Ich war sparsam mit meinen sechshundert Worten, und so reicht es auch diesmal für ein Vorwort. Großzügig ausgelegt – abermals – wurde von mir das vorgegebene Thema. Dabei war es eine Sache von Minuten, zu schnell vorbei war das Vergnügen, zu Tiffys Idee etwas zu schreiben. Wobei ich an einer Stelle innehielt, um den phonetischen Klang eines Wortes zu verifizieren (Prospektivität).
Wie auch immer, alle Beschreibungen sind fiktiv, seien sie noch so banal oder provokativ. Als Triggerwarnung erscheint mir der Hinweis angebracht, dass mentale Gesundheit vorausgesetzt wird.
Nachricht aus dem Jenseits [M.Fallik]
Während der letzten Jahre meines kümmerlichen Lebens macht es für mich keinen Unterschied, ob ich wach bin oder in einem traumgeplagten Schlaf versinke. Die Anzahl besorgniserregender Vorkommnisse hält sich die Waage, Gesichter kommen und gehen ... wenn es klingelt, steht niemand vor der Tür. Nur wenig konkrete Anhaltspunkte überzeugen mich von der Anwesenheit unumstößlicher Realität. Ein Fixpunkt, wie der Anblick der Göttin Libertas im Hafen von New York, ist mir das Wiedererkennen meiner erhobenen Hand im Toilettenspiegel, rechterhand statt Fackel eine grelle Zahnbürste. Ich schlage mir kaltes Wasser ins Gesicht, beobachte argwöhnisch den Verlauf der Tropfen auf dem Läufer zum Zimmer, in dem mein Leben wohnt. Wenn auf dem Kaminsims die Menge der Urnen die vergilbten Hochzeitsbilder verdeckt, die Asche auf den kümmerlich verbliebenen Gesichtern graue Schatten wirft, meine Blase entleert, Kaffee verschüttet, sorgsam die krümeligen Reste von Vollkorn und Cheddar vom Tisch gewischt, fühl ich Bedeutung in mir aufsteigen.
Meine von Altersflecken gezeichnete Hand, in faltige gelbe Haut gekleidet, pyjamaumschmeichelt und in kostspielig gepflegten Nägeln auslaufend, bleibt an einem Schriftstück hängen, als wäre ein Nagel – diesmal billig und bösartig in seiner Substanz – als wäre die zerstörerische Spur eines Nagels quer über ihre Lebenslinien gerissen.
Nun reiß ich ... reiße das Kuvert, lass von Ungeduld und Neugierde affektierte Beherrschtheit niederreißen, reiße die Augen auf, lass Pupillen und Morgenlicht erblühen.
Die Nachricht ist in ihrer Banalität brutal:
Morgen um 20 Uhr im Wald an der großen Eiche. Sei pünktlich...
Ich falle zurück in Behäbigkeit, lass mich zurücksinken – der holzige Küchenstuhl empfängt mich wie der knorrige Schoß einer betagten Hure. Nur wenig später – in der Traumwelt spielen Sekunden, selbst Minuten keine bedeutende Rolle – drängt anbiedernd und wichtigtuerisch ein Gedanke in meine Leere:
WIE LANGE LIEGT DIESE NACHRICHT SCHON DORT?
Die aufkommende Hyperventilation meines katarischen Atems verschafft mir Luft, gibt mir Zeit zum Erinnern und drängt mich aus dem warmen Schoß der Hure hinaus in die Bereiche meiner Wohnstatt, die ich seit Jahren nicht mehr betrete. Staub, Nebel?
Nur unterschieden durch den Anteil der Luftfeuchtigkeit lässt sich beweisen, warum und wodurch die klare Sicht in den verwaisten Räumen dieses Lofts getrübt wird. Spielt sich das alles in meinem der Klarsicht beraubten Hirn ab? Noch während ich grübel, finde ich weitere verzettelte Blätter, Briefe aus dem Jenseits, meiner konspirativ geprägten Prospektivität entsprungenen Anweisungen an ein zukünftiges Ich und dabei ahne ich – wie ein Lufthauch aus der Wirklichkeit ... in meinem Leben gibt es weder Wald noch Pünktlichkeit.
Spät am Abend, nachdem mir, vor schlaftrunkenen Augen, ein Buch über die Kunst des Vergessens aus den Händen fällt, übermannt mich Traum und Erinnerung. Gleich einem Dirigenten rage ich vor dem Neverlove National Symphonic Orchestra auf, lass Pauken erklingen – und mit jedem dröhnenden Schlag sehe ich klarer den Grund für die seltsamen Nachrichten.
Aus morgen wird heute, ich bin auf dem Weg. Doch der Tag und die Zeit ist vorbei, ich komme abermals zu spät, um zu verhindern, was unter den ausladenden Ästen der Eiche geschieht.
Die ledernen Schuhe an meinen Füßen baumeln im Wind. Geschenkt von Perdita, bevor sie aus meinem und ihrem Leben verschwand.
Wie auch immer, alle Beschreibungen sind fiktiv, seien sie noch so banal oder provokativ. Als Triggerwarnung erscheint mir der Hinweis angebracht, dass mentale Gesundheit vorausgesetzt wird.
Nachricht aus dem Jenseits [M.Fallik]
Während der letzten Jahre meines kümmerlichen Lebens macht es für mich keinen Unterschied, ob ich wach bin oder in einem traumgeplagten Schlaf versinke. Die Anzahl besorgniserregender Vorkommnisse hält sich die Waage, Gesichter kommen und gehen ... wenn es klingelt, steht niemand vor der Tür. Nur wenig konkrete Anhaltspunkte überzeugen mich von der Anwesenheit unumstößlicher Realität. Ein Fixpunkt, wie der Anblick der Göttin Libertas im Hafen von New York, ist mir das Wiedererkennen meiner erhobenen Hand im Toilettenspiegel, rechterhand statt Fackel eine grelle Zahnbürste. Ich schlage mir kaltes Wasser ins Gesicht, beobachte argwöhnisch den Verlauf der Tropfen auf dem Läufer zum Zimmer, in dem mein Leben wohnt. Wenn auf dem Kaminsims die Menge der Urnen die vergilbten Hochzeitsbilder verdeckt, die Asche auf den kümmerlich verbliebenen Gesichtern graue Schatten wirft, meine Blase entleert, Kaffee verschüttet, sorgsam die krümeligen Reste von Vollkorn und Cheddar vom Tisch gewischt, fühl ich Bedeutung in mir aufsteigen.
Meine von Altersflecken gezeichnete Hand, in faltige gelbe Haut gekleidet, pyjamaumschmeichelt und in kostspielig gepflegten Nägeln auslaufend, bleibt an einem Schriftstück hängen, als wäre ein Nagel – diesmal billig und bösartig in seiner Substanz – als wäre die zerstörerische Spur eines Nagels quer über ihre Lebenslinien gerissen.
Nun reiß ich ... reiße das Kuvert, lass von Ungeduld und Neugierde affektierte Beherrschtheit niederreißen, reiße die Augen auf, lass Pupillen und Morgenlicht erblühen.
Die Nachricht ist in ihrer Banalität brutal:
Morgen um 20 Uhr im Wald an der großen Eiche. Sei pünktlich...
Ich falle zurück in Behäbigkeit, lass mich zurücksinken – der holzige Küchenstuhl empfängt mich wie der knorrige Schoß einer betagten Hure. Nur wenig später – in der Traumwelt spielen Sekunden, selbst Minuten keine bedeutende Rolle – drängt anbiedernd und wichtigtuerisch ein Gedanke in meine Leere:
WIE LANGE LIEGT DIESE NACHRICHT SCHON DORT?
Die aufkommende Hyperventilation meines katarischen Atems verschafft mir Luft, gibt mir Zeit zum Erinnern und drängt mich aus dem warmen Schoß der Hure hinaus in die Bereiche meiner Wohnstatt, die ich seit Jahren nicht mehr betrete. Staub, Nebel?
Nur unterschieden durch den Anteil der Luftfeuchtigkeit lässt sich beweisen, warum und wodurch die klare Sicht in den verwaisten Räumen dieses Lofts getrübt wird. Spielt sich das alles in meinem der Klarsicht beraubten Hirn ab? Noch während ich grübel, finde ich weitere verzettelte Blätter, Briefe aus dem Jenseits, meiner konspirativ geprägten Prospektivität entsprungenen Anweisungen an ein zukünftiges Ich und dabei ahne ich – wie ein Lufthauch aus der Wirklichkeit ... in meinem Leben gibt es weder Wald noch Pünktlichkeit.
Spät am Abend, nachdem mir, vor schlaftrunkenen Augen, ein Buch über die Kunst des Vergessens aus den Händen fällt, übermannt mich Traum und Erinnerung. Gleich einem Dirigenten rage ich vor dem Neverlove National Symphonic Orchestra auf, lass Pauken erklingen – und mit jedem dröhnenden Schlag sehe ich klarer den Grund für die seltsamen Nachrichten.
Aus morgen wird heute, ich bin auf dem Weg. Doch der Tag und die Zeit ist vorbei, ich komme abermals zu spät, um zu verhindern, was unter den ausladenden Ästen der Eiche geschieht.
Die ledernen Schuhe an meinen Füßen baumeln im Wind. Geschenkt von Perdita, bevor sie aus meinem und ihrem Leben verschwand.
Zuletzt bearbeitet: