VeraL
Mitglied
Christian, Reiseleiter auf der Queen of Stars II, wusste schon wenige Momente nach dem Aufstehen, als er sich bäuchlings auf dem Boden seiner winzigen Kabine befand, dass es kein guter Tag werden würde. Den zahlenden Passagieren wurde auf dem Luxusliner die gleiche Anziehungskraft wie auf der Erde geboten, aber im Crewbereich schwankte sie aus Kostengründen immer. Mühsam kämpfte er sich in die Gemeinschaftsdusche, wo er einen der Entertainmentmanager traf.
„Und was liegt heute bei dir an?“
„Wir haben den ganzen Tag Probe für das große Star-Wars-Musical. Die Premiere ist morgen. Kommst du vorbei?“
„Ich weiß nicht. Star Wars?“
„Kommt bei den Passagieren super an. Du weißt doch selbst, das die meisten nicht an Wissenschaft oder dem Weltraum selbst interessiert sind. Die wollen nur zuhause erzählen können, dass sie da waren und interessieren sich höchstens noch für diese alten Kinoschinken.“
„Mich hat gestern jemand gefragt, ob wir zu den original Schauplätzen kommen.“
Die beiden lachten.
„Ich muss los, nach dem Frühstück wartet der Kurs Modellieren mit echtem Mondgestein auf mich und dann geht es weiter mit Bingo auf dem Sternendeck.“
Christian genoss den Luxus als Reiseleiter im Passagierbereich essen zu dürfen. Er ging an den Smoothies, die Staub vom Mars enthielten, vorbei, auch wenn sie Anti-Aging-Wunder verbringen sollten, und schnappte sich Kaffee und Brötchen. An einem Tisch ganz hinten erhoffte er sich ein paar ungestörte Minuten, die ihm jedoch nicht vergönnt waren. Aus dem Nebenraum drangen Schreie in den Frühstücksraum, die so spitz und schrill waren, dass Christian unmöglich sagen konnte, ob sie von einem Mann oder ein Frau stammten. Seufzend stand er auf. Er konnte sich denken, was passiert war. Nebenan lag der Earth Room, der einen Glasboden hatte, durch den die Gäste beobachten konnten, wie sich die Erde immer weiter entfernte. Eigentlich ein wunderschöner, magischer Blick, aber manche Menschen konnten damit nicht umgehen. Einige brachen schluchzend zusammen, andere erlitten Panikattacken. So wie der dicke Mann, der kreischend in der entferntesten Ecke stand. Zwei philippinische Kellner versuchten bereits, den Mann zurück zur Tür zu bugsieren, während seine Frau hilflos daneben stand. Die beiden jungen Männer taten ihm am meisten leid. Wenn sie länger von ihrer Arbeit fernblieben, drohten ihnen empfindliche Strafen und sie waren sowieso schon arm dran. Hier im Weltraum galten keine irdischen Tarifverträge. Die Kellner, Küchenhilfen und Zimmermädchen waren schlecht bezahlt, fast ohne Rechte und sahen ihre Familien jahrelang nicht wieder. Er beschloss einzugreifen und schickte die beiden zurück zum Frühstücksbuffet.
„Ganz ruhig, mein Herr. Gleich wird es wieder besser. Sie sind nicht der Erste, dem das hier passiert.“ Christian musste fast eine halbe Stunde auf den Mann einreden, bis er es schaffte, ihn zum Schiffsarzt zu bringen. Danach war er erschöpft, hatte das Gefühl, selbst nach dem Angstschweiß des Passagiers zu riechen, und die Zeit für sein Frühstück war um.
Der Tag schleppte sich dahin. Auf den Kurs im Modellieren folgte Bingo, darauf Shuffleboard und Boule. Christian war froh, dass er sich am Nachmittag in das kleine Büro der Reiseleitung verkriechen konnte, um das Programm für den nächsten Tag zu tippen. Am nächsten Tag würden sie den Mond erreichen. Endlich. Die Ausflüge waren das, was er an seinem Job liebte. Jetzt musste er sich nur noch in seine Lederhose zwängen und den Bayrischen Abend überleben. Warum Menschen im All Schlagermusik, Weißwürste und blau-weiße Fähnchen wollten, würde ihm immer ein Rätsel bleiben.
Der nächste Tag begann besser. Heute war die Schwerkraft genau richtig und Christian konnte es nicht erwarten, dass es endlich los ging. Nur sein Kollege aus dem Entertainment bremste sein Enthusiasmus etwas.
„Wann warst du das letzte Mal auf dem Mond?“
„Das muss vier oder fünf Jahre her sein. Aber Luna ist eines meiner liebsten Ausflugsziele. Besonders die Stelle mit der Fahne von Neil Armstrong und Buzz Aldrin. Meine Ur-Oma hat mir immer erzählt, dass sie sich damals extra einen Fernseher gekauft haben, um die Mondlandung anzuschauen. Ich weiß auch nicht, das gibt mir irgendwie dieses magische Gefühl zurück, das der Weltraum früher auf die Menschen hatte.“
„Na, hoffentlich bist du nicht allzu enttäuscht. Ich habe gehört, dass sie in den letzten Jahren ziemlich viel gebaut haben.“
„Ja, ich weiß. Als ich zum ersten Mal da war, mussten wir noch alle diese riesigen weißen Raumanzüge tragen. Jetzt gibt es wohl eine Art großer Halle, damit man sich frei bewegen kann. Aber was soll‘s. Man muss mit der Zeit gehen.“
Der junge Musicalstar wollte noch etwas ergänzen, aber in dem Moment erreichte sie die Durchsage des Kapitäns: „Mein sehr verehrten Damen und Herren. In wenigen Minuten erreichen wir den Mond, unser Ziel für heute. Wenn Sie einen Ausflug gebucht haben, begeben Sie sich bitte in das Theater. Dort werden unsere Reiseleiter Sie abholen. Ich wünschen Ihnen einen großartigen Tag.“
Christian musste sich beeilen.
Sein Bauch kribbelte vor freudiger Erwartung, als er in seiner Uniform das Schild mit der Nummer fünf hochhielt und die Gäste ihm durch das Terminal nach draußen folgten. Hier auf dem Mond wurde die Schwerkraft auch geregelt, aber nur so viel, dass man sich immer noch leicht und frei fühlte. Doch draußen stockte ihm der Atem. Das Erste, was er sah, waren amerikanische Kaffee- und Fastfoodketten, die mit dem jeweils besten Ausblick lockten. Dahinter reite sich ein Souvenirstand mit billigem Plunder an den nächsten. Von dem Anblick der Magneten, Schneekugeln und Ketten mit echtem Mondgestein fühlte Christian sich völlig erschlagen. Hunderte Menschen strömten aus dem Terminal, denn neben der Queen of Stars II waren noch drei andere Sternenkreuzer gelandet. Die Passagiere aus seiner Gruppe schien das nicht zu stören. Der Mann, der gestern den Nervenzusammenbruch im Earth Room hatte, griff nach einem XXL-Shirt auf dem stand: My brother went to the moon and all I got was this lousy t-shirt.
Nach über einer Stunde gelang es ihm endlich alle Gruppenmitglieder einzusammeln und Richtung des Ortes der ersten Mondlandung zu lotsen. Er konnte es kaum glauben. Vor der Fahne gab es tatsächlich einen Selfie-Spot und dazu eine endlose Warteschlange. Seine Schützlinge reihten begeistert an dem Schild Ab hier noch 3,5 Stunden ein. Vor Entsetzen und Enttäuschung wurden seine Knie weich. Von dem Zauber dieses Ortes war nichts mehr übrig. Das einzig Gute war, dass er jetzt Zeit für sich hatte. Er drehte sich um und entfernte sich von der Menschenmenge.
Er brauchte eine Viertelstunde bis zum Rand der Halle. Er hob den Blick und betrachtete die Konstruktion aus Glas und Stahl, in der er sich vorkam wie in einem Gewächshaus. Er legte die Hände an das Glas und starrte auf den Mond. Die Oberfläche wurde vom Licht der Halle erleuchtet und glänzte silbrig. Darüber erstreckte sich das schwarze All. Selbst hier war es zu hell, um Sterne zu erkennen. Es knallte. Was war das? Rechts von ihm, außerhalb der Halle, standen Menschen in Raumanzügen, die riesige Pakete in die unendlichen Weiten schossen. Er brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass das Müll und und Kanister mit Abwasser waren. Natürlich. Niemand nahm Müll mit zurück zur Erde. Das kannte er von der Queen of Stars II. Er dachte an seine Freunde zuhause, die meinten, er hätte den tollsten Job überhaupt, und spürte plötzlich so großes Heimweh, dass er am liebsten durch die Glaswand gebrochen wäre, um zur Erde zurück zu springen.
Hier wollte er auch nicht bleiben. Er ging am Rand der Halle entlang. Immer weiter. Irgendetwas musste es doch hier geben. Ein Stück weiter entdeckte er eine Schleuse mit großen Schildern, auf denen Menschen in Raumanzügen zu sehen war. Für einen horrenden Preis wurde eine Stunde The real experience angeboten. Das Geld war ihm egal. Eine halbe Stunde später tapste er in voller Montur durch die Schleuse. Er drehte der Halle den Rücken zu und hatte trotz des Schutzhelmes wieder das Gefühl frei atmen zu können.
Er hüpfte ohne ein bestimmtes Ziel drauflos und genoss die Stille, die ihn umgab. Das war es doch. Wieso hatte keiner der Passagiere daran Interesse? Wie konnte man dieses Erlebnis gegen eine Schlange für ein Selfie eintauschen? Er hing seinen trüben Gedanken nach und merkte nicht, dass ihn andere Menschen in Raumanzügen beobachteten. Erst als er fast vor ihnen stand, bemerkte er die Dreiergruppe, die am Rand eines Kraters eine Art Lager aufgebaut hatten. Einer der Menschen machte ein Zeichen und er verstand, dass er seinen Funk einschalten sollte. Eine Frauenstimme drang an sein Ohr.
„Haben Sie sich verlaufen?“
Christian drehte sich um und stellte fest, dass er die Halle nicht mehr sehen konnte. Wie lange war er unterwegs?
„Ich glaube ja. Ich wollte nur einen kurzen Ausflug machen. Ich komme aus der Moon Hall.“
„Sind sie etwa mit einer dieser riesigen Dreckschleudern unterwegs?“
Er hörte die Ablehnung in ihrer Stimme und beschloss, lieber nicht zu erzählen, dass er dort sogar arbeitete.
„Wir verfolgen hier ein anderes Konzept. Kommen Sie, ich zeige es Ihnen. Dann können Sie auch gleich Ihr Sauerstoffmodul aufladen. Ich bin übrigens Marie.“
Ohne zu zögern folgte er Marie und war begeistert von dem, was sie ihm zeigte. Das Raumschiff war klein und ohne jeglichen Komfort.
„Wir bieten individuelle Reise an, die sich unsere Gäste nach ihren Vorlieben zusammenstellen können. Dabei ist es uns wichtig, dass sie lernen, wie hart das Leben hier wirklich ist, wie viel Technik nötig ist, um zu überleben. Besonders wichtig ist es uns, möglichst wenig Spuren zu hinterlassen. Wir produzieren so wenig Müll wie möglich, nehmen ihn mit zurück und achten auf nachhaltige Energie. Mike und Jessie draußen zum Beispiel versuchen selbst ein Camp zu bauen, in dem sie für einige Zeit leben können.“
Christian dachte an den Ärger, den er bekommen würde, wenn rauskam, dass er die Gruppe verlassen hatte. Und an den Kurs Bauch-Beine-Po im Zero-Gravity-Room, den er morgen geben musste. Er lächelte und sein Entschluss stand fest.
„Sucht ihr zufällig noch erfahrene Mitarbeiter?“
„Und was liegt heute bei dir an?“
„Wir haben den ganzen Tag Probe für das große Star-Wars-Musical. Die Premiere ist morgen. Kommst du vorbei?“
„Ich weiß nicht. Star Wars?“
„Kommt bei den Passagieren super an. Du weißt doch selbst, das die meisten nicht an Wissenschaft oder dem Weltraum selbst interessiert sind. Die wollen nur zuhause erzählen können, dass sie da waren und interessieren sich höchstens noch für diese alten Kinoschinken.“
„Mich hat gestern jemand gefragt, ob wir zu den original Schauplätzen kommen.“
Die beiden lachten.
„Ich muss los, nach dem Frühstück wartet der Kurs Modellieren mit echtem Mondgestein auf mich und dann geht es weiter mit Bingo auf dem Sternendeck.“
Christian genoss den Luxus als Reiseleiter im Passagierbereich essen zu dürfen. Er ging an den Smoothies, die Staub vom Mars enthielten, vorbei, auch wenn sie Anti-Aging-Wunder verbringen sollten, und schnappte sich Kaffee und Brötchen. An einem Tisch ganz hinten erhoffte er sich ein paar ungestörte Minuten, die ihm jedoch nicht vergönnt waren. Aus dem Nebenraum drangen Schreie in den Frühstücksraum, die so spitz und schrill waren, dass Christian unmöglich sagen konnte, ob sie von einem Mann oder ein Frau stammten. Seufzend stand er auf. Er konnte sich denken, was passiert war. Nebenan lag der Earth Room, der einen Glasboden hatte, durch den die Gäste beobachten konnten, wie sich die Erde immer weiter entfernte. Eigentlich ein wunderschöner, magischer Blick, aber manche Menschen konnten damit nicht umgehen. Einige brachen schluchzend zusammen, andere erlitten Panikattacken. So wie der dicke Mann, der kreischend in der entferntesten Ecke stand. Zwei philippinische Kellner versuchten bereits, den Mann zurück zur Tür zu bugsieren, während seine Frau hilflos daneben stand. Die beiden jungen Männer taten ihm am meisten leid. Wenn sie länger von ihrer Arbeit fernblieben, drohten ihnen empfindliche Strafen und sie waren sowieso schon arm dran. Hier im Weltraum galten keine irdischen Tarifverträge. Die Kellner, Küchenhilfen und Zimmermädchen waren schlecht bezahlt, fast ohne Rechte und sahen ihre Familien jahrelang nicht wieder. Er beschloss einzugreifen und schickte die beiden zurück zum Frühstücksbuffet.
„Ganz ruhig, mein Herr. Gleich wird es wieder besser. Sie sind nicht der Erste, dem das hier passiert.“ Christian musste fast eine halbe Stunde auf den Mann einreden, bis er es schaffte, ihn zum Schiffsarzt zu bringen. Danach war er erschöpft, hatte das Gefühl, selbst nach dem Angstschweiß des Passagiers zu riechen, und die Zeit für sein Frühstück war um.
Der Tag schleppte sich dahin. Auf den Kurs im Modellieren folgte Bingo, darauf Shuffleboard und Boule. Christian war froh, dass er sich am Nachmittag in das kleine Büro der Reiseleitung verkriechen konnte, um das Programm für den nächsten Tag zu tippen. Am nächsten Tag würden sie den Mond erreichen. Endlich. Die Ausflüge waren das, was er an seinem Job liebte. Jetzt musste er sich nur noch in seine Lederhose zwängen und den Bayrischen Abend überleben. Warum Menschen im All Schlagermusik, Weißwürste und blau-weiße Fähnchen wollten, würde ihm immer ein Rätsel bleiben.
Der nächste Tag begann besser. Heute war die Schwerkraft genau richtig und Christian konnte es nicht erwarten, dass es endlich los ging. Nur sein Kollege aus dem Entertainment bremste sein Enthusiasmus etwas.
„Wann warst du das letzte Mal auf dem Mond?“
„Das muss vier oder fünf Jahre her sein. Aber Luna ist eines meiner liebsten Ausflugsziele. Besonders die Stelle mit der Fahne von Neil Armstrong und Buzz Aldrin. Meine Ur-Oma hat mir immer erzählt, dass sie sich damals extra einen Fernseher gekauft haben, um die Mondlandung anzuschauen. Ich weiß auch nicht, das gibt mir irgendwie dieses magische Gefühl zurück, das der Weltraum früher auf die Menschen hatte.“
„Na, hoffentlich bist du nicht allzu enttäuscht. Ich habe gehört, dass sie in den letzten Jahren ziemlich viel gebaut haben.“
„Ja, ich weiß. Als ich zum ersten Mal da war, mussten wir noch alle diese riesigen weißen Raumanzüge tragen. Jetzt gibt es wohl eine Art großer Halle, damit man sich frei bewegen kann. Aber was soll‘s. Man muss mit der Zeit gehen.“
Der junge Musicalstar wollte noch etwas ergänzen, aber in dem Moment erreichte sie die Durchsage des Kapitäns: „Mein sehr verehrten Damen und Herren. In wenigen Minuten erreichen wir den Mond, unser Ziel für heute. Wenn Sie einen Ausflug gebucht haben, begeben Sie sich bitte in das Theater. Dort werden unsere Reiseleiter Sie abholen. Ich wünschen Ihnen einen großartigen Tag.“
Christian musste sich beeilen.
Sein Bauch kribbelte vor freudiger Erwartung, als er in seiner Uniform das Schild mit der Nummer fünf hochhielt und die Gäste ihm durch das Terminal nach draußen folgten. Hier auf dem Mond wurde die Schwerkraft auch geregelt, aber nur so viel, dass man sich immer noch leicht und frei fühlte. Doch draußen stockte ihm der Atem. Das Erste, was er sah, waren amerikanische Kaffee- und Fastfoodketten, die mit dem jeweils besten Ausblick lockten. Dahinter reite sich ein Souvenirstand mit billigem Plunder an den nächsten. Von dem Anblick der Magneten, Schneekugeln und Ketten mit echtem Mondgestein fühlte Christian sich völlig erschlagen. Hunderte Menschen strömten aus dem Terminal, denn neben der Queen of Stars II waren noch drei andere Sternenkreuzer gelandet. Die Passagiere aus seiner Gruppe schien das nicht zu stören. Der Mann, der gestern den Nervenzusammenbruch im Earth Room hatte, griff nach einem XXL-Shirt auf dem stand: My brother went to the moon and all I got was this lousy t-shirt.
Nach über einer Stunde gelang es ihm endlich alle Gruppenmitglieder einzusammeln und Richtung des Ortes der ersten Mondlandung zu lotsen. Er konnte es kaum glauben. Vor der Fahne gab es tatsächlich einen Selfie-Spot und dazu eine endlose Warteschlange. Seine Schützlinge reihten begeistert an dem Schild Ab hier noch 3,5 Stunden ein. Vor Entsetzen und Enttäuschung wurden seine Knie weich. Von dem Zauber dieses Ortes war nichts mehr übrig. Das einzig Gute war, dass er jetzt Zeit für sich hatte. Er drehte sich um und entfernte sich von der Menschenmenge.
Er brauchte eine Viertelstunde bis zum Rand der Halle. Er hob den Blick und betrachtete die Konstruktion aus Glas und Stahl, in der er sich vorkam wie in einem Gewächshaus. Er legte die Hände an das Glas und starrte auf den Mond. Die Oberfläche wurde vom Licht der Halle erleuchtet und glänzte silbrig. Darüber erstreckte sich das schwarze All. Selbst hier war es zu hell, um Sterne zu erkennen. Es knallte. Was war das? Rechts von ihm, außerhalb der Halle, standen Menschen in Raumanzügen, die riesige Pakete in die unendlichen Weiten schossen. Er brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass das Müll und und Kanister mit Abwasser waren. Natürlich. Niemand nahm Müll mit zurück zur Erde. Das kannte er von der Queen of Stars II. Er dachte an seine Freunde zuhause, die meinten, er hätte den tollsten Job überhaupt, und spürte plötzlich so großes Heimweh, dass er am liebsten durch die Glaswand gebrochen wäre, um zur Erde zurück zu springen.
Hier wollte er auch nicht bleiben. Er ging am Rand der Halle entlang. Immer weiter. Irgendetwas musste es doch hier geben. Ein Stück weiter entdeckte er eine Schleuse mit großen Schildern, auf denen Menschen in Raumanzügen zu sehen war. Für einen horrenden Preis wurde eine Stunde The real experience angeboten. Das Geld war ihm egal. Eine halbe Stunde später tapste er in voller Montur durch die Schleuse. Er drehte der Halle den Rücken zu und hatte trotz des Schutzhelmes wieder das Gefühl frei atmen zu können.
Er hüpfte ohne ein bestimmtes Ziel drauflos und genoss die Stille, die ihn umgab. Das war es doch. Wieso hatte keiner der Passagiere daran Interesse? Wie konnte man dieses Erlebnis gegen eine Schlange für ein Selfie eintauschen? Er hing seinen trüben Gedanken nach und merkte nicht, dass ihn andere Menschen in Raumanzügen beobachteten. Erst als er fast vor ihnen stand, bemerkte er die Dreiergruppe, die am Rand eines Kraters eine Art Lager aufgebaut hatten. Einer der Menschen machte ein Zeichen und er verstand, dass er seinen Funk einschalten sollte. Eine Frauenstimme drang an sein Ohr.
„Haben Sie sich verlaufen?“
Christian drehte sich um und stellte fest, dass er die Halle nicht mehr sehen konnte. Wie lange war er unterwegs?
„Ich glaube ja. Ich wollte nur einen kurzen Ausflug machen. Ich komme aus der Moon Hall.“
„Sind sie etwa mit einer dieser riesigen Dreckschleudern unterwegs?“
Er hörte die Ablehnung in ihrer Stimme und beschloss, lieber nicht zu erzählen, dass er dort sogar arbeitete.
„Wir verfolgen hier ein anderes Konzept. Kommen Sie, ich zeige es Ihnen. Dann können Sie auch gleich Ihr Sauerstoffmodul aufladen. Ich bin übrigens Marie.“
Ohne zu zögern folgte er Marie und war begeistert von dem, was sie ihm zeigte. Das Raumschiff war klein und ohne jeglichen Komfort.
„Wir bieten individuelle Reise an, die sich unsere Gäste nach ihren Vorlieben zusammenstellen können. Dabei ist es uns wichtig, dass sie lernen, wie hart das Leben hier wirklich ist, wie viel Technik nötig ist, um zu überleben. Besonders wichtig ist es uns, möglichst wenig Spuren zu hinterlassen. Wir produzieren so wenig Müll wie möglich, nehmen ihn mit zurück und achten auf nachhaltige Energie. Mike und Jessie draußen zum Beispiel versuchen selbst ein Camp zu bauen, in dem sie für einige Zeit leben können.“
Christian dachte an den Ärger, den er bekommen würde, wenn rauskam, dass er die Gruppe verlassen hatte. Und an den Kurs Bauch-Beine-Po im Zero-Gravity-Room, den er morgen geben musste. Er lächelte und sein Entschluss stand fest.
„Sucht ihr zufällig noch erfahrene Mitarbeiter?“