SimSim
Soviel ich weiß, gibt es den Jahrmarkt in unserer Stadt schon seit dem Mittelalter. In damaliger Zeit jedoch fand er wohl tatsächlich nur einmal im Jahr statt und beschränkte sich auf Verkaufsstände sowie einige Gaukler. Heute ist das anders.
Fragt mich nicht, woran es liegt – vielleicht an der größer werdenden Vergnügungssucht – jedenfalls sind Jahrmärkte heute bunter und lauter denn je. Und fragt mich auch nicht, woran es liegt – vielleicht sind es die besser gewordenen Verkehrsverbindungen – unser Jahrmarkt jedenfalls findet heute gleich dreimal im Jahr statt. Die letzte Veranstaltung eines jeden Jahres tarnt sich dabei als Weihnachtsmarkt. Anstelle des Autoscooters gibt es dann eine so genannte Schweinchen-Bahn. Kinder drehen ihre Runden in pinkfarbenen Waggons mit Ringelschwanz und Steckdosennase, während deren Eltern mit Glühwein anstoßen. Und doch unterscheidet sich der Weihnachtsmarkt unserer Stadt grundlegend von allen anderen. Und dieser Unterschied liegt in SimSim, dem Geschichtenerzähler.
Er ist der Grund, warum ich Jahr für Jahr hierher komme. SimSim steht mit seinem seltsamen Gefährt immer ganz hinten links auf dem Festgelände, gleich neben dem Kinderkarussell, für welches meine beiden Kinder, Jenny und Leo inzwischen viel zu groß sind. Dort jedenfalls hinter dem Karussell steht sie - Eine alte Kutsche mit krummen Rädern und Eisblumen an den Scheiben, wenn es richtig kalt ist. Aber der Blick durch die kleinen Sprossenfenster lässt sofort erahnen, wie warm und gemütlich es im Inneren sein muss. Diese Kutsche sieht in der Tat so aus, als habe sie bereits vor hunderten von Jahren hier gestanden. Über der Eingangstür, die man über eine kleine, knarrende Holztreppe erklimmen muss, hängt ein geschnitztes Schild, auf dem man lesen kann: >SimSim‘s Geschichten<. Und breitbeinig unter dem Schild steht SimSim, der die vorbeigehenden Menschen anspricht, um sie in seine Behausung zu bitten, wo er ihnen von Elfen und Feen erzählen will, von Riesen und Zwergen, von sprechenden Fischen und stummen Papageien. Schon SimSim selbst erscheint wie die Figur aus einem Märchen. Bis hoch zu den Knien reichen seine Stiefel aus rotem Samt, zu denen er stets die passenden Handschuhe trägt. Sein dicker Ledermantel kann kaum verbergen, um was für ein schmales Kerlchen es sich bei ihm handelt. Ein Hals, dünn wie eine Kolaflasche, ragt aus dem pelzbesetzten Kragen und trägt einen Kopf mit wachen Augen. Seine Haut ist samtbraun, so wie schon sein Name nach tausendundeiner Nacht klingt - wie Simsalabim oder Sesam-öffne-dich.
Ich werde nie den Tag vergessen, an dem sich SimSim’s geheimnisvolle Tür zum ersten Mal für Jenny, Leo und mich öffnete. Jenny war sieben und Leo erst vier. Das Ganze ist nun schon einige Jahre her. Es war der Nachmittag eines 24. Dezembers. Meine Frau hatte mich gebeten, noch einige Besorgungen in der Stadt zu machen und auch die Kinder mitzunehmen. Wir kauften Wunderkerzen und eine neue Spitze für unseren Tannenbaum. Schließlich schlenderten wir noch ein wenig über den Weihnachtsmarkt, der sich nun schon immer mehr leerte.
Ich hätte die kleine Kutsche beinahe übersehen aber meine Kinder hatten sie entdeckt und bestanden darauf, unser letztes Kleingeld auszugeben für eine Geschichte. Ich sah auf meine Uhr. Die Zeit, die uns noch bis zu Bescherung blieb, war knapp. Trotzdem ließ ich mich von den Blicken meiner Kinder erweichen. SimSim nahm das Geld, musterte uns für einen Moment und öffnete wortlos die Tür. Ehrfurchtsvoll betraten wir sein Reich, in dem es nach süßen Gewürzen roch. Kaum saßen wir, da fing er auch schon an, eine Geschichte zu erzählen. Seine Stimme war weich, so als ernähre er sich ausschließlich von Olivenöl. Ich fragte mich von Anfang an, ob er das, was aus seinem Mund kam, nicht genau in jenem Augenblick erfand, denn es lag kein Buch oder auch nur ein Blatt Papier vor ihm. Das machte SimSim durchaus ein wenig unheimlich, denn so war er in der Lage, bei jedem Wort direkt in unsere staunenden Gesichter zu blicken. Seine Augen funkelten dabei wie geschliffene Diamanten im Flackern seiner Petroleumlampe. Ich hörte also zu, wie er von einem Bienenkind erzählte, welches sich verflogen hatte und zu einer Zauberwiese gelangt war. Dort wurde die Biene durch einen Zauber unfreiwillig in ein schreckliches Raubtier verwandelt - einen Löwen, um genau zu sein. Verwandlungen allerdings machen sehr müde und so schlief der Löwe für eine lange Zeit auf der Zauberwiese ein.
SimSim unterbrach kurz und nahm einen Schluck Wasser aus einer alten, fellbesetzten Flasche. Während sich sein Adamsapfel im Rhythmus des Schluckens auf und ab bewegte, sah ich wieder kurz auf die Uhr. Ich wollte nicht unhöflich sein, aber es war bereits kurz nach fünf. In nicht einmal einer Stunde sollte Bescherung sein.
Ich bin mir heute nicht mehr sicher, ob SimSim damals meinen Blick auf die Uhr bemerkt hatte. Jedenfalls - als er die Flasche wieder abstellte, richtete er zum ersten Mal das Wort direkt an uns und fragte:
„Wollt ihr wirklich hören, wie die Geschichte weitergeht?“
„Na ja …“, druckste ich herum. Doch zeitgleich nickten meine Kinder so heftig mit den Köpfen, dass ich ihnen ihren Wunsch nicht verwehren konnte.
SimSim zögerte kurz. Dann erzählte er, wie der Löwe in seiner Geschichte die Augen öffnete und sich suchend umsah, während der Wind seine Mähne glatt strich. Das Tier stob Luft durch die Nase und seine Krallen bohrten sich in die Wiese, als es aufstand.
Für einen Moment glaubte ich, einen strengen Geruch zu verspüren, denn der Duft von süßem Gewürz war einem beißenden Gestank gewichen. Als etwas meinen Fuß streifte, hätte ich schwören können, es sei die Tatze eines wahrhaftigen Löwen gewesen. Dann aber sah ich, dass es bloß mein Sohn Leo war, der sich auf mein Knie setzen wollte. Und schließlich war klar, ich hatte mir den Geruch nur eingebildet. Denn als ich mich umsah, gab es da nichts als die Einrichtungsgegenstände in SimSim’s Kutsche. Und nun sah ich auch, dass SimSim tatsächlich eine ganze Menge Bücher besaß, die in den Regalen an den Wänden gelagert waren. Ich legte den Arm um meinen Sohn, während SimSim weiter erzählte. Der Löwe in der Geschichte suchte nach etwas Essbarem, denn er hatte einen fürchterlichen Hunger. Er streifte durch die Gegend und kam in einen Park, in dem er auch auf Menschen traf. Diese jedoch hatten verständlicherweise Angst und liefen davon und dann …. Noch bevor SimSim weiter erzählen konnte, schrie meine Tochter Jenny grell auf und auch Leo zuckte ängstlich zusammen. Das war zu viel. Wütend darüber, dass SimSim meinen Kindern eine solche Angst eingejagt hatte, erhob ich mich und nahm Leo auf den Arm.
„Komm Jenny, wir gehen. Mama wartet sicher längst auf uns.“
Leo jedoch quengelte:
„Nein. Ich will wissen, was aus dem Löwen wird.“
Jenny, blieb ruhig und folgte mir stumm, als wir SimSim’s Kutsche verließen. Wir eilten vorbei am Kinderkarussell, an den Fressbuden und dem Glühweinstand. Leo zog immer noch widerwillig an meinem Arm.
„Papa, warte doch. Was wird denn nun aus dem armen Löwen? Er hatte so traurige Augen. Ich will es wissen. Wir müssen zurück. SimSim soll ihn wieder in eine Biene verwandeln.“
Und dann begann Leo zu weinen. Ich blieb stehen.
„Der Löwe hatte traurige Augen?“, fragte ich. „Aber davon hat SimSim doch gar nichts erwähnt.“
„Aber…“, sagte Jenny, „…aber die Männer mit den Gewehren wollten ihn in den Zoo bringen und einsperren.“
„Welche Männer?“, fragte ich erstaunt. Auch davon war in der Geschichte nichts erwähnt worden.
„Die Männer vom Zoo. Es stand doch auf dem Auto. Z.O.O.! Hast du es denn nicht gesehen?“
„Genau“, sagte Leo, „drei Autos waren es. Eins davon mit dicken Gitterstäben.“
Erstaunt sah ich meine Kinder an. Ich weiß nicht warum ich es tat, aber ich nahm die beiden an die Hand und wir machten uns auf den Weg zurück zu SimSim. Wortlos lächelnd hielt dieser uns die Tür auf, als habe er uns bereits erwartet. Nachdem wir uns wieder hingesetzt hatten, eröffnete ich ihm den Grund, warum wir wieder zurückgekommen waren.
„Wir möchten wissen, was aus dem Löwen wird.“
„Das habe ich mir gedacht“, antwortete SimSim. “Jeder will das Ende einer Geschichte kennen.“
„Und ich möchte ihn sehen. Ihn und die Männer mit den Gewehren - so wie meine Kinder sie gesehen haben.“
Erneut blickte ich nervös auf meine Uhr. Es war bereits kurz vor sechs.
„Nun ja“, sagte SimSim, „möglich wäre es schon, Euch diesen Wunsch zu erfüllen. Diesmal jedoch wäre der Preis dafür ein höherer, als ein paar Eurer lausigen Münzen.“
Etwas erstaunt und auch schon leicht verärgert sah ich ihn an, während ich an meine Frau dachte, die zu Hause sicher längst wartete.
„Was also soll der Spaß kosten?“, fuhr ich ihn an.
„Gebt mit Eure Uhr“, antwortete SimSim mit seiner ruhigen, öligen Stimme.
Plötzlich verstand ich. Es war kein teures Stück, welches ich um mein Handgelenk trug, aber darum schien es SimSim gar nicht zu gehen. Ich reichte sie ihm und er nahm sie an sich, ohne sie zu begutachten. Dann erzählte er, wie es mit der kleinen Biene, die nun ein Löwe war, weiter ging. Nun - ich werde es Euch erst später verraten, denn dies ist eine andere Geschichte als die von SimSim selbst.
Seit jenem Weihnachtstag aber, sehe ich sie auch – die Elfen und Feen, die Riesen und Zwerge, die sprechenden Fische und den stummen Papagei. Und seit damals gehen wir Jahr für Jahr zu SimSim, dem Geschichtenerzähler.
Und ihr? Ihr sagt, ihr kommt aus derselben Stadt wie ich und habt ihn doch noch nie entdeckt, dort auf dem Weihnachtsmarkt? Nun - Vielleicht müsst ihr nur noch einmal genauer hinsehen?
Meistens steht er ganz hinten links, gleich neben dem Kinderkarussell.
Soviel ich weiß, gibt es den Jahrmarkt in unserer Stadt schon seit dem Mittelalter. In damaliger Zeit jedoch fand er wohl tatsächlich nur einmal im Jahr statt und beschränkte sich auf Verkaufsstände sowie einige Gaukler. Heute ist das anders.
Fragt mich nicht, woran es liegt – vielleicht an der größer werdenden Vergnügungssucht – jedenfalls sind Jahrmärkte heute bunter und lauter denn je. Und fragt mich auch nicht, woran es liegt – vielleicht sind es die besser gewordenen Verkehrsverbindungen – unser Jahrmarkt jedenfalls findet heute gleich dreimal im Jahr statt. Die letzte Veranstaltung eines jeden Jahres tarnt sich dabei als Weihnachtsmarkt. Anstelle des Autoscooters gibt es dann eine so genannte Schweinchen-Bahn. Kinder drehen ihre Runden in pinkfarbenen Waggons mit Ringelschwanz und Steckdosennase, während deren Eltern mit Glühwein anstoßen. Und doch unterscheidet sich der Weihnachtsmarkt unserer Stadt grundlegend von allen anderen. Und dieser Unterschied liegt in SimSim, dem Geschichtenerzähler.
Er ist der Grund, warum ich Jahr für Jahr hierher komme. SimSim steht mit seinem seltsamen Gefährt immer ganz hinten links auf dem Festgelände, gleich neben dem Kinderkarussell, für welches meine beiden Kinder, Jenny und Leo inzwischen viel zu groß sind. Dort jedenfalls hinter dem Karussell steht sie - Eine alte Kutsche mit krummen Rädern und Eisblumen an den Scheiben, wenn es richtig kalt ist. Aber der Blick durch die kleinen Sprossenfenster lässt sofort erahnen, wie warm und gemütlich es im Inneren sein muss. Diese Kutsche sieht in der Tat so aus, als habe sie bereits vor hunderten von Jahren hier gestanden. Über der Eingangstür, die man über eine kleine, knarrende Holztreppe erklimmen muss, hängt ein geschnitztes Schild, auf dem man lesen kann: >SimSim‘s Geschichten<. Und breitbeinig unter dem Schild steht SimSim, der die vorbeigehenden Menschen anspricht, um sie in seine Behausung zu bitten, wo er ihnen von Elfen und Feen erzählen will, von Riesen und Zwergen, von sprechenden Fischen und stummen Papageien. Schon SimSim selbst erscheint wie die Figur aus einem Märchen. Bis hoch zu den Knien reichen seine Stiefel aus rotem Samt, zu denen er stets die passenden Handschuhe trägt. Sein dicker Ledermantel kann kaum verbergen, um was für ein schmales Kerlchen es sich bei ihm handelt. Ein Hals, dünn wie eine Kolaflasche, ragt aus dem pelzbesetzten Kragen und trägt einen Kopf mit wachen Augen. Seine Haut ist samtbraun, so wie schon sein Name nach tausendundeiner Nacht klingt - wie Simsalabim oder Sesam-öffne-dich.
Ich werde nie den Tag vergessen, an dem sich SimSim’s geheimnisvolle Tür zum ersten Mal für Jenny, Leo und mich öffnete. Jenny war sieben und Leo erst vier. Das Ganze ist nun schon einige Jahre her. Es war der Nachmittag eines 24. Dezembers. Meine Frau hatte mich gebeten, noch einige Besorgungen in der Stadt zu machen und auch die Kinder mitzunehmen. Wir kauften Wunderkerzen und eine neue Spitze für unseren Tannenbaum. Schließlich schlenderten wir noch ein wenig über den Weihnachtsmarkt, der sich nun schon immer mehr leerte.
Ich hätte die kleine Kutsche beinahe übersehen aber meine Kinder hatten sie entdeckt und bestanden darauf, unser letztes Kleingeld auszugeben für eine Geschichte. Ich sah auf meine Uhr. Die Zeit, die uns noch bis zu Bescherung blieb, war knapp. Trotzdem ließ ich mich von den Blicken meiner Kinder erweichen. SimSim nahm das Geld, musterte uns für einen Moment und öffnete wortlos die Tür. Ehrfurchtsvoll betraten wir sein Reich, in dem es nach süßen Gewürzen roch. Kaum saßen wir, da fing er auch schon an, eine Geschichte zu erzählen. Seine Stimme war weich, so als ernähre er sich ausschließlich von Olivenöl. Ich fragte mich von Anfang an, ob er das, was aus seinem Mund kam, nicht genau in jenem Augenblick erfand, denn es lag kein Buch oder auch nur ein Blatt Papier vor ihm. Das machte SimSim durchaus ein wenig unheimlich, denn so war er in der Lage, bei jedem Wort direkt in unsere staunenden Gesichter zu blicken. Seine Augen funkelten dabei wie geschliffene Diamanten im Flackern seiner Petroleumlampe. Ich hörte also zu, wie er von einem Bienenkind erzählte, welches sich verflogen hatte und zu einer Zauberwiese gelangt war. Dort wurde die Biene durch einen Zauber unfreiwillig in ein schreckliches Raubtier verwandelt - einen Löwen, um genau zu sein. Verwandlungen allerdings machen sehr müde und so schlief der Löwe für eine lange Zeit auf der Zauberwiese ein.
SimSim unterbrach kurz und nahm einen Schluck Wasser aus einer alten, fellbesetzten Flasche. Während sich sein Adamsapfel im Rhythmus des Schluckens auf und ab bewegte, sah ich wieder kurz auf die Uhr. Ich wollte nicht unhöflich sein, aber es war bereits kurz nach fünf. In nicht einmal einer Stunde sollte Bescherung sein.
Ich bin mir heute nicht mehr sicher, ob SimSim damals meinen Blick auf die Uhr bemerkt hatte. Jedenfalls - als er die Flasche wieder abstellte, richtete er zum ersten Mal das Wort direkt an uns und fragte:
„Wollt ihr wirklich hören, wie die Geschichte weitergeht?“
„Na ja …“, druckste ich herum. Doch zeitgleich nickten meine Kinder so heftig mit den Köpfen, dass ich ihnen ihren Wunsch nicht verwehren konnte.
SimSim zögerte kurz. Dann erzählte er, wie der Löwe in seiner Geschichte die Augen öffnete und sich suchend umsah, während der Wind seine Mähne glatt strich. Das Tier stob Luft durch die Nase und seine Krallen bohrten sich in die Wiese, als es aufstand.
Für einen Moment glaubte ich, einen strengen Geruch zu verspüren, denn der Duft von süßem Gewürz war einem beißenden Gestank gewichen. Als etwas meinen Fuß streifte, hätte ich schwören können, es sei die Tatze eines wahrhaftigen Löwen gewesen. Dann aber sah ich, dass es bloß mein Sohn Leo war, der sich auf mein Knie setzen wollte. Und schließlich war klar, ich hatte mir den Geruch nur eingebildet. Denn als ich mich umsah, gab es da nichts als die Einrichtungsgegenstände in SimSim’s Kutsche. Und nun sah ich auch, dass SimSim tatsächlich eine ganze Menge Bücher besaß, die in den Regalen an den Wänden gelagert waren. Ich legte den Arm um meinen Sohn, während SimSim weiter erzählte. Der Löwe in der Geschichte suchte nach etwas Essbarem, denn er hatte einen fürchterlichen Hunger. Er streifte durch die Gegend und kam in einen Park, in dem er auch auf Menschen traf. Diese jedoch hatten verständlicherweise Angst und liefen davon und dann …. Noch bevor SimSim weiter erzählen konnte, schrie meine Tochter Jenny grell auf und auch Leo zuckte ängstlich zusammen. Das war zu viel. Wütend darüber, dass SimSim meinen Kindern eine solche Angst eingejagt hatte, erhob ich mich und nahm Leo auf den Arm.
„Komm Jenny, wir gehen. Mama wartet sicher längst auf uns.“
Leo jedoch quengelte:
„Nein. Ich will wissen, was aus dem Löwen wird.“
Jenny, blieb ruhig und folgte mir stumm, als wir SimSim’s Kutsche verließen. Wir eilten vorbei am Kinderkarussell, an den Fressbuden und dem Glühweinstand. Leo zog immer noch widerwillig an meinem Arm.
„Papa, warte doch. Was wird denn nun aus dem armen Löwen? Er hatte so traurige Augen. Ich will es wissen. Wir müssen zurück. SimSim soll ihn wieder in eine Biene verwandeln.“
Und dann begann Leo zu weinen. Ich blieb stehen.
„Der Löwe hatte traurige Augen?“, fragte ich. „Aber davon hat SimSim doch gar nichts erwähnt.“
„Aber…“, sagte Jenny, „…aber die Männer mit den Gewehren wollten ihn in den Zoo bringen und einsperren.“
„Welche Männer?“, fragte ich erstaunt. Auch davon war in der Geschichte nichts erwähnt worden.
„Die Männer vom Zoo. Es stand doch auf dem Auto. Z.O.O.! Hast du es denn nicht gesehen?“
„Genau“, sagte Leo, „drei Autos waren es. Eins davon mit dicken Gitterstäben.“
Erstaunt sah ich meine Kinder an. Ich weiß nicht warum ich es tat, aber ich nahm die beiden an die Hand und wir machten uns auf den Weg zurück zu SimSim. Wortlos lächelnd hielt dieser uns die Tür auf, als habe er uns bereits erwartet. Nachdem wir uns wieder hingesetzt hatten, eröffnete ich ihm den Grund, warum wir wieder zurückgekommen waren.
„Wir möchten wissen, was aus dem Löwen wird.“
„Das habe ich mir gedacht“, antwortete SimSim. “Jeder will das Ende einer Geschichte kennen.“
„Und ich möchte ihn sehen. Ihn und die Männer mit den Gewehren - so wie meine Kinder sie gesehen haben.“
Erneut blickte ich nervös auf meine Uhr. Es war bereits kurz vor sechs.
„Nun ja“, sagte SimSim, „möglich wäre es schon, Euch diesen Wunsch zu erfüllen. Diesmal jedoch wäre der Preis dafür ein höherer, als ein paar Eurer lausigen Münzen.“
Etwas erstaunt und auch schon leicht verärgert sah ich ihn an, während ich an meine Frau dachte, die zu Hause sicher längst wartete.
„Was also soll der Spaß kosten?“, fuhr ich ihn an.
„Gebt mit Eure Uhr“, antwortete SimSim mit seiner ruhigen, öligen Stimme.
Plötzlich verstand ich. Es war kein teures Stück, welches ich um mein Handgelenk trug, aber darum schien es SimSim gar nicht zu gehen. Ich reichte sie ihm und er nahm sie an sich, ohne sie zu begutachten. Dann erzählte er, wie es mit der kleinen Biene, die nun ein Löwe war, weiter ging. Nun - ich werde es Euch erst später verraten, denn dies ist eine andere Geschichte als die von SimSim selbst.
Seit jenem Weihnachtstag aber, sehe ich sie auch – die Elfen und Feen, die Riesen und Zwerge, die sprechenden Fische und den stummen Papagei. Und seit damals gehen wir Jahr für Jahr zu SimSim, dem Geschichtenerzähler.
Und ihr? Ihr sagt, ihr kommt aus derselben Stadt wie ich und habt ihn doch noch nie entdeckt, dort auf dem Weihnachtsmarkt? Nun - Vielleicht müsst ihr nur noch einmal genauer hinsehen?
Meistens steht er ganz hinten links, gleich neben dem Kinderkarussell.