"sensible" themen

salvete!

mir ist neulich beim lesen einer kurzgeschichte augefallen, dass ich erstaunt und auch ein wenig verwirrt war, als der autor nach etwa 2/3 der story erst zu verstehen gab, das sein protagonist schwarzhäutig ist. diese tatsache war für den verlauf der geschichte auch nicht unwichtig, den aus diesem grund musste seine frau auf der straße gebähren.

über diese kleine verwirrung bin ich dazu gekommen, dass es gewisse "sensible" themen gibt, wie zu beispiel: schwarz - weiß, mann - frau, ost - west, links - rechts
bei diesen themen erwartet man als leser gradezu die einhaltung gewisser klischees.

meine frage: wie geht man in literarischen texten mit "sensiblen" themen um? vermeiden, kurz anmerken oder stundenlang darüber diskutieren?

kann man unterschiede zwischen oben genannten personengruppen nennen ohne dass sich gleich jemand auf den schlips getreten fühlt?

gruß
rainbow warrior
 

ex-mact

Mitglied
Moin (et salve),

entschuldige, wenn ich folgenderweise reagiere:

Was ist Deine Frage?

Ein TEXT (egal, ob sein Autor oder ein Kritiker ihn nun literarisch nennt oder nicht - aus Buchstaben besteht er allemal) kann ja mehrere Intentionen verfolgen: die, die der Autor beim Schreiben hat, die, die der Leser beim Lesen erkennt, die, die der Leser beim Lesen vermutet ohne sie zu erkennen, die, die der Kritiker dem Autor unterstellt... und so weiter. Du müsstest Deine Frage also doch selber beantworten: was WILL ich mit meinem Text denn aussagen? Will ich aussagen, daß ein farbiger Mensch anders behandelt wird als ein nichtfarbiger? Will ich aussagen, daß DIESER Mensch anders behandelt wird? Will ich aussagen, daß meine Meinung ist, daß MENSCHEN anders behandelt werden sollen als sie es werden?

Wenn Du wissen willst, ob "literarische" Texte Klischees verwenden dürfen: ja, natürlich! Ohne Klischees gäbe es keine Literatur (et vice versa). Aber der Autor sollte wissen, wann er warum welche Klischees einsetzt - ich behaupte einmal, dumm wie ich nunmal bin, daß ein Text, der von Klischees lebt, kaum literarisch genannt werden wird, wenn der Autor Klischees nicht BEWUSST eingesetzt hat (ihm das also nur "passiert" ist). Viele Texte gewinnen ihren Reiz aus dem Brechen von Klischees - oder dem "falschen Anwenden" solcher.

Wenn Du wissen willst, ob Du Deine eigene Meinung über "Allgemeingut" (Vorurteile gegenüber farbigen Menschen, Vorurteile gegenüber nicht-männlichen Menschen, Vorurteile gegenüber Nicht-Menschen) in einem Text äußern darfst: Ja, natürlich - wenn nicht Du, wer dann? Unter Umständen kann es sinnvoll sein, dem allzu begriffstutzigen Leser darauf hinzuweisen, daß Du als Autor vielleicht nicht DEINE Meinung vertritts sondern ein Gedankenspiel machst - denn sonst wirst Du leicht in eine Ecke geschoben... aber auch das kann ja Dein Ziel sein.

Ich wiederhole mich also: was ist Deine Frage?
 
R

Rote Socke

Gast
Der Diskussionsansatz gefällt mir!

Es kommt ja immer darauf an, wie der Autor/Leser Texte darstellen oder interpretieren will. Dass wir in unserem Ländle ja leider nicht ohne Klischees und Schubladendenken auskommen ist ja längst bekannt. Wer es denn schafft diesem Schema nicht zu entsprechen, na Glückwunsch und nur zu: Die Literatur bietet zum Glück noch reichlich Auswahl an Klischee- und Schubladendenkenfreien Texten zum lesen, bzw. Schreiber die sich daran üben. Das lässt hoffen.

"meine frage: wie geht man in literarischen texten mit "sensiblen" themen um?"

Du musst es selbst wissen, was Du mit dem Text ausdrücken willst. Bist Du Klischeefrei eingestellt, wirst Du auch Klischeefrei schreiben können. Denkst Du in Klischees und Schubladenkategorien, wird Dein Text dementsprechend ausfallen. Die einen werden den Text mögen, die anderen werden ihn ablehnen. So ist die Welt. Wer diese Welt so mag, wird daran festhalten und in seinen Texten das zum Ausdruck bringen. Wer das nicht mag, wird in seinen Texten dagegen ankämpfen.

Vorsicht ist aber geboten, weil sehr oft aus diesem Klischee- und Schubladendenken heraus Vorurteile zutage kommen. Wer als Autor Vorurteile weiterträgt, nicht genug recherchiert hat, der gibt mit seinem Text ein Armutszeugnis ab.
Aber bitte beachten: Ich sagte oft, nicht immer!

Beste Grüße
Volkmar
 
also: oft genug werden minderheiten oder in der vergangenheit unterschätzte personengruppen mit samtpfötchen angefasst (quotenregelung!), weil sie ein recht auf gleichberechtigung haben. oftmals wird dabei gleichberechtigt mit gleichsein gleichgesetzt. (es gibt noch die variante die minderheiten aus pol. ethischen oder wie auch immer gründen nicht leiden zu können aber das ist ein anderes thema).

neulich sah ich zufällig eine tanzmeisterschaft im fernsehen. dort hat die tatsache dass zwei blonde deutsche zur filmmusik von "Schindler's Liste" tanzten, eine menge diskussionen begründet. ist das nicht völlig egal?

gibt es autoren die völlig unbefangen an diese themen herangehen?

kann man einen schwarzen erwähnen ohne das es eine tiefere bedeutung hat?

und vor allem: wie macht man dem leser klar, dass es völlig normal oder auch unwichtig ist dass nicht die ganze menschheit dieselbe hautfarbe hat, ohne zu sagen:"hey, er is schwarz aber hat ne menge auf dem kasten"?

warum zeigt man deutschen im ausland ehemalige kriegsschauplätze, und dann auch noch mit dem unterton, sie sollten mal sehen was im wk 2 wirklich passiert ist?

warum musste ich schon mehr als einmal nicht-deutschen erklären, dass es hier nicht nur nazis gibt?


das waren nur ein paar gedanken, die ich zum thema hatte, meine frage hast du mir im grunde schon beantwortet. das ich schreiben kann was ich will ist ohnehin klar.
vielleicht ist die befangenheit etwas, das doch nicht jeder kennt.
 
R

Rote Socke

Gast
Hallo RW,

leider kann man in einem solchem Thread nur Themen anreißen und sie kaum vernünftig zu Ende diskutieren.
Du hast einige interessante Stichpunkte aufgeworfen, die ich als Diskussionsgrundlage sehr mag. Aber wie gesagt, sie lassen sich hier nicht sehr vertiefen.

Ich sage mal einfach pauschal: Wenn Du in Deiner Grundposition möglichst wertfrei oder vorurteilsfrei denkst, dann solltest Du einfach ein wenig Selbstbewusstsein an den Tag legen und im Text den Schwarzen eben als Schwarzen bezeichnen. Ich war lange genug in Afrika und wurde auch als Weißer betitelt. Und so isses ja auch.
Die Aussage: :"hey, er is schwarz aber hat ne menge auf dem kasten", ist natürlich ein absolutes billiges Klischee.
Aber Unterschiede gibt es, Äußerlich wie Kulturell. Also darf dies auch beschrieben sein.

Dass noch heute Deutschland mit der Nazizeit verglichen wird. Ja schade, aber ich kann's verstehen.

Auf die Schlagworte: Minderheiten, Gleichberechtigung, Quotenregelung, anfassen mit Samtpfötchen..., da gebe ich Dir recht. Auch da wird zu schnell pauschal gedacht und gehandelt.

Schöne Grüße
Volkmar
 
Z

ziner

Gast
Hi Socke,

"Wenn Du in Deiner Grundposition möglichst wertfrei oder vorurteilsfrei denkst, (...)"

Unser aller Chef-Hermeneutiker Herr Gadamer sagt, daß das Vorurteil die Vorstufe um Verstehen sei, mithin ein wichtiger Bestandteil unserer Komunikation.
Wer vorurteilsfrei ist, hat keine Phantasie, wer keine Phantasie hat wird schnell langweilig. Ich denke, daß das Vorurteil eine Voraussetzung von Schreiben, also Kommunikation ist. Ist es doch eben diese eine Prämisse, dieser Ausgangspunkt (Vor-Urteil) der vielen Texten - Prosa zumal - zugrunde liegt.
Zur Veranschaulichung mag hier deine Kurzgeschichte "Karima" herhalten. Sie ist eine Aneinanderreihung von Klischees und Vorurteilen.
Wie gesagt, wer wert- und vorurteilsfrei schreiben will sollte dies mit Speisekarten tun...

z
 
R

Rote Socke

Gast
Hi ziner,

um jeglichen Missverständnissen vorzubeugen: Ich schrieb MÖGLICHST. Hast Du das übersehen? Ich wäre ein Heiliger, würde ich behaupten absolut frei von Vorurteilen zu sein. Im Prinzip müssten wir uns wohl auch nicht um 'Kleckereien' streiten. Du weißt sehr wohl in welchen Sinn ich diese Worte schrieb.

Genauso gut wirst Du wissen in welchen Sinn ich Karima schrieb. Wenn Du diese Geschichte als Klischeeüberladen abtust, dann kannst Du entweder nur blind durch Deutschland laufen oder gehörst zu der Gruppe die ihre Ressentiments mit intellektuellen Sprüchen tarnen wollen.
Deine nächste Antwort wird mir ja vielleicht zeigen zu welcher Gruppe Du gehörst.

Sorry, ich hab's nicht nötig in Klischees zu schreiben. (Zumindest nicht in der Geschichte Karima). Verstehe das wer's verstehen kann und verstehen will.

Schöne Grüße
 
Z

ziner

Gast
Hi Roter,
bleib ruhig. Das ist es ja gerade, ich denke - hab ich das nicht gesagt ? - daß der Autor nicht frei sein KANN von Vorurteilen und Klischees. Besser noch, nicht frei sein DARF. Er muß sie reflektieren, aufbrechen und verwerten. Verstehst du?


Klischee,
das; -s,-s 1. Vorurteil, pauschale, festgefahrene
Vorstellung 2. abgedroschene Redewendung 3.
(tech.) Druckstock

Ich habe nichts von "überladen" gesagt. Ich sprach von "Aneinanderreihung" und dies vor dem Hintergrund, daß das Klischee, das Vorurteil zum Schreiben gehört. Voraussetzung ist. Also diese These als Ausgangspunkt zu nehmen und das Thema davor zu reflektieren. Ich hoffte dies am Beispiel deiner Geschichte deutlich machen zu können.
Ich wollte zeigen, daß du eben auch genau so verfährst. Mitnichten also ein Angriff. Denn du benutzt ja Klischees. (Die Meute Skins "gröhlt" und "johlt" - tun die das wirklich immer oder ist die Drohung nicht doch subtiler? Egal, es erfüllt seinen Zweck. Und die graue Tante Martha, ist eben dies verhuschte(?) Mütterchen, wie sich Fritzchen das vorstellt... Klischees, Versatzstücke...). Und es geht gar nicht so sehr um die Qualität der Geschichte (schon gar nicht um ihren Inhalt) sondern um die Analyse der sprachlichen Mittel die du benutzt hast.
Warum fühlst du dich angegriffen?

Was meine Ressentiments angeht, so tun die hier nichts zur Sache, weil sie nicht das Thema sind.

z
 
R

Rote Socke

Gast
Tja ziner,

bemerkst Du etwas? Wir beide kriegen es nicht auf die Reihe uns schriftlich auszutauschen. Mag gut sein, dass wir es mündlich besser könnten.

Ich benutze kein Stilmittel á la Klischees und Vorurteile bei Karima. Aus der Situation heraus in der Geschichte, wär's doch egal ob die 'Johlenden' Skinheads sind oder pubertierende Mädchen oder Politiker. Eine Gruppe, egal welche, stehend vor einem Kiosk, warum sollte sie in einer solchen Situation nicht johlen???
Hinter dem Verkaufstresen steht nun mal nicht ein junger Typ oder ein alter Herr, sondern die beschriebene Martha. Sie ist eine Figur und kein Klischee. (Na ja, eine feinrausgeputzte Lady mit einem Diplom in der Tasche, habe ich in einem Kiosk eh noch nicht gesehen, zumindest nicht in einer Berliner Seitenstraße.

Nun gut, Du ziehst Dir aus der Geschichte heraus was Du eben herausziehen willst. Das ist Dein Recht.

Übrigens, hast Du Deine Poesie in der Werkstatt vergessen? Willst Du wegen mir nicht antworten? Hau mal in die Tasten, vielleicht verstehen wir uns dort besser. :)

Bis später

Der Rote
 

Antaris

Mitglied
The Burning Bush

...und eine Stimme erhob sich: "Ziner, Ziner, steige herunter von Deinem hohen Ross und wirf Dich nieder, denn der Boden auf dem Du Dich bewegst ist heilig. Nun höre, was ich Dir auftrage: Du sollst nicht länger um Dich selbst kreisen und Du sollst Humor entwickeln. Natürlich darfst Du an der Form Deiner Gedichte schleifen so lange Du Lust hast, aber Du sollst sie auch mit adäquaten Inhalten füllen, denn pseudointellektuelle Worthülsen sind Deinem Herren ein Greuel egal wie hochnäsig der Kellner glotzt der sie serviert. Und nun sollst Du Buße tun und mir ein Opfer bringen. Schnappe Dir Deinen Lieblingsdeutschlehrer, murkse ihn ab, bestreiche ihn mit Barbecuesoße und röste ihn für mich schön cross auf diesem Feuerchen. Du darfst ruhig Fertigsoße aus dem Aldi oder Lidl nehmen weil Du's bist..."

So oder so ähnlich war es, ich habe es von weitem mitgekriegt aber Ziner war wieder zu sehr mit sich selbst beschäftigt...

Ich schwör's! In echt!

Antaris
 
R

Rote Socke

Gast
Ja ziner,

möcht ich ja nicht abstreiten. Werde mich bessern, wenn Du Dich besserst und mal in der Werkstatt weitermachst. Woran liegt es?

Ciao
 
Z

ziner

Gast
Hallo Volkmar,
so geht das nicht... ich kann so nicht arbeiten... ;-)

@Antaris
ja, ja
 
R

Rote Socke

Gast
Wie?, so nicht arbeiten?

Versteh ich nicht. Also welche Begründung. Sag Näheres.
 



 
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