sein besuch mich mal

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wiesner

Mitglied
sein besuch mich mal


ein flugzeug kreist
ohrenumschmeichelnd

immer pünktlich
zu spät steht er auf
ins gemachte bett zu gehen

ständiger besuch
er schließt abauf
betritt fremd sein haus

und schenkt sich blumen
im garten stecken sie
familiär auf tiergräbern

hinterm duschvorhang
singt er kommalos reden
vor publikum sich

voller leselust
schlägt er sein buch auf
das nie geschriebene

zu stein geworden
vermutet er sich geschmeidig
vor der tür

schweißgebadet
klopft ein flugzeug an
 

Ubertas

Mitglied
Lieber Béla,
ich ringe nach Adjektiven, die beschreiben könnten, welche Erfahrungen mir dein Gedicht bietet. Spätestens wenn ich mit unterschiedlichen Pausen beim Lesen an verschiedenen Punkten ankomme, die mir sagen:
Lese es wieder, betone es anders, lese es vom seinem Titel 'sein besuch mich mal' zu einem neuen Ende.
Dann weiß ich, von welcher Größe dieses Gedicht ist!
Lieben Gruß ubertas
 

sufnus

Mitglied
Hey Béla!
Wie schön wieder mal von Dir zu lesen! Mir gefällt die Fragilität des Textes. :) Dabei klingt für mich das "schweißgebadet" fast ein bisschen wie ein Echo auf das anfängliche "ohrenumschmeichelnd", wobei der Schritt vom kreisenden zum anklopfenden Flugzeug dann doch einen gewissen Eskalationsschritt markiert. Ein Beunruhigungsgedicht.
LG!
S.
 

wiesner

Mitglied
Liebe Ubertas, lieber sufnus - herzlichen Dank für Eure Besuche! und die interessanten Kommentare!

Der Text ist älteren Datums, bestimmt zehn Jahre her. Aber schon damals waren mir Verlassenheit und die sich aus ihr möglichen Verwicklungen hin zu einer surrealistischen Widersprüchlichkeit von Bedeutung, der Mensch ist sich selbst verloren und erlebt alles falsch, ja krank - und doch irgendwie gefällig. Nichts ist ihm unangenehm, er zu Stein geworden weiß sich geschmeidig und fantasiert sich als Flugzeug - endlich besucht mich jemand.

Ob das Gedicht Größe hat, puh ... aber es beunruhigt, das stimmt.

Alles Gute Euch beiden
Béla
 

Ubertas

Mitglied
Lieber Béla,
dein Gedicht hat beides: Größe und Tiefe.
Diese Selbstentfremdung verbunden mit gleichzeitigem Beschmeicheln. Sich Blumen zu schenken, die eine gänzlich andere Bedeutung haben. Eine schweißgebadete Erwartungshaltung, die endet mit dem Anklopfen der Wirklichkeit?
Ich will nicht zuviel interpretieren, da ich, wie bereits erwähnt, inzwischen soviele Eindrücke zu deinem Gedicht gesammelt habe in meinem Gefühl.
Es lässt mich nicht los!!!
Danke dafür.
Dir auch alles Gute und ein soweit möglich, baldiges Wiederlesen:)
Lieben Gruß ubertas
 



 
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