Sense of Schmarrn

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reborn

Mitglied
Ich sitze im dritten Meeting zwischen Frühstück und Mittag-essen. Dazu fällt mir überhaupt nur ein positiver Aspekt ein. Ich habe, trotz überwiegend sitzender Tätigkeit, ausreichend Bewegung. Schließlich ist es ja geradezu ein Naturgesetz, dass aufeinander folgende Termine grundsätzlich in verschiedenen Gebäuden stattfinden. Ohne mir irgendeinen Vorwurf zu machen wird mir bewusst, dass ich momentan gar nicht weiß um was es in diesem Meeting gehen soll. Da bin ich aber nicht der Einzige im Raum.
Die wenigen Anwesenden vermeiden jeglichen Augenkontakt. Stille erfüllt den Raum. Niemand wagt es ein Gespräch zu beginnen, aus mangelnder Kenntnis des heutigen Themas. So vermeidet man jedwedes peinliches Eingeständnis der eigenen Gleichgültigkeit.
Die Deckenbeleuchtung summt unangenehm.
Der Stuhl ist ganz bequem. Allerdings fange ich jetzt schon ein wenig an rückseitig zu schwitzen.
Einer der sechzehn Einbaustrahler in der Decke bleibt dunkel. Genau wie mein Erinnerungsvermögen.
Die Projektleiterin blickt von ihrem Klapprechner auf. Freude sieht anders aus. Wir erfahren, dass die eigentlich „Einladende“ sich krank gemeldet hat. Somit fehlen (mit dem mir unbekannten SPOC – Single Point of Contact) die zwei wichtigsten Personen. Jetzt eröffnen sich zwei Möglichkeiten. Erstens, das Meeting endet ganz schnell aus Ermangelung der notwendigen Sachkompetenz. Zweitens, es wird eher viel länger dauern als geplant, aus genau demselben Grund.
Weil die anderen drei Leute im Raum ja ganz "Wichtige" sind, entschließen sie sich, die Sache auch so zu stemmen. Schließ-lich kann eine Führungskraft alles. Egal um was es geht. Die Projektleiterin stellt leicht angesäuert fest, dass nun auch kein Protokoll mitgeschrieben wird, da die „Einladende“ abwesend ist. Notgedrungen wirft sie die Todoliste an die Wand, um die aufgeführten Punkte durchzugehen. Ich kneife die Augen ein wenig zusammen, kann aber rein gar nichts erkennen. Die gezeigte Excelliste hat ca. 40 Spalten, die natürlich alle auf eine Seite gequetscht sind. Na wenigstens im Formatieren ist die Frau extrem effizient, denke ich mir.
Schade, dass der „Spoc“ nicht anwesend ist. Er könnte mit dem vulkanischen Nackengriff alle in Tiefschlaf versetzen und mich zum Weltraumschach einladen. Jetzt naht der Moment wo ich bereue, heute schon vor 11:00 Uhr in der Früh, 3 Tassen Kaffee getrunken zu haben. Einerseits notwendiges Lebenselixier um Komazustände bei strunz langweiligen Vorträgen zu vermeiden, fordert er doch irgendwann seinen Tribut. Just jetzt ruft mich deshalb das „00“ und bittet mein Unterbewusstsein um eine Audienz. Wenn ich nun den Raum verlassen würde, könnte ich aber vielleicht nicht bei der Lösung eines unheimlich schwierigen Problems beitragen. Wo ich doch so viel „Know How“ zu bieten habe. Ich versuche mich abzulenken. Versuche zu erraten, was die Helikoptermutter neben mir gerade ihrer zwanzigjährigen Tochter per WhatsApp ratschlägt. Schönes Wort habe ich da eben erfunden. Aus der Vergangenheit weiß ich, dass besagte Tochter täglich bei Mutti auf Arbeit anrufen muss. Dann wird besprochen wie der Tag war, wo die Tupperdose mit dem vorgekochten Essen im Kühlschrank steht, wie lange Selbiges in die Mikrowelle muss, ob ein halbes Brot für heute Abend reicht und ob Mutti bei irgendeiner Klausur helfen kann. Für solcherlei Gespräch wird locker eine Stunde des Büroschlafes abgezweigt. Aber am Ende des Monats wieder mit 125 Prozent auf der Überlastungsliste stehen.
Der Kollege mir gegenüber hat dummerweise vergessen seinen Lausprecher auf stumm zu schalten. So schallen nun verdächtige Geräusche aus dem Klapprechner. Entweder spielt er Onlinepoker oder schaut sich bei Youtube um. Jetzt gucken wir anderen natürlich ganz böse und er entschuldigt sich. Wie ein beim popeln erwischter Praktikant, möchte er vor Verlegenheit im Boden versinken. Ein bisschen mehr Aufmerksamkeit kann man aber auch wirklich erwarten.
Derweil fülle ich mein Schreibheft mit wichtigen Notizen. Nachdem ich festgestellt habe, dass ich „Das Haus vom Nikolaus“ immer noch gut hinbekomme, versuche ich mich im Designen von Weltraumraketen.
Erfreulicherweise, für meine Augen, weicht die Excelliste nun einer gigantischen Powerpoint-Präsentation. Schön bunt, mit sämtlichen Möglichkeiten die das Programm so bietet. Das sind viele, sehr viele. Dummerweise habe ich nicht rechtzeitig weggeschaut und den Inhalt einer Folie gedanklich aufgenommen:
„Nach der Genehmigung des CAPA Planes durch den LARP und FURP, hat der QARP wieder einen Zugriff auf die einzelnen Stockouts und kann mit der Aktualisierung der GOPs wie z.B. die Ver-längerung eines Quality Events oder Involvierung von IGM und HSE sowie Ergänzungen im Feld „Action Description“, ASAP beginnen.“
Ich verschlucke mich am leckeren Tafelwasser und kann gerade noch verhindern, dass mir das Wasser aus der Nase schießt. Mit diesen neuen Erkenntnissen kann ich nun ein Neutrino mit der bloßen Kraft meiner Gedanken beschleunigen oder ein doppeltes Wurstbrot schmieren, während ich mit Mingvasen jongliere. Je nachdem.
Jetzt trifft mich der brennende Hexenblick der Projektleiterin. „Ist irgendetwas nicht in Ordnung? Oder möchten Sie uns an etwas teilhaben lassen? Das ist hier ein wichtiges und ernstes Thema. Wie wäre es mal mit ein bisschen mehr „Sense of Urgency“?
Nach dem ersten Schock, bin ich nun bis ins tiefste Innerste verunsichert. Was erwartet die Frau von mir? Obwohl sicher etwas gänzlich anderes damit verbunden ist, drängen sich mir sofort verstörende Gedanken auf. Ich sehe mich im weißen Kittel über die Flure eilen und eine unvollständige Power-Point-Präsi in den „Emergency Room“ rollen. Quasi der deutsche George Clooney fürs Büro. Eine schöne Vorstellung.
Unsanft werde ich aus meinen Träumen gerissen. „Wir sehen uns nächste Woche zur selben Zeit. Ich hoffe jeder hat dann seine Todos erledigt.“ donnert die Powerfrau.
„Du mich auch.“ denkt sich die querulante Seite meines Hirns. Auf dem Flur spreche ich den mir am nächsten Flüchtenden an um meine Bereitschaft zur Kooperation zu zeigen. „Das war ja interessant. Wie wollen wir die Sache denn angehen?“ Sehr geschickt gemacht, lobe ich mich. Ich will ja auch irgendwann mal motiviert werden. So bekomme ich schlussendlich doch noch heraus, um was es eigentlich ging.
„Keine Ahnung. Ich hab zu spät gemerkt, dass ich im falschen Meeting bin.“
Mahlzeit


PS: Für den geneigten Leser zur Information. Die genannten Abkürzungen sind keine Fieberfantasiegespinste, sondern gebräuchliche Abkürzungen aus der Wirtschaft. Z. B. FARP = Follow-up Responsible Person:
 
Das ist, werter reborn, wie schon die Vorgängerpublikation (Bahnhof) ein Text, den unsereins gern liest und gern bewertet, zu dem ihm allerdings wenig Erweiterndes einfällt. Der jeweilige Stoffkreis ist abgeschritten und das Material in erheiternder Weise präsentiert. Kritisch könnte ich nur anmerken, dass ich persönlich eine andere Gestalt des Schriftbildes bevorzugen würde, etwas blockhafter, deutlich gegliederter, mit Leerzeilen, die dem Leser ermöglichen, sich zwischendurch ein wenig zu verschnaufen.

Freundlichen Gruß
Arno Abendschön
 

reborn

Mitglied
Hallo Arno,

vielen Dank für deine Einschätzung.
Im Originalformat ist der Text anders formatiert, was hier beim Reinkopieren verloren ging. Ich werde das anpassen.

Beste Grüße
reborn
 

reborn

Mitglied
Ich sitze im dritten Meeting zwischen Frühstück und Mittag-essen. Dazu fällt mir überhaupt nur ein positiver Aspekt ein. Ich habe, trotz überwiegend sitzender Tätigkeit, wenigstens ausreichend Bewegung. Schließlich ist es ja geradezu ein Naturgesetz, dass aufeinander folgende Termine grundsätzlich in verschiedenen Gebäuden stattfinden. Ohne mir irgendeinen Vorwurf zu machen wird mir bewusst, dass ich momentan gar nicht weiß um was es in diesem Meeting gehen soll. Da bin ich aber nicht der Einzige im Raum.
Die wenigen Anwesenden vermeiden jeglichen Augenkontakt. Stille erfüllt den Raum. Niemand wagt es ein Gespräch zu beginnen, aus mangelnder Kenntnis des heutigen Themas. So vermeidet man jedwedes peinliches Eingeständnis der eigenen Gleichgültigkeit.

Die Deckenbeleuchtung summt unangenehm.

Der Stuhl ist ganz bequem. Allerdings beginne ich schon jetzt, rückseitig zu schwitzen.

Einer der sechzehn Einbaustrahler in der Decke bleibt dunkel. Genau wie mein Erinnerungsvermögen.

Die Projektleiterin blickt von ihrem Klapprechner auf. Freude sieht anders aus. Wir erfahren, dass die eigentlich „Einladende“ sich krank gemeldet hat. Somit fehlen (mit dem mir unbekannten SPOC – Single Point of Contact) die zwei wichtigsten Personen. Jetzt eröffnen sich zwei Möglichkeiten. Erstens, das Meeting endet ganz schnell aus Ermangelung der notwendigen Sachkompetenz. Zweitens, es wird eher viel länger dauern als geplant, aus genau demselben Grund.

Weil die anderen drei Leute im Raum ja ganz "Wichtige" sind, entschließen sie sich, die Sache auch so zu stemmen. Schließ-lich kann eine Führungskraft alles. Egal um was es geht. Die Projektleiterin stellt leicht angesäuert fest, dass nun auch kein Protokoll mitgeschrieben wird, da die „Einladende“ abwesend ist. Notgedrungen wirft sie die Todoliste an die Wand, um die aufgeführten Punkte durchzugehen. Ich kneife die Augen ein wenig zusammen, kann aber rein gar nichts erkennen. Die gezeigte Excelliste hat ca. 40 Spalten, die natürlich alle auf eine Seite gequetscht sind. Na wenigstens im Formatieren ist die Frau extrem effizient, denke ich mir.

Schade, dass der „Spoc“ nicht anwesend ist. Er könnte mit dem vulkanischen Nackengriff alle in Tiefschlaf versetzen und mich zum Weltraumschach einladen. Jetzt naht der Moment wo ich bereue, heute schon vor 11:00 Uhr in der Früh, 3 Tassen Kaffee getrunken zu haben. Einerseits notwendiges Lebenselixier um Komazustände bei strunz langweiligen Vorträgen zu vermeiden, fordert er doch irgendwann seinen Tribut. Just jetzt ruft mich deshalb das „00“ und bittet mein Unterbewusstsein um eine Audienz. Wenn ich nun den Raum verlassen würde, könnte ich aber vielleicht nicht bei der Lösung eines unheimlich schwierigen Problems beitragen. Wo ich doch so viel „Know How“ zu bieten habe.

Ich suche nach Ablenkung. Versuche zu erraten, was die Helikoptermutter neben mir gerade ihrer zwanzigjährigen Tochter per WhatsApp ratschlägt. Schönes Wort habe ich da eben erfunden. Aus der Vergangenheit weiß ich, dass besagte Tochter täglich bei Mutti auf Arbeit anrufen muss. Dann wird besprochen wie der Tag war, wo die Tupperdose mit dem vorgekochten Essen im Kühlschrank steht, wie lange Selbiges in die Mikrowelle muss, ob ein halbes Brot für heute Abend reicht und ob Mutti bei irgendeiner Klausur helfen kann. Für solcherlei Gespräch wird locker eine Stunde des Büroschlafes abgezweigt. Aber am Ende des Monats wieder mit 125 Prozent auf der Überlastungsliste stehen.

Der Kollege mir gegenüber hat dummerweise vergessen seinen Lausprecher auf stumm zu schalten. So schallen nun verdächtige Geräusche aus dem Klapprechner. Entweder spielt er Moorhuhn abschießen 3000 oder schaut sich bei Youtube Videos über jaulende Katzen an. Jetzt gucken wir anderen natürlich ganz böse und er entschuldigt sich. Wie ein beim Popeln erwischter Praktikant, möchte er vor Verlegenheit im Boden versinken. Ein bisschen mehr Aufmerksamkeit kann man aber auch wirklich erwarten.

Derweil fülle ich mein Schreibheft mit wichtigen Notizen. Nachdem ich festgestellt habe, dass ich „Das Haus vom Nikolaus“ immer noch gut hinbekomme, versuche ich mich im Designen von Weltraumraketen.

Erfreulicherweise, für meine Augen, weicht die Excelliste nun einer gigantischen Powerpoint-Präsentation. Schön bunt, mit sämtlichen Möglichkeiten die das Programm so bietet. Das sind viele, sehr viele. Dummerweise habe ich nicht rechtzeitig weggeschaut und den Inhalt einer Folie gedanklich aufgenommen:
„Nach der Genehmigung des CAPA Planes durch den LARP und FURP, hat der QARP wieder einen Zugriff auf die einzelnen Stockouts und kann mit der Aktualisierung der GOPs wie z.B. die Ver-längerung eines Quality Events oder Involvierung von IGM und HSE sowie Ergänzungen im Feld „Action Description“, ASAP beginnen.“
Ich verschlucke mich am leckeren Tafelwasser und kann gerade noch verhindern, dass mir das Wasser aus der Nase schießt. Mit diesen neuen Erkenntnissen kann ich nun ein Neutrino mit der bloßen Kraft meiner Gedanken beschleunigen oder ein doppeltes Wurstbrot schmieren, während ich mit Mingvasen jongliere. Je nachdem.

Jetzt trifft mich der brennende Hexenblick der Projektleiterin. „Ist irgendetwas nicht in Ordnung? Oder möchten Sie uns an etwas teilhaben lassen? Das ist hier ein wichtiges und ernstes Thema. Wie wäre es mal mit ein bisschen mehr „Sense of Urgency“?
Nach dem ersten Schock, bin ich nun bis ins tiefste Innerste verunsichert. Was erwartet die Frau von mir? Obwohl sicher etwas gänzlich anderes damit verbunden ist, drängen sich mir sofort verstörende Gedanken auf. Ich sehe mich im weißen Kittel über die Flure eilen und eine unvollständige Power-Point-Präsi in den „Emergency Room“ rollen. Quasi der deutsche George Clooney fürs Büro. Eine schöne Vorstellung.

Unsanft werde ich aus meinen Träumen gerissen. „Wir sehen uns nächste Woche zur selben Zeit. Ich hoffe jeder hat dann seine Todos erledigt.“ donnert die Powerfrau.
„Du mich auch.“ denkt sich die querulante Seite meines Hirns. Auf dem Flur spreche ich den mir am nächsten Flüchtenden an um meine Bereitschaft zur Kooperation zu zeigen. „Das war ja interessant. Wie wollen wir die Sache denn angehen?“ Sehr geschickt gemacht, lobe ich mich. Ich will ja auch irgendwann mal motiviert werden. So bekomme ich schlussendlich doch noch heraus, um was es eigentlich ging.
„Keine Ahnung. Ich hab zu spät gemerkt, dass ich im falschen Meeting bin.“
Mahlzeit


PS: Für den geneigten Leser zur Information. Die genannten Abkürzungen sind keine Fieberfantasiegespinste, sondern gebräuchliche Abkürzungen aus der Wirtschaft. Z. B. FARP = Follow-up Responsible Person:
 

reborn

Mitglied
Ich sitze im dritten Meeting zwischen Frühstück und Mittag-essen. Dazu fällt mir überhaupt nur ein positiver Aspekt ein. Ich habe, trotz überwiegend sitzender Tätigkeit, wenigstens ausreichend Bewegung. Schließlich ist es ja geradezu ein Naturgesetz, dass aufeinander folgende Termine grundsätzlich in verschiedenen Gebäuden stattfinden. Ohne mir irgendeinen Vorwurf zu machen wird mir bewusst, dass ich momentan gar nicht weiß um was es in diesem Meeting gehen soll. Da bin ich aber nicht der Einzige im Raum.
Die wenigen Anwesenden vermeiden jeglichen Augenkontakt. Stille erfüllt den Raum. Niemand wagt es ein Gespräch zu beginnen, aus mangelnder Kenntnis des heutigen Themas. So vermeidet man jedwedes peinliches Eingeständnis der eigenen Gleichgültigkeit.

Die Deckenbeleuchtung summt unangenehm.

Der Stuhl ist ganz bequem. Allerdings beginne ich schon jetzt, rückseitig zu schwitzen.

Einer der sechzehn Einbaustrahler in der Decke bleibt dunkel. Genau wie mein Erinnerungsvermögen.

Die Projektleiterin blickt von ihrem Klapprechner auf. Freude sieht anders aus. Wir erfahren, dass die eigentlich „Einladende“ sich krank gemeldet hat. Somit fehlen (mit dem mir unbekannten SPOC – Single Point of Contact) die zwei wichtigsten Personen. Jetzt eröffnen sich zwei Möglichkeiten. Erstens, das Meeting endet ganz schnell aus Ermangelung der notwendigen Sachkompetenz. Zweitens, es wird eher viel länger dauern als geplant, aus genau demselben Grund.

Weil die anderen drei Leute im Raum ja ganz "Wichtige" sind, entschließen sie sich, die Sache auch so zu stemmen. Schließ-lich kann eine Führungskraft alles. Egal um was es geht. Die Projektleiterin stellt leicht angesäuert fest, dass nun auch kein Protokoll mitgeschrieben wird, da die „Einladende“ abwesend ist. Notgedrungen wirft sie die Todoliste an die Wand, um die aufgeführten Punkte durchzugehen. Ich kneife die Augen ein wenig zusammen, kann aber rein gar nichts erkennen. Die gezeigte Excelliste hat ca. 40 Spalten, die natürlich alle auf eine Seite gequetscht sind. Na wenigstens im Formatieren ist die Frau extrem effizient, denke ich mir.

Schade, dass der „Spoc“ nicht anwesend ist. Er könnte mit dem vulkanischen Nackengriff alle in Tiefschlaf versetzen und mich zum Weltraumschach einladen. Jetzt naht der Moment wo ich bereue, heute schon vor 11:00 Uhr in der Früh, 3 Tassen Kaffee getrunken zu haben. Einerseits notwendiges Lebenselixier um Komazustände bei strunz langweiligen Vorträgen zu vermeiden, fordert er doch irgendwann seinen Tribut. Just jetzt ruft mich deshalb das „00“ und bittet mein Unterbewusstsein um eine Audienz. Wenn ich nun den Raum verlassen würde, könnte ich aber vielleicht nicht bei der Lösung eines unheimlich schwierigen Problems beitragen. Wo ich doch so viel „Know How“ zu bieten habe.

Ich suche nach Ablenkung. Versuche zu erraten, was die Helikoptermutter neben mir gerade ihrer zwanzigjährigen Tochter per WhatsApp ratschlägt. Schönes Wort habe ich da eben erfunden. Aus der Vergangenheit weiß ich, dass besagte Tochter täglich bei Mutti auf Arbeit anrufen muss. Dann wird besprochen wie der Tag war, wo die Tupperdose mit dem vorgekochten Essen im Kühlschrank steht, wie lange Selbiges in die Mikrowelle muss, ob ein halbes Brot für heute Abend reicht und ob Mutti bei irgendeiner Klausur helfen kann. Für solcherlei Gespräch wird locker eine Stunde des Büroschlafes abgezweigt. Aber am Ende des Monats wieder mit 125 Prozent auf der Überlastungsliste stehen.

Der Kollege mir gegenüber hat dummerweise vergessen seinen Lausprecher auf stumm zu schalten. So schallen nun verdächtige Geräusche aus dem Klapprechner. Entweder spielt er Moorhuhn abschießen 3000 oder schaut sich bei Youtube Videos über jaulende Katzen an. Jetzt gucken wir anderen natürlich ganz böse und er entschuldigt sich. Wie ein beim Popeln erwischter Praktikant, möchte er vor Verlegenheit im Boden versinken. Ein bisschen mehr Aufmerksamkeit kann man aber auch wirklich erwarten.

Derweil fülle ich mein Schreibheft mit wichtigen Notizen. Nachdem ich festgestellt habe, dass ich „Das Haus vom Nikolaus“ immer noch gut hinbekomme, versuche ich mich im Designen von Weltraumraketen.

Erfreulicherweise, für meine Augen, weicht die Excelliste nun einer gigantischen Powerpoint-Präsentation. Schön bunt, mit sämtlichen Möglichkeiten die das Programm so bietet. Das sind viele, sehr viele. Dummerweise habe ich nicht rechtzeitig weggeschaut und den Inhalt einer Folie gedanklich aufgenommen:
„Nach der Genehmigung des CAPA Planes durch den LARP und FURP, hat der QARP wieder einen Zugriff auf die einzelnen Stockouts und kann mit der Aktualisierung der GOPs wie z.B. die Ver-längerung eines Quality Events oder Involvierung von IGM und HSE sowie Ergänzungen im Feld „Action Description“, ASAP beginnen.“
Ich verschlucke mich am leckeren Tafelwasser und kann gerade noch verhindern, dass mir das Wasser aus der Nase schießt. Mit diesen neuen Erkenntnissen kann ich nun ein Neutrino mit der bloßen Kraft meiner Gedanken beschleunigen oder ein doppeltes Wurstbrot schmieren, während ich mit Mingvasen jongliere. Je nachdem.

Jetzt trifft mich der brennende Hexenblick der Projektleiterin. „Ist irgendetwas nicht in Ordnung? Oder möchten Sie uns an etwas teilhaben lassen? Das ist hier ein wichtiges und ernstes Thema. Wie wäre es mal mit ein bisschen mehr „Sense of Urgency“?
Nach dem ersten Schock, bin ich nun bis ins tiefste Innerste verunsichert. Was erwartet die Frau von mir? Obwohl sicher etwas gänzlich anderes damit verbunden ist, drängen sich mir sofort verstörende Gedanken auf. Ich sehe mich im weißen Kittel über die Flure eilen und eine unvollständige Power-Point-Präsi in den „Emergency Room“ rollen. Quasi der deutsche George Clooney fürs Büro. Eine schöne Vorstellung.

Unsanft werde ich aus meinen Träumen gerissen. „Wir sehen uns nächste Woche zur selben Zeit. Ich hoffe jeder hat dann seine Todos erledigt.“ donnert die Powerfrau.
„Du mich auch.“ denkt sich die querulante Seite meines Hirns. Auf dem Flur spreche ich den mir am nächsten Flüchtenden an um meine Bereitschaft zur Kooperation zu zeigen. „Das war ja interessant. Wie wollen wir die Sache denn angehen?“ Sehr geschickt gemacht, lobe ich mich. Ich will ja auch irgendwann mal motiviert werden. So bekomme ich schlussendlich doch noch heraus, um was es eigentlich ging.
„Keine Ahnung. Ich hab zu spät gemerkt, dass ich im falschen Meeting bin.“
Mahlzeit


PS: Für den geneigten Leser zur Information. Die genannten Abkürzungen sind keine Fieberfantasiegespinste, sondern gebräuchliche Abkürzungen aus der Wirtschaft. Z. B. FURP = Follow-up Responsible Person:
 

Languedoc

Mitglied
Hallo reborn,

Du nimmst mit spitzer Feder die Meeting(un)kultur aufs Korn, fintenreich und reichlich boshaft, und durchaus zum Vergnügen des geneigten Lesers, doch leider ist der Text stellenweise schludrig und nicht sauber redigiert, insbesondere in orthografischer Hinsicht (Kommata), bei Wortwiederholungen, und auch bei den Satzanschlüssen, die man eleganter gestalten könnte. Die ungeschickte Absatzgestaltung wurde schon erwähnt. All das wirft einen (handwerklichen) Schatten auf Deinen kreativen Ansatz. Ein paar Arbeitsdurchgänge mehr, und der Text wäre formvollendet und würde leuchten!

Aber ich versteh schon: wenn's sprudelt, haut man unbekümmert in die Tasten ...

Gern gelesen

Languedoc
 

reborn

Mitglied
Ich sitze im dritten Meeting zwischen Frühstück und Mittagessen. Dazu fällt mir überhaupt nur ein positiver Aspekt ein. Ich habe, trotz überwiegend sitzender Tätigkeit, wenigstens ausreichend Bewegung. Schließlich ist es ja geradezu ein Naturgesetz, dass aufeinander folgende Termine, grundsätzlich in verschiedenen Gebäuden stattfinden. Ohne mir irgendeinen Vorwurf zu machen wird mir bewusst, dass ich momentan gar nicht weiß um was es in diesem Meeting gehen soll. Da bin ich aber nicht der Einzige im Raum.
Die wenigen Anwesenden vermeiden jeglichen Augenkontakt. Stille erfüllt den Raum. Niemand wagt ein Gespräch zu beginnen, aus mangelnder Kenntnis des heutigen Themas. So vermeidet man jed-wedes peinliches Eingeständnis der eigenen Gleichgültigkeit.

Die Deckenbeleuchtung summt unangenehm. Der Stuhl ist ganz bequem. Allerdings beginne ich schon jetzt, rückseitig zu schwitzen.

Einer der sechzehn Einbaustrahler in der Decke bleibt dunkel. Genau wie mein Erinnerungsvermögen.

Die Projektleiterin blickt von ihrem Klapprechner auf. Freude sieht anders aus. Wir erfahren, dass die eigentlich „Einladende“ sich krank gemeldet hat. Somit fehlen (mit dem mir unbekannten SPOC – Single Point of Contact) die zwei wichtigsten Personen. Jetzt eröffnen sich zwei Möglichkeiten. Erstens, das Meeting endet ganz schnell aus Ermangelung der notwendigen Sachkompetenz. Zweitens, es wird eher viel länger dauern als geplant, aus genau demselben Grund.

Weil die anderen drei Leute im Raum ja ganz "Wichtige" sind, entschließen sie sich, die Sache auch so zu stemmen. Schließ-lich kann eine Führungskraft alles. Egal um was es geht. Die Projektleiterin stellt leicht angesäuert fest, dass nun auch kein Protokoll mitgeschrieben wird, da die „Einladende“ abwesend ist. Notgedrungen wirft sie die Todoliste an die Wand, um die aufgeführten Punkte durchzugehen. Ich kneife die Augen ein wenig zusammen, kann aber rein gar nichts erkennen. Die gezeigte Excelliste hat ca. 40 Spalten, die natürlich alle auf eine Seite gequetscht sind. Na wenigstens im Formatieren ist die Frau extrem effizient, denke ich mir.

Schade, dass der „Spoc“ nicht anwesend ist. Er könnte mit dem vulkanischen Nackengriff alle in Tiefschlaf versetzen und mich zum Weltraumschach einladen. Es naht der Moment wo ich bereue, heute schon vor 11:00 Uhr in der Früh, 3 Tassen Kaffee getrunken zu haben. Einerseits notwendiges Lebenselixier um Komazustände bei strunz langweiligen Vorträgen zu vermeiden, fordert er doch irgendwann seinen Tribut. Just jetzt ruft mich deshalb das „00“ und bittet mein Unterbewusstsein um eine Audienz. Wenn ich nun den Raum verlassen würde, könnte ich aber vielleicht nicht bei der Lösung eines unheimlich schwierigen Problems beitragen. Wo ich doch so viel „Know How“ zu bieten habe.

Ich suche nach Ablenkung. Versuche zu erraten, was die Helikoptermutter neben mir gerade ihrer zwanzigjährigen Tochter per WhatsApp ratschlägt. Schönes Wort habe ich da eben erfunden. Aus der Vergangenheit weiß ich, dass besagte Tochter täglich bei Mutti auf Arbeit anrufen muss. Dann wird besprochen wie der Tag war, wo die Tupperdose mit dem vorgekochten Essen im Kühlschrank steht, wie lange Selbiges in die Mikrowelle muss, ob ein halbes Brot für heute Abend reicht und ob Mutti bei irgendeiner Klausur helfen kann. Für solcherlei Gespräch wird locker eine Stunde des Büroschlafes abgezweigt. Aber am Ende des Monats wieder mit 125 Prozent auf der Überlastungsliste stehen.

Der Kollege mir gegenüber hat dummerweise vergessen seinen Lausprecher auf stumm zu schalten. So schallen nun verdächtige Geräusche aus dem Klapprechner. Entweder spielt er Moorhuhn 3000 oder schaut sich bei Youtube Videos über jaulende Katzen an. Jetzt gucken wir anderen natürlich ganz böse und er entschuldigt sich. Wie ein beim Popeln erwischter Praktikant, möchte er vor Verlegenheit im Boden versinken. Ein bisschen mehr Aufmerksamkeit kann man aber auch wirklich erwarten.

Derweil fülle ich mein Schreibheft mit wichtigen Notizen. Nachdem ich festgestellt habe, dass ich „Das Haus vom Nikolaus“ immer noch gut hinbekomme, versuche ich mich im Designen von Weltraumraketen.

Erfreulicherweise, meine Augen atmen förmlich auf, weicht die Excelliste nun einer gigantischen Powerpoint-Präsentation. Schön bunt, mit sämtlichen Möglichkeiten die das Programm so bietet. Das sind viele, sehr viele. Dummerweise habe ich nicht rechtzeitig weggeschaut und den Inhalt einer Folie gedanklich aufgenommen:
„Nach der Genehmigung des CAPA Planes durch den LARP und FURP, hat der QARP wieder einen Zugriff auf die einzelnen Stockouts und kann mit der Aktualisierung der GOPs wie z.B. die Verlängerung eines Quality Events oder Involvierung von IGM und HSE sowie Ergänzungen im Feld „Action Description“, ASAP beginnen.“
Ich verschlucke mich am leckeren Tafelwasser und kann gerade noch verhindern, dass es mir aus der Nase schießt. Mit diesen neuen Erkenntnissen könnte ich nun ein Neutrino mit der bloßen Kraft meiner Gedanken beschleunigen oder ein doppeltes Wurstbrot schmieren, während ich mit Mingvasen jongliere. Je nach Bedarf.

Jetzt trifft mich der brennende Hexenblick der Projektleiterin. „Ist irgendetwas nicht in Ordnung? Möchten Sie uns an Ihren Gedanken teilhaben lassen? Das ist hier ein wichtiges und ernstes Thema. Wie wäre es mal mit ein bisschen mehr „Sense of Urgency“?
Nach dem ersten Schock, bin ich bis ins tiefste Innerste verunsichert. Was erwartet die Frau von mir? Obwohl sicher etwas gänzlich anderes damit verbunden ist, drängen sich mir sofort verstörende Gedanken auf. Ich sehe mich im weißen Kittel über die Flure eilen und eine unvollständige Power-Point-Präsi in den „Emergency Room“ rollen. Quasi der deutsche George Clooney fürs Büro. Eine schöne Vorstellung.

Unsanft werde ich aus meinen Träumen gerissen. „Wir sehen uns nächste Woche zur selben Zeit. Ich hoffe jeder hat dann seine Todos erledigt.“ donnert die Powerfrau.
„Du mich auch.“ denkt sich die querulante Seite meines Hirns. Auf dem Flur spreche ich den mir am nächsten Flüchtenden an, um meine Bereitschaft zur Kooperation zu zeigen. „Das war ja interessant. Wie wollen wir die Sache denn angehen?“ Sehr geschickt gemacht, lobe ich mich. Ich will ja auch irgendwann mal motiviert werden. So bekomme ich schlussendlich doch noch heraus, um was es eigentlich ging.
„Keine Ahnung. Ich hab zu spät gemerkt, dass ich im falschen Meeting bin.“
Mahlzeit


PS: Für den geneigten Leser zur Information. Die genannten Abkürzungen sind keine Fieberfantasiegespinste, sondern gebräuchliche Abkürzungen aus der Wirtschaft. Z. B. FURP = Follow-up Responsible Person
 

reborn

Mitglied
Es ist das dritte Meeting zwischen Frühstück und Gänsebraten. Dazu fällt mir überhaupt nur ein positiver Aspekt ein. So habe ich wenigstens ausreichend Bewegung, trotz überwiegend sitzender Tätigkeit. Schließlich ist es ja geradezu ein Naturgesetz, dass aufeinander folgende Termine grundsätzlich in verschiedenen Gebäuden stattfinden. Deshalb warte ich immer noch ungeduldig darauf, dass Outlook-Kalender und Firmenhandy gekoppelt werden und so auch die Navigationsfunktion des Handys genutzt werden kann.
Ohne mir irgendeinen Vorwurf zu machen, wird mir bewusst, dass ich momentan gar nicht weiß, um was es in diesem Meeting eigentlich gehen soll. Da bin ich aber nicht der Einzige im Raum. Die wenigen Anwesenden vermeiden jeglichen Augenkontakt. Stille erfüllt den Raum. Niemand wagt ein Gespräch zu beginnen, aus mangelnder Kenntnis des heutigen Themas.

Die Deckenbeleuchtung summt unangenehm.
Der Stuhl ist aber ganz bequem. Allerdings beginne ich schon jetzt, rückseitig zu schwitzen.

Heute Morgen um 7, als ich noch jung war, fing der Tag gut an. Ich muss an den Witz denken, den Lukas mir beim Frühstück erzählt hat. „Was macht Chuck Norris sich zum Frühstück?“, fragt mich allen Ernstes der Zehnjährige, der wohl davon ausgeht, dass Chuck Norris eine Youtuber ist. Nach meinem Schulterzucken verkündet er triumphierend: „Er haut sich zwei Pfannen in die Eier.“ Nach diesem Spruch ahne ich, dass demnächst das Schreckgespenst Pubertät bei uns Einzug hält. Zurück in der Gegenwart hat mich die Langeweile wieder fest im Griff.

Einer der sechzehn Einbaustrahler in der Decke bleibt dunkel. Genau wie mein Erinnerungsvermögen.

Die Projektleiterin blickt von ihrem Klapprechner auf. Freude sieht anders aus. Wir erfahren, dass die eigentlich „Einladende“ sich krank gemeldet hat. Somit fehlen, mit dem mir unbekannten SPOC – Single Point of Contact –, die zwei wichtigsten Personen. Jetzt eröffnen sich zwei Möglichkeiten. Erstens, das Meeting endet ganz schnell aus Ermangelung der notwendigen Sachkompetenz. Zweitens, es wird eher viel länger dauern als geplant, aus genau demselben Grund.

Weil die anderen drei Leute im Raum ja ganz „Wichtige“ sind, entschließen sie sich, die Sache auch so zu stemmen. Schließlich kann eine Führungskraft alles. Egal, um was es geht. Die Projektleiterin stellt leicht angesäuert fest, dass nun auch kein Protokoll mitgeschrieben wird, da die „Einladende“ ja abwesend ist. „Wer möchte das übernehmen?“, fragt sie mit stechendem Blick in die Runde. Dr. Dingsda, der Schleimer, springt sofort freudig in die Bresche: „Kein Problem, das mache ich.“ Trotz eines Gefühls der Erleichterung kämpfe ich auch mit einem kleinen Würgereiz.
„Das ist der Spirit, den wir hier brauchen“, bekommt er als Dank zugesprochen. Mein Würgereiz erreicht einen bedenklichen Level.
Es wird die Todo-Liste an die Wand geworfen, um die aufgeführten Punkte durchzugehen. Ich kneife die Augen ein wenig zusammen, kann aber rein gar nichts erkennen. Die gezeigte Excel-Liste hat ca. 40 Spalten, die natürlich alle auf eine Seite gequetscht sind. Na wenigstens im Formatieren ist die Frau extrem effizient, denke ich mir.

Schade, dass der „Spock“ nicht anwesend ist. Er könnte mit dem vulkanischen Nackengriff alle in Tiefschlaf versetzen und mich zum Weltraumschach einladen. Es naht der Moment, wo ich bereue, heute schon vor 11:00 Uhr in der Früh 3 Tassen Kaffee getrunken zu haben. Einerseits notwendiges Lebenselixier, um Komazustände bei strunzlangweiligen Vorträgen zu vermeiden, fordert er doch irgendwann seinen Tribut. Just jetzt ruft mich deshalb das „00“ und bittet mein Unterbewusstsein um eine Audienz. Wenn ich nun den Raum verlasse, könnte ich aber nicht bei der Lösung eines unheimlich schwierigen Problems beitragen. Wo ich doch so viel „Know How“ zu bieten habe. Ich habe fast immer eine Lösung parat. Leider passt sie dann selten zum Problem.

Ich suche nach Ablenkung. Die Decke hat leider kein Karomuster oder Punkte, die ich zählen könnte. Versuche zu erraten, was die Helikoptermutter neben mir gerade ihrer zwanzigjährigen Tochter per WhatsApp ratschlägt. Schönes Wort habe ich da eben erfunden. Aus der Vergangenheit weiß ich, dass besagte Tochter täglich bei Mutti auf Arbeit anrufen muss. Dann wird besprochen, wie der Tag war, wo die Tupperdose mit dem vorgekochten Essen im Kühlschrank steht, wie lange Selbiges in die Mikrowelle muss, ob ein halbes Brot für heute Abend reicht und ob Mutti bei irgendeiner Klausur helfen kann. Für solcherlei Gespräch wird locker eine Stunde des Büroschlafes abgezweigt. Aber am Ende des Monats wieder mit 125 Prozent auf der Überlastungsliste stehen. Eine Könnerin in puncto Inkompetenzkompensationskompetenz.

Der Kollege mir gegenüber hat dummerweise vergessen seinen Lautsprecher auf stumm zu schalten. So schallen nun verdächtige Geräusche aus dem Klapprechner. Entweder spielt er Moorhuhn 3000 oder schaut sich bei Youtube Videos über jaulende Katzen an. Jetzt gucken wir anderen natürlich ganz böse und er entschuldigt sich. Wie ein beim Popeln erwischter Praktikant möchte er vor Verlegenheit im Boden versinken. Ein bisschen mehr Aufmerksamkeit kann man aber auch wirklich erwarten.

Derweil fülle ich mein Schreibheft mit wichtigen Notizen. Nachdem ich festgestellt habe, dass ich „Das Haus vom Nikolaus“ immer noch gut hinbekomme, versuche ich mich im Designen von Weltraumraketen, die mit Mandalas verziert werden. Auf dem Tisch liegt ein Flyer. Erst kann ich nicht genau erkennen, für was geworben mit. Ich will nicht die Aufmerksamkeit auf mich ziehen, weil ich mir das Blatt heranziehe. Also verrenke ich mir fast den Hals beim Lesen. Die Christliche Gewerkschaft Metall – Partner an deiner Seite.
Ein bisschen ratlos überlege ich, wer wohl durch diese Gewerkschaft bei uns vertreten wird. Katholische Wander-schmiede, eine gerade konfirmierte Heavy Metal Band oder
Ludger aus der Versandabteilung. Er hat auf jedem Unterarm einen tätowierten Engel und ganz viel Metall im Gesicht. Man kennt seine Mitmenschen einfach viel zu wenig. Wir sollten unbedingt bald wieder ein Firmenevent machen, um das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken. Ich würde für eine Weinverkostung stimmen.

Meine Augen atmen auf. Erfreulicherweise weicht die Excel-Liste nun einer gigantischen PowerPoint-Präsentation. Schön bunt, mit sämtlichen Möglichkeiten, die das Programm so bietet. Das sind viele, sehr viele. Dummerweise habe ich nicht rechtzeitig weg-geschaut und den Inhalt einer Folie gedanklich aufgenommen: „Nach der Genehmigung des CAPA-Planes durch den LARP hat der FURP wieder einen Zugriff auf die einzelnen Stockouts und kann mit der Aktualisierung der GOPs wie z. B. der Verlängerung eines Quality Events oder Involvierung von IGM und HSE sowie Ergänzungen im Feld ‚Action Description‘, ASAP beginnen.“
Ich verschlucke mich am leckeren Tafelwasser und kann gerade noch verhindern, dass es mir aus der Nase schießt. Mit diesen neuen Erkenntnissen könnte ich nun ein Neutrino mit der bloßen Kraft meiner Gedanken beschleunigen oder ein doppeltes Wurstbrot schmieren, während ich mit Mingvasen jongliere. Je nach Bedarf.

Sofort trifft mich der brennende Hexenblick der Projektleiterin: „Ist irgendetwas nicht in Ordnung? Möchten Sie uns an Ihren Gedanken teilhaben lassen? Das ist hier ein wichtiges und ernstes Thema. Wie wäre es mal mit ein bisschen mehr ‚Sense of Urgency‘?“
Nach dem ersten Schock bin ich bis ins tiefste Innere verunsichert. Was erwartet die Frau von mir? Obwohl sicher etwas gänzlich anderes damit verbunden ist, drängen sich mir sofort verstörende Gedanken auf. Ich sehe mich im weißen Kittel über die Flure eilen und eine unvollständige PowerPoint-Präsi in den „Emergency Room“ rollen. Quasi der deutsche George Clooney fürs Büro. Eine schöne Vorstellung. Ach, ich wäre gern mit einer Möwe befreundet. Die könnte dir auf den Kopf kacken, du Flintenuschi.

Unsanft werde ich aus meinen Träumen gerissen. „Wir sehen uns nächste Woche zur selben Zeit. Ich hoffe, jeder hat dann seine Todos erledigt“, donnert die Powerfrau.
„Du mich auch“, denkt sich die querulante Seite meines Hirns. Auf dem Flur spreche ich den mir am nächsten Flüchtenden an, um meine Bereitschaft zur Kooperation zu zeigen: „Das war ja interessant. Wie wollen wir die Sache denn angehen?“ Sehr geschickt gemacht, lobe ich mich. Ich will ja auch irgendwann mal motiviert werden. So bekomme ich schlussendlich doch noch heraus, um was es eigentlich ging.
„Keine Ahnung. Ich hab zu spät gemerkt, dass ich im falschen Meeting bin“, kam zurück.
Mahlzeit.

PS: Für den geneigten Leser zur Information. Die genannten Abkürzungen sind keine Fieberfantasiegespinste, sondern gebräuchliche Abkürzungen aus der Wirtschaft. Z. B. FURP = Follow-up Responsible Person.
 

reborn

Mitglied
Es ist das dritte Meeting zwischen Frühstück und Gänsebraten. Dazu fällt mir überhaupt nur ein positiver Aspekt ein. So habe ich nämlich ausreichend Bewegung, trotz überwiegend sitzender Tätigkeit. Schließlich ist es ja geradezu ein Naturgesetz, dass aufeinander folgende Termine grundsätzlich in verschiedenen Gebäuden stattfinden. Deshalb warte ich immer noch ungeduldig darauf, dass Outlook-Kalender und Firmenhandy gekoppelt werden und so auch die Navigationsfunktion des Handys genutzt werden kann.
Ohne mir irgendeinen Vorwurf zu machen, wird mir bewusst, dass ich momentan gar nicht weiß, welches Thema in diesem Meeting auf der Agenda steht. Da bin ich aber nicht der. Die wenigen Anwesenden vermeiden jeglichen Augenkontakt. Stille erfüllt den Raum. Niemand wagt ein Gespräch zu beginnen, sicher aus mangelnder Kenntnis des heutigen Themas.
Das Militär ist auch wieder anwesend. Data Integrity Officer und Compliance Officer sitzen, wie es sich für die Gehaltsklasse gehört, an der Stirnseite des Tisches und sind intensiv mit ihren I-Phones beschäftigt. Als dynamisches Duo treten sie nur gemeinsam auf, wahrscheinlich um sich gegenseitig vor Übergriffen der arbeitenden Kollegenschaft zu schützen.

Die Deckenbeleuchtung summt unangenehm.
Der Stuhl ist aber ganz bequem. Allerdings beginne ich schon jetzt, rückseitig zu schwitzen.

Heute Morgen um 7, als ich noch jung war, fing der Tag gut an. Ich muss an den Witz denken, den mein Sohn mir beim Frühstück erzählte. „Was macht Chuck Norris sich zum Frühstück?“, fragt mich allen Ernstes der Elfjährige, der fest davon ausgeht, dass Chuck Norris eine Youtuber ist. Nach meinem Schulterzucken verkündet er triumphierend: „Er haut sich zwei Pfannen in die Eier.“ Nach diesem Spruch ahne ich, dass demnächst das Schreckgespenst Pubertät bei uns Einzug hält. Zurück in der Gegenwart hat mich die Langeweile wieder fest im Griff.

Einer der sechzehn Einbaustrahler in der Decke bleibt dunkel. Genau wie mein Erinnerungsvermögen.

Die Projektleiterin blickt von ihrem Klapprechner auf. Freude sieht anders aus. Wir erfahren, dass die eigentlich „Einladende“ sich krankgemeldet hat. Somit fehlen, mit dem mir unbekannten SPOC – Single Point of Contact –, die zwei wichtigsten Personen. Jetzt eröffnen sich zwei Möglichkeiten. Erstens, das Meeting endet ganz schnell aus Ermangelung der notwendigen Sachkompetenz. Zweitens, es wird eher viel länger dauern als geplant, aus genau demselben Grund.Weil die anderen drei Leute im Raum ja ganz „Wichtige“ sind, entschließen sie sich, die Sache auch so zu stemmen. Schließlich kann eine Führungskraft alles. Egal, um was es geht. Die Projektleiterin stellt leicht angesäuert fest, dass nun auch kein Protokoll mitgeschrieben wird, da die „Einladende“ ja abwesend ist. „Wer möchte das übernehmen?“, fragt sie mit stechendem Blick in die Runde. Dr. Dingsda, der Schleimer, springt sofort freudig in die Bresche: „Kein Problem, das mache ich.“ Trotz eines Gefühls der Erleichterung kämpfe ich auch mit einem kleinen Würgereiz.
„Das ist der Spirit, den wir hier brauchen“, bekommt er als Dank zugesprochen. Mein Würgereiz erreicht einen bedenklichen Level.
Es wird die Todo-Liste an die Wand geworfen, um die aufgeführten Punkte durchzugehen. Ich kneife die Augen ein wenig zusammen, kann aber rein gar nichts erkennen. Die gezeigte Excel-Liste hat ca. 40 Spalten, die natürlich alle auf eine Seite gequetscht sind. Na wenigstens im Formatieren ist die Frau extrem effizient, denke ich mir.

Schade, dass der „Spock“ nicht anwesend ist. Er könnte mit dem vulkanischen Nackengriff alle in Tiefschlaf versetzen und mich zum Weltraumschach einladen. Es naht der Moment, wo ich bereue, heute schon vor 11:00 Uhr in der Früh 3 Tassen Kaffee getrunken zu haben. Einerseits notwendiges Lebenselixier, um Komazustände bei strunzlangweiligen Vorträgen zu vermeiden, fordert er doch irgendwann seinen Tribut. Just jetzt ruft mich deshalb das „00“ und bittet mein Unterbewusstsein um eine Audienz. Wenn ich nun den Raum verlasse, könnte ich aber nicht bei der Lösung eines unheimlich schwierigen Problems beitragen. Wo ich doch so viel „Know How“ zu bieten habe. Ich habe fast immer eine Lösung parat. Leider passt sie dann selten zum Problem.

Ich suche nach Ablenkung. Die Decke hat leider kein Karomuster oder Punkte, die ich zählen könnte. Versuche zu erraten, was die Helikoptermutter neben mir gerade ihrer zwanzigjährigen Tochter per WhatsApp ratschlägt. Schönes Wort habe ich da eben erfunden. Aus der Vergangenheit weiß ich, dass besagte Tochter täglich bei Mutti auf Arbeit anrufen muss. Dann wird besprochen, wie der Tag war, wo die Tupperdose mit dem vorgekochten Essen im Kühlschrank steht, wie lange Selbiges in die Mikrowelle muss, ob ein halbes Brot für heute Abend reicht und ob Mutti bei irgendeiner Klausur helfen kann. Für solcherlei Gespräch wird locker eine Stunde des Büroschlafes abgezweigt. Aber am Ende des Monats wieder mit 125 Prozent auf der Überlastungsliste stehen. Eine Könnerin in puncto Inkompetenzkompensationskompetenz.

Der Kollege mir gegenüber hat dummerweise vergessen seinen Lautsprecher auf stumm zu schalten. So schallen nun verdächtige Geräusche aus dem Klapprechner. Entweder spielt er Moorhuhn 3000 oder schaut sich bei Youtube Videos über jaulende Katzen an. Jetzt gucken wir anderen natürlich ganz böse und er entschuldigt sich. Wie ein beim Popeln erwischter Praktikant möchte er vor Verlegenheit im Boden versinken. Ein bisschen mehr Aufmerksamkeit kann man aber auch wirklich erwarten.

Derweil fülle ich mein Schreibheft mit wichtigen Notizen. Nachdem ich festgestellt habe, dass ich „Das Haus vom Nikolaus“ immer noch gut hinbekomme, versuche ich mich im Designen von Weltraumraketen, die mit Mandalas verziert werden. Auf dem Tisch liegt ein Flyer. Erst kann ich nicht genau erkennen, für was geworben mit. Ich will nicht die Aufmerksamkeit auf mich ziehen, weil ich mir das Blatt heranziehe. Also verrenke ich mir fast den Hals beim Lesen. Die Christliche Gewerkschaft Metall – Partner an deiner Seite.
Ein bisschen ratlos überlege ich, wer wohl durch diese Gewerkschaft bei uns vertreten wird. Katholische Wander-schmiede, eine gerade konfirmierte Heavy Metal Band oder
Ludger aus der Versandabteilung. Er hat auf jedem Unterarm einen tätowierten Engel und ganz viel Metall im Gesicht. Man kennt seine Mitmenschen einfach viel zu wenig. Wir sollten unbedingt bald wieder ein Firmenevent machen, um das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken. Ich würde für eine Weinverkostung stimmen.

Meine Augen atmen auf. Erfreulicherweise weicht die Excel-Liste nun einer gigantischen PowerPoint-Präsentation. Schön bunt, mit sämtlichen Möglichkeiten, die das Programm so bietet. Das sind viele, sehr viele. Dummerweise habe ich nicht rechtzeitig weg-geschaut und den Inhalt einer Folie gedanklich aufgenommen: „Nach der Genehmigung des CAPA-Planes durch den LARP hat der FURP wieder einen Zugriff auf die einzelnen Stockouts und kann mit der Aktualisierung der GOPs wie z. B. der Verlängerung eines Quality Events oder Involvierung von IGM und HSE sowie Ergänzungen im Feld ‚Action Description‘, ASAP beginnen.“
Ich verschlucke mich am leckeren Tafelwasser und kann gerade noch verhindern, dass es mir aus der Nase schießt. Mit diesen neuen Erkenntnissen könnte ich nun ein Neutrino mit der bloßen Kraft meiner Gedanken beschleunigen oder ein doppeltes Wurstbrot schmieren, während ich mit Mingvasen jongliere. Je nach Bedarf.

Sofort trifft mich der brennende Hexenblick der Projektleiterin: „Ist irgendetwas nicht in Ordnung? Möchten Sie uns an Ihren Gedanken teilhaben lassen? Das ist hier ein wichtiges und ernstes Thema. Wie wäre es mal mit ein bisschen mehr ‚Sense of Urgency‘?“
Nach dem ersten Schock bin ich bis ins tiefste Innere verunsichert. Was erwartet die Frau von mir? Obwohl sicher etwas gänzlich Anderes damit verbunden ist, drängen sich mir sofort verstörende Gedanken auf. Ich sehe mich im weißen Kittel über die Flure eilen und eine unvollständige PowerPoint-Präsi in den „Emergency Room“ rollen. Quasi der deutsche George Clooney fürs Büro. Eine schöne Vorstellung. Ach, ich wäre gern mit einer Möwe befreundet. Die könnte dir auf den Kopf kacken, du Flintenuschi.

Unsanft werde ich aus meinen Träumen gerissen. „Wir sehen uns nächste Woche zur selben Zeit. Ich hoffe, jeder hat dann seine Todos erledigt“, donnert die Powerfrau.
„Du mich auch“, denkt sich die querulante Seite meines Hirns. Auf dem Flur spreche ich den mir am nächsten Flüchtenden an, um meine Bereitschaft zur Kooperation zu zeigen: „Das war ja interessant. Wie wollen wir die Sache denn angehen?“ Sehr geschickt gemacht, lobe ich mich. Ich will ja auch irgendwann mal motiviert werden. So bekomme ich schlussendlich doch noch heraus, um was es eigentlich ging.
„Keine Ahnung. Ich hab zu spät gemerkt, dass ich im falschen Meeting bin“, kam zurück.

Mahlzeit.

PS: Für den geneigten Leser zur Information. Die genannten Abkürzungen sind keine Fieberfantasiegespinste, sondern gebräuchliche Abkürzungen aus der Wirtschaft. Z. B. FURP = Follow-up Responsible Person.
 



 
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