Schweigen

Albert Einstein wird mit einem gezielten Biss von Graf Dracula getötet. Sein Körper sackt zu Boden. Donald Trump, Marilyn Monroe, ein Astronaut und Popeye blicken entsetzt auf den leblosen Körper hinab, ehe sie anfangen zu lachen und Albert wieder auf die Beine helfen. Kostümpartys – was für ein Spaß.

Wieso muss mittlerweile jede Feier von einem Motto begleitet werden? Wieso muss ich mich und meine sozialen Ängste in ein beschissenes Kostüm zwängen, um dann stundenlang auf einem vollgekrümelten Sofa andere beschissene Kostüme zu beobachten? Absagen kann ich solche Anlässe nicht, weil sich nur bei dem Gedanken daran der Idealist in mir meldet. „Haltet ein, mein Freund! Ihnen wurde die Ehre zuteil an einer Feierlichkeit teilzunehmen. Kommen Sie dieser Einladung nach und verspielen Sie nicht Ihre Diplomatie!“ Er ist auf eine ritterliche Art sehr höflich, das muss ich ihm lassen.

Da Absagen also keine Option war, überlegte ich mir, keine Mine zum öden Spiel zu machen – ich verkleidete mich als Pantomime und wollte den ganzen Abend schweigen. Ziemlich clever, oder?

Knacks. Dort, wo eben noch zwei Flips lagen, sitzt jetzt Pocahontas. Vom Knacksen überrascht springt sie auf, entdeckt die Krümel und macht sich über sie her. Mein Blick wechselt von der Flipskrümel-vom-Sofa-fressenden Häuptlingstochter zur fast vollen Flips-Schale auf dem Tisch hin und her. Dabei fällt mir die kleine Blutkruste um ihre dunkel-geschminkte Nase auf. Ich muss innerlich kichern – Kokahontas.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich sie konfrontieren sollte, dass sie mit ihrem Kostüm Blackfacing betreibt. „Hey Kokahontas, ist dir eigentlich bewusst, dass dein Kostüm eine Bereicherung an den Errungenschaften von Minderheiten durch die Bemächtigung kultureller Objekte aus anderen, dominanten Kulturen darstellt?“ Ach nee, ich spare es mir und schweige.

Ich bin der beste Pantomime der Welt.
 



 
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