Drachen friss oder stirb
Tatsächlich wurde die Himalayaroute zu einem ernsten Problem für mich. Ich geriet in den schlimmsten Schneesturm den ich mir vorstellen konnte, saß tagelang fest in schroffen Felswänden weil ich kaum meine ausgestreckten Pfoten sehen konnte, so dicht war das Schneegestöber. Ein einziges Mal fand ich eine Höhle, aber dort wurde ich gleich wieder von einem vertrieben von einer unfreundlichen Kreatur mit weißem Fell. Zweimal wurde ich komplett zugeschneit, und es war so bitterkalt das ich bald anfing zu nießen. Es fliegt sich nicht gut mit Schnupfen, und deswegen kam ich auch bei besseren Flugbedingungen nicht recht voran.
Als ich endlich wärmere Gefilde erreichte, hustete ich auch, und ich fühlte mich so schwach, dass ich nur relativ kurze Strecken fliegen konnte. Zudem gab es kaum Wasser und fast nichts zu fressen weit und breit so dass mich Hunger und Durst mich bald dazu trieben, ausmahmsweise auch tagsüber zu fliegen.
Dieser Entschluss wäre mir fast zum Verhängnis geworden. Zwar entdeckte ich gleich am ersten Morgen eine wunderschön grüne Oase am Horizont, ich konnte sie aber nicht erreichen, auch nicht am nächsten oder übernächsten Tag. Schließlich war ich so schwach, dass ich mich nicht mehr vom Boden erheben konnte. Wahrscheinlich hatte ich mich in der Entfernung verschätzt.
Dies war eine ohnehin merkwürdige Gegend. Meines Wissens nach kommen sonst nirgendwo Menschen auf die Idee, sich zum Fliegen auf Teppiche zu setzen! Als es mir so richtig schlecht ging bremste so ein Teppich direkt neben mir im Sand. Der aufgewirbelte Staub reizte mich erst recht zum Husten. Der Pilot, ein großer, beleibter Mann mit einem schwarzen Bart, rückte seine Turban gerade, und beäugte mich kritisch.
"Boah, ist das ein Brocken", staunte der kleine Junge, der hinter ihm saß. "Papi, was ist das?"
"Ein gewöhnlicher Nordlanddrachen." Der Pilot stieg ab und schritt in gebührender Entfernung um mich herum. "Normalerweise ziehen sie viel weiter nördlich nachts in Ostwestrichtung. Hier sieht man sie so gut wie nie."
"Kann es sein, dass er sich hierhin verirrt hat weil er bei der Fata Morgana falsch abgebogen ist?"fragte der Junge. "Was ist mit ihm? Warum fliegt er nicht weiter?"
"Nun, das wissen wir gleich..." Der Pilot öffnete einen kleinen, bestickten Stoffbeutel und streute mir eine Prise leuchtend roten Pulvers ins Gesicht. Ich mußte nießen. „Der hat sich eine fieberige Erkältung eingefangen, muss ich als Tierarzt sagen. Als Magier diagnostiziere ich, dass sein inneres Feuer außer Kontrolle geraten ist. Schau, sein Leib glüht fast rostrot, wie bei den asiatischen Drachen, dabei müssten die Schuppen von Nordlanddrachen mehr oder weniger grün schimmern. Wenn er ausgebrannt ist wird er sterben.“
Der Junge stand vom Teppich auf und kam langsam näher. Weil er mich ständig anstarrte, passte er nicht auf wohin er seine Füße setzte und trat prompt in eine schwefelgelbe glibberige Masse. „Gell, das ist Drachenrotz,“ bemerkte er und ließ den Glibber in dicken Fäden von seinen nackten Füßen tropfen. „Ist Drachenrotz giftig?“
„Echter Drachenrotz ist ein vortreffliches Heilmittel für viele Beschwerden“, erklärte sein Vater. „Auf dem Markt von Bagdad wird Drachenrotz doppelt in Gold aufgewogen. Morgen wird er trocken genug sein um Popel daraus zu drehen.“
Nachdenklich stocherte der Junge mit dem Finger in meinem Glibber. “Kannst du ihn wieder gesund machen, Papi?“
„Geh weg da vorne. Wenn der jetzt loshustet verbrennst du“, nörgelte sein Vater.
„Kannst du ihn denn nicht wieder gesund machen?“ fragte der Junge erneut.
„Bleib auch da hinten weg. Der braucht nur einmal kurz mit dem Schwanz zu schlagen und du bist platt wie ein Frühstücksfladenbrot“, sagte sein Vater gereizt.
„Aber du hast sogar Murats Esel wieder gesund gemacht. Jeder kennt dich, Ben Aladin, einen der fleißigsten Tierärzte und einen der größten Magier des Landes...“
„Und einer der fleißigsten Taxiflieger weil die Honorare wieder nicht gezahlt wurden!“ Zornesrot ergriff der Pilot seinen Sohn und schüttelte ihn kräftig. „Jetzt sage ich es dir zum allerletzten Mal: Heilerei und vor allem Magie bringt nichts ein! Die Armen können nichts bezahlen und die Reichen wollen nichts bezahlen. Dein Großvater musste schließlich sogar seine Wunderlampe gegen diesen Teppich eintauschen. Wir werden bald nicht nur Drachenrotz, sondern auch Drachenschuppen, Drachenknochen, Drachensalami, Drachenschinken, und für den Export pulverisiertes Drachenblut verkaufen von einem riesengroßen Nordlanddrachen, und dann schicken wir dich bei dem tüchtigsten Kaufmann in die Lehre! Du wirst mir nicht als Taxiflieger enden!“
Mit hängendem Kopf schlich der Junge zurück zum Teppich und wartete, bis sein Vater den Teppich startete.
Dass die Menschen mir an die Gurgel wollten war nichts Neues, aber diesmal sah es gar nicht gut aus für mich. Der Taxipilot hatte recht. Ich konnte nicht mehr Feuer spucken wann ich wollte, ich hustete nur und nießte, und ich war inzwischen so schwach dass ich kaum meinen Kopf heben konnte.
Am nächsten Morgen kehrten die beiden zurück zum Popeldrehen. Der Junge sammelte das zäh gewordene Wabbelzeug in Eimern und der Vater formte handliche Ballen daraus, die er dann sorgfältig in einem großen, mit feinem Stoff ausgeschlagenen Korb hinten auf dem Teppich platzierte. „Lange geht das nicht mehr mit dem Drachen“, bemerkte der Vater gut gelaunt, "wenn er hustet ist der Rauch schon ganz dunkel."
Sein Sohn hatte ihn vermutlich nicht gehört. Der kletterte auf der anderen Seite bis dicht an mein Ohr. "Bitte friss, du musst wieder gesund werden sonst muss ich ein Kaufmann werden", wisperte er, stopfte mir einen undefinierbar schmeckenden Kloß in den Maulwinkel, und war schon wieder beim Rotzsammeln.
Zumindest ging es mir nicht schlechter nachdem ich den Kloß geschluckt hatte.
"Ist das ein zählebiger Bursche", brummte der der Taxiflieger am folgenden Morgen. "Gestern hätte ich schwören können, dass es mit jedem Tag zu Ende geht mit dem Drachen, aber so wie er heute da liegt, macht er es noch eine Weile."
"Wir können ja ins Nordland fliegen und dort Drachenrotz sammeln wenn der Drachen wieder gesund wird", schlug der Junge vor.
"Rede nicht so einen Blödsinn", blaffte sein Vater. "Im Nordland regnet es fast jeden Tag und manchmal ist es so kalt, dass es friert. Da können keine Teppiche fliegen, und du weißt auch, warum."
"Bei Nässe erhöht sich die Gefahr des stabilen Sackfluges. Im Extremfall kann ein vollständiger Stömungsabriss erfolgen, ein Absturz ist dann nicht mehr zu vermeiden. Bei Frost versagt die Teppichsteuerung", sprach der Junge artig.
"Na also", knurrte sein Vater.
Schon wieder war der Junge dicht bei mir und stopfte mir einen neuen Kloß ins Maul. "Keine Angst, ich verstehe schon ein bisschen vom Zaubern", flüsterte er "und wenn es die besser geht flieg bloß nicht weiter nach Süden, sondern nach Westen, wenn es dir."
In diesem Augenblick entdeckte der Taxiflieger seinen Sohn. "Habe ich es nicht geahnt", schimpfte er rasend vor Wut, rannte auf mich zu und zog den Jungen an den mageren Beinen von meinem Hals herunter. "Dir werde ich helfen, das ganze schöne Geschäft einfach kaputt zu zaubern", schnaubte er während er dem Jungen den Hintern versohlte.
"Ich dachte, wenn sich Drachenrotze verkaufen läßt, müsste sich auch die schwarze Pampe, die hier überall aus den Erdlöchern quillt zu Gold machen lassen", weinte der Junge.
"Du bist so dämlich dass aus dir wirklich kein Kaufmann werden kann", moserte sein Vater schließlich. "Mit Fackelpech reich werden wollen ist das Dümmste was ich je gehört habe! Dann werde eben Zauberer!"
Tatsächlich fühlte ich mich am Abend so kräftig, dass ich weiterfligen konnte.
Tatsächlich wurde die Himalayaroute zu einem ernsten Problem für mich. Ich geriet in den schlimmsten Schneesturm den ich mir vorstellen konnte, saß tagelang fest in schroffen Felswänden weil ich kaum meine ausgestreckten Pfoten sehen konnte, so dicht war das Schneegestöber. Ein einziges Mal fand ich eine Höhle, aber dort wurde ich gleich wieder von einem vertrieben von einer unfreundlichen Kreatur mit weißem Fell. Zweimal wurde ich komplett zugeschneit, und es war so bitterkalt das ich bald anfing zu nießen. Es fliegt sich nicht gut mit Schnupfen, und deswegen kam ich auch bei besseren Flugbedingungen nicht recht voran.
Als ich endlich wärmere Gefilde erreichte, hustete ich auch, und ich fühlte mich so schwach, dass ich nur relativ kurze Strecken fliegen konnte. Zudem gab es kaum Wasser und fast nichts zu fressen weit und breit so dass mich Hunger und Durst mich bald dazu trieben, ausmahmsweise auch tagsüber zu fliegen.
Dieser Entschluss wäre mir fast zum Verhängnis geworden. Zwar entdeckte ich gleich am ersten Morgen eine wunderschön grüne Oase am Horizont, ich konnte sie aber nicht erreichen, auch nicht am nächsten oder übernächsten Tag. Schließlich war ich so schwach, dass ich mich nicht mehr vom Boden erheben konnte. Wahrscheinlich hatte ich mich in der Entfernung verschätzt.
Dies war eine ohnehin merkwürdige Gegend. Meines Wissens nach kommen sonst nirgendwo Menschen auf die Idee, sich zum Fliegen auf Teppiche zu setzen! Als es mir so richtig schlecht ging bremste so ein Teppich direkt neben mir im Sand. Der aufgewirbelte Staub reizte mich erst recht zum Husten. Der Pilot, ein großer, beleibter Mann mit einem schwarzen Bart, rückte seine Turban gerade, und beäugte mich kritisch.
"Boah, ist das ein Brocken", staunte der kleine Junge, der hinter ihm saß. "Papi, was ist das?"
"Ein gewöhnlicher Nordlanddrachen." Der Pilot stieg ab und schritt in gebührender Entfernung um mich herum. "Normalerweise ziehen sie viel weiter nördlich nachts in Ostwestrichtung. Hier sieht man sie so gut wie nie."
"Kann es sein, dass er sich hierhin verirrt hat weil er bei der Fata Morgana falsch abgebogen ist?"fragte der Junge. "Was ist mit ihm? Warum fliegt er nicht weiter?"
"Nun, das wissen wir gleich..." Der Pilot öffnete einen kleinen, bestickten Stoffbeutel und streute mir eine Prise leuchtend roten Pulvers ins Gesicht. Ich mußte nießen. „Der hat sich eine fieberige Erkältung eingefangen, muss ich als Tierarzt sagen. Als Magier diagnostiziere ich, dass sein inneres Feuer außer Kontrolle geraten ist. Schau, sein Leib glüht fast rostrot, wie bei den asiatischen Drachen, dabei müssten die Schuppen von Nordlanddrachen mehr oder weniger grün schimmern. Wenn er ausgebrannt ist wird er sterben.“
Der Junge stand vom Teppich auf und kam langsam näher. Weil er mich ständig anstarrte, passte er nicht auf wohin er seine Füße setzte und trat prompt in eine schwefelgelbe glibberige Masse. „Gell, das ist Drachenrotz,“ bemerkte er und ließ den Glibber in dicken Fäden von seinen nackten Füßen tropfen. „Ist Drachenrotz giftig?“
„Echter Drachenrotz ist ein vortreffliches Heilmittel für viele Beschwerden“, erklärte sein Vater. „Auf dem Markt von Bagdad wird Drachenrotz doppelt in Gold aufgewogen. Morgen wird er trocken genug sein um Popel daraus zu drehen.“
Nachdenklich stocherte der Junge mit dem Finger in meinem Glibber. “Kannst du ihn wieder gesund machen, Papi?“
„Geh weg da vorne. Wenn der jetzt loshustet verbrennst du“, nörgelte sein Vater.
„Kannst du ihn denn nicht wieder gesund machen?“ fragte der Junge erneut.
„Bleib auch da hinten weg. Der braucht nur einmal kurz mit dem Schwanz zu schlagen und du bist platt wie ein Frühstücksfladenbrot“, sagte sein Vater gereizt.
„Aber du hast sogar Murats Esel wieder gesund gemacht. Jeder kennt dich, Ben Aladin, einen der fleißigsten Tierärzte und einen der größten Magier des Landes...“
„Und einer der fleißigsten Taxiflieger weil die Honorare wieder nicht gezahlt wurden!“ Zornesrot ergriff der Pilot seinen Sohn und schüttelte ihn kräftig. „Jetzt sage ich es dir zum allerletzten Mal: Heilerei und vor allem Magie bringt nichts ein! Die Armen können nichts bezahlen und die Reichen wollen nichts bezahlen. Dein Großvater musste schließlich sogar seine Wunderlampe gegen diesen Teppich eintauschen. Wir werden bald nicht nur Drachenrotz, sondern auch Drachenschuppen, Drachenknochen, Drachensalami, Drachenschinken, und für den Export pulverisiertes Drachenblut verkaufen von einem riesengroßen Nordlanddrachen, und dann schicken wir dich bei dem tüchtigsten Kaufmann in die Lehre! Du wirst mir nicht als Taxiflieger enden!“
Mit hängendem Kopf schlich der Junge zurück zum Teppich und wartete, bis sein Vater den Teppich startete.
Dass die Menschen mir an die Gurgel wollten war nichts Neues, aber diesmal sah es gar nicht gut aus für mich. Der Taxipilot hatte recht. Ich konnte nicht mehr Feuer spucken wann ich wollte, ich hustete nur und nießte, und ich war inzwischen so schwach dass ich kaum meinen Kopf heben konnte.
Am nächsten Morgen kehrten die beiden zurück zum Popeldrehen. Der Junge sammelte das zäh gewordene Wabbelzeug in Eimern und der Vater formte handliche Ballen daraus, die er dann sorgfältig in einem großen, mit feinem Stoff ausgeschlagenen Korb hinten auf dem Teppich platzierte. „Lange geht das nicht mehr mit dem Drachen“, bemerkte der Vater gut gelaunt, "wenn er hustet ist der Rauch schon ganz dunkel."
Sein Sohn hatte ihn vermutlich nicht gehört. Der kletterte auf der anderen Seite bis dicht an mein Ohr. "Bitte friss, du musst wieder gesund werden sonst muss ich ein Kaufmann werden", wisperte er, stopfte mir einen undefinierbar schmeckenden Kloß in den Maulwinkel, und war schon wieder beim Rotzsammeln.
Zumindest ging es mir nicht schlechter nachdem ich den Kloß geschluckt hatte.
"Ist das ein zählebiger Bursche", brummte der der Taxiflieger am folgenden Morgen. "Gestern hätte ich schwören können, dass es mit jedem Tag zu Ende geht mit dem Drachen, aber so wie er heute da liegt, macht er es noch eine Weile."
"Wir können ja ins Nordland fliegen und dort Drachenrotz sammeln wenn der Drachen wieder gesund wird", schlug der Junge vor.
"Rede nicht so einen Blödsinn", blaffte sein Vater. "Im Nordland regnet es fast jeden Tag und manchmal ist es so kalt, dass es friert. Da können keine Teppiche fliegen, und du weißt auch, warum."
"Bei Nässe erhöht sich die Gefahr des stabilen Sackfluges. Im Extremfall kann ein vollständiger Stömungsabriss erfolgen, ein Absturz ist dann nicht mehr zu vermeiden. Bei Frost versagt die Teppichsteuerung", sprach der Junge artig.
"Na also", knurrte sein Vater.
Schon wieder war der Junge dicht bei mir und stopfte mir einen neuen Kloß ins Maul. "Keine Angst, ich verstehe schon ein bisschen vom Zaubern", flüsterte er "und wenn es die besser geht flieg bloß nicht weiter nach Süden, sondern nach Westen, wenn es dir."
In diesem Augenblick entdeckte der Taxiflieger seinen Sohn. "Habe ich es nicht geahnt", schimpfte er rasend vor Wut, rannte auf mich zu und zog den Jungen an den mageren Beinen von meinem Hals herunter. "Dir werde ich helfen, das ganze schöne Geschäft einfach kaputt zu zaubern", schnaubte er während er dem Jungen den Hintern versohlte.
"Ich dachte, wenn sich Drachenrotze verkaufen läßt, müsste sich auch die schwarze Pampe, die hier überall aus den Erdlöchern quillt zu Gold machen lassen", weinte der Junge.
"Du bist so dämlich dass aus dir wirklich kein Kaufmann werden kann", moserte sein Vater schließlich. "Mit Fackelpech reich werden wollen ist das Dümmste was ich je gehört habe! Dann werde eben Zauberer!"
Tatsächlich fühlte ich mich am Abend so kräftig, dass ich weiterfligen konnte.