Sommererde

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Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Wenn es besonders heiß war und seit Tagen nicht mehr geregnet hatte, schickte mich meine Mutter auf den Friedhof, um die Gräber zu gießen. Ich hatte ungefähr acht Anlaufstellen auf dem Friedhof. Das lag einerseits an unserer großen Verwandtschaft und andererseits hat man sich damals auch um Gräber gekümmert, für die niemand mehr zuständig war.

Darunter war auch das Kindergrab meiner Schwester Margarete, die acht Jahre vor mir geboren wurde und ein paar Tage nach ihrer Geburt starb. Meine Mutter hat nie darüber gesprochen, sie hat das Grab aber Zeit ihres Lebens liebevoll gepflegt.

Der Friedhof lag am anderen Ende des Dorfes und ich habe diesen Dienst gerne übernommen. Beim Schlendern durch das Dorf hat man immer bei dem einen oder anderen Hof einen Freund oder eine Freundin getroffen. Auf dem Weg lag auch der Kaugummiautomat oder ich habe mir nach getaner Arbeit ein Milcheis für zwanzig Pfennig aus der Gaststätte geholt.

Noch heute höre ich das laute Quietschen des schmiedeeisernen Tores und spüre noch immer die erhabene Stille nach dem Betreten.
Ich war selten der Einzige und von den Alten wurde ich mit einem anerkennenden Nicken begrüßt. Es wurden Fragen nach der Familie und der Schule gestellt, dann konnte man mit stolz geschwellter Brust an sein Werk gehen.

Manchmal traf ich Anton, den Totengräber aus dem Nachbardorf und seinen Sohn, die gerade ein frisches Grab aushoben.
„Ich mag Sommererde“, sagte er, die eine Hand auf die Schaufel gestützt und in der anderen ein Flasche Bier. „Sie ist leichter“.
 

Ji Rina

Mitglied
Hallo Franke,
Hat mir gut gefallen - mit der Endzeile!
Nur eine Frage, weil mich deine Meinung interessieren würde:

Noch heute höre ich das laute Quietschen des schmiedeeisernen Tores und spüre noch immer die erhabene Stille nach dem Betreten.
Ist diese Zeile hier korrekt hingesetzt? Weil als letztes nicht mehr der Friedhof - sondern von der Gaststätte die Rede war.
Nur eine Frage um selbst zu lernen. Du, als Dichter weisst das besser.
Gern gelesen,
Ji
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Ji Rina,

Das schmiedeeiserne Tor gehört natürlich zum Friedhof, die Gaststätte ist hier nur Nebenschauplatz.
Du hast recht, man könnte das Tor jetzt der Gaststätte zuordnen. Aber ich denke, dass man weiss, dass ich hier den Eingang zum Friedhof meine.
Danke für deinen Kommentar und die Wertung!

Liebe Grüße
Manfred
 

Ji Rina

Mitglied
Ueber solche Details zerbreche ich mir manchmal unnötig den Kopf..;) Weiss nie, wies richtig ist.
Gruss, Ji
 
G

Gelöschtes Mitglied 14616

Gast
Gerne gelesen, Manfred. Ich mag solche melancholischen Erinnerungen: Still, und gerade deshalb so berührend.
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Cellist,

ich werde auf Lesungen oft angesprochen, warum ich die Geschichten, die ich um meine Gedichte spinne, nicht aufschreibe.
Ich bin gerade dabei es zu tun.
Vielen Dank für deinen Kommentar und die Wertung.

Liebe Grüße
Manfred
 

hein

Mitglied
Der Friedhof lag am anderen Ende des Dorfes und ich habe diesen Dienst gerne übernommen. Beim Schlendern durch das Dorf hat man immer bei dem einen oder anderen Hof einen Freund oder eine Freundin getroffen. Auf dem Weg lag auch der Kaugummiautomat oder ich habe mir nach getaner Arbeit ein Milcheis für zwanzig Pfennig aus der Gaststätte geholt.
Hallo Franke,

nach meiner Ansicht könnte man diesen Absatz auch ans Ende setzen. Erst die Arbeit und dann die Belohnung.

Ansonsten gerne gelesen.

LG
hein
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
nach meiner Ansicht könnte man diesen Absatz auch ans Ende setzen. Erst die Arbeit und dann die Belohnung.
Hallo Hein,

das wäre eine Möglichkeit.
Allerdings ist der Totengräber Anton eigentlich die Hauptperson und deshalb wollte ich die Pointe an den Schluss setzen.

Danke für deinen Kommentar und die Wertung.

Liebe Grüße
Manfred
 

Gudrun

Mitglied
Oh ja, ich liebe deinen Totengräber. Er macht nur seine Arbeit und ist dabei so philosophisch, er hat mich zu einem wehmütigen Grübeln gebracht.
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Wir hatten als Kinder auch immer etwas Angst vor ihm, vor allem wenn er uns Knochen gezeigt hat, die er beim Graben gefunden hat.
 



 
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