Schreiben (für dich)

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Rachel

Mitglied
schreiben (für dich)

wie die katze das haus verlässt
und dann schreiben
wie die katze das haus verlässt und du
mir eine frage stellst
die keine antwort braucht
und mich damit durchleuchtend ansiehst als ob
ich einen stift für uns hätte
bis die katze das haus wieder betritt
den erdkreis hinter sich verlässt und uns reinzieht
uns mit uns ansieht
das hungerschälchen voll
verlassen
 

sufnus

Mitglied
Hey Rachel,
mir gefallen die Zeilen sehr gut! Ich mag die Sprache, die formal größtenteils eher nüchtern wirkt, aber dabei doch sehr zugewandt ist und Emotionen zulässt.
Inhaltlich lese ich von einem Ich, einem Du und einer Hauskatze, was nach einem recht schönen familiären Idyll klingt, doch am Ende steht eine Verlassenheit, die m. E. den "Zugangs-Code" für das Gedicht definiert.
Den Schluss könnte man dabei so lesen, dass das "hungerschälchen voll verlassen" wurde (will heißen: entweder das Schälchen wurde in vollem Zustand zurückgelassen oder das "voll" ist eine umgangssprachliche Steigerung von "verlassen). Oder man liest nach dem "voll" einen Punkt mit und das "verlassen" stellt einen neuen "Satz" dar (wenn man hier von einem Satz reden möchte), dann könnte "verlassen" sich auf jeden der in dem Gedicht genannten beziehen und alle sind irgendwie verlassen. Letzte Variante, dass "verlassen" ist eine partizipiale Ergänzung zu dem letztgenannten Subjekt und das wäre dann die Katze, die bei dieser Deutung von lyr. Ich und Du verlassen wurde.
Von diesen rein sprachlichen Deutungen sind einige wahrscheinlicher als andere, aber bei einem Gedicht geht es ja nicht darum per Wahrscheinlichkeitsrechnung eine Plausibilität herzustellen, entscheidend ist das Momentum der Verlassenheit, die ein Angebot an die Leser*innen darstellt, die Zeilen mit unterschiedlichen Perspektiven zu ergänzen.
Meine Lieblingszeile ist übrigens, wie die Katze "uns mit uns ansieht". Diese Zeile rückt die Katze einerseits in den Mittelpunkt des Geschehens und andererseits erwächst aus der "Katzenbetrachung" (wer betrachtet da wen?) eine Erkenntis über das "lyrische wir" des Gedichts.
LG!
S.
 

Rachel

Mitglied
Hui, lieber Sufnus! Herzlichen Dank! Das ist eine gekonnt detaillierte Lesart, wunderbar und beruhigend; ich schrieb es morgens weg und vertraute drauf, dass genug, aber nicht zu viel angedeutet ist, dass die Phantasie um ein Paar Mischung und Reiz hergeben. Du hast recht: Aus dem Verlassen heraus, stimmt jede Deutung eine Möglichkeit an.

Die altersschwache Katze in der Nachbarschaft hat jetzt für immer Haus, Umgebung und damit uns alle verlassen und damit angesehen. Davor, all die Jahre, schlich sie einem beeindruckend langsam um die Augen; zuletzt konnte sie kaum noch schlucken, was dann zum Hungerschälchen wurde.

Bye, Nele.

Hei lieber Scal und dicker Gruß an Ubertas, ich danke für euren Besuch. :)
 

sufnus

Mitglied
Hey Nele!
Hoffentlich hat das Kätzchen ein paar schöne Katzengedanken beim Nachhauseweg gehabt!
LG!
S.
 

Rachel

Mitglied
katzen graben

für ihre letzte (auszudiskutierende) ruhe
katzab in die tiefkühltruhe

dann kümmerndes madiges warten
unter dem blühenden insektengarten

und da - ha! - eiskalt um den erdigen leib
wandeln sich die gruselzeilen leicht

womöglich kommt sie ja wieder!
aus kings friedhof der kuschellieder
 

sufnus

Mitglied
Hey Nele!

… ich bin etwas zartbesaitet. King würde ich daher niemals lesen.
Aber einem Friedhof der Kuschellieder könnte ich schon einen Besuch abstatten.
Mit einer Plüschgießkanne natürlich.

LG!

S.
 



 
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