Tag 11 + 12:
'Sie lügen, Karl. Gib nicht auf. Hör nicht auf sie', sagte eine weitere Stimme, und er glaubte sie zu erkennen. Mehr als das. Karl glaubte wieder zu wissen, wer er selber war.
Karl. Er war Karl. Er klammerte sich mit aller Kraft, die er noch aufbringen konnte an diesen Gedanken.
"Warum tut ihr das?", fragte er, seine Stimme schwach.
"Um die Welt zu retten."
Es ist eine Lüge. Sie wollen dass alles wieder von vorne beginnt. Sie wollen uns und somit die Welt zerstören. Sie haben es schon mal versucht und auch beinahe geschafft. Sie wollen dich auf ihre Seite ziehen, deine Unwissendheit und Verwirrung gegen uns, gegen dich, nutzen. Aber du weißt wer du bist, Höre in dich rein und erkenn es.
"Wer bist du?" fragte er, ohne genau zu wissen wen von ihnen er meinte -- die Stimme, die sich in seinem Kopf ausgebreitet hatte, oder die der anderen, die, die um ihn herum waren.
"Wir sind deine einzige Hoffnung. Die einzigen, die dir die Wahrheit sagen wollen", hörte er wieder die hypnotische Stimme.
Er fühlte, wie etwas in seine Hand pickte, hart und immer wieder, bis der Schmerz nicht mehr nur ein Teil seines Unterbewusstseins war, und Karl erkannte was es war.
Ein Schnabel.
Aber als er den Kopf drehte, war da nichts zu sehen.
Tut mir leid, Karl, aber du musst aufwachen. Erkenne wer du bist, sehe, was hier passiert. Wehre dich!, hörte er eine krächzende, aber nur allzu bekannte Stimme in seinem Kopf.
"Du", wollte er sagen, aber er glaubte nicht, dass er die Worte wirklich heraus brachte. Falls doch ignorierten ihn die Anderen. "Bist du wirklich hier?"
"Was hat dein Vater dir gesagt?"
Ich bin bei dir. Genau wie dein Vater, auch wenn du uns nicht sehen kannst. Und jetzt steh auf und wehre dich!
"Mein Vater?"
"Der, der sich für deinen Vater ausgibt", korrigierte der Riese sich rasch.
Er ist hier bei mir. Er will dass du dich erinnerst. Du musst dich gegen sie wehren. Lass sie nicht gewinnen.
"Ich kann nicht", sagte er. "So schwach." Er fühlte, wie das Blut an seinen Handgelenken hinunterlief, dort wo die Metallfesseln in sein Fleisch schnitten.
"Natürlich kannst du das. Streng dich an. Sag uns alles, was er dir gesagt hat. Hilf uns die Welt zu retten!"
Unsinn! Du bist der Auserwählte, ausgestattet mit der Kraft der Götter. Wenn du es nicht kannst, dann ist die Menschheit wahrlich verloren und ihr verdient, was die da für euch geplant haben.
"Was wollen sie?", fragte er, aber er wusste nicht, ob er die Frage wirklich stellte, oder ob sie nur in seinen Gedanken entstand.
Das ist jetzt unwichtig. Wir werden dir nachher alles erklären.
"Alles leere Versprechen, wie immer", sagte er.
Diesmal nicht. Du hast unser Wort.
Karl lachte. Als wenn er sich darauf verlassen könnte!
"Du musst uns sagen was du weißt. Nur so können wir dir helfen." Da war wieder der Becher an seinen Lippen, und so wenig Karl der Stimme in seinem Kopf -- dem Raben -- glaubte, er hatte auch von dem Spiel der Anderen die Nase voll.
"Nein!", brachte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und wand sich wieder in seinen Fesseln, versuchte den Angriff auf seine Gedanken abzuwenden. "Ich habe genug", sagte er, und der Becher flog durch die Luft, scheinbar ohne dass er ihn berührt hatte.
"Kämpfe nicht. Du willst das hier, du willst dich uns anschließen. Du willst uns dein Blut geben, uns stärken und anführen. Gegen sie."
"Nein"" Er schüttelte die Hände ab, die auf seinen Wangen lagen und versuchten seinen Kopf still zu halten. Und dann spürte er es, eine Kraft, die durch ihn floss, mit nichts vergleichbar, was er bisher erlebt hatte
Karl strengte sich an, konzentriere sich auf diese Kraft in ihm. Er fühlte, wie der Halt von ihm abließ, wie der Ansturm auf seine Gedanken nachließ, die Bitterkeit des Getränkes aus seinem Blut verschwand. Und dann endlich fielen auch die Ketten mit einem lauten Scheppern zu Boden.
Er war frei.
Karl war schwindelig, als er aufstand. Der Blutverlust, registrierte es irgendwo in seinem Kopf, durch das Gewirr der Stimmen um ihn herum.
Es ist nicht gefährlich. Wir kümmern uns gleich um dich, sobald du das Kraftfeld außer Gefecht gesetzt hast. Wehre dich gegen sie.
Karl schloss für einen Augenblick die Augen, ließ die Kraft durch sich fließen. Als er sie wieder öffnete, schien es taghell. "Das war ein großer Fehler", sagte er endlich zu der Gruppe, die sich auf der Lichtung mit ihm befand. Da war der Riese (nur wirkte er jetzt gar nicht mehr so groß und bedrohlich), und der kleinere Mann mit dem Fuchs. Das Tier knurrte Karl an. Etwas weiter weg stand Melanie mit ihrem Vater. Beide sahen ihn entsetzt an.
"Seine Augen, sie brennen", brachte Melanie endlich das Schweigen.
"Macht scheint doch eine anziehende Wirkung zu haben", sagte Karl mit einem abfälligen Lächeln in ihre Richtung. "Ich hab keinen Augenblick geglaubt, dass es dir um mich ging." Das Mädchen zuckte zusammen.
"Das ist nicht wahr, Karl", sagte sie, und machte einen Schritt in seine Richtung. Ihr Vater stoppte sie mit einer Hand auf ihrer Schulter.
Karl lachte. "Ich sollte euch einfach töten." Er öffnete und schloss seine Hand, begutachtete die kleine grüne Flamme in seiner Handfläche mit einem Lächeln. So klein, aber doch so kraftvoll. Und es war alles seins. Es gehörte ihm. Es war seine Kraft. Sein Erbe.
"Dachtet ihr wirklich, es wäre so einfach? Ich werde mich euch niemals anschließen."
"Du weißt überhaupt nichts. Du glaubst nur zu wissen", wagte sich der Riese endlich zu sprechen. Karl konnte die Furcht ihn ihm fühlen. Er badete in ihr.
"Und was soll ich wissen? Das ihr mich unter Drogen gesetzt habt, mir Mädchen auf den Hals schickt und was weiß ich noch alles? Für was? Dafür?", fragte er, und schleuderte eine Hand grüne Flamme in Richtung der Gruppe.
Karl lachte, als der Riese sich duckte, aber die Flamme traf nur den Boden.
"Das ist es Karl. Fühle die Kraft. Damit kannst du uns helfen. Das ist alles was wir wollten. Dein Erwachen, das du verstehst", sagte der kleine Mann mit dem Fuchs. Er war nicht nur klein, sondern auch jung, nur ein paar Jahre älter als Karl, und er konnte eine tiefe Verbundenheit zu ihm spüren. Dieses Gefühl war beinahe so stark, wie die Enttäuschung, die in ihm brannte als ihr Blick sich traf.
Es waren alles Gefühle, die mindestens so alt wie die Welt und noch zeitloser waren.
"Oh, ich verstehe. Mehr als du glaubst. Du wolltest mich benutzen. Es ist doch immer wieder das Gleiche, nicht wahr? Die Geschichte scheint sich doch immer wieder zu wiederholen. Aber diesmal nicht. Du kannst diesen Kampf nicht gewinnen. Nicht mehr."
"Ich habe ihn schon einmal gewonnen", erinnerte der andere ihn.
Karl schüttelte den Kopf. "Du hast es versucht, aber die Welt steht noch immer. Und ich bin auch noch da. So wie ich es immer sein werde. Mein Blut wird diese Welt niemals verlassen. Ich bin die Welt."
Die Augen des Mannes verengten sich. "Egal wie viele Leben du lebst, manches scheint sich auch bei dir nicht zu verändern. Du bist immer noch genauso arrogant wie seit je her."
Die Kraft in seinem Körper, das Gefühl von richtig wach zu sein, fühlte sich großartig an. Karl konnte sich nicht erinnern, sich jemals so lebendig gefühlt zu haben. "Deswegen bin ich auch noch immer da, und werde es auch noch lange nach dir sein."
Sein Gegenüber schnaubte und da war ein Glitzern in seinen Augen. "Es bleibt zu sehen, wie lange das noch der Fall sein wird. Was willst du jetzt überhaupt machen? Du bist vor deiner Zeit erwacht. Zu früh, um irgendetwas machen zu können. Selbst wenn ich nichts gegen dein momentanes selbst machen kann, es gibt genug andere, die es können. Oder du bleibst wie du bist, und du wirst schon vor der Zeit der Jagd ausgebrannt sein."
"Lass das mal meine Sorge sein. Du wirst jetzt nur das Kraftfeld öffnen. Alles andere wird sich von selbst ergeben."
"Ich denke nicht. Warum bleiben wir nicht hier stehen, und warten ab was passiert? Wie lange wirst du das noch aushalten können? Diese immense Kraft?"
Bevor sich Karl dessen überhaupt bewusst war, hatte er den anderen Mann mental gegen den nächsten Stein geschleudert. "Öffne das Kraftfeld. Jetzt", befahl er, als er sich ihm näherte. "Ich mag dich vielleicht nicht vernichten können, noch nicht, aber ich kann zumindest dafür sorgen, dass du bereuen wirst mir jemals begegnet zu sein", sagte er, seine Stimme ruhig, als sich seine Hand um den Hals des anderen legte. Er verbreitete keinen Druck, noch nicht. Die verbleibende Hitze der Flamme war genug. "Also?"
Als der andere Mann nicht direkt reagierte, schloss Karl die Augen, zwang etwas mehr Kraft in seine Hand, gerade genug, dass die Hitze unangenehm sein musste. Der andere Mann stöhnte unter dem Angriff. "Sei verflucht", brachte er heraus. Er gab sich Mühe, Karl musste ihm das geben. Aber es dauerte zu lange. Die Kraft begann schon an seinem Körper zu zehren. Er musste es hier und jetzt beenden.
"Öffne das Feld", zischte er. "Oder du wirst mich noch darum anflehen sterben zu dürfen."
"Mach es", sagte der Riese, der sich langsam von seinem Schock zu erholen schien. Karl warf ihm einen Blick über seine Schulter zu, der ihn wieder auf den Boden zurück warf.
"Eigentlich stimme ich deinen Nachfolgern selten zu, sie sind mir einfach zu beschränkt in ihren Denkweisen, aber an deiner Stelle würde ich auf ihn hören. Er hat nämlich Recht. Jeder andere Zeitpunkt ist besser als dieser, um sich mit mir anzulegen. Meine Geduld ist nicht gerade die stärkste im Moment. Muss an dem Alter und den ganzen Hormonen liegen", flüsterte er dem anderen ins Ohr, als er den Druck der Flammen noch etwas verstärkte.
"Verdammt!" Der Fuchs jaulte und strich um sie beide herum als sein Meister fluchte, lauernd, beinahe so, als warte er nur auf eine Gelegenheit Karl an die Kehle zu springen. Gerade als Karl darüber nachdachte, wie er sein Gegenüber sonst noch überzeugen konnte, auf eine Weise, dass es nicht seine eigenen Kräfte übersteigen würde, schloss dieser die Augen.
Als er sie wieder öffnete, konnte Karl seine Mutter ausmachen, sowie ihre neuen Nachbarn, und der Rabe. Letzterer kam auf Karl zugeflogen, machte aber kehrt, als Hagen Albert einen Schritt in Karls Richtung machte und flog nun auf diesen zu.
"Soll ich mich um ihn kümmern?", krächzte der Vogel.
Karl sah Melanies Vater prüfend an, schüttelte aber dann den Kopf. "Er ist es nicht wert. Er ist ein Niemand. Wie schon immer. Lass ihn einfach vergessen. Alles was heute Abend passiert ist. Ich nehme mich seiner an, wenn ich Zeit dafür habe und er es wert sein sollte. Aber gib ihm gewaltige Kopfschmerzen, nur so als kleine Warnung. Mach mit ihr das gleiche", sagte Karl und deutete auf Melanie, die ihn aus weit aufgerissenen Augen ansah. "Aber ohne die Kopfschmerzen."
"Du solltest ihn vielleicht jetzt besser gehen lassen, Karl", hörte er von hinter sich. Es war Bertram. Jetzt erkannte er ihn auch. Sein vielleicht ältester Vertrauter. Er und die Zwillinge. Auf der einen oder der anderen Art waren sie immer an seiner Seite gewesen.
"Ich sollte ihn einfach töten."
"Das kannst du nicht. Und selbst wenn, dann wärst du nicht besser als er. Du hast für den Moment gewonnen, lass ihn gehen. Bitte."
Karl sah den anderen Mann finster an. Wie lange war es her? Schon sehr lange, beinahe eine Ewigkeit. Und noch länger, als er ihn seinen Freund genannt hatte... Karl verzog keine Grimasse, noch nicht einmal, als eine Welle glühenden Schmerzes durch seinen Körper zog. Keine Schwäche zeigen. Niemals. Und ganz besonders nicht in seiner Nähe. Aber er musste dem ein Ende setzen. Sein Körper gab nach. Es war zu viel auf einmal gewesen. Seine Kräfte waren zu plötzlich erwacht, mit zu viel Gewalt und viel zu stark. Er verlor die Kontrolle.
"Wenn du weißt was gut für dich ist, verschwinde jetzt und lass dich nicht mehr hier sehen. Solltest du dich mir auf dieser Ebene noch mal in den Weg stellen, werde ich einen Weg finden dich doch zu zerstören", fauchte er und schleuderte ihn dann von sich.
Er löste sich beinahe sofort in Luft auf. Karl lächelte. Genau wie damals. Manche Dinge änderten sich tatsächlich nie. Als er sich umdrehte, sah er den Riesen noch immer auf dem Boden kauern. Karl grinste ihn an und machte drei Schritte auf ihn zu.
Er ignorierte seine schmerzenden Knochen und das Schwindelgefühl, und kniete sich vor ihm auf dem feuchten Boden. Da war Furcht in seinen Augen. Karl konnte es ihm nicht übel nehmen, nicht nach allem, was er heute gesehen hatte. Wahrscheinlich war er nicht darauf vorbereitet gewesen. Die wenigsten waren es. Es lagen halt doch Welten zwischen Worten und Taten. "Du solltest dich besser aus Angelegenheiten raushalten, die dich nichts angehen", sagte er dann sanft.
Das Gesicht des Mannes verlor jegliche Farbe und er fiel in Ohnmacht.
"Karl."
Er lächelte seine Mutter an und stand auf. "Ich wusste, dass du mich angelogen hast."
Sie sah in beinahe flehentlich an. "Ich hatte meine Gründe."
Karl nickte. "Ich weiß. Aber du lügst schlecht. Keiner kann sprechende Tiere so gelassen nehmen", sagte er und grinste, bevor ihn so eine Schwäche überkam, dass er sich gegen einen der Steine lehnen musste.
"Du solltest dich ausruhen. Du warst dafür noch nicht bereit", hörte er Bertram, während die Zwillinge an seine Seite traten und ihn stützten. Diesmal war er dankbar für ihre Anwesendheit.
Karl nickte. "Kümmert euch um den Rest hier. Macht sie vergessen, dass heute Abend jemals stattgefunden hat. Sie dürfen sich nicht erinnern. Noch nicht", sagte er noch, dann fühlte er sein Bewusstsein schwinden.
-.-.-.-.-.-.-.-
'Sie lügen, Karl. Gib nicht auf. Hör nicht auf sie', sagte eine weitere Stimme, und er glaubte sie zu erkennen. Mehr als das. Karl glaubte wieder zu wissen, wer er selber war.
Karl. Er war Karl. Er klammerte sich mit aller Kraft, die er noch aufbringen konnte an diesen Gedanken.
"Warum tut ihr das?", fragte er, seine Stimme schwach.
"Um die Welt zu retten."
Es ist eine Lüge. Sie wollen dass alles wieder von vorne beginnt. Sie wollen uns und somit die Welt zerstören. Sie haben es schon mal versucht und auch beinahe geschafft. Sie wollen dich auf ihre Seite ziehen, deine Unwissendheit und Verwirrung gegen uns, gegen dich, nutzen. Aber du weißt wer du bist, Höre in dich rein und erkenn es.
"Wer bist du?" fragte er, ohne genau zu wissen wen von ihnen er meinte -- die Stimme, die sich in seinem Kopf ausgebreitet hatte, oder die der anderen, die, die um ihn herum waren.
"Wir sind deine einzige Hoffnung. Die einzigen, die dir die Wahrheit sagen wollen", hörte er wieder die hypnotische Stimme.
Er fühlte, wie etwas in seine Hand pickte, hart und immer wieder, bis der Schmerz nicht mehr nur ein Teil seines Unterbewusstseins war, und Karl erkannte was es war.
Ein Schnabel.
Aber als er den Kopf drehte, war da nichts zu sehen.
Tut mir leid, Karl, aber du musst aufwachen. Erkenne wer du bist, sehe, was hier passiert. Wehre dich!, hörte er eine krächzende, aber nur allzu bekannte Stimme in seinem Kopf.
"Du", wollte er sagen, aber er glaubte nicht, dass er die Worte wirklich heraus brachte. Falls doch ignorierten ihn die Anderen. "Bist du wirklich hier?"
"Was hat dein Vater dir gesagt?"
Ich bin bei dir. Genau wie dein Vater, auch wenn du uns nicht sehen kannst. Und jetzt steh auf und wehre dich!
"Mein Vater?"
"Der, der sich für deinen Vater ausgibt", korrigierte der Riese sich rasch.
Er ist hier bei mir. Er will dass du dich erinnerst. Du musst dich gegen sie wehren. Lass sie nicht gewinnen.
"Ich kann nicht", sagte er. "So schwach." Er fühlte, wie das Blut an seinen Handgelenken hinunterlief, dort wo die Metallfesseln in sein Fleisch schnitten.
"Natürlich kannst du das. Streng dich an. Sag uns alles, was er dir gesagt hat. Hilf uns die Welt zu retten!"
Unsinn! Du bist der Auserwählte, ausgestattet mit der Kraft der Götter. Wenn du es nicht kannst, dann ist die Menschheit wahrlich verloren und ihr verdient, was die da für euch geplant haben.
"Was wollen sie?", fragte er, aber er wusste nicht, ob er die Frage wirklich stellte, oder ob sie nur in seinen Gedanken entstand.
Das ist jetzt unwichtig. Wir werden dir nachher alles erklären.
"Alles leere Versprechen, wie immer", sagte er.
Diesmal nicht. Du hast unser Wort.
Karl lachte. Als wenn er sich darauf verlassen könnte!
"Du musst uns sagen was du weißt. Nur so können wir dir helfen." Da war wieder der Becher an seinen Lippen, und so wenig Karl der Stimme in seinem Kopf -- dem Raben -- glaubte, er hatte auch von dem Spiel der Anderen die Nase voll.
"Nein!", brachte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und wand sich wieder in seinen Fesseln, versuchte den Angriff auf seine Gedanken abzuwenden. "Ich habe genug", sagte er, und der Becher flog durch die Luft, scheinbar ohne dass er ihn berührt hatte.
"Kämpfe nicht. Du willst das hier, du willst dich uns anschließen. Du willst uns dein Blut geben, uns stärken und anführen. Gegen sie."
"Nein"" Er schüttelte die Hände ab, die auf seinen Wangen lagen und versuchten seinen Kopf still zu halten. Und dann spürte er es, eine Kraft, die durch ihn floss, mit nichts vergleichbar, was er bisher erlebt hatte
Karl strengte sich an, konzentriere sich auf diese Kraft in ihm. Er fühlte, wie der Halt von ihm abließ, wie der Ansturm auf seine Gedanken nachließ, die Bitterkeit des Getränkes aus seinem Blut verschwand. Und dann endlich fielen auch die Ketten mit einem lauten Scheppern zu Boden.
Er war frei.
Karl war schwindelig, als er aufstand. Der Blutverlust, registrierte es irgendwo in seinem Kopf, durch das Gewirr der Stimmen um ihn herum.
Es ist nicht gefährlich. Wir kümmern uns gleich um dich, sobald du das Kraftfeld außer Gefecht gesetzt hast. Wehre dich gegen sie.
Karl schloss für einen Augenblick die Augen, ließ die Kraft durch sich fließen. Als er sie wieder öffnete, schien es taghell. "Das war ein großer Fehler", sagte er endlich zu der Gruppe, die sich auf der Lichtung mit ihm befand. Da war der Riese (nur wirkte er jetzt gar nicht mehr so groß und bedrohlich), und der kleinere Mann mit dem Fuchs. Das Tier knurrte Karl an. Etwas weiter weg stand Melanie mit ihrem Vater. Beide sahen ihn entsetzt an.
"Seine Augen, sie brennen", brachte Melanie endlich das Schweigen.
"Macht scheint doch eine anziehende Wirkung zu haben", sagte Karl mit einem abfälligen Lächeln in ihre Richtung. "Ich hab keinen Augenblick geglaubt, dass es dir um mich ging." Das Mädchen zuckte zusammen.
"Das ist nicht wahr, Karl", sagte sie, und machte einen Schritt in seine Richtung. Ihr Vater stoppte sie mit einer Hand auf ihrer Schulter.
Karl lachte. "Ich sollte euch einfach töten." Er öffnete und schloss seine Hand, begutachtete die kleine grüne Flamme in seiner Handfläche mit einem Lächeln. So klein, aber doch so kraftvoll. Und es war alles seins. Es gehörte ihm. Es war seine Kraft. Sein Erbe.
"Dachtet ihr wirklich, es wäre so einfach? Ich werde mich euch niemals anschließen."
"Du weißt überhaupt nichts. Du glaubst nur zu wissen", wagte sich der Riese endlich zu sprechen. Karl konnte die Furcht ihn ihm fühlen. Er badete in ihr.
"Und was soll ich wissen? Das ihr mich unter Drogen gesetzt habt, mir Mädchen auf den Hals schickt und was weiß ich noch alles? Für was? Dafür?", fragte er, und schleuderte eine Hand grüne Flamme in Richtung der Gruppe.
Karl lachte, als der Riese sich duckte, aber die Flamme traf nur den Boden.
"Das ist es Karl. Fühle die Kraft. Damit kannst du uns helfen. Das ist alles was wir wollten. Dein Erwachen, das du verstehst", sagte der kleine Mann mit dem Fuchs. Er war nicht nur klein, sondern auch jung, nur ein paar Jahre älter als Karl, und er konnte eine tiefe Verbundenheit zu ihm spüren. Dieses Gefühl war beinahe so stark, wie die Enttäuschung, die in ihm brannte als ihr Blick sich traf.
Es waren alles Gefühle, die mindestens so alt wie die Welt und noch zeitloser waren.
"Oh, ich verstehe. Mehr als du glaubst. Du wolltest mich benutzen. Es ist doch immer wieder das Gleiche, nicht wahr? Die Geschichte scheint sich doch immer wieder zu wiederholen. Aber diesmal nicht. Du kannst diesen Kampf nicht gewinnen. Nicht mehr."
"Ich habe ihn schon einmal gewonnen", erinnerte der andere ihn.
Karl schüttelte den Kopf. "Du hast es versucht, aber die Welt steht noch immer. Und ich bin auch noch da. So wie ich es immer sein werde. Mein Blut wird diese Welt niemals verlassen. Ich bin die Welt."
Die Augen des Mannes verengten sich. "Egal wie viele Leben du lebst, manches scheint sich auch bei dir nicht zu verändern. Du bist immer noch genauso arrogant wie seit je her."
Die Kraft in seinem Körper, das Gefühl von richtig wach zu sein, fühlte sich großartig an. Karl konnte sich nicht erinnern, sich jemals so lebendig gefühlt zu haben. "Deswegen bin ich auch noch immer da, und werde es auch noch lange nach dir sein."
Sein Gegenüber schnaubte und da war ein Glitzern in seinen Augen. "Es bleibt zu sehen, wie lange das noch der Fall sein wird. Was willst du jetzt überhaupt machen? Du bist vor deiner Zeit erwacht. Zu früh, um irgendetwas machen zu können. Selbst wenn ich nichts gegen dein momentanes selbst machen kann, es gibt genug andere, die es können. Oder du bleibst wie du bist, und du wirst schon vor der Zeit der Jagd ausgebrannt sein."
"Lass das mal meine Sorge sein. Du wirst jetzt nur das Kraftfeld öffnen. Alles andere wird sich von selbst ergeben."
"Ich denke nicht. Warum bleiben wir nicht hier stehen, und warten ab was passiert? Wie lange wirst du das noch aushalten können? Diese immense Kraft?"
Bevor sich Karl dessen überhaupt bewusst war, hatte er den anderen Mann mental gegen den nächsten Stein geschleudert. "Öffne das Kraftfeld. Jetzt", befahl er, als er sich ihm näherte. "Ich mag dich vielleicht nicht vernichten können, noch nicht, aber ich kann zumindest dafür sorgen, dass du bereuen wirst mir jemals begegnet zu sein", sagte er, seine Stimme ruhig, als sich seine Hand um den Hals des anderen legte. Er verbreitete keinen Druck, noch nicht. Die verbleibende Hitze der Flamme war genug. "Also?"
Als der andere Mann nicht direkt reagierte, schloss Karl die Augen, zwang etwas mehr Kraft in seine Hand, gerade genug, dass die Hitze unangenehm sein musste. Der andere Mann stöhnte unter dem Angriff. "Sei verflucht", brachte er heraus. Er gab sich Mühe, Karl musste ihm das geben. Aber es dauerte zu lange. Die Kraft begann schon an seinem Körper zu zehren. Er musste es hier und jetzt beenden.
"Öffne das Feld", zischte er. "Oder du wirst mich noch darum anflehen sterben zu dürfen."
"Mach es", sagte der Riese, der sich langsam von seinem Schock zu erholen schien. Karl warf ihm einen Blick über seine Schulter zu, der ihn wieder auf den Boden zurück warf.
"Eigentlich stimme ich deinen Nachfolgern selten zu, sie sind mir einfach zu beschränkt in ihren Denkweisen, aber an deiner Stelle würde ich auf ihn hören. Er hat nämlich Recht. Jeder andere Zeitpunkt ist besser als dieser, um sich mit mir anzulegen. Meine Geduld ist nicht gerade die stärkste im Moment. Muss an dem Alter und den ganzen Hormonen liegen", flüsterte er dem anderen ins Ohr, als er den Druck der Flammen noch etwas verstärkte.
"Verdammt!" Der Fuchs jaulte und strich um sie beide herum als sein Meister fluchte, lauernd, beinahe so, als warte er nur auf eine Gelegenheit Karl an die Kehle zu springen. Gerade als Karl darüber nachdachte, wie er sein Gegenüber sonst noch überzeugen konnte, auf eine Weise, dass es nicht seine eigenen Kräfte übersteigen würde, schloss dieser die Augen.
Als er sie wieder öffnete, konnte Karl seine Mutter ausmachen, sowie ihre neuen Nachbarn, und der Rabe. Letzterer kam auf Karl zugeflogen, machte aber kehrt, als Hagen Albert einen Schritt in Karls Richtung machte und flog nun auf diesen zu.
"Soll ich mich um ihn kümmern?", krächzte der Vogel.
Karl sah Melanies Vater prüfend an, schüttelte aber dann den Kopf. "Er ist es nicht wert. Er ist ein Niemand. Wie schon immer. Lass ihn einfach vergessen. Alles was heute Abend passiert ist. Ich nehme mich seiner an, wenn ich Zeit dafür habe und er es wert sein sollte. Aber gib ihm gewaltige Kopfschmerzen, nur so als kleine Warnung. Mach mit ihr das gleiche", sagte Karl und deutete auf Melanie, die ihn aus weit aufgerissenen Augen ansah. "Aber ohne die Kopfschmerzen."
"Du solltest ihn vielleicht jetzt besser gehen lassen, Karl", hörte er von hinter sich. Es war Bertram. Jetzt erkannte er ihn auch. Sein vielleicht ältester Vertrauter. Er und die Zwillinge. Auf der einen oder der anderen Art waren sie immer an seiner Seite gewesen.
"Ich sollte ihn einfach töten."
"Das kannst du nicht. Und selbst wenn, dann wärst du nicht besser als er. Du hast für den Moment gewonnen, lass ihn gehen. Bitte."
Karl sah den anderen Mann finster an. Wie lange war es her? Schon sehr lange, beinahe eine Ewigkeit. Und noch länger, als er ihn seinen Freund genannt hatte... Karl verzog keine Grimasse, noch nicht einmal, als eine Welle glühenden Schmerzes durch seinen Körper zog. Keine Schwäche zeigen. Niemals. Und ganz besonders nicht in seiner Nähe. Aber er musste dem ein Ende setzen. Sein Körper gab nach. Es war zu viel auf einmal gewesen. Seine Kräfte waren zu plötzlich erwacht, mit zu viel Gewalt und viel zu stark. Er verlor die Kontrolle.
"Wenn du weißt was gut für dich ist, verschwinde jetzt und lass dich nicht mehr hier sehen. Solltest du dich mir auf dieser Ebene noch mal in den Weg stellen, werde ich einen Weg finden dich doch zu zerstören", fauchte er und schleuderte ihn dann von sich.
Er löste sich beinahe sofort in Luft auf. Karl lächelte. Genau wie damals. Manche Dinge änderten sich tatsächlich nie. Als er sich umdrehte, sah er den Riesen noch immer auf dem Boden kauern. Karl grinste ihn an und machte drei Schritte auf ihn zu.
Er ignorierte seine schmerzenden Knochen und das Schwindelgefühl, und kniete sich vor ihm auf dem feuchten Boden. Da war Furcht in seinen Augen. Karl konnte es ihm nicht übel nehmen, nicht nach allem, was er heute gesehen hatte. Wahrscheinlich war er nicht darauf vorbereitet gewesen. Die wenigsten waren es. Es lagen halt doch Welten zwischen Worten und Taten. "Du solltest dich besser aus Angelegenheiten raushalten, die dich nichts angehen", sagte er dann sanft.
Das Gesicht des Mannes verlor jegliche Farbe und er fiel in Ohnmacht.
"Karl."
Er lächelte seine Mutter an und stand auf. "Ich wusste, dass du mich angelogen hast."
Sie sah in beinahe flehentlich an. "Ich hatte meine Gründe."
Karl nickte. "Ich weiß. Aber du lügst schlecht. Keiner kann sprechende Tiere so gelassen nehmen", sagte er und grinste, bevor ihn so eine Schwäche überkam, dass er sich gegen einen der Steine lehnen musste.
"Du solltest dich ausruhen. Du warst dafür noch nicht bereit", hörte er Bertram, während die Zwillinge an seine Seite traten und ihn stützten. Diesmal war er dankbar für ihre Anwesendheit.
Karl nickte. "Kümmert euch um den Rest hier. Macht sie vergessen, dass heute Abend jemals stattgefunden hat. Sie dürfen sich nicht erinnern. Noch nicht", sagte er noch, dann fühlte er sein Bewusstsein schwinden.
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