Schlehdorn und Sanddorn

Schlehdorn und Sanddorn

Tief im Wald lebte einst einsam ein junges Ehepaar. Sie liebten sich so innig, daß sie sich selbst genügten und nichts und niemanden vermissten. So unermesslich groß war ihr Glück, daß das Leuchten ihrer Augen Nachts die Dunkelheit erhellte und die Wärme ihrer Herzen den Kamin ersetzte. Zu ihrer beider Freude kündigte sich auch bald die Ankunft eines Kindleins an und ihr größtes Vergnügen bestand darin, sich während des gemeinsamen Tagewerks fantasievolle Namen für den Nachwuchs auszudenken.

Doch als es endlich so weit war, starb die Mutter schon bald nach der Geburt.
Sie hatte Zwillingen das Leben geschenkt, was zu damaligen Zeit recht selten und auch nicht ungefährlich war. Ihr Mann war untröstlich ob des schweren Verlustes und wären die beiden Sprösslinge nicht gewesen, wäre er ihr wohl bald ins Paradies gefolgt.

In seiner Trauer hatte er all die hübschen Namen vergessen, die er sich mit seiner Frau gemeinsam ausgedacht hatte und als er eines schönen Herbsttags durch den Garten ging, stach ihm die Ähnlichkeit zweier Büsche mit seinen beiden Buben ins Auge.
So nannte er den Ältesten Schlehdorn, da dessen Augen tief blau wie Schlehen schimmerten und dem Jüngeren gab er den Namen Sanddorn, da dessen Haar so hellrot wie die reife Sanddornbeeren leuchteten.

Nun wuchsen die beiden zwar glücklich und zufrieden in der liebevollen Obhut ihres Vaters auf, doch der hatte solch einen Narren an ihnen gefressen, daß ihm auch nicht ein einziges gestrenges Wort über die Lippen kam, egal welchen Schabernack die beiden auch ausheckten. So entwickelten sie sich bald zu zwei rechten Lausbuben, die allerlei Unsinn im Kopf hatten und weit und breit gab es niemanden, der sie auch nur ein wenig hätte zur Resong bringen können.

Es dauerte nicht lange, da waren Schlehdorn und Sanddorn bei allen Wesen des Waldes wegen ihrer spitzbübischen Art und ihrer neckischen Streiche gefürchtet.
Einzig und allein eine Zwergenfrau mied die beiden nicht, denn sie hatte Mitleid mit den mutterlos aufwachsenden Buben. Wann immer sie ihnen begegnete, ließ sie ihnen etwas Gutes zukommen, mal eine frischgebackene Brezel, mal ein Krüglein süßesten Honigs oder eine Schweinsblase voll frischer Ziegenmilch.

Gern nahmen die beiden Halbwüchsigen diese guten Gaben an. Doch Undank ist der Welt Lohn und bald kamen sie auf die Idee, die Zwergin einzufangen und zu Hause in eine Art Stall zu sperren. Pfiffig wie die beiden nun mal waren, hatten sie nämlich bemerkt, daß die kleine Frau all die Köstlichkeiten einfach jederzeit aus ihrem Ärmel zaubern konnte und das bedeutete ein Leben in Hülle und Fülle ohne Müh und Arbeit.

Gedacht, getan ... fix wurde ein kleiner Stall gebaut, auf einem der Streifzüge durch die Wälder die ahnungslose Zwergenfrau gepackt, in einem Sack verstaut und eh sie sich versah, landete sie unsanft in ihrem Gefängnis. All ihr Weinen und Wehklagen half da nichts.
Was für eine bittere Erfahrung. Die drei Männer indes lebten von nun an in Saus und Braus bis sich eines guten Tages das Blatt wenden sollte ...

Es trug sich nämlich zu, daß eines schönen Wintertages eine Hermelindame und eine Schneeeule in der Nähe des Dreimännerhauses Rast von ihren Beutezügen machten. Da die Zwergenfrau Zauberkräfte besaß, erkannte sie sofort die wahre Identität dieser kleinen Raubtiere. Es waren die zwei resoluten Bauerntöchter, die ihr Mann dereinst in Tiere verwandelt hatte, weil diese mit ihrer Überheblichkeit die ganze Männerwelt weit und breit derart schikaniert hatten, daß es zu einer Stadtflucht der Burschen im heiratsfähigen Alter gekommen war und die Felder zukünftig brach zu liegen drohten.
Mit freundlicher Stimme rief sie die Tierchen zu sich, um ihnen ein weises Angebot zu machen, welches dem Wohle aller dienen sollte.
Geheimnisvoll flüsterten und tuschelten die Frauen miteinander und bald waren sie sich einig.

Morgentau und Apfelblüte, die beiden verzauberten Bauerntöchter befreiten die Zwergenfrau aus dem Verschlag und im Gegenzug gab diese ihnen ihre einstmalige Gestalt zurück. Die beiden reckten und streckten sich und hatten in all den Jahren nichts von ihrer Schönheit eingebüßt. Einzig und allein ihr boshaftes Wesen war verschwunden, ohne daß sie jedoch auch nur einen Funken ihrer Willenskraft verloren hatten.

So klopften nun die Mädel mutig an der Tür und baten um Einlass und Schutz vor der Kälte. Wie gebannt starrten Schlehdorn und Sanddorn die beiden bezaubernden Wesen an.
So etwas Schönes war ihnen ihr Lebtag lang noch nicht begegnet und sie konnte ihre Blicke nicht von ihnen wenden.
Beide waren auf Anhieb verliebt und zeigten sich von nun an nur noch von ihrer besten Seite.

Frau Zwergin beobachtete diese Begegnung aus der Ferne und war´s zufrieden.

Als der Frühling ins Land ging, war ein Hämmern und Sägen durch den Wald zu hören und bald sprach sich herum, daß zwei hübsche kleine Holzhäuschen im Entstehen waren und es in nicht allzu ferner Zukunft eine Doppelhochzeit geben sollte.

Schlehdorn himmelte seine Apfelblüte an und Sanddorn legte Morgentau sein Herz zu Füßen.
Ein Jahr nach der Vermählung erblickten ein zartes, blauäugiges Mädchen und ein kräftiger, rothaariger Bub das Licht der Welt. Die glücklichen Eltern dankten Gott und der stolze Großvater ließ sich jede Menge Bücher über Erziehungsfragen schicken, um diesmal besser gewappnet zu sein. Doch da er nicht lesen konnte, wurden sie allesamt bald auf dem Speicher verstaut und er stellte fest, daß sein Herz der beste Ratgeber war.
Zwerg und Zwergin wurde die Ehre zuteil, Taufpaten der beiden Neugeborenen zu sein und alle Bewohner des Waldes wurden zu einem fröhlichen Fest eingeladen, von dem man noch lange sprechen sollte.

Da waren wieder alle glücklich und zufrieden und wenn sie nicht gestorben sind,
dann leben sie noch heute.


zwinkernd
Gänseblümchen
 

Frank Zimmermann

Junior Mitglied
Ach ja

Ach ja, würden wir doch alle noch in der Zeit leben, da man noch Ziegenmilch aus Schweinsblasen trank (*gulp*), dann hätten alle Pädagogen und alle Emanzen all ihre Mühen nicht nötig, denn alles würde sich, allein durch die Kraft der Liebe, ganz von selber regeln.

Danke für Deinen Beitrag, zurückzwinkernd,
 
die Kraft der Liebe

Ja Frank,

ich muß es wohl zugeben, manchmal möchte ich gern einfach nur ganz naiv an die Kraft der Liebe glauben und wünschte mir, daß sich Dinge anders regeln ließen als es momentan in der Welt mal wieder notwendig zu sein scheint.

ab und zu ein wenig träumend
Gänseblümchen
 



 
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