Phil Trepal
Mitglied
Stadtvögel
Sein linkes Auge war milchig und verblasst.
2 Perlen darin aus Dunkelheit, die sich vor sein Sichtfeld schoben.
Eine links oben halb bedeckt von einem faltigen Lid und die andere inmitten seiner Pupille.
Längsseits der alten Brücke, am Bahnhof - da wo es schon gefährlich wurde - war er ein Freund.
Seelenverwandt mit den Tauben. Sah nur das seichte Schillern ihrer Federn, nicht die knorpligen, verformten Füße, die durch jede hingespuckte Pfütze stapften.
Und er staffierte sie aus mit Schrot von der alten Fabrik, wo er in den Silos scharrte mit einem Plastikbecher und einer Aldi-Tüte die zerstampften Körner abschöpfte. Heimlich und leise. Und dann stakte er zurück.
Er sah ihr Schimmern und es war wertvoll für ihn.
Die Menschen merkten es nicht, dass sein Augenlicht verging.
Bank für Bank, Pflasterstein um Pflasterstein, altes Eisen aus den 40er Jahren und zeitgenössische Takeaway-Imbissbuden als unmittelbare Anrainer zu seiner Welt.
Seine Arme verschränkte er beim Gehen – obwohl es eher Promenieren heißen sollte – hinter seinem Rücken.
Auf allen Wegen promenierte er und das unterschied ihn von seinen Genossen.
Beständiger Schritt.
Früher sagte man, seine Augen hätten etwas fruchtiges und sie quollen hervor, wenn er zu viel nachdachte.
Sie taxierten die Welt und waren wie von innigem Verständnis und Milde.
Sein Blick war freundlich und traf sehr wohl auf Gesichter, die reagierten. Die stecknadelgroße Krankheit in seinen Augen schob immer wieder Gewitter über die Überlappungen seines Sichtfelds, das er füllte mit allerlei Dingen, die er sich ausdachte und die nur ihm gehörten und die fedrig-leicht zu seinen geflügelten Kameraden passten.
Er war ein Ausbund des Trotts der Stadt, eine heimliche, nicht ungern bemerkte Oase, die nur zu gerne initiativ umschifft wurde.
Sie färbte auf ihn ab, die Stadt, und durchdrang ihn mit allen Gerüchen, aller Feuchtigkeit des Sommers und Dreck von Myriaden an Schuhsolen - die sich durch die Stadt lavierten - mit porösen Kaugummiresten zwischen den Zehen, Kippen und Gesellschaft und hinterließ ein Bouquet, das in seine Poren sickerte - transpirierend und satt in den Schichten seiner Haut festhing.
Und doch fühlten sich die Menschen kurz sicher, wenn sie an ihm vorübergingen.
Das Treiben der Stadt und das stickige Klima und die Anonymität - die eigentlich keine war. Er kannte die Tauben bei den Namen, die er ihnen gegeben hatte.
Der Regen spülte ihm den Staub aus den Augen, der sich aus den Silos unter seine Wimpern festgebacken hatte. Rot und zerrieben, wenn sich der Himmel öffnete.
Doch dann lächelte er mit einer so besonderen Geste, dass die Menschen sich kurz mit sich selbst beschäftigten und beschämt ihre Gedankenmuster in sich verbargen.
Für ein paar Sekunden.
Denn es war ihnen unangenehm und es presste etwas in ihnen zusammen.
So standen sie an seiner Bank. Immer wieder kleine Trauben von Menschen.
Erst jetzt. Nach Jahren, in denen sie vorbegingen und sich heimlich etwas von ihm mitnahmen.
Nun hielten sie sich an ihren Einkaufstüten fest und konnten es nicht verstehen. Dann gingen sie und der Regen blieb.
Ein Habitat aufgerichtet an 3 Bänken für lange Zeit.
Und sie wussten: hier gab es keine Frage nach Existenz, die in irgendeiner Weise abgerichtet wurde. Vorurteile, die Menschen in ihren Denkmustern sortierten, zu voreilige Einordnungen, Klischees, Erfahrungen und Abneigungen fand man nicht auf den 3 Parkbänken. Und doch schämten sie sich, wenn sie an ihm vorbeiliefen und grüßten ihn nur so versteckt und zaghaft, dass selbst sie es kaum bemerkten.
Es schien, als wären die Tauben mit einem fernen Kummer beladen, befallen mit einer Krankheit. Glanzlos in der Geschäftigkeit der Großstadt. Und nur müde stolzierten sie auf und ab
Der Regen goss weiter und sie standen immer noch da.
Er hatte die Federn von alten und dreckigen und ausgelaugten Tauben in den die Gitterstreben der Bänke verflochten und sie für sich zurechtgebunden. Und um ihn herum war stehts der Boden mit Schrot bedeckt, der eigentlich der Landwirtschaft galt und nun festpappte und von den Tauben nicht mehr angenommen wurde. Im Regen vermengte er sich zu breiigen Inseln, die der Schauer kaum wegwusch und den die Ratten nicht mochten.
Fern, von weit her und von ganz nahe strömte das Leben durch die Straßen mit Licht und Turbulenz, und der Flügelschlag trieb irgendwann wieder an - bis auf die Vorsprünge der alten Kirche, mit Barock und Grünspan und Rost und Moos. Und wenn sich die Fußgänger im Shoppingwahn kurzweilig hinsetzten und verweilen wollten, dann spürten sie nur leise - doch sie fühlten es durchaus - wie etwas in ihnen durchatmete und zur Ruhe kam.
Sein linkes Auge war milchig und verblasst.
2 Perlen darin aus Dunkelheit, die sich vor sein Sichtfeld schoben.
Eine links oben halb bedeckt von einem faltigen Lid und die andere inmitten seiner Pupille.
Längsseits der alten Brücke, am Bahnhof - da wo es schon gefährlich wurde - war er ein Freund.
Seelenverwandt mit den Tauben. Sah nur das seichte Schillern ihrer Federn, nicht die knorpligen, verformten Füße, die durch jede hingespuckte Pfütze stapften.
Und er staffierte sie aus mit Schrot von der alten Fabrik, wo er in den Silos scharrte mit einem Plastikbecher und einer Aldi-Tüte die zerstampften Körner abschöpfte. Heimlich und leise. Und dann stakte er zurück.
Er sah ihr Schimmern und es war wertvoll für ihn.
Die Menschen merkten es nicht, dass sein Augenlicht verging.
Bank für Bank, Pflasterstein um Pflasterstein, altes Eisen aus den 40er Jahren und zeitgenössische Takeaway-Imbissbuden als unmittelbare Anrainer zu seiner Welt.
Seine Arme verschränkte er beim Gehen – obwohl es eher Promenieren heißen sollte – hinter seinem Rücken.
Auf allen Wegen promenierte er und das unterschied ihn von seinen Genossen.
Beständiger Schritt.
Früher sagte man, seine Augen hätten etwas fruchtiges und sie quollen hervor, wenn er zu viel nachdachte.
Sie taxierten die Welt und waren wie von innigem Verständnis und Milde.
Sein Blick war freundlich und traf sehr wohl auf Gesichter, die reagierten. Die stecknadelgroße Krankheit in seinen Augen schob immer wieder Gewitter über die Überlappungen seines Sichtfelds, das er füllte mit allerlei Dingen, die er sich ausdachte und die nur ihm gehörten und die fedrig-leicht zu seinen geflügelten Kameraden passten.
Er war ein Ausbund des Trotts der Stadt, eine heimliche, nicht ungern bemerkte Oase, die nur zu gerne initiativ umschifft wurde.
Sie färbte auf ihn ab, die Stadt, und durchdrang ihn mit allen Gerüchen, aller Feuchtigkeit des Sommers und Dreck von Myriaden an Schuhsolen - die sich durch die Stadt lavierten - mit porösen Kaugummiresten zwischen den Zehen, Kippen und Gesellschaft und hinterließ ein Bouquet, das in seine Poren sickerte - transpirierend und satt in den Schichten seiner Haut festhing.
Und doch fühlten sich die Menschen kurz sicher, wenn sie an ihm vorübergingen.
Das Treiben der Stadt und das stickige Klima und die Anonymität - die eigentlich keine war. Er kannte die Tauben bei den Namen, die er ihnen gegeben hatte.
Der Regen spülte ihm den Staub aus den Augen, der sich aus den Silos unter seine Wimpern festgebacken hatte. Rot und zerrieben, wenn sich der Himmel öffnete.
Doch dann lächelte er mit einer so besonderen Geste, dass die Menschen sich kurz mit sich selbst beschäftigten und beschämt ihre Gedankenmuster in sich verbargen.
Für ein paar Sekunden.
Denn es war ihnen unangenehm und es presste etwas in ihnen zusammen.
So standen sie an seiner Bank. Immer wieder kleine Trauben von Menschen.
Erst jetzt. Nach Jahren, in denen sie vorbegingen und sich heimlich etwas von ihm mitnahmen.
Nun hielten sie sich an ihren Einkaufstüten fest und konnten es nicht verstehen. Dann gingen sie und der Regen blieb.
Ein Habitat aufgerichtet an 3 Bänken für lange Zeit.
Und sie wussten: hier gab es keine Frage nach Existenz, die in irgendeiner Weise abgerichtet wurde. Vorurteile, die Menschen in ihren Denkmustern sortierten, zu voreilige Einordnungen, Klischees, Erfahrungen und Abneigungen fand man nicht auf den 3 Parkbänken. Und doch schämten sie sich, wenn sie an ihm vorbeiliefen und grüßten ihn nur so versteckt und zaghaft, dass selbst sie es kaum bemerkten.
Es schien, als wären die Tauben mit einem fernen Kummer beladen, befallen mit einer Krankheit. Glanzlos in der Geschäftigkeit der Großstadt. Und nur müde stolzierten sie auf und ab
Der Regen goss weiter und sie standen immer noch da.
Er hatte die Federn von alten und dreckigen und ausgelaugten Tauben in den die Gitterstreben der Bänke verflochten und sie für sich zurechtgebunden. Und um ihn herum war stehts der Boden mit Schrot bedeckt, der eigentlich der Landwirtschaft galt und nun festpappte und von den Tauben nicht mehr angenommen wurde. Im Regen vermengte er sich zu breiigen Inseln, die der Schauer kaum wegwusch und den die Ratten nicht mochten.
Fern, von weit her und von ganz nahe strömte das Leben durch die Straßen mit Licht und Turbulenz, und der Flügelschlag trieb irgendwann wieder an - bis auf die Vorsprünge der alten Kirche, mit Barock und Grünspan und Rost und Moos. Und wenn sich die Fußgänger im Shoppingwahn kurzweilig hinsetzten und verweilen wollten, dann spürten sie nur leise - doch sie fühlten es durchaus - wie etwas in ihnen durchatmete und zur Ruhe kam.