Schaffen & Versengen

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Bobojewski

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Ich bin kein Gedicht.
Ich bin die Verse des Achilles.
Jean d’Arcs Scheiterhaufen,
Napoleons Waterloo.
Ich bin die eiserne Maske, die auf ein Gesicht wartet.


Ich bin Van Goghs Ohr.
Der Schatten auf Rembrandts Leinwand.
Edvard Munch malte mich, als ich versuchte zu lachen,
und ich stand schon Hieronymus Bosch Portrait
für absurde Gestalten – er traf mich immer ganz gut.


Ich bin der Strick des Galgens,
das Öl der Gouillutine.
Ich bin Kafkas Gesetz.
Oberstaatsanwalt eines Gewissens,
das sich auf Kopfsteinpflaster übergibt.


Ich bin Tolstois Tripper,
der bärtige Visionen der Askese
die Leistengegend aufwärts pumpt.
Ich bin Dostojewskis Ass im Ärmel
- und er verliert trotzdem - oder gerade deswegen.


Ich bin der Krebs, der Gott verhöhnt –
apropos: Ich war sein Totengräber.
Nachdem ich die feuchte Erde plattgeschlagen hatte,
zündete ich mir eine Zigarette an
und spuckte aus, herunter auf Nietzsche.


Thomas Bernhards kranke Lunge.
Ich bin der Riss im Innern.
Das Pochen in Adern.
Ich bin der Mond,
der auf den Darm von Paganinis G-Saite scheint.


Sartres Ekel. Camus‘ Pest.
Hemingways Schrot. Kleists Kugel.
Faulkners Bourbon.
Ein faulender Apfel in Schillers Schublade.
Ein Furunkel auf Goethes gepudertem Arsch.
 

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"Erlauben Sie, dass ich mich vorstell...." ?

Starker, starker Text!!!! Mir sind nur drei Kleinigkeiten aufgefallen:

Ich bin die Verse des Achilles. - ist hier nicht eher die Ferse gemeint?


für absurde Gestalten – er traf mich immer ganz gut. - den Satz hätte ich ganz weggelassen,weil unnötig. Der hat was von Erklärbär.


der auf den Darm von Paganinis G-Saite scheint. - Eine Darm-Saite IST aus Darm, aber sie hat keinen. Der Satz klingt aber nach letzterem und das hat unfreiwillige Komik.
Auf jeden Fall ein Text, den ich sicher nicht zum letzten Mal gelesen habe. Sehr gelungen!
Besonders stark fand ich

Edvard Munch malte mich, als ich versuchte zu lachen,

LG,
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