Spürt ihr es

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zugnachpankow

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Spürt ihr es
Woher kommt dieser seltsame Schmerz, der einen manchmal in der Nacht ergreift? Wenn man da liegt, sich wälzt und durch Schlaflosigkeit ein ausgelutschtes Klischee von Melancholie darstellt. Auf einmal kollidieren alle Trauer, alle Liebe, alle Träume und alle Angst zu einem einzigen Weltschmerz. Hat die Welt ihn mir geschickt?
Ich fühle mich dann, als könnte ich es in mich aufsaugen, dieses universale Leid, und mein Körper sei ein leeres Gefäß, das für einige Sekunden alles Dunkel halte. Und meine Tränen seien dann eine Katharsis. Erlösend für mich, auch ein bisschen Heilung für den Rest? Ich wünsche mir, ihr spürt es. Gebt ihn mir nur weiter, in der Nacht, ich nehme ihn dankbar ohne Zittern und gebe meinen Teil.
 

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Ja, ich spüre es, zugnachpankow.

Deine Interpretation dieser dunkelsten Nachtstundengedanken gefällt mir. Die hat etwas sehr Versöhnliches.
Sehr gerne gelesen.

LG,
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petrasmiles

Mitglied
Lieber zugnachpankow,

Du zeichnest ein Bild der Jugend, in der man noch so durchlässig ist, die Seele so weit offen wie die Augen, um die Reise ins Ich über das Erleben des Außen zu beginnen. Da erscheint kein Schmerz unbeweint - wie bei Rilke dringt der Weltschmerz in jede Pore und wird zu Poesie.

Ich liebe diesen Gedanken der Katharsis. Ich habe oft geweint in jenen Jahren und wusste so wenig, ob die Ursache im Außen oder im Innen lag. Ich denke, es war der Schmerz in sich, der durch etwas im Außen erkannt wurde und sich verband, um durch Tränen und durchlittene fremde und eigene Verzweiflung den Schmerzstau zu überwinden und 'abregnen' zu lassen. In diesen Momenten weiß man, dass es nicht nur den Weltschmerz gibt, sondern auch den Weltgeist, und auch, wenn die Katharsis dem Empfindenden betrifft, fügen doch die Tränen dem Weltgeist etwas hinzu. Es ist auch eine Anerkenntnis des Schmerzes und der Trauer überall in der Welt und zu allen Zeiten. Ein wunderbarer Beitrag zur Menschwerdung. Etwas Bleibendes. Wer es empfand, kann nicht mehr gleichgültig über Schlachtfelder wandeln, auch nicht im Geiste.

Liebe Grüße
Petra
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Manchmal kenne ich es, von früher vor allem. Aber irgendwann wird der Schmerz zur absoluten Verzweiflung und die tötet alles andere ab. Mögest du nie an diesen Punkt kommen. Es ist ein schöner, berührender und ehrlicher Text, der die Wahrheit des eigenen Lebens wagt und das lässt mich getroffen zurück ...

LG
Patrick
 



 
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