Tag 13

Kadira

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Tag 13:

"Und denkst du immer noch, dass sie die bessere Alternative sind, Erika?", hörte Karl im Halbschlaf. Sein Nachbar, Bertram Bauer, informierte ihn der Teil seines Gehirnes, der schon wacher als der Rest war.

Die Antwort seiner Mutter ging in einem Gähnen unter. Karl drehte sich noch mal um, öffnete dann aber langsam die Augen, als er erkannte, dass er sich nicht n seinem eigenen Bett befand. Da war zu viel Platz, und er versank auch nicht in seiner Kissenburg, wie seine Mutter die Ansammlungen von Kissen auf seinem Bett immer bezeichnete.

Das Licht war angenehm gedämpft, als er die Augen endlich öffnete. Aber auch so erkannte Karl, dass er sich nicht nur nicht in seinem eigenen Bett, sondern auch nicht in seinem eigenen Haus befand. Glaubte er zumindest, wenn seine Mutter nicht heimlich angebaut hatte.

Er konnte ein Stöhnen nicht ganz unterdrücken, als er sich auf richtete. Karl fühlte sich wie zweimal gegessen und wieder ausgespuckt, und das war noch eine Untertreibung. Trotzdem schwang er seine Beine übers Bett und setzte sich auf.

Er brauchte einen Moment um zu erkennen, dass er nackt war, aber seine Gedanken waren noch zu verschwommen, als das er weiter darüber nachgrübeln konnte. Wie es war, wusste er nur eins ganz sicher, und zwar, dass er in Sicherheit war. Hier konnte ihm nichts passieren.

Nach einem weiteren Augenblick konnte er sich endlich dazu aufraffen aufzustehen. Auf einem Sessel neben dem Bett sah er einen Bademantel. Er hatte keine Ahnung wem er gehörte, aber es kümmerte ihn auch nicht sonderlich.

Er folgte den Stimmen durch einen dunklen Korridor hindurch, um Ecken herum und an Zimmern vorbei, bis er fast davon überzeugt war, dass er sich in einem Labyrinth befinden musste. Dann endlich fand er ihren Ausgangspunkt. Er blinzelte gegen das zu helle Licht in dem Wohnzimmer.

"Karl!", hörte er seine Mutter, als er im Türrahmen zu stehen kam, und sich gegen das Holz lehnte. Gott, er fühlte sich wie ein frisch geborenes Kalb. Zumindest wenn das, was er mal in einer Reportage gesehen und gehört hatte stimmte. "Komm, setz dich." Er folgte dem Druck an seinem Arm, bis er an seinen Beinen etwas Weiches fühlte. Dankbar ließ er sich auf eine Couch fallen. Er erlaubte sogar seiner Mutter einen Arm um ihn zu legen.

"Wie fühlst du dich?", fragte Bertram. Svenja saß neben ihm auf der kleineren Couch und beobachtete Karl neugierig.

"So gut als wenn ich mehrmals vor einen Laster gelaufen wäre."

"Kein Wunder. Du hast eine immense Kraft verbraucht. Ich bin überrascht, dass du nach nur zwei Tagen schon wieder auf den Beinen bist."

"Zwei Tage?"

Bertram nickte. "So lange hast du geschlafen.

"Willst du Zucker in deinen Tee?", fragte Sven bevor Karl antworten konnte, und goss ihm Tee ein. Karl nickte. "Wie viel?"

"Ich mach das schon selber. Meine Arme funktionieren glücklicherweise noch", erklärte er mit einem Grinsen. "Verbände oder nicht", fügte er mit einem Stirnrunzeln hinzu, als er sich seiner verbandagierten Handgelenke bewusst wurde.

"Du warst verletzt. Sie haben dich auf dieser Ebene angegriffen, was dich noch verwundbarer gemacht hat, besonders weil du noch nicht bereit warst."

"Sie hatten schon immer so ein gutes Timing, oder?"

"Sie hatten Jahrhunderte um es zu perfektionieren", sagte Bertram mit einem schiefen, etwas unbeholfenen Lächeln. Karl erkannte, dass er noch immer unsicher war. Weswegen konnte Karl zwar nicht genau sagen, aber er vermutete, dass es mit ihm und der Situation zu tun hatte.

"Vielleicht habe ich mir doch etwas zu viel Zeit gelassen. Danke dir für deine Hilfe. Euch allen."

Svenja strahlte ihn an, während die beiden Männer nur nickten, als wenn es das selbstverständlichste der Welt wäre. Wahrscheinlich war es das auch, aber Karl würde später versuchen sich an all die davors zu erinnern.

Von der Seite hörte Karl es krächzen. Er drehte sich um. Der Rabe sah ihn beinahe beleidigt an. "Und dir ganz besonders", sagte er dann und lehnte sich über die Couch um dem Tier über die Federn zu streicheln. Der Rabe legte seinen Kopf schief und schloss halb die Augen. Wäre er eine Katze, würde er mit Sicherheit schnurren. "Munin, nicht?"

Der Rabe blinzelte ihn an. "Du erinnerst dich also wirklich."

Karl setzte sich gerade auf. "An manches. Aber vieles ist noch ein großes Wirrwarr von Gedanken, Erinnerungen, Wissen. Aber was ist mit den Anderen passiert?", wechselte er für den Moment das Thema.

"Er ist wieder verschwunden. Keiner der anderen wird sich mehr an das erinnern, was passiert ist. Wie es dein Wunsch war."

Er nickte.

"Und wie geht es jetzt weiter?", fragte seine Mutter. Die Frage hatte sich Karl selber auch schon gestellt. Nach allem was gestern passiert war, fühlte er sich nicht schlauer als zuvor. Obwohl die Situation einerseits klarer geworden war, schien sie jetzt noch weniger Sinn zu machen.

"Nachdem das Erwachen doch etwas abrupt über die Bühne gegangen ist, sollten wir ein, vielleicht sogar zwei, Schritte zurückschalten bevor wir mit den Vorbereitungen beginnen, und Karl lernt seine Kräfte zu benutzen. An was erinnerst du dich noch, Karl?"

"An alles, an nichts. Ich kann es nicht sagen. Aber es fühlte sich unglaublich an", sagte er mit einem kleinen Grinsen. Seine Mutter und die Zwillinge lachten, erstere unbeholfen, die letzteren beiden vorsichtig. "Ich will wissen, wer ich wirklich bin", sagte Karl dann mit Nachdruck. "Keine Lügen mehr." Er konnte fühlen, wie seine Mutter neben ihm zusammen zuckte.

Bertram nickte. "Hast du schon eine Idee?"

Karl schaffte es gleichzeitig seinen Kopf zu schütteln und zu nicken. "Munin sagte mein Vater war gestern da, also bin ich nicht seine Wiedergeburt. Bin ich das Kind des Allvaters? Ein wahllos ausgewähltes Gefäß? Ein Unfall?"

"Das ist etwas schwieriger zu erklären", sagte Bertram.

Karl zuckte mit den Schultern. "Es ist gemütlich hier, wir haben Tee und wohl auch nichts anderes wichtiges heute mehr vor, oder?" Ihm wurde erst bewusst, dass seine Stimme einen scharfen Ton angenommen hatte, als Bertram deutlich zusammenzuckte.

"Nein, Herr."

"Lass dass mit dem Herr, Bertram. Ich weiß noch nicht einmal wirklich wer ich bin, also ist es wohl nicht angebracht." Karl lehnte sich mit einem Seufzer zurück in die Couch. "Tut mir leid. Ich wollte dich nicht anfahren. Aber ich muss es wissen und du bist der wahrscheinlich Einzige, der mir alles erklären kann."

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