Ruhe vor dem Sturm

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lietzensee

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Wann hörte es auf
Dass es nicht mehr genügte
Die eigene Sicht mit sich zu tragen

Wann fing es an, dass man Menschen als Fratzen herabwürdigt und trotzdem glaubt, Verständigung zu predigen?

Es tut mir leid, Petra, aber hier hast du einen Balken im Auge.
lietzensee


...hier fehlt ein r, oder?
 
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petrasmiles

Mitglied
Lieber Lietzensee,

ein interessanter Kommentar und ich bin erst einmal baff. Kompliment!
Da zwingst Du mich zum Nachdenken und ich muss höllisch aufpassen, da jetzt nicht in Ausflüchte zu verfallen.

Zum Ersten sehe ich in 'Fratzen' nichts Herabwürdigendes, sondern eine Zustandsbeschreibung, derer wir alle fähig sind. Wenn man seine Gesichtszüge einfriert, um 'gute Miene zum bösen Spiel' machen zu können, trägt man eine Fratze. Schlimm ist nicht das Wort.

Zweitens kommt es immer auf die Perspektive an: Blicke ich als Betroffener auf einen gestörten Diskurs, oder bin ich ohnmächtiger Zuschauer eines Bubenstücks.

Und drittens habe ich sicher nicht mit meinem von Dir zitierten Statement unterstellt, dass man die Dinge nicht benennen darf. Das war keine Predigt - und man könnte auch darüber reden, wenn man jemandem eine Fratze unterstellt, aber das wird nicht passieren. Die Verständigung scheitert nicht am Autor.

Und um im biblischen Kontext zu bleiben: Jesus hat die Händler aus den Tempeln verjagt.

Wenn es Dich tröstet: Mir 'gefällt' dieser Text auch nicht, aber er musste raus, damit mir sein Gift (bzw. die Zustände, die das Gift hervorbringt) nicht den Tag vergällt.

Liebe Grüße
Petra

P.S. Ich sehe da kein fehlendes 'r' - oder ist da ein Grammatikfehler? Finde ich nicht.
 
Für einen Zornesausbruch gibt es sich noch recht beherrscht, liebe Petra. Ich finde es formal gut gelungen und auch inhaltlich nachvollziehbar. Dass ich selbst Kraftausdrücke ungern gebrauche und auch nicht gern lese, ist ja eher mein eigenes Problem. Dafür gefällt mir die Pointe mit dem ausgefallenen Wetterbericht im Zusammenhang mit nahendem Sturm gut als Metapher. Den wohl zugrunde liegenden allgemeinen Eindruck von aktueller Information und Diskussion habe ich leider jetzt auch oft.

Im Übrigen dürfte unser Kollege lietzensee damit recht haben, dass bei "überaltert" ein kleines "r" fehlt.

Freundliche Grüße
Arno Abendschön
 

petrasmiles

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Lieber Arno,

was bin ich für ein Blindfisch - ja, jetzt habe ich es auch gesehen und gleich korrigiert! Danke noch mal - auch an @lietzensee!

Dass ich selbst Kraftausdrücke ungern gebrauche und auch nicht gern lese, ist ja eher mein eigenes Problem.
Das geht mir eigentlich genauso! Und es ist mir gar nicht leichtgefallen, das A*wort zu schreiben, aber da musste ich über meine Selbstbeschränkung hinaus, sonst hätte ich den Text gar nicht schreiben brauchen.

Danke für Deine verständnisvolle Rückmeldung und die gute Bewertung.

Liebe Grüße
Petra
 

lietzensee

Mitglied
Hallo Petra,
vielen dank für deine Erklärung und das genaue Nachdenken über meinen Einwand. Kurz vorweg, als Text finde ich "Ruhe vor dem Sturm" durchaus gelungen. Die Bilder sind zumindest eindrücklich. Natürlich muss man auch Bissiges schreiben können.

Ich hatte einfach die zwei Texte von dir kurz nacheinander gelesen und dabei einen Widerspruch empfunden. Sicher kann man diskutieren, wo Zustandsbeschreibung aufhört und Herabwürdigung anfängt, aber Fratze, mit ihren Ärschen, Versager, der ganze Text schien ziemlich gehässig. Die Gesichter, die täglich in die Kameras grinsen, sind auch Menschen. Dieser ständige Zwang zum Blick in die Kamera stelle ich mir als schwere Belastung vor.

Und um im biblischen Kontext zu bleiben: Jesus hat die Händler aus den Tempeln verjagt.
Wie wollen wir heute festlegen, wer Jesus sein darf und wer Händler spielen muss? Auch hier sehe ich Anknüpfungspunkte zu deinem Text "Babylon"


Zweitens kommt es immer auf die Perspektive an: Blicke ich als Betroffener auf einen gestörten Diskurs, oder bin ich ohnmächtiger Zuschauer eines Bubenstücks.
Ich glaube nicht, dass wir Zuschauer sind. Spätestens, seit die Technik öffentliche Äußerungen so leicht macht, stehen wir alle mit auf der Bühne. Diese volle Bühne stellt die Kameragrinser vielleicht vor Aufgaben, bei denen sie nur versagen können. Ich wäre erleichtert, wenn die ganzen Probleme nur durch ein paar unfähige Volksvertreter kommen würden. Ich fürchte aber, die Versager sind wir alle.

Ich bin leider etwas unter Zeitdruck. Den Sturm sehe ich jedenfalls auch auf uns zukommen.

Viele Grüße
lietzensee
 
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petrasmiles

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Lieber lietzensee,

an diesem Argument ist etwas dran:
Ich fürchte aber, die Versager sind wir alle.
es ist wichtig, diesen Spiegel vorzuhalten, Deine Kritik ist schon allein in der Hinsicht berechtigt!
Das stelle ich nicht in Abrede. Aber ich würde es trotzdem nicht 'gehässig' nennen, weil meine Intention eher eine scharfe Beschreibung dessen ist, was ich sehe, nicht aber der Absicht folgt, jenen Übles zu unterstellen.
Das mag für manchen Leser keinen Unterschied machen, aber für mich schon.

Ich werde mich jetzt nicht in dieser Art Texte spezialisieren. Ich empfinde es selbst als 'grenzwertig', weil es im Grunde die Akteure entmenschlicht. Das muss ich zugestehen. Arno hat es mit 'Zorn' ganz gut auf den Punkt gebracht; ich bin nicht oft zornig. Was ist Zorn anderes, als zum Ausdruck gebrachte Hilflosigkeit?

Ich werde sicher nicht ins Lager der 'Verletzer' wechseln, aber manchmal packt mich schon die Verzweiflung, mit welcher Chuzpe die Regierenden agieren, und was das mit mir als Bürger macht.

Schön, dass wir das klären konnten.

Liebe Grüße
Petra
 



 
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