führt gut: DIE Männer, DIE reiche Ernte, DEN Armen.
Auch das verstehe ich. Es tut nicht Not, etwas glatt zu bügeln, was man gar nicht so glatt haben möchte. So bleibt es eigen, aber nicht minder schön.

Liebe Grüße
Frodomir
 



 
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